Wasserhose

Wasserhose
Tornado, 1949 in Kansas (USA)

Ein Tornado (spanisch tornar „umkehren, wenden“, Partizip tornado; tornear „wirbeln, drechseln“), auch Großtrombe, Wind- oder Wasserhose, in den USA umgangssprachlich auch Twister genannt, ist ein kleinräumiger Luftwirbel in der Erdatmosphäre, der eine annähernd senkrechte Drehachse aufweist und im Zusammenhang mit konvektiver Bewölkung (Cumulus und Cumulonimbus) steht, was auch dessen Unterschied zu Kleintromben (Staubteufeln) ausmacht. Der Wirbel erstreckt sich hierbei durchgehend vom Boden bis zur Wolkenuntergrenze. Diese Definition geht auf Alfred Wegener (1917) zurück und ist in dieser Form heute noch allgemein anerkannt.

Die Benennungen Wind- und Wasserhose (engl.: Waterspout) bezeichnen im deutschen Sprachraum eine Großtrombe (Tornado im weiteren Sinne) über Land oder größeren Wasserflächen (Meer, große Binnenseen). Windhose ist dabei ein Synonym für einen Tornado im engeren Sinne, also über Land.

Die Benennung „Windhose“ wird jedoch von einigen Meteorologen abgelehnt. In der älteren Literatur noch wohldefiniert (Wegener), wurde sie in der jüngeren Vergangenheit vermehrt undifferenziert für verschiedene Phänomene im Zusammenhang mit plötzlich auftretenden starken Winden verwendet (zum Beispiel Downburst) oder fälschlich auf Kleintromben bezogen. Zudem wurde der Eindruck eines Unterschieds zwischen „großen“ Tornados in Nordamerika und „kleinen“ Windhosen in Europa erweckt. Ein Unterschied zwischen Windhosen und Tornados besteht jedoch weder bezüglich ihrer physikalischen Natur, noch bezüglich ihrer Stärke.

Inhaltsverzeichnis

Entstehung

Ein junger Tornado. Der Rüssel hat zwar noch nicht den Boden erreicht, die (schlecht erkennbare) Staubwolke am Boden zeigt aber an, dass der Luftwirbel schon bis nach unten reicht.

Die Entstehung von Tornados ist sehr komplex und bis heute ein aktueller Forschungsgegenstand. Trotz offener Fragen in Bezug auf Details sind die Voraussetzungen und die prinzipiellen Mechanismen der Tornadogenese recht gut bekannt. Unter den entsprechenden Bedingungen können sich Tornados an jedem Ort während des ganzen Jahres bilden; die Atmosphäre „kennt“ im Prinzip weder den Kalender noch die Geographie. Trotzdem gibt es sowohl räumliche als auch jahres- und tageszeitliche Schwerpunkte, welche unter „Klimatologie“ weiter unten näher beschrieben sind.

Grundlagen

Für die Entstehung eines Tornados müssen zunächst die Voraussetzungen für hochreichende Feuchtekonvektion gegeben sein. Diese sind bedingte Labilität, also eine hinreichend starke vertikale Temperaturabnahme, genügendes Feuchteangebot (latente Wärme) in den unteren 1-2 km der Atmosphäre sowie Hebung der Luftmasse, um die Feuchtekonvektion auszulösen. Hebungsmechanismen können thermischer (Sonneneinstrahlung) oder auch dynamischer (Fronten) Natur sein. Wesentlicher Energielieferant solcher Stürme und von Gewittern allgemein ist die im Wasserdampf der feuchten Luftmasse gespeicherte latente Wärme, welche bei der Kondensation freigesetzt wird. Erst diese zusätzliche Wärmemenge ermöglicht ein hochreichend freies Aufsteigen der Luft (Feuchtekonvektion), da die Atmosphäre gegenüber trockener Konvektion abgesehen von bodennaher Überhitzung stabil ist. Im letzteren Fall kann es lediglich zur Bildung von Kleintromben kommen. Eine Art Übergangsform sind dynamisch ausgelöste Kleintromben, so genannte Böenfrontwirbel (Gustnado) an der Böenfront eines Schauers oder Gewitters. Diese können sich aber in einen Tornado entwickeln, sofern sie Kontakt zu dem feuchtkonvektiven Aufwind bekommen und so verstärkt werden.

