Warnowquerung

Warnowquerung
Übersichtsplan zum gesamten Bauvorhaben
Einfahrt in den Warnowtunnel von der Ostseite

Der Warnowtunnel, auch Warnowquerung genannt, ist die erste mautpflichtige privatwirtschaftlich betriebene Fahrstrecke in Deutschland im Durchgangsverkehr. Sie verbindet die beiden Ufer der Warnow im Norden Rostocks zwischen Schmarl und Krummendorf durch einen 790 Meter langen vierspurigen Tunnel miteinander.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Planungen für eine feste Warnowquerung gibt es angeblich seit „Kaisers Zeiten“. Konkrete Quellen sind hierzu jedoch nicht bekannt. In den 1920er Jahren wurde ein Plan für eine Brücke vom Stadthafen nach Gehlsdorf in Höhe des Kanonsberges angefertigt, die den älteren Rostockern noch als Warnowbrücke aus den Planungen der späten 1960er Jahre ein Begriff ist. Im Flächennutzungsplan von 1950 kommt eine Warnowquerung von Gehlsdorf über Bramow in Richtung Hamburger Straße als Bestandteil eines Stadtringes vor. Im Generalverkehrsplan von 1959 ist eine Fährverbindung von Schmarl nach Oldendorf enthalten. Der Generalverkehrsplan von 1967 verzeichnet im Zusammenhang mit dem neuen Überseehafen und dem beginnenden Wohnungsbau in Lütten Klein an dieser Stelle eine feste Warnowquerung als Tunnel. Dieser ist auch Bestandteil der darauf aufbauenden Planungen der 1970er Jahre. Dadurch hielten sich die umliegenden Straßenbauarbeiten in Grenzen, da beidseitig der Warnow bereits 4-spurig ausgebaute Straßen bis fast ans Ufer führten (im Westen die Warnowallee (Zubringer zur B 103 und im Osten die A19).
Bald nach der Wende wurde ein Antrag zur Aufnahme in den vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplans gestellt. Dieser wurde aufgrund der geringen Bedeutung der Trasse für den überregionalen Verkehr im Bundesfernstraßennetz jedoch nicht bewilligt. Im Generalverkehrsplan 1992/93 ist die nördliche Warnowquerung als Tunnel oder Hochbrücke genannt. Im Integrierten Gesamtverkehrskonzept von 1998 ist die Warnowbrücke nach Gehlsdorf nicht mehr enthalten.[1]

Planung und Vorbereitung

Mit der Gesetzesnovelle von 1994 zum Fernstraßenprivatfinanzierungsgesetz rückte das Tunnelprojekt in greifbare Nähe. Die bereits seit der Wende laufenden Planungen wurden intensiviert und die erforderlichen Vorbereitungen begonnen. Für die Herstellung der rechtlichen Voraussetzungen war ein Planfeststellungsverfahren nach dem Bundesfernstraßengesetz durchzuführen. Hierzu waren nochmals verschiedene weiter südlich gelegene Trassenvarianten hinsichtlich ihrer Umweltrelevanz zu untersuchen, sowie unterschiedliche konstruktive Bauwerkslösungen zu prüfen. Neben dem bereits favorisierten Absenktunnel wurde ein Bohrtunnel sowie der Bau einer Hochbrücke, einer Hubbrücke, einer Klappbrücke, einer Drehbrücke und sogar einer Pontonbrücke untersucht. Letztendlich wurde den ökologischen, verkehrlichen sowie den wirtschaftlichen Vorteilen eines Absenktunnels der Vorrang gegeben.
Neben den genannten Variantenuntersuchungen war die optimale Einbindung der Trasse und des Bauwerks in das bereits geplante Gebiet der Internationalen Gartenbauausstellung 2003 in Rostock zu berücksichtigen. Ein weiterer Untersuchungsschwerpunkt war die Abschätzung der Wirtschaftlichkeit auf Grundlage der zu erwartenden Mauteinnahmen, da für ein mautfinanziertes Straßenprojekt in Deutschland noch keine Erfahrungen vorlagen. Die besondere Schwierigkeit bestand dabei in der Prognose der zukünftigen Verkehrsbelegung in Abhängigkeit von der Mauthöhe. [2]

Im Rahmen einer europaweiten Ausschreibung wurde das Projekt an ein Konsortium um den französischen Baukonzern Bouygues Travaux Publics S.A. vergeben.
Der erste Spatenstich erfolgte am 1. Dezember 1999. Rund 220 Millionen Euro investierten der Konzern und sein Gesellschafter Macquarie Infrastructure (Australien) gemeinsam mit einem internationalen Bankenkonsortium unter Führung der Deutschen Bank, der NORD/LB, der KfW und der EIB in den Warnowtunnel. Auch die Europäische Union stellte einen Zuschuss zur Verfügung. Die öffentlichen Zuschüsse betrugen zwölf Prozent[3].

