Werkzeuggebrauch

Werkzeuggebrauch
Werkzeuggebrauch beim Gorilla

Als Werkzeuggebrauch bei Tieren gilt die Anwendung externer Objekte zur Erweiterung der Funktionen des eigenen Körpers, um ein unmittelbares Ziel zu erreichen.[1] Diese von Jane Goodall stammende Definition schließt zum Beispiel die Verwendung des Schnabels beim Zerhacken von Schnecken (hochschleudern und auf den Boden fallen lassen) aus, da hierbei keine Funktionserweiterung des Körpers stattfindet. Auch der Transport von Zweigen und deren Einbau ins Nest zählt nicht zum Werkzeuggebrauch. Eine andere Definition beschreibt Werkzeuggebrauch als die Handhabung eines unbelebten Objektes, mit dessen Hilfe die Position oder Form eines weiteren Objektes verändert wird.[2]

Inhaltsverzeichnis

Historisches

Dem Gebrauch von Werkzeugen im Tierreich wurde erst mit dem Aufschwung der Tierpsychologie und der aus ihr hervorgegangenen Ethologie wissenschaftliche Aufmerksamkeit zuteil. Bahnbrechend waren die Studien von Wolfgang Köhler in seiner kleinen Forschungsstation auf Teneriffa. Vor diesen 1917 und erneut 1921 publizierten Studien[3] hatte der Werkzeuggebrauch, von anekdotenhaften Einzelfallschilderungen abgesehen, als das alleinige Vorrecht der Menschen gegolten. Die Gattung Homo wurde zeitweise u. a. durch den Nachweis von Werkzeuggebrauch gegen zeitlich frühere Gattungen der Hominini abgegrenzt.

Menschenaffen

Dass Menschenaffen Werkzeuge gebrauchen, ist inzwischen allgemein bekannt, doch in welchem Umfang, in welchen Zusammenhängen und wie sie ihre Werkzeuge bearbeiten, wird erst seit wenigen Jahren genauer erforscht.

Schimpansen

Schimpansen – den nächsten Verwandten des Menschen – traute man diesen Gebrauch schon früh zu, und so fanden schon früh entsprechende Laborstudien statt. Doch dauerte es lange, bis sich herausstellte, dass sie Werkzeuge auch im Freiland benutzen und sogar Jagdwaffen herstellen.

Frühe Laborstudien

Schimpanse mit Stock

Die Schimpansen von Wolfgang Köhler waren zunächst mit sehr einfachen Versuchsanordnungen konfrontiert worden; Köhler beschrieb eines der Experimente mit Sultan Jahrzehnte später so:

Eine Banane wird oben ins Drahtgitterdach des Spielplatzes gehängt, viel zu hoch, um selbst im Sprung von einem Schimpansen erreicht zu werden. Einige Meter von dieser Stelle entfernt befindet sich eine Kiste von beträchtlicher Größe. Hier zögerte Sultan niemals; er schleppte die Kiste so weit, bis sie gerade unter der Banane stand, kletterte herauf, sprang von hier aus in die Höhe und erreichte die Banane ohne die geringste Mühe.

Wolfgang Köhler: Die Aufgabe der Gestaltpsychologie, Berlin 1971, S. 117

Andere Schimpansen hatten unter anderem Kistentürme gebaut und waren an diesen empor geklettert, um an hoch hängende Bananen heran zu kommen. Ferner hatten sie Stöcke ineinander gesteckt, um damit an eine Frucht zu kommen, die sich außerhalb ihres Käfigs befand. Aus den Beschreibungen Köhlers geht hervor, dass die Schimpansen diese Handlungen nicht allein durch Ausprobieren erlernten. Vielmehr habe man beobachten können, dass ein Tier ruhig dasaß, umherschaute – zur Banane, zu den Kisten, zum Platz unter der Banane – um irgendwann gleichsam überlegt die Kisten unter der Banane zu stapeln und so die Frucht herabholen zu können. Köhler wies aber auch darauf hin, dass nicht jedes seiner Tiere zum Werkzeuggebrauch in der Lage war.

1937 beschrieb M. Crowford[4] sogar einen kooperativen Werkzeuggebrauch bei jungen Schimpansen: Ihnen gelang es, gemeinsam an einem Strick zu ziehen und so eine Kiste zu bewegen, die für ein Tier allein zu schwer war.

