Westfälisches Staatensystem

Westfälisches Staatensystem

Der Begriff Westfälisches System, Westfälisches Staatensystem oder auch Westfälisches Modell ist ein Begriff der Politikwissenschaft (vornehmlich in der Teildisziplin Internationale Beziehungen gebräuchlich) und bezeichnet im engeren Sinne die politische Ordnung, die sich in Europa nach dem Westfälischen