Wendeknick

Wendeknick
Bevölkerungsentwicklung in Deutschland. Der Pillenknick ist ab ca. 1965 erkennbar

Der Pillenknick beschreibt eine markante Senkung der Geburtenraten in vielen Industrienationen ab den 1960er Jahren. In Deutschland setzte die Entwicklung erst nach 1965 ein. Zuvor hatte es ca. 1955–1965 eine Baby-Boomer-Phase mit deutlich erhöhten Geburtenzahlen gegeben. Zeitlich zusammen fällt dieser Geburtenrückgang mit der Einführung und breiten Verfügbarkeit der Antibabypille. Durch die Antibabypille stand erstmals ein Verhütungsmittel zur Verfügung, das eine einfache Geburtenkontrolle für Frauen ermöglichte.

Sichtbar wird der Pillenknick in entsprechenden Alterspyramiden.

Ein zwangsläufiger Zusammenhang zwischen der Existenz der Anti-Baby-Pille und dem anschließenden Absinken der Geburtenrate unter das Selbsterhaltungsniveau wird zumeist verneint. Dies gilt einerseits sowohl für die Hersteller der Pille als auch für Gruppierungen, die ihrer Verwendung grundsätzlich positiv gegenüberstehen (Frauengruppierungen in den 1960er Jahren). Andererseits sehen auch konservative Kreise die Ursache für den Pillenknick nicht in der theoretischen Verfügbarkeit der Pille, sondern in einem Wandel der Moral, der ihre Anwendung erst denkbar gemacht habe.

Ein anderer Ansatz der Erklärung insbesondere für Deutschland ist das Fehlen bestimmter Jahrgänge in der Bevölkerung, die im Ersten und Zweiten Weltkrieg gefallen sind, sowie ein Nachholbedarf im Anschluss an den Wiederaufbau und die Wohnungsnot in den 1950er Jahren. Die erhöhten Geburtenraten der Jahre zwischen 1955 und 1965 spiegeln danach nur die erhöhten Geburtenraten in den Jahren 1930–1940 wider, da die in dieser Zeit Geborenen nun selbst Kinder bekamen. Um 1965 kamen hingegen nur die wenigen Kinder der Kriegsgeneration selbst in das Alter, Eltern zu werden. Ein weiteres Indiz für diesen Erklärungsansatz ist, dass die Entwicklung in der DDR früher einsetzte als in der BRD, obwohl die Antibabypille erst später eingeführt wurde, weil in der DDR das Durchschnittsalter der Mutter bei der Entbindung niedriger war als in der BRD.

Dass sich der Trend niedriger Geburtenzahlen in Deutschland bislang fortsetzt, lässt sich dagegen nicht mit der Altersstruktur erklären. Es dürfte aber außer Frage stehen, dass der Trend zu weniger Kindern schon Jahrzehnte vor der Einführung der Pille begann, und primär gesellschaftliche Ursachen hat (z.B. Rentenversicherung, materielle Bedürfnisse). Zusätzlich negativ auf die Entwicklung der Geburtenrate wirkt sich aus, dass das Durchschnittsalter der Mütter in den letzten Jahrzehnten gestiegen ist, was mit einer leichteren Geburtenkontrolle zusammenhängen kann, aber nicht muss.

Ein weiterer Ansatz ist die Kompression bzw. De-Kompression. Pillenknick und Baby-Boom sind hierbei in gewisser Weise gekoppelt. Der Baby-Boom stellt aus dieser Perspektive eine Kompression dar, d. h. nachfolgende Kohorten bekommen in der Längsschnitt-Betrachtung ihre Kinder früher als vorangegangene. Der Pillenknick hingegen ist eine De-Kompression: nachfolgende Kohorten bekommen ihre Kinder im Durchschnitt wieder später als vorangegangene.

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