Tornadotypen

Hinsichtlich der Entstehungsweise lassen sich zwei Klassen von Tornados unterscheiden:

Mesozyklonale Tornados

Schematische Darstellung einer Superzelle mit Tornado

Für mesozyklonale Tornados tritt zu den oben beschriebenen grundlegenden „Zutaten“ für Schauer- oder Gewitterwolken eine starke vertikale Windscherung, das heißt eine Zunahme der Windgeschwindigkeit und Änderung der Windrichtung mit der Höhe. Dieses Windprofil ermöglicht die Bildung von Gewitterzellen mit einem rotierenden Aufwind (Mesozyklone), so genannte Superzellen, welche sich durch Langlebigkeit bis zu mehreren Stunden und heftige Begleiterscheinungen, wie großem Hagel, Sturzregen und Gewitterfallböen bis über 200 km/h auszeichnen. Bei ca. 10-20 % aller Superzellen kommt es zur Bildung von Tornados. Vielfach ist vor der Tornadoentstehung eine Absenkung der rotierenden Wolkenbasis, eine sogenannte Wallcloud (deutsch: Mauerwolke) zu beobachten. Durch die Aufwärtsbewegung im Zentrum strömt im unteren Bereich Luft zur Drehachse hin, was aufgrund des Pirouetteneffekts zu einem enormen Zuwachs der Windgeschwindigkeit zur Achse hin führt. Eine wesentliche Rolle scheint hier die Bodenreibung zu spielen; die Details der Intensivierung der Rotation bis hin zum Bodenkontakt sind aber noch nicht gänzlich verstanden. Die Drehrichtung von mesozyklonalen Tornados ist auf der Nordhalbkugel überwiegend zyklonal, das heißt entgegen dem Uhrzeigersinn. Dies ist aber kein unmittelbarer Effekt der Corioliskraft, denn dafür sind Tornados zu kleinräumig. Die Corioliskraft bestimmt vielmehr zusammen mit der Bodenreibung, welche stark orographisch beeinflusst ist, das großräumige Windprofil von Tiefdruckgebieten in deren Bereich Tornados entstehen können. In den meisten Fällen dreht auf der Nordhalbkugel der Wind mit der Höhe nach rechts, wobei die Luft aus südlicher Richtung in die Mesozyklone einströmt, was zu zyklonaler (d. h. entgegen dem Uhrzeigersinn) Rotation führt. Auf der Südhalbkugel ergibt sich entsprechend ebenfalls zyklonale Rotation, dort aber im Uhrzeigersinn.

Nicht-mesozyklonale Tornados

Schematische Darstellung zur Entstehung nicht-mesozyklonaler Tornados

Dieser Entstehungsmechanismus setzt keine Mesozyklone voraus. Vielmehr zerfällt vorhandene bodennahe horizontale Windscherung, z. B. entlang einer Konvergenzlinie in einzelne Wirbel mit vertikaler Achse, welche durch einen darüber befindlichen feuchtkonvektiven Aufwind einer Schauer- oder Gewitterwolke gestreckt und somit intensiviert werden (siehe nebenstehene Abbildung und Literatur). Dies geschieht in sonst eher windschwacher Umgebung bei gleichzeitig starker vertikaler Temperaturabnahme in den unteren Schichten. Im Gegensatz zu Mesozyklonen reicht hier die Rotation nicht weit über die Wolkenbasis hinaus. Die Bindung an Linien mit horizontaler Windscherung, (Konvergenz), welche oft gleichzeitig den Hebungsantrieb für die Feuchtekonvektion darstellt, erzeugt nicht selten entlang der Linie angeordneter „Familien“ von Großtromben (siehe Abbildung in den Weblinks). Zu diesem, eher schwächeren nicht-mesozyklonalen Tornadotyp, zählen auch die meisten Wasserhosen, aber es können auf diese Weise auch Tornados über Land entstehen – im Englischen Landspout genannt. Der Drehsinn von nicht-mesozyklonalen Tornados zeigt eine weniger starke Präferenz für zyklonale Rotation.