Erste Freilandbeobachtungen

Bereits 1956 hatten Fred G. Merfield und Harry Miller[5] vermerkt, dass Merfield in den 1920er-Jahren Schimpansen dabei beobachtet hatte, wie diese ein Stöckchen in ein Bienennest steckten und nach dem Herausziehen den daran klebenden Honig ablutschten.

Bemerkenswert sind Beobachtungen, die die britische Zoologin Jane Goodall im Gombe Stream National Park in Tansania machte und in ihren Vorträgen gern erwähnt: Wild lebende Schimpansen nutzen dort Steine als Hammer und Amboss, um Nüsse zu öffnen. In einem ihrer Filmdokumente sieht man, wie ein Schimpanse, der an Durchfall erkrankt ist, sich mit Blättern säubert.

Irenäus Eibl-Eibesfeldt zitiert[6] Jane Goodall, die beobachtete, dass Schimpansen dünne Stöckchen benutzen, um damit Termiten aus Erdlöchern zu fischen. Ferner benutzen sie Blätter als Ersatz für einen Schwamm, um mit ihrer Hilfe Wasser aus Baumlöchern aufzutunken. Ein bekanntes Foto zeigt einen Schimpansen, der mit einem langen Stock auf die Attrappe eines Leoparden einschlägt.

Diese sehr menschlich anmutenden Verhaltensweisen eignen sich die Schimpansen jedoch nicht in gleichem Maße, wie das bei den Menschen geschieht, durch Imitationslernen an, und sie werden auch nicht von Erwachsenen zur Nachahmung ermuntert oder angeleitet. Die Schimpansenjungen sitzen jahrelang neben den Erwachsenen und schauen bloß zu. Peter Weber beschrieb in seinem Buch „Der domestizierte Affe“[7] das Verhalten so:

Schimpansenkinder imitieren nicht, und sie bekommen keinen Unterricht. In gewisser Hinsicht bekommt ein Schimpanse von seiner Mutter nicht mehr geliefert als eine Vorstellung, was zu tun ist. Wie man das Werkzeug jedoch zweckmäßig handhabt, muss er selbst herausfinden. Der Gebrauch eines Werkzeugs bedeutet so für jede Schimpansengeneration einen Neubeginn.

Nüsseknacken mit Hammer und Amboss

Im Nationalpark Taï im westafrikanischen Staat Elfenbeinküste benutzen Schimpansen grobe Holzstücke als Hammer und Amboss, um auf diese Weise hartschalige Palmnüsse zu knacken.[8] Im Februar 2007 berichteten Forscher aus dem Leipziger Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie[9] über den Fund einer ca. 4300 Jahre alten „Schimpansenwerkstatt“ bei Noulo (ebenfalls Taï-Nationalpark). Die ausgegrabenen Steine zeigen ihren Angaben zufolge die gleichen typischen Abnutzungserscheinungen wie jene Steine, die von heute lebenden Schimpansen als Werkzeug zum Zerschlagen von Nüssen benutzt werden; sie unterscheiden sich zugleich von allen Steinwerkzeugen, die man dem Menschen zuordnen konnte. Die Forscher fanden auf den Steinen zudem Überreste von Stärke, die bestimmten Nüssen zugeordnet werden konnte. Die Funde belegen den Autoren zufolge, dass die Vorfahren von Schimpansen und Menschen mehrere tausend Jahre lang bestimmte gemeinsame kulturelle Merkmale aufwiesen, die man lange Zeit ausschließlich dem Menschen zugetraut hat. Hierzu gehören unter anderem die Auswahl und das Beschaffen von Rohmaterialien und deren gezielte Verwendung für eine bestimmte Arbeit an einem bestimmten Ort, ferner das wiederholte Aufsuchen bestimmter Orte für bestimmte Zwecke, so dass sich dort Reststoffe und Schutt anhäufen.

Crickette Sanz und David Morgan vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie dokumentierten mit Hilfe von 18 Kameras im Goualougo-Dreieck (Republik Kongo) zwischen 1999 und 2006 22 unterschiedliche Formen von Werkzeuggebrauch bei Schimpansen, darunter mehrere Varianten des Honig-Sammelns, des Termiten-Angelns und der Wasseraufnahme mit Hilfe von Blättern.[10]

