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Friedrich Weinreb (* 18. November 1910 in Lemberg, damals Galizien, heute Ukraine; † 19. Oktober 1988 in Zürich) war ein jüdisch-chassidischer Erzähler und Schriftsteller.
Inhaltsverzeichnis
Biografie
Weinreb entstammte dem traditionellen osteuropäischen chassidischen Judentum. Seine Familie wanderte nach der Flucht aus Lemberg 1916 über Wien in die Niederlande aus. Weinreb verbrachte die weitere Kindheit und Jugend in Scheveningen und studierte danach Volkswirtschaft in Wien und Rotterdam, wo er 1938 promovierte.
Während der nationalsozialistischen Besetzung der Niederlande zwischen 1940 und 1945 gelang es Weinreb nach eigenem Bekunden, durch umsichtiges, unerschrockenes und listiges Handeln etwa 1500 niederländische Juden vor der drohenden Ermordung in den deutschen Vernichtungslagern zu bewahren. Ganz anders sahen das die niederländischen Behörden, die ihn nach dem Krieg verdächtigten, mit den deutschen Besatzern kooperiert zu haben. Er wurde wegen Kollaboration von Mitte 1945 bis Ende 1948 inhaftiert. In dieser Zeit begann er seine umfangreichen biografischen und religiösen Aufzeichnungen. Weinreb blieb auch danach in den Niederlanden äußerst umstritten. Eine im Auftrag der niederländischen Regierung erstellte Studie des Historikers Jacques Presser aus dem Jahr 1965 konnte Weinreb zunächst rehabilitieren. Einige Jahre später erschien ein Bericht des Rijksinstituut voor Oorlogsdocumentatie („Reichsinstitut für Kriegsdokumentation“), ein in den Niederlanden angesehenes staatliches Institut für die Geschichte des Landes im Zweiten Weltkrieg. Aufgrund zahlreicher Zeugenaussagen kamen die Forscher darin zu dem Schluss, Weinreb habe sich während des Zweiten Weltkriegs der Kollaboration und des Landesverrats schuldig gemacht. Anhänger Weinrebs haben diese Beschuldigungen stets bezweifelt. Die Auseinandersetzungen um seine Person führten dazu, dass Weinreb die Niederlande für immer verließ.
Weinreb hielt sich in den Jahren 1952 bis 1968 als Hochschulprofessor für Ökonometrie und Statistik in verschiedenen Ländern auf, zunächst von 1952 bis 1956 in Indonesien, dann von 1958 bis 1961 in der Türkei. Von 1961 bis 1964 war er wirtschaftswissenschaftlicher Berater bei den Vereinten Nationen in Genf.
Zwischen 1968 und 1970 lebte er in Jerusalem, wo er sich intensiver als zuvor religiösen Themen aus der jüdischen Überlieferung zuwandte. Dies führte zu einer Reihe von Vorträgen in Europa, in den Niederlanden, in Deutschland und vor allem in Zürich, wo auch seine inzwischen zahlreichen Bücher und Schriften aus dem Gebiet der chassidischen und kabbalistischen Tradition erschienen. Seit 1970 lebte Weinreb ganz in Zürich und widmete sich ausschließlich der erzählerischen Vermittlung dieser Tradition.
Das göttliche Wort
Weinreb beschäftigte sich vor allem mit der Auslegung des biblischen Wortes. In seinem Hauptwerk Schöpfung im Wort – Die Struktur der Bibel in jüdischer Überlieferung geht es ihm um den überzeitlichen „Sinn“ der hebräischen Bibel als Urkunde des Seins überhaupt, jenseits aller historisch beweisbaren Tatsachen. Wesentlich für jede biblische Lektüre ist für Weinreb die direkte Mittlerschaft des Wortes zwischen Gott und dem Hörer des Textes. Voraussetzung für ein tieferes Verständnis der Bibel ist dabei die Anerkennung der hebräischen biblischen Sprache als wesentlicher Mitteilung grundlegender überzeitlicher Wahrheit. Dabei kommen vor allem kabbalistische Überlieferungen zum Tragen, die einen Zusammenhang zwischen Wort und Zahl aufzeigen.