Phänomenologie

Größe und Aussehen

Tornado auf dem Meer (Wasserhose)
Multivortex-Tornado über Dallas, Texas, 1957

Im Anfangsstadium ist ein Tornado zunächst fast unsichtbar. Erst wenn im Inneren des Wirbels durch den Druckabfall und der damit einhergehenden adiabatischen Abkühlung Wasserdampf kondensiert oder Staub, Trümmer, Wasser und dergleichen aufgewirbelt werden, tritt der Tornado auch optisch in Erscheinung. Eine durchgehende Kondensation von der Wolke bis zum Boden ist aber nicht in jedem Fall zu beobachten. Eine solche von der Mutterwolke ausgehende Kondensation wird als Trichterwolke (englisch: funnel cloud) bezeichnet. Erreicht der Luftwirbel den Boden nicht, so spricht man von einer Blindtrombe. Für einen Tornado ist der Bodenkontakt des Luftwirbels entscheidend, nicht dessen durchgehende Sichtbarkeit. Sind zum Beispiel unter einer Trichterwolke Windwirkungen nachweisbar, also im Regelfall Schäden am Boden, so handelt es sich um einen Tornado. Die Gestalt des Luftwirbels ist sehr vielfältig und reicht von dünnen schlauchartigen Formen bis zu einem mehr oder weniger breiten sich nach oben erweiternden Trichter (siehe nebenstehende Abbildungen und Weblinks). Dabei kann der Durchmesser einige Meter bis hin zu 500 m, sogar bis über 1 km betragen. Nicht selten treten - besonders bei großen Durchmessern - mehrere Wirbel auf, die um ein gemeinsames Zentrum kreisen, was als Multivortex-Tornado bezeichnet wird. Staub, Trümmer und kondensiertes Wasser können mitunter verhindern, dass ein Multivortex-Tornado als solcher erkannt wird, weil die Einzelwirbel nicht sichtbar sind.

Auswirkungen und Klassifizierung

Zerstörungen eines F3-Tornados

Die Klassifizierung erfolgt nach der Fujita-Skala, welche über die Windgeschwindigkeit definiert ist. In der Praxis wird diese Skala aber mangels direkter Messungen anhand der vom Tornado verursachten Schäden geschätzt. Diese reichen von leichten Sturmschäden bis zur völligen Zerstörung massiver Gebäude. Bislang wurden Tornadostärken F0 bis F5 in der Realität beobachtet; physikalische Abschätzungen ergeben aus energetischen Gründen die Intensität F6 als Obergrenze. In Europa ist daneben z. B. bei TorDACH die gegenüber der Fujita-Skala doppelt so feine TORRO-Skala in Gebrauch. Die frühere Annahme, der starke Unterdruck innerhalb eines Tornados, der bis zu 100 hPa betragen kann, ließe Gebäude gleichsam explodieren, ist nicht mehr haltbar. Hauptursache der Schäden ist der Staudruck des Windes und oberhalb von ca. 300 km/h auch zunehmend indirekte Schäden durch umherfliegende Trümmer. Auf Grund ihrer hohen und auf engem Raum wechselnden Windgeschwindigkeiten stellen Tornados prinzipiell eine Gefahr für den Flugverkehr dar; Unfälle sind aber auf Grund der Kleinräumigkeit dieser Wettererscheinung selten. Zu einem spektakulären Fall kam es am 6. Oktober 1981, als eine Fokker F-28 der niederländischen KLM Cityhopper in einen Tornado geriet und nach Abriss der rechten Tragfläche abstürzte. Alle 17 Personen an Bord starben.

Klimatologie

Lebensdauer und Geschwindigkeiten

Die Lebensdauer eines Tornados beträgt zwischen wenigen Sekunden bis mehr als eine Stunde, durchschnittlich liegt sie unter 10 Minuten. Die Vorwärtsbewegung eines Tornado folgt der zugehörigen Mutterwolke und liegt im Schnitt bei 50 km/h, kann aber auch deutlich darunter (praktisch stationär, nicht selten bei Wasserhosen) oder darüber (bis über 100 km/h bei starker Höhenströmung) liegen. Dabei ist die Tornadospur im Wesentlichen linear mit kleineren Abweichungen, welche durch die Orographie und das lokale Windfeld in der Umgebung der Gewitterzelle bedingt sind.