Beutemachen mit Speeren

Im Senegal beobachteten Forscher der Iowa State University im Verlauf einer insgesamt 2500 Stunden umfassenden Beobachtungszeit, dass Schimpansen gewohnheitsmäßig Speere benutzen, um Beutetiere zu jagen.[11] Mindestens eine von 22 beobachteten Attacken war erfolgreich. Die zehn derart aktiven Tiere waren überwiegend Weibchen, die zunächst einen Ast von einem Baum abbrachen und danach dessen Seitentriebe entfernten. Vier dieser Weibchen spitzten schließlich sogar ein Ende des Astes mit den Zähnen an. Mit ihrem Werkzeug stocherten sie kräftig in die Schlafhöhlen von nachtaktiven Galagos; hin und wieder rochen oder leckten sie danach an der Spitze ihres Werkzeugs. Die Zeitschrift Science schrieb hierzu, dies sei der erste Nachweis, dass ein nicht-menschlicher Primat „tödliche Waffen für die Jagd auf andere Tiere“ hergestellt habe.[12]

Wildlebende Gorillas

Das Gorillaweibchen Leah nutzt einen Ast als Stütze bei der Durchquerung eines Gewässers

Thomas Breuer vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie veröffentlichte im September 2005 eine Studie zum Werkzeuggebrauch von frei lebenden Gorillas im Nouabalé-Ndoki National Park im Norden des Kongo.[13] Erstmals hatte er dort bei zwei Weibchen auch fotografisch dokumentieren können, dass Stöcke von diesen Primaten als Werkzeuge genutzt werden. Ein Weibchen durchquerte einen Tümpel, lotete zunächst die Wassertiefe mit einem Ast aus und stützte sich dann im brusthoch stehenden Wasser auf diesen Stock, gewissermaßen als Gehhilfe. Ein anderes Weibchen stützte sich mit einem Arm auf einen Stock, während sie mit der anderen Hand Futter aufsammelte.

Orang-Utans

Orang-Utans können gezielt Wasser nutzen, um an Nahrung heranzukommen. Forscher des Max-Planck-Instituts für Anthropologie hatten Erdnüsse in ein durchsichtiges, teilweise mit Wasser gefülltes Glasgefäß geschüttet, in dem sie für die Tiere allerdings nicht mit den Fingern erreichbar waren. Alle fünf Orang-Utans füllten daraufhin ihren Mund mehrfach (im Mittel dreimal) mit Wasser, spuckten es in das Glasgefäß und konnten aufgrund des dann höheren Wasserstands die Erdnüsse herausfischen. Bei allen Tieren verkürzte sich zudem die Latenzzeit nach der Aufnahme des ersten Wasserschlucks „dramatisch“ bei allen späteren Testdurchgängen.[14]

Von anderen Orang-Utans ist bekannt, dass sie Äste als „Fliegenklatschen“ benutzen. Im Frankfurter Zoo knüpfen sie die Halterungen für ihre Schlafnester kunstvoll an Metallstangen fest.

Weitere Primaten: Kapuzineraffen

Brasilianische Rückenstreifen-Kapuziner (Cebus libidinosus) verwenden im Gebiet der Caatinga bis faustgroße Steine, um mit deren Hilfe Wurzeln im Erdreich freizulegen. Antonio de Moura und Phyllis Lee (Universität Cambridge) beobachteten die Tiere auch dabei, wie sie mit Steinen Wurzeln zerteilten oder Nüsse knackten.[15] Ferner benutzen die Kapuzineraffen Zweige, um in Astlöchern nach Insekten, Wasser oder Honig zu stochern. Die Autoren beschrieben das Verhalten der Affen als eine relativ junge, erlernte Anpassung an ihr unwirtliches und zeitweise sehr trockenes Habitat, in dem oberirdisch verfügbare Nahrung zeitweise noch knapper wird, seitdem die Menschen dort durch Brandrodung, Holzeinschlag und andere Eingriffe das Nahrungsangebot für diese Tiere zusätzlich verringert haben.

Beim Ausgraben von Wurzeln schlagen die Affen mehrmals mit dem Stein auf den Boden, zugleich kratzen sie mit ihrer zweiten Hand die aufgelockerte Erde zur Seite. Diese Vorgehensweise wurde bei mehreren Gruppen beobachtet, die Kilometer weit von einander entfernt leben. Die Kapuzineraffen der Caatinga erschlossen sich mit Hilfe ihrer Werkzeuge u. a. die Wurzeln des Maniok, die Wurzeln von Thiloa glaucocarpa aus der Familie der Flügelsamengewächse, sowie die Früchte der Jatoba-Art Hymenaea courbaril als Nahrungsquelle.[16]