Auf dieser biblischen Grundlage entstanden weitere Vorträge und Texte Weinrebs zu verschiedenen Themen aus der jüdischen Tradition (z. B. Feste, Kalender, Astrologie). Fragen des jüdisch-christlichen Verhältnisses behandelte Weinreb in eigenen Auslegungen des Neuen Testaments. Daneben beschäftigte er sich auch mit psychologischen, soziologischen und medizinischen Fragestellungen aus spiritueller Sicht.
Wirkungsgeschichte
Aufgrund seiner intensiven Kontakte mit dem Christentum, dem Islam und den östlichen Religionen lag Weinreb viel am Dialog zwischen den Religionen. Das führte ihn jedoch nie zu einer Relativierung seiner eigenen jüdischen Herkunft. Vielmehr zeigt sich nach Weinreb die Zusammengehörigkeit aller Religionen gerade da, wo man der eigenen religiösen Tradition intensiv bis auf den letzten Grund nachgeht.
Von der Lehre Weinrebs fühlen sich jedoch vor allem Christen angesprochen. Auf das religiöse Leben seiner jüdischen Glaubensgenossen hatte Weinreb dagegen wenig Einfluss. Das gilt bis auf wenige Ausnahmen auch für heute populäre Weiterentwicklungen des klassischen Chassidismus, vor allem in den USA und in Israel. Chassidische Juden oder andere Anhänger der Kabbala erfuhren schon wegen der Sprachbarriere zum Deutschen oder Niederländischen nichts von Weinrebs Werk. Zudem war die Unabhängigkeit des kabbalistischen Mystikers wesentlich für Weinrebs Selbstverständnis, was die Kommunikation mit dem organisierten Judentum grundsätzlich erschwerte.
In Deutschland setzt sich die Studiengruppe um Johanna J. Danis intensiv mit dem Werk Weinrebs auseinander. Weinreb war 1985 persönlich als Ehrenmitglied bei der Gründung des „Instituts für Psychosymbolik“ in München anwesend und hielt einen Vortrag mit dem Titel: Über Zeichen und Symbole.
Werke
Das Schriftenverzeichnis Weinrebs umfasst mehr als 50 Titel. Die folgende Liste bietet nur eine Auswahl.
Hauptwerke
- Der göttliche Bauplan der Welt. Der Sinn der Bibel nach der ältesten jüdischen Überlieferung. Origo, Zürich 1966
- ungekürzte Neuausgabe als: Schöpfung im Wort. Die Struktur der Bibel in jüdischer Überlieferung. Thauros, Weiler im Allgäu 1994
- Die Rolle Esther. Das Buch Esther nach der ältesten jüdischen Überlieferung. Origo, Zürich 1968
- Das Buch Jonah (Jona). Der Sinn des Buches Jonah nach der ältesten jüdischen Überlieferung. Origo, Zürich 1970
- Die jüdischen Wurzeln des Matthäus-Evangeliums. Origo, Zürich 1972
- Leben im Diesseits und Jenseits. Ein uraltes vergessenes Menschenbild. Origo, Zürich 1974
- Wunder der Zeichen – Wunder der Sprache. Vom Sinn und Geheimnis der Buchstaben. Origo, Bern 1979
- Legende von den beiden Bäumen. Alternatives Modell einer Autobiographie. Origo, Bern 1981
- Traumleben. Überlieferte Traumdeutung. 4 Bände, Thauros, München 1981
- Die Astrologie in der jüdischen Mystik. Thauros, München 1982
- Der biblische Kalender. Mit einer chassidischen Geschichte für jeden Tag des Jahres. 4 Bände, Thauros, Weiler 1984ff
- Das jüdische Passahmahl und was dabei von der Erlösung erzählt wird. Thauros, Weiler 1985
- Innenwelt des Wortes im Neuen Testament. Eine Deutung aus den Quellen des Judentums. Thauros, Weiler 1988