Die interne Rotationsgeschwindigkeit des Windes ist jedoch meist wesentlich höher als die der linearen Bewegung. Sie ist auch für die schweren Verwüstungen verantwortlich, die ein Tornado hinterlassen kann. Die höchste je registrierte Windgeschwindigkeit innerhalb eines Tornados wurde während des Oklahoma Tornado Outbreak am 3. Mai 1999 bei Bridge Creek, Oklahoma (USA) mit einem Doppler-Radar bestimmt. Mit 496 ± 33 km/h lag sie im oberen Bereich der Klasse F5 der Fujita-Skala; die obere Fehlergrenze reicht sogar in den F6-Bereich. Dies ist damit die höchste je gemessene Windgeschwindigkeit auf der Erdoberfläche überhaupt. Oberhalb der Erdoberfläche erreichten nur Jetstreams höhere Windgeschwindigkeiten. In der offiziellen Statistik zählt dieser Tornado aber mit Rücksicht auf den wahrscheinlichsten Wert und die Unsicherheiten als F5.

In den USA sind etwa 88 % der beobachteten Tornados schwach (F0, F1), 11 % stark (F2, F3) und unter 1 % verheerend (F4, F5). Diese Verteilungsfunktion ist weltweit sehr ähnlich und in dieser Form von mesozyklonalen Tornados dominiert, welche das volle Intensitätsspektrum ausfüllen. Die Intensität von nicht-mesozyklonalen Tornados geht dagegen kaum über F2 hinaus.

Jahres- und tageszeitliches Auftreten

Tornados entstehen über Land am häufigsten im Frühsommer, wobei das Maximum mit zunehmenden Breitengraden später auftritt. Über Wasser wird das Maximum im Spätsommer erreicht, weil dann die Wassertemperatur und folglich die Labilität am höchsten ist. Ähnliches gilt für den Tagesgang. Tornados über Land treten am wahrscheinlichsten in den frühen Abendstunden auf, während bei Wasserhosen das Maximum in den Morgenstunden liegt. Ferner zeigt sich bei Wasserhosen ein klimatologischer Unterschied im Jahresgang, je nach dem, ob diese an Land ziehen oder über dem Wasser verbleiben. Die jahreszeitliche Verteilung für den ersten Fall gleicht der für Tornados über Land, während „reine“ Wasserhosen das besagte Spätsommer-Maximum zeigen.

Verbreitung und Häufigkeit

Tornados werden weltweit überall da beobachtet, wo es auch Gewitter gibt. Schwerpunkte sind Regionen mit fruchtbaren Ebenen in den Subtropen bis in die gemäßigten Breiten. An erster Stelle steht der Häufigkeit nach der Mittlere Westen der USA, wo die klimatischen Bedingungen für die Bildung von Schwergewittern und Superzellen aufgrund der weiten Ebenen (Great Plains) östlich eines Hochgebirges (Rocky Mountains) und nördlich eines tropischen Meeres (Golf von Mexiko) sehr günstig sind. Für Wetterlagen mit hohem Unwetterpotential bedingt das Gebirge relativ trockene und kühle Luftmassen im mittleren bis oberen Bereich der Troposphäre bei südwestlichen bis westlichen Winden, während in den tieferen Schichten feuchtwarme Luftmassen aus der Golfregion ungehindert nach Norden transportiert werden können. Dadurch kommt eine labile Schichtung der Atmosphäre bei einem großen Angebot latenter Wärme mit einer Richtungsscherung des Windes zusammen.

Weitere wichtige Regionen sind Argentinien, Mittel- und Süd- und Osteuropa, Südafrika, Bengalen, Japan und Australien. Zahlreiche, wenn auch im Mittel schwächere, meist nicht-mesozyklonale Tornados treten im Bereich der Front Range (Ostrand der Rocky Mountains), in Florida und über den Britischen Inseln auf.

Jährlich werden in den USA etwa 1200 Tornados registriert. Die meisten Tornados entstehen in Texas, Oklahoma, Kansas und Nebraska entlang der „tornado alley“ mit etwa 500 bis 600 Fällen pro Jahr. Dies ist durch die oben genannten besonderen klimatischen Bedingungen gegeben, welche die Voraussetzungen für die Entstehung speziell von mesozyklonalen Tornados weit häufiger bieten, als in anderen Regionen. Darüber hinaus gibt es in den USA mehrere regionale Häufungen, z. B. in Neu-England und in Zentral-Florida.