Das Absenkverfahren

Vorfertigung der Tunnelelemente im Trockendock
Tunnelquerschnitt

Für den Tunnelbau wurde das in Deutschland selten genutzte Absenkverfahren angewendet. Das Prinzip besteht in der Vorfertigung der Tunnelelemente auf dem Lande bzw. in einem Trockendock und dem anschließenden Einschwimmen und Absenken der Elemente in der Tunneltrasse.
Für den Bau des Warnowtunnels wurden sechs etwa 120 Meter lange Betonelemente mit je zwei Tunnelröhren in einem unmittelbar vor dem späteren westlichen Tunnelportal angelegten Trockendock hergestellt. Als Verbindung vom Dock zur Warnow diente ein Fluttor. Nach der Fertigstellung von jeweils zwei Elementen wurde das Dock geflutet und die Elemente ausgeschwommen. Um die Schwimmfähigkeit der entsprechend der späteren Tunneltrasse leicht gekrümmtem Elemente zu gewährleisten, war das Tarieren mittels Ballasttanks erforderlich.
Die ersten vier Tunnelelemente wurden in einem alten Hafenbecken der Kvaerner-Werft in Warnemünde zwischengelagert. Gleichzeitig wurde die Tunnelrinne zwischen Schmarl und dem Überseehafen, in die später die Elemente abgesenkt werden sollten, auf eine Tiefe bis zu 20 Metern ausgebaggert. Nach Fertigstellung der letzten zwei Elemente wurde die 790 Meter lange Tunnelröhre mit dem Einschwimmen und Absenken der sechs Elemente, der Herstellung der Tunnelportale, der Abdichtung der Fugen zwischen den Elementen und der Überschüttung zur Absicherung gegen den Auftrieb sowie als Schutz gegen Beschädigung hergestellt. Die tiefste Stelle in der Fahrrinne über dem Tunnel misst elf Meter. Danach wurde die Tunnelröhre ausgepumpt und der technische Ausbau des Tunnels vorgenommen.
Als interessantes Detail ist die Abdichtung der Fugen zwischen den Tunnelelementen zu erwähnen. Durch den Wasserdruck wird die in die Fugen eingelegte flexible Dichtung (Fugenprofil) auseinander gepresst und dadurch das Eindringen von Wasser in den Tunnel verhindert.

Umfang des gesamten Bauvorhabens

Mautstelle vor dem östlichen Tunnelportal

Außer dem 790 Meter langen Tunnelbauwerk waren zum Lückenschluss zwischen der Bundesautobahn 19 im Osten und der Bundesstraße 103 im Westen, sowie zur Einbindung in das vorhandene städtische Straßennetz, noch insgesamt rund 6200 Meter zwei- und vierspurige Straßentrassen auszubauen. Dies beinhaltete den Ausbau der Autobahnanschlussstelle Krummendorf als nördliches Ende der A 19, die Anschlussstellen an den Schmarler Damm und die Alte Warnemünder Chaussee, sowie die teilweise Verlegung des Schmarler Damms und den Neubau der Ortsumgehung Krummendorf mit mehreren Brücken und Durchlässen. Damit wurde auch für die angrenzenden Stadtteile Schmarl, Groß Klein und Krummendorf, sowie für die IGA 2003 einschließlich der Hansemesse und die A 19 bedeutsame Verkehrsinfrastruktur geschaffen.
Für den Tunnelbetrieb war weiterhin der Ausbau der Mautstelle vor dem östlichen Tunnelportal und der dynamischen Verkehrsleiteinrichtungen in den Tunnelzufahrten erforderlich.
Am 12. September 2003 wurde der Warnowtunnel eröffnet.