- Das Buch von Zeit und Ewigkeit. Der jüdische Kalender und seine Feste. Thauros, Weiler 1991
- Das Markus-Evangelium. Der Erlöser als Gestalt des religiösen Weges. 2 Bände, Thauros, Weiler 1999
- Das chassidische Narrenparadies und andere Schriften. Thauros, Weiler 2003
- Die Freuden Hiobs. Eine Deutung des Buches Hiob nach jüdischer Überlieferung. Friedrich Weinreb Stiftung, Weiler 2006
Autobiographische Werke
- Begegnungen mit Engeln und Menschen. Mysterium des Tuns. Autobiographische Aufzeichnungen 1910–1936 Origo, Zürich 1974
- Der Krieg der Römerin. Erinnerungen 1935–1943 2 Bände, Thauros, München 1982
- Das Wunder vom Ende der Kriege. Erlebnisse im letzten Krieg Thauros, Weiler 1985
- Die Haft. Geburt einer neuen Welt. Erinnerungen 1945 bis 1948 ebd. 1988
- Die langen Schatten des Krieges 3 Bände: Im Land der Blinden / Klug wie die Schlange, sanft wie die Taube / Endspiel ebd. 1989
- Meine Revolution. Erinnerungen 1948–1987 ebd. 1990
Vorträge
Viele Kurse und Vorträge Weinrebs wurden aufgezeichnet und sind als Tondokumente verfügbar. Einen Überblick dazu bieten:
- Weinreb hören und sehen. Autobiographische Notizen zu Vorträgen und Veröffentlichungen 1928 bis 1980. Eine Festgabe für Friedrich Weinreb zum 70. Geburtstag mit einem vollständigen Verzeichnis seiner in deutscher und holländischer Sprache gehaltenen Vorträge zur jüdischen Überlieferung und einer Bibliographie. Thauros, München 1980
- Die bewahrte Stimme. Über Hören und Sprechen in der mündlichen Überlieferung. Mit Inhaltsangaben und vollständigem Verzeichnis der Tonkassetten der ISIOM Weinreb Tonarchiv 1971–1982. Thauros, München 1983
Literatur
- Regina Grüter, Een fantast schrijft geschiedenis. De affairs rond Friedrich Weinreb. Amsterdam 1997 (niederländisch), ISBN 9-050183-79-4
- Israel Koren: Friedrich Weinrebs Deutung der zwei Schöpfungsgeschichten im Buch Genesis. Thauros, Weiler 2001, ISBN 3-905783-55-X
- J.H. Laenen, Frederik Weinreb en de Joodse Mystiek. Baarn 2003 (niederländisch), ISBN 9-025953-63-8
- René Marres, Frederik Weinreb. Verzetsman en groot schrijver. Soesterberg 2002 (niederländisch), ISBN 9-059110-80-3
- D. Giltay Veth, A.J. van der Leeuw, Rapport door het Rijksinstituut voor Oorlogsdocumentatie uitgebracht aan de Minister van Justitie inzake de activiteiten van drs. F. Weinreb gedurende de jaren 1940-1945, in het licht van nadere gegevens bezien. Den Haag 1976 (niederländisch), ISBN 9-012010-68-3
Weblinks
- Literatur von und über Friedrich Weinreb im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Friedrich-Weinreb-Stiftung
- Umfangreiche Website zu Friedrich Weinreb von Peter Staaden
- Informative private Website von Friedhelm Wessel
Personendaten NAME Weinreb, Friedrich KURZBESCHREIBUNG jüdisch-chassidischer Weiser, Erzähler und Schriftsteller GEBURTSDATUM 18. November 1910 GEBURTSORT Lemberg (Lwiw), Ukraine STERBEDATUM 19. Oktober 1988 STERBEORT Zürich, Schweiz - Der göttliche Bauplan der Welt. Der Sinn der Bibel nach der ältesten jüdischen Überlieferung. Origo, Zürich 1966
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