In Europa liegt die jährliche Zahl der Tornadobeobachtungen bei 170, unter Einbeziehung der Dunkelziffer schätzungsweise 300. Hinzu kommen etwa 160 registrierte Wasserhosen, geschätzt 290. Wie in den USA sind auch die meisten europäischen Tornados schwach. Verheerende Tornados sind zwar selten, doch sind bisher acht F4- und zwei F5-Ereignisse aus Deutschland dokumentiert. Letztere wurden bereits von Alfred Wegener 1917 in einer Arbeit zur Tornadoklimatologie Europas beschrieben. Weitere verheerende Fälle sind aus Nordfrankreich, den Benelux-Staaten sowie aus Oberitalien bekannt.

Wasserhose vor Usedom

In Deutschland liegt die Zahl der jährlich beobachteten Tornados bei mehreren Dutzend mit einer noch recht hohen Dunkelziffer vor allem schwächerer Ereignisse. Genaue Zahlen sind nicht verfügbar, da es hierzu noch keine ausreichende Statistik gibt. Nach den derzeit vorliegenden Zahlen muss jährlich mit etwa fünf oder mehr F2, mit einem F3 alle zwei bis drei und einem F4 alle 20 bis 30 Jahre gerechnet werden. Ein F5 ist nach derzeitigen Erkenntnissen ein Jahrhundertereignis oder noch seltener.

Eine Übersicht zur räumlichen und zeitlichen Verteilung von Tornados in Deutschland und deren Intensität findet sich in den Weblinks. Generell ist festzustellen, dass das Tornadorisiko im Westen der Norddeutschen Tiefebene am höchsten ist.

In Österreich wurden im Schnitt der vergangenen 30 Jahre jährlich etwa drei Tornados beobachtet. Allerdings ist seit 2002 durch die vermehrte Spotter- und Statistik-Tätigkeit v.a. ehrenamtlicher Helfer eine mittlere Anzahl von etwa fünf Tornados/Jahr zu beobachten. Unter Einbezug einer möglicherweise recht hohen Dunkelziffer sowie der nach wie vor sehr unterrepräsentierten F0-Fälle, könnte die tatsächliche, gemittelte, jährliche Anzahl bei bis zu zehn Tornados/Jahr liegen.

Dabei treten jedes Jahr mehrere F0 und F1-Fälle auf. Im Schnitt kann zudem mit einem F2 jährlich, bzw. einmal in zwei Jahren, alle fünf bis zehn Jahre auch mit einem F3 gerechnet werden. F4 Ereignisse oder höher sind aus Österreich bislang nicht bekannt.

Die höchste Tornadodichte ist dabei in der Südost-Steiermark zu beobachten (um drei Tornados/10.000 km²/Jahr), gefolgt von dem Gebiet um den Hausruck in Oberösterreich, dem Wiener Becken, der Region um Linz, dem westlichen Weinviertel, dem Klagenfurter Becken, Bodensee-Region sowie dem Inntal im Bereich von Innsbruck.

Generell ist das Auftreten von Tornados starken Schwankungen unterworfen, was sich in Häufungen („Ausbruch“ genannt, englisch: Outbreak) innerhalb recht kurzer Zeitspannen - oft an einem einzigen Tag - äußert, gefolgt von recht langen Abschnitten relativer Ruhe. Die Ausbrüche sind durch den engen Zusammenhang mit bestimmten Wetterlagen begründet, wo mehrere Faktoren (siehe oben unter „Entstehung“) für die Tornadoentstehung zusammen kommen. Größere Ereignisse dieser Art mit verheerenden Tornados sind vor allem aus den USA bekannt (siehe folgenden Abschnitt). Für West- und Mitteleuropa sind hier die Jahre 1925, 1927 und 1967 zu nennen mit dem Schwerpunkt Nordfrankreich/Benelux/Nordwestdeutschland. Diese Region kann auch als europäische „tornado alley“ angesehen werden. Der zahlenmäßig bedeutendste Ausbruch in Europa mit insgesamt 105, aber meist schwächeren Tornados (max. F2) traf am 23. November 1981 die Britischen Inseln.