Delphine

Unter der Überschrift „Flipper geht zur Schwammschule“ berichtete am 11. Juni 2005 die Fachzeitschrift New Scientist über eine Studie, die kurz zuvor in den Proceedings of the National Academy of Science USA erschienen war.[17] In ihr berichteten Michael Krützen von der Universität Zürich[18] und Forscher der University of New South Wales in Sydney, dass einige der Großen Tümmler in der westaustralischen Shark Bay bei der Futtersuche Werkzeuge benutzen: Sie lösen Schwämme vom Meeresboden ab und stülpen sie über ihre Schnauze. Die Schwämme dienen ihnen als eine Art Handschuh, um ihre Schnauze bei der Futtersuche im Boden zu schützen. Von den rund 3000 Delfinen in der Shark Bay sind nur etwa 30 so genannte Spongers, hat Dr. Michael Krützen vom Anthropologischen Institut der Universität Zürich herausgefunden. Um genetische Einflüsse zu untersuchen, wurde die DNA von 13 schwammbenutzenden Delfinen analysiert und die DNA von 172 Delfinen, die keine Schwämme benutzen. Man fand heraus, dass der Gebrauch von Schwämmen anscheinend in direkter Linie von der Mutter auf die Tochter weitergegeben wird. Die Schwamm benutzenden Tiere zeigten zudem eine signifikante genetische Verwandtschaft. Die Forscher nehmen daher an, dass die Nutzung von Schwämmen von einer weiblichen Vorfahrin erst vor relativ kurzer Zeit erfunden worden ist. Es ist überdies das erste Beispiel für eine materielle Kultur bei Meeressäugern.

Elefanten

Auch Elefanten sind bekannt dafür, dass sie Werkzeuge benutzen.[19] Sie schwenken zum Beispiel Zweige mit ihrem Rüssel und vertreiben so Fliegen von ihrem Körper. Joyce Poole, eine erfahrene Feldforscherin bei afrikanischen Elefanten berichtete zudem, dass Elefanten beobachtet wurden, wie sie große Steine auf einen elektrischen Zaun warfen und auf diese Weise die Stromversorgung unterbrachen.[20]

Otter

Seeotter legen sich, auf dem Rücken treibend, Steine auf den Bauch und benutzen sie zum Knacken von Schalentieren.

Nagetiere

Inzwischen werden auch Tierarten untersucht, die zuvor überhaupt nicht im Fokus der Werkzeugforschung standen.

Nacktmulle (Heterocephalus glaber) graben mit Hilfe ihrer Schneidezähne große Höhlensysteme. Dabei wurde beobachtet, dass sie – zumindest in Gefangenschaft – häufig Holzspäne und Wurzelstücke hinter ihren Schneidezähnen und vor ihren Lippen und Mahlzähnen platzieren, wenn sie in besonders feinem Bodenmaterial graben. Gedeutet wurde dieses Verhalten als tauglich, das Einatmen von Staub und anderen Fremdkörpern zu verhindern. Zwei Forscher der Cornell University bezeichneten dieses Verhalten in einer 1998 veröffentlichten Publikation als Werkzeuggebrauch;[21] allerdings widerspricht die Aussage der Autoren, die Holz- oder Wurzelstücke dienten dem – rein passiven – Schutz der Atemwege, ihrer Deutung, dies sei ein Werkzeuggebrauch.

Eindeutig waren jedoch die Befunde einer weiteren Studie. Fünf Degus (Octodon degus) wurden im Labor von japanischen Biolinguisten binnen zwei Monaten erfolgreich trainiert, mit ihren Vorderbeinen einen Schieber so zu bewegen, dass sie Sonnenblumenkerne einsammeln konnten, die allein mit den Pfoten nicht erreichbar waren.[22] Den Angaben der Autoren zufolge war dies der erste Nachweis der Fähigkeit zum Werkzeuggebrauch bei Nagetieren.

Vögel

Zum Werkzeuggebrauch von Vögeln gab es immer wieder anekdotische, aber nicht wissenschaftlich gesicherte Zufallsbeobachtungen, gegen die aber häufig eingewendet werden konnte, dass die Handhabung von kleinen Stöckchen primär dem Nestbau gedient habe. Systematische Beobachtungen zum Werkzeuggebrauch von Vögeln sind daher erst spät durchgeführt worden.