Ausstattung und Betrieb

Einfahrt zum Warnowtunnel bei Nacht (Langzeitbelichtung)
Feuermelde- und Löscheinrichtungen im Tunnel

Der Tunnel gilt als einer der modernsten Straßentunnel Deutschlands. Er verfügt über vier Notgehwege, Fluchttüren alle 150 Meter und vier Nothaltebuchten (zwei je Röhre). Die Sicherheits- und Überwachungssysteme umfassen u.a. Videoüberwachung, Höhenkontrolle, dynamische Verkehrsbeeinflussung, manuelle und automatische Brandmeldesysteme, wie etwa Kohlenmonoxid-, Rauch- und Luftgeschwindigkeitsmessgeräte, sowie Feuerlöscher, Löschwasserentnahmestellen und eine große, hitzebeständige Tunnelbelüftung. Ferner installiert sind Verkehrsfunk, Notruftelefone, Mobilfunkempfang für alle Netze. Die Tunnelleitstelle ist rund um die Uhr besetzt.

Die Preise für eine Durchfahrt richten sich nach der Art des Fahrzeuges, der Zahlungsmethode und der Jahreszeit. So liegen die Preise für eine Passage des Tunnels in den Monaten Mai bis Oktober bei Bar- oder Geldkartenzahlung höher, als in der restlichen Zeit des Jahres. Die Maut kann auch über eine vorab mit einem Geldbetrag aufzuladende Karte (Oscard) beglichen werden. Zuletzt wurde ein im Fahrzeug zu installierender Funksender (TAG), durch den Schrankenöffnung und Abbuchung von einem Guthabenkonto automatisiert erfolgen können, eingeführt. Fußgänger und Radfahrer können den Tunnel nur mit den hier verkehrenden Bussen der Rostocker Straßenbahn AG zu den normalen Tarifen passieren. Für den Fahrradtransport wurden 2003 speziell dafür eingerichtete Busse eingesetzt.

Von Beginn an blieb die Nutzung des Tunnels weit hinter den Erwartungen zurück. Nach 3,5 Jahren Betrieb wurde am 16. März 2007 der elfmillionste Tunnelfahrer gezählt, am 12. September der dreizehnmillionste Tunnelfahrer. Dies entspricht etwa 11.100 Fahrzeugen täglich. Um den Tunnel rentabel betreiben zu können, ist aber eine Auslastung von zirka 20.000 Autos pro Tag notwendig. Eine Verkehrsprognose ging 1994 von werktäglich 30.000 Fahrzeugen aus[4]. Ende 2004 erklärte ein aus 14 Banken bestehendes Finanzkonsortium, dass die Zahlungsunfähigkeit des Projektes zwischen 2005 und 2006 auf Basis derzeitiger Zusagen unvermeidbar sei. Um eine drohende Insolvenz der Warnowquerungsgesellschaft (WQG) abzuwenden, wurde im Juni 2006 der Betreibervertrag verlängert. Nun hat die WQG 50 Jahre (vorher 30 Jahre) Zeit, ihre Investitionen zu refinanzieren, bevor der Tunnel den Eigentümer wechselt und der Stadt Rostock gehört.

Zum Jahreswechsel 2006/2007 gab es erstmals seit Bestehen eine Preisänderung. Die Maut für LKW sank auf maximal 13 Euro, um den Tunnel gegenüber der Umgehung über A 19 und A 20 attraktiver zu gestalten. Außerdem stieg die Obergrenze für PKW von 1,90 m auf 2,05 m, damit können Transporter und Kleinbusse nun zum PKW-Preis passieren. Allerdings stiegen die PKW-Preise in Gegenzug. Der Barzahlungspreis stieg von 2,50 € auf 2,80 € (Sommer). Darüber hinaus sank die Ermäßigung für die elektronische Bezahlung, so dass der Durchfahrtpreis von 1,50 Euro auf 1,70 Euro stieg. Zum März 2008 stiegen die Preise für die Nebensaison und die ermäßigten Preise für die elektronische Zahlung.

Galerie

Einzelnachweise

  1. Dr. Kurt Wolff, unveröffentlichter Nachlass
  2. Rostock, Feste Warnowquerung; Hansestadt Rostock 1999, Verfasser: Dr. Kurt Wolff
  3. Thorsten Becker: Die Realisierung von Projekten nach dem PPP-Ansatz bei Bundesfernstraßen, S. 162
  4. Thorsten Becker: Die Realisierung von Projekten nach dem PPP-Ansatz bei Bundesfernstraßen, S. 161

Weblinks

54.13505277777812.0935222222227Koordinaten: 54° 8′ 6″ N, 12° 5′ 37″ O


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