Derzeit erlaubt die Datenbasis für Mitteleuropa keine Aussage, ob Tornados auf Grund der globalen Klimaerwärmung häufiger auftreten, da der Anstieg der beobachteten Fälle vor allem auf eine bessere Erfassung in den letzten Jahren zurückzuführen ist. In den USA existiert dank systematischer Tornadoforschung seit den 50er Jahren und bedingt durch die hohen Fallzahlen eine belastbare Statistik. Diese zeigt aber weder eine Tendenz zu vermehrtem Auftreten noch zu größerer Heftigkeit von Tornados, wie im IPCC-Bericht von 2001 dargelegt.

Bedeutende Tornadoereignisse

Beispielfälle aus den USA

  • 18. März 1925: Der Tri-State Tornado (F5) forderte in 3 1/2 Stunden auf einer Länge von 352 km über dem Gebiet dreier US-Bundesstaaten (Missouri, Illinois und Indiana) 695 Todesopfer. Mit ca. 95 km/h wies er eine ungewöhnlich hohe Zuggeschwindigkeit auf.
  • 3. April|3./4. April 1974: Im Super Outbreak, dem größten bekannten Ausbruch, suchten insgesamt 148 Tornados 13 Staaten im Süden und Mittleren Westen der USA heim, darunter 30 verheerende Fälle (F4/F5). Er hinterließ 315 Todesopfer und einen Sachschaden von 600 Mio US-Dollar.
  • 27. Mai 1997: Der Jarrell-Tornado ist in Jarrell (Texas) für den Tod von 27 Menschen verantwortlich.
  • 3. Mai 1999: Über 70 Tornados des Oklahoma Tornado Outbreak zogen über Texas, Oklahoma und Kansas. Am schlimmsten traf es die Region um Oklahoma City. 48 Personen kamen ums Leben und mit einem gesamten Sachschaden von 1,2 Mrd. US-Dollar war dies die bislang teuerste Naturkatastrophe dieser Art.

Weitere bedeutende Tornados und Tornado-Ausbrüche (englische Wikipedia)

Beispielfälle aus Deutschland

Diese Auswahl zeigt signifikante Ereignisse (F2 – F5 auf der Fujita-Skala), die aufgrund von Erscheinung oder Jahreszeit von Interesse sind. Ein umfassendes Archiv findet sich bei TorDACH und in der Europäischen Unwetterdatenbank (siehe Weblink).

F2 F3 F4 F5
13. Januar 2004 Assel (Gemeinde Drochtersen bei Stade) 23. Juni 2004 Micheln (Sachsen-Anhalt), mehrere Verletzte, etwa 300 Gebäude beschädigt 10. Juli 1968 Pforzheim, 2 Tote, über 200 Verletzte zum Teil lebensgefährlich, 1750 Häuser beschädigt 23. April 1800 Hainichen (Erzgebirge)
29. Juni 1997 Vier F2-Tornados in Niedersachsen mit bis zu 85 km Spurlänge. Am schwersten betroffen Bissendorf bei Osnabrück. 5. Mai 1973 Kiel, 1 Toter 1. Juni 1927 Auen-Holthaus (Emsland), verheerende Schäden, Kühe durch die Luft gewirbelt, weitere schwere/verheerende Tornados am gleichen Tag unter anderem in den Niederlanden. 29. Juni 1764 Woldegk (Mecklenburg), ausführliche Dokumentation (siehe Weblink)

Weitere Bedeutende Fälle sind der Tornado über Pforzheim 10. Juli 1968 (F4), die Windhose von Uetersen 10. August 1926 (F3), der Wirbelsturm im Bergischen Land 14. August 1906, oder der Cyklon östlich von München 14. Juli 1894, als Tornado mit F3 vermutet.[1]

Zu den jüngsten Fällen in Deutschland gehört ein Tornado (geschätzte Stärke F2), welcher am 27. März 2006 um ca. 19 Uhr über Hamburg hinwegzog. Dabei starben zwei Menschen durch den Umsturz dreier Baukräne; mehrere Bäume wurden entwurzelt, und mehr als 300.000 Menschen waren vorübergehend ohne Strom, da das Blechdach einer Halle einen Kurzschluss in einer Höchstspannungsleitung verursachte.