Geradschnabelkrähen aus Neukaledonien können Drähte verbiegen, um damit Futter zu angeln.[23][24] Forscher der Universität Auckland beobachteten zudem, wie die Vögel einen gegabelten Zweig in mehreren Arbeitsschritten zu einem Haken umgestalteten.[25]

Die Krähen wurden ferner dabei beobachtet, wie sie in freier Natur Blätter von Schraubenbäumen so bearbeiten, dass sie mit ihnen Maden aus Baumritzen angeln können.[26] Die Jungvögel lernen diese Technik durch Zuschauen.[27] Mit Hilfe von Minikameras, die man an einigen frei lebenden Vögeln befestigt hatte, konnte nachgewiesen werden, dass erfolgreich als Werkzeug zum Aufstöbern von Insekten benutzte Grashalme im Schnabel mitgenommen wurden, wenn die Vögel zu einem anderen Futterplatz flogen.[28]

In einem Laborexperiment gelang es mehreren Testtieren sogar, sich mit Hilfe eines Werkzeugs ein anderes Werkzeug zu beschaffen.[29] Ein verlockendes Stück Fleisch war für die Vögel nur zu erreichen, wenn sie zunächst mit einem leicht erreichbaren kleinen Stöckchen ein deutlich längeres Stöckchen aus einem vergitterten Kasten herausstocherten. Drei von sieben Vögeln meisterten diese Situation auf Anhieb. Drei weitere Vögel setzten zwar ebenfalls das kurze Stöckchen als Werkzeug ein, scheiterten zunächst aber daran, sich das lange Stöckchen zu beschaffen. Insgesamt sechs Vögel holten sich schließlich das Futter; nur eine einzige Krähe versuchte zunächst, mit dem kleinen, ungeeigneten Stöckchen das Futter zu erreichen. Aus diesen Beobachtungen schlossen die neuseeländischen Verhaltensforscher, dass die Geradschnabelkrähen die ihnen gestellte Aufgabe bewältigen konnten, ohne sich durch Versuch und Irrtum an eine Lösung heranzutasten.

Otto Koehler berichtet, dass Schmutzgeier dafür bekannt sind, so lange Steine gegen Straußeneier zu schleudern, bis diese zerspringen; danach verzehren sie deren Inhalt.[30]

Blauhäher wurden in Gefangenschaft dabei beobachtet, dass sie mit Hilfe von Werkzeugen Futter vergraben.[31]

Heinz Sielmann berichtete[32] über Beobachtungen an Spechtfinken der Galápagos-Inseln mit dem bezeichnenden Namen Cactospiza pallida, dass diese einen Kaktusstachel oder ein gerades Hölzchen benutzen und sogar selbst zurecht brechen, um damit Insekten aus Löchern im Holz zu stochern.

Insekten

Schließlich stößt man sogar bei Insekten auf einfachen Werkzeuggebrauch. Grabwespen der Gattung Ammophila nehmen gelegentlich Steinchen zwischen ihre Mandibeln, um nach dem Zugraben ihrer Eikammer den losen Sand über dem Eingang festzustampfen.[33]

Siehe auch

Literatur

  • Peter-Rene Becker: Werkzeuggebrauch im Tierreich. Wie Tiere hämmern, bohren, streichen. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft 1999. ISBN 3-8047-1291-6.
  • Benjamin B. Beck:[34] Animal Tool Behavior: The Use and Manufacture of Tools by Animals. Taylor & Francis, 1980 (Garland series in ethology), ISBN 978-0824071684

