Westallgäurisch

Westallgäurisch

Westallgäuerisch ist ein im Westallgäu gesprochener niederalemannischer Dialekt, der eng mit den anderen allgäuerischen Regionaldialekten sowie dem vorarlbergischen Bregenzerwälder Dialekt verwandt ist. Die grenzüberschreitende Verwandtschaft zum Wälderischen kommt unter anderem daher, weil das Westallgäu bis zum Jahr 1814 mit Vorarlberg vereint war.

Inhaltsverzeichnis

Typische Merkmale

Charakteristische Merkmale des Westallgäuerischen sind z.B.:


Die alten alemannischen Monophthonge [û],[ î], [iu] werden vorne im Mundraum gebildet:

  • Haus → Hüüs
  • brauchen → brüüche

Dem mhd. Laut [ei] entsprechen die Diphthonge [oi] und [ui]

  • breit → broit
  • eins → uis (uins)

Für ahd. [iu] steht [ia]:

  • fliegen -> fliage (fast „fliege“)

Aus den Wörtern stehen, gehen, lassen, haben (< mhd. [stân], [gân], [lân], [hân]) wird:

  • stehen → schdtång
  • gehen → gång
  • lasse → lång
  • haben → hång

Substantive enden volltonig auf [-ar] (von ahd. [ari]):

  • Maler → Måålar
  • Schreiner → Schriinar

Weibliche Substantive enden volltonig auf [-a]:

  • Tanne: ui Dtanne → zwoi Dtanna
  • Kiste: ui Kischte → drei Kischta

Fortsetzung der alten ahd. Langvokale [ê] und [ô]:

  • er frägt: ar frååget
  • sie folgt: sie folget

Verkleinerungsform [-le] (unabhängig von der Menge):

  • Bächlein: Bächle
  • Nägelchen: Näägele
  • Häuschen: Hiisle

Unterscheidende Ortsangaben:

  • herinnen - drinnen: hinna - dinna
  • herausen - draußen: husa - dusa
  • herüben - drüben: heanat - deanat
  • herunten - drunten: hunda - dunda
  • herein - hinein: iijar - iije

Es wird bei Zahlwörtern unterschieden, ob es bei einem männlichen, weiblichen oder sächlichen Hauptwort steht:

  • der Stuhl: uin Schtuel → zwää/zwii Schtiel → drei Schtiel
  • die Katze: ui Katz → zwoo Katze → drei Katze
  • das Haus: ui Hüüs → zwoi Hiiser → drie Hiiser

Aussprache:

  • das [r] wird im Westallgäuerischen gerollt (Zungen-r)
  • das [st] und [sp] wird zu [scht] und [schp]
  • das [t] wird weich ausgesprochen: etwa [dt]

Legende:

  • [e] = Murmellaut, Schwa (Wie ebav für das englische Wort above)
  • [a] = Murmellaut
  • [å] = Dumpfer Laut zwischen [a] und [o]. (Hört sich an wie „å du tust mir aber leid“)

Kleine Unterschiede

Innerhalb des Westallgäus gibt es jedoch auch kleine Unterschiede. So wird im Süden und Osten beispielsweise aus „Kranz“ und „Salz“:

  • Kranz → Krånz
  • Salz → Sålz

Oder aus dem Wort „Dunst“:

  • Dunst → Duscht

Typisch westallgäuerische Ausdrücke

Deutsch Westallgäuerisch
Schnuller Bapf
Buben Buebe
Dienstag Ziisdag
droben dooba
zu nichts nütze, zu nichts gut pfidzeniez
fürchterlich, schlimm, sehr fierchtig
geselliges Zusammensein Hoschdtuube
Toilette Lacheloo
Teufel Gitzgäbeler
gähnen guine
graupeln / fein hageln kitzebolle
Gurgeln in nassen Schuhen soozge
werfen/fallen keije
Handschuh Hänsche
Hausschuh Båådsche
hinuterrollen dtroole
Holzsplitter in der Haut Schpiiße
Kartoffel Grumbbre
Kater Bååle
liegen flacke
Mädchen Schpudtl oder Feel
nichts niets
niesen pflidzge
raufen hååre
schneefrei ååbr
spucken schpuize
Stein Schdui
Strauch / Gebüsch Bosche
weinen briagge oder blähre
Zaun Haag
Zwischenmahlzeit am Vormittag Veaschbe (von lat.: Vesper)

Beispielsätze

Westallgäuerisch Hochdeutsch
Lueg dr amål d' Schpudtla aa! Sieh dir einmal die Mädchen an!
Gang i de Keer und hol an Krette Bodebira uffer,
abr lueg, dass d' it abekeijeschd!
Gehe in den Keller und hole einen Korb Kartoffeln herauf,
aber pass auf, dass du nicht hinunterfällst!
Des Feel håt ou allad ebbas z'm due. Dieses Mädchen hat auch immer etwas zu tun.
Geaschtig isch no Wintr gsi, heit isch scho Frieling. Gestern war noch Winter, heute ist schon Frühling.
Schputl förbs gadå, nimm dr Flick und wirf's Gmiedr d Förkå abå. Mädchen mach' das Wohnzimmer sauber, nimm die Schürze und wirf den Kehrricht in den Abfluss.

Westallgäuerisch heute

Das Westallgäuerische wird immer mehr durch das Standarddeutsche bzw. durch die relativ weit verbreiteten Dialekte Schwäbisch und Bayerisch zurückgedrängt. So nahm beispielsweise nicht nur der westallgäuerische Wortschatz in den letzten hundert Jahren stark ab; auch die typischen Merkmale des Westallgäuerischen verlieren sich immer mehr. So enden Hauptwörter wie „Eeschdtriichar“ nur noch selten auf [-ar], und sind bei der heutigen Jugend meist nur noch durch ein süddeutsches [sch] (also „Öschterreicher“) von den entsprechenden hochdeutschen Wörtern (hier „Österreicher“) zu unterscheiden.

Weiteres dazu unter: Rückhalt des Allgäuerischen in der Bevölkerung

Literatur

  • Anton Gruber: Die Westallgäuer Mundart. Neu herausgegeben von Manfred Renn und Landkreis Lindau:
    • Band 1: Grammatik. Winter, Heidelberg 1989, ISBN 3-533-04136-0.
    • Band 2: Wörterbuch. Winter, Heidelberg 1989, ISBN 3-533-04137-9 .
  • Manfred Renn: Das Allgäuer Dialektbuch. Lechtrommel Verlag, Augsburg 1999, ISBN 3-00-004174-5.
  • Albert Baldauf: Westallgäuer Wörterbüchlein. Verlag des Heimatpflegers von Schwaben, Kempten (Allg.) 1955.
  • Leo Jäger: Brennessla – Westallgäuer Impressionen. Mundartgedichte. Verlag für Heimatpflege, Kempten 1984.


Weblinks

Wikipedia Wikipedia auf Alemannisch (inklusive Westallgäuerisch)

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