Am 21. August 2006 starb ein Mann in Brohl-Lützing, nachdem der Wohnwagen, in dem er sich aufgehalten hatte, von einem Tornado in ein Hafenbecken geschleudert worden war. Sein 9-jähriger Sohn überlebte schwerverletzt. Außerdem wurden einige Häuser schwer beschädigt.

Am 10. Juni 2003 erfasste ein F3-Tornado die Gemeinde Acht (Eifel). Aufgrund der Größe des Ortes hielt sich der Gesamtschaden in Grenzen, es blieb bei zwei Verletzten.

Am 12. August 2008 wütete ein Tornado in der mittelhessischen Stadt Gießen. Trotzdem es sich nur um einen F1-Tornado handelte, waren die Schäden erheblich. Zahlreiche Bäume, Dachziegel und sogar ganze Dachgiebel wurden herumgewirbelt und einige Häuser, darunter auch eine Schule und Teile der Universität, in Mitleidenschaft gezogen. Besonders stark betroffen war der Gießener Philosophenwald; Teile des mehrere hundert Jahre alten Stadtwalds, darunter zahlreiche Eichen, fielen dem Tornado zum Opfer [2]. Die Großtrombe wirbelte lediglich wenige Minuten und löste sich über einem Berg von der Erdoberfläche und zog sich in die Wolkenfront zurück.[3]

Beispielfälle aus Österreich

Der heftigste registrierte Tornado ereignete sich am 10. Juli 1916 in Wiener Neustadt im südlichen Niederösterreich. Ein starker F3/T7 Tornado zog über den Norden der Stadt, tötete 32 Menschen und verletzte mehr als dreihundert. Zahlreiche massiv gebaute Häuser wurden zerstört, die Schneisenlänge der Großtrombe betrug knapp 20 Kilometer.

Weitere ausgewählte Tornadofälle aus Österreich:

  • Am 4. Juli 1929 fegt ein nur mäßig starker F1/T3 Tornado durch die Stadt Salzburg, tötet aber dennoch drei Menschen.
  • Am 9. Mai 1961 stirbt bei einem F2/T5 Tornado in Kleinthal bei Graz ein Mann, drei weitere werden durch fallende Trümmer verletzt.
  • Am 27. Juli 1998 zerstört eine F3/T6 Trombe mehrere Wirtschaftsgebäude im Bereich Vornholz/Stmk, die Schneisenlänge ist 8km lang.
  • Am 13. Mai 2003 werden im Zuge einer Superzelle mit Hagel bis 6cm im Durchmesser zwei Tornados in Wien registriert; einer der beiden erreicht F1/T3 Stärke; mehrere Menschen werden durch Sturm und Hagelschlossen verletzt.
  • Am 11. März 2006 hebt ein F2/T5 Tornado in Weitensfeld im Gurktal in Kärnten einen Kleinbus rund 2m hoch in die Luft und schleudert ihn gegen zwei PKW. Die Augenzeugen können gerade noch in ein angrenzendes Gebäude flüchten.

Tornadoforschung

Typisches Radarecho einer tornadischen Superzelle, hier am Beispiel des stärksten Tornados (F5) aus dem Oklahoma Tornado Outbreak von 1999

Obwohl Tornados in den USA eine lange bekannte Naturerscheinung sind, ist die Tornadoforschung dort noch recht jung. Die erste erfolgreiche Tornadovorhersage konnte 1948 auf der Tinker Air Force Base gemacht werden. Erst seit den 50er Jahren widmet man sich in de USA systematisch der Erfassung und Vorhersage. Wegen des kurzfristigen Auftretens von Tornados konzentriert sich letztere auf die frühzeitige Erkennung, wobei das Doppler-Radar ein wesentliches Instrument darstellt. Hiermit lässt sich bereits im Frühstadium verdächtige Rotation in Gewitterwolken nachweisen. Hinzu kommt ein dichtes Netzwerk ehrenamtlicher Beobachter, so genannte Spotter, welche aktuelle Warnmeldungen über gesichtete Tornados und auch andere Wettergefahren, wie zum Beispiel Gewitterfallböen, Hagel und Sturzfluten, in das Kurzfrist-Warnsystem einbringen. Die Spotter sind in dem Netzwerk Skywarn organisiert. Daneben besteht eine wachsende Zahl von storm chasern (privaten Sturmjägern), welche primär aus Faszination an den Naturgewalten Gewitter und Tornados verfolgen, dabei aber auch wertvolle Informationen für die Unwetter- und Tornadoforschung liefern. Hauptquartier der Unwetterforschung in den USA ist das 1964 gegründete National Severe Storms Laboratory (NSSL) mit Sitz in Norman. Dank des Warnsystems konnte in den USA die Zahl an Tornadoopfern erheblich reduziert werden.