Einzelnachweise

  1. „the use of an external object as a functional extension of mouth or beak, hand or claw, in the attainment of an immediate goal“; für weitere Definitionen siehe nationalzoo.si.edu
  2. „Tool use is defined as the manipulation of an inanimate object to change the position or form of a separate object.“ K. Okanoya, N. Tokimoto, N. Kumazawa, S. Hirata, A. Iriki: Tool-use training in a species of rodent: the emergence of an optical motor strategy and functional understanding. PLoS ONE, 2008, 3(3):e1860, [1] oder doi:10.1371/journal.pone.0001860
  3. Intelligenzprüfungen an Anthropoiden I. Abhandlungen der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften, 1917, Physikalisch-mathematische Klasse, Nr. 1 und Intelligenzprüfungen an Menschenaffen. Berlin, Springer, 1921
  4. M. Crowford, Comp. Psychol. Monogr., Band 14, Heft 2, 1937
  5. Fred G. Merfield und Harry Miller: Gorillas were my Neighbours. London, Verlag Longmans, 1956
  6. Irenäus Eibl-Eibesfeldt: Grundriss der vergleichenden Verhaltensforschung
  7. Peter Weber: Der domestizierte Affe. Walter Verlag, 2005
  8. www.eva.mpg.de (Max Planck-Gesellschaft) und www.geo.de
  9. Mercader, Julio, Huw Barton, Jason Gillespie, Jack Harris, Steven Kuhn, Robert Tyler, and Christophe Boesch: 4300-year-old chimpanzee sites and the origins of percussive stone technology. PNAS, Februar 2007, [2]
  10. Jon Cohen: The world through a chimp’s eyes. Science Band 316 vom 6. April 2007, S. 44–45
  11. Jill D. Pruetz, Paco Bertolani: Savanna Chimpanzees, Pan troglodytes verus, Hunt with Tools. Current Biology vom 6. März 2007, vorab online-publiziert im Februar 2007 www.current-biology.com
  12. Science, Band 315 vom 23. Februar 2007, S. 1063 [3]
  13. Thomas Breuer u. a.: First Observation of Tool Use in Wild Gorillas. PLoS Biol 3(11): e380 doi:10.1371/journal.pbio.0030380 [4]
  14. Natacha Mendes, Daniel Hanus, Josep Call: Raising the level: orangutans use water as a tool. Biology letters, online veröffentlicht am 3. Juli 2007, doi:10.1098/rsbl.2007.0198
  15. A. C. de A. Moura,P. C. Lee: Capuchin Stone Tool Use in Caatinga Dry Forest. Science, Band 306, Nr. 5703, vom 10. Dezember 2004, S. 1909, doi:10.1126/science.1102558
  16. www.wissenschaft-online.de: Tierische Steinzeit. Kapuzineraffen graben mit Steinen nach Futter. „Spektrumdirekt“ vom 11. Dezember 2004
  17. Michael Krützen u. a.: Cultural transmission of tool use in bottlenose dolphins. PNAS, 21. Juni 2005, Band 102, Nr. 25, S. 8939–8943 [5]
  18. www.unipublic.unizh.ch (bebildert)
  19. Dietmar Jarofke: Jarofkes Elefantenkompendium. Schüling Verlag, Münster, 2007, ISBN 3865230857
    Jeanette Schmid: Verhalten Asiatischer Elefanten (Elephas maximus) im Zoo und Zirkus. Schüling Verlag, Münster 2006, ISBN 3-86523-055-5
  20. Joyce Poole: Coming of Age With Elephants: A Memoir. Hyperion Books, 1996, ISBN 0786860952
  21. Gabriela Shuster, P. W. Sherman: Tool use by naked mole-rats. Animal Cognition 1 (1), S. 71–74, 1998, doi:10.1007/s100710050009
  22. K. Okanoya, N. Tokimoto, N. Kumazawa, S. Hirata, A. Iriki: Tool-use training in a species of rodent: the emergence of an optical motor strategy and functional understanding. PLoS ONE, 2008, 3(3):e1860, [6] oder doi:10.1371/journal.pone.0001860
  23. wissenschaftliches Experiment, London, gezeigt im 3. Programm WDR 2006
  24. Alex A. S. Weir et al.: Shaping of Hooks in New Caledonian Crows. Science, 9. August 2002, S. 981 doi:10.1126/science.1073433
  25. Diemut Klärner: Raffinierter Werkzeuggebrauch bei der Neukaledonischen Krähe. Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 206 vom 5. September 2007, S. N2
  26. Bernd Heinrich und Thomas Bugnyar: Just how smart are revens? Scientific American, April 2007, S. 48
  27. gefilmt vom wissenschaftlichen Beobachtungsteam, aus derselben WDR-Sendung
  28. Christian Rutz u. a.: Video Cameras on Wild Birds. Science, Online-Vorabveröffentlichung vom 4. Oktober 2007, doi:10.1126/science.1146788
  29. Alex H. Taylor, Russell D. Gray u. a.: Spontaneous Metatool Use by New Caledonian Crows. Current Biology 17, S. 1504–1507, 2007 Online-Zusammenfassung
  30. Laut Otto Koehler in: Grzimeks Tierleben, Sonderband Verhaltensforschung.
  31. Joanna Dally: Don’t call me birdbrained. New Scientist, 23. Juni 2007, S. 35–37
  32. im Journal für Ornithologie (Band 103, 1962, S. 92 ff.)
  33. laut Otto Koehler in: Grzimeks Tierleben, Sonderband Verhaltensforschung
  34. In diesem Standardwerk lautet die Definition für Werkzeuggebrauch: „the external employment of an unattached environmental object to alter more efficiently the form, position, or condition of another object, another organism, or the user itself when the user holds or carries the tool during or just prior to use and is responsible for the proper and effective orientation of the tool.“

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