Interessanterweise ist die Tornadoforschung in Europa älter als in den USA. Pionierarbeit leistete hier Alfred Wegener schon in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. In den 30er Jahren unternahm der heute fast vergessene Meteorologe Johannes Peter Letzmann in Deutschland eine systematische Tornadoforschung, welche aber durch die Ereignisse des zweiten Weltkrieges stark eingeschränkt und danach nicht weitergeführt wurde. Im Gegenteil sank das Interesse an Tornados in der Folgezeit praktisch zur Bedeutungslosigkeit herab und beschränkte sich auf einige wenige spektakuläre Fälle wie zum Beispiel in Pforzheim 1968. Erst mit der Gründung des Netzwerkes TorDACH 1997 nahm die Tornadoforschung im deutschsprachigen Raum einen neuen Aufschwung. 2003 wurde in Deutschland, Österreich und der Schweiz Skywarn jeweils als Verband ehrenamtlicher Spotter zur Verbesserung der kurzfristigen Unwetterwarnungen im deutschsprachigen Raum gegründet. Auf europäischer Ebene gibt es ein Pilotprojekt zum Aufbau eines European Severe Storms Laboratory, ESSL (siehe Weblink).

Die heutige Tornadoforschung konzentriert sich neben der Klimatologie und der Erstellung von Fallstudien auf die Mechanismen der Tornadogenese (siehe oben). Hierzu werden aufwendige numerische Simulationsrechnungen durchgeführt, um ein besseres Verständnis der Entstehung von Tornados zu gewinnen.

Auch der Deutsche Wetterdienst plant den Aufbau eines Tornado-Frühwarnzentrums, vor allem wegen der zu Beginn des 21. Jahrhunderts gehäuften Tornadomeldungen, die vor allem auf eine erhöhte Sensibilisierung in der Bevölkerung zurückzuführen sind.

Literatur

  • Gottlob Burchard Genzmer (1765): Beschreibung des Orcans, welcher den 29. Jun. 1764 einen Strich von etlichen Meilen im Stargardischen Kreise des Herzogthums Mecklenburg gewaltig verwüstet hat. Friedrich Nicolai, Berlin und Stettin 1765. Abschrift (PDF)
  • Alfred Wegener (1917): Wind- und Wasserhosen in Europa. Vieweg, Braunschweig, 301 S. Digital-Version (PDF)
  • Johannes Peter Letzmann (1937): Richtlinien zur Erforschung von Tromben, Tornados, Wasserhosen und Kleintromben. Int. Meteor. Org., Klimatol. Komm., Publ. 38, Salzburg, 91-110. Abschrift (PDF)
  • Thomas P. Grazulis (1993): Significant Tornadoes: 1860–1991. Environmental Films, ISBN 1879362007
  • Nikolai Dotzek (2003): An updated estimate of tornado occurrence in Europe. Atmos. Res. 67–68, 153–161 Artikel (PDF)
  • James M. Caruso and Jonathan M. Davies (2005) Tornadoes in Non-mesocyclone Environments with Pre-existing Vertical Vorticity along Convergence Boundaries. NWA Electronic Journal of Operational Meteorology 1 June 2005 Artikel

Medien

Weblinks

Deutschsprachiger Raum:

Europa insgesamt:

Tornado bei Cala Ratjata

USA/Nordamerika:

Einzelnachweise

  1. Lars Lowinski, 2002
  2. Gießener Allgemeine Zeitung: Philosophenwald »wie nach Flugzeugabsturz«. Stand 29. August 2008.
  3. n-tv: Dächer in Gießen abgedeckt. Stand 29. August 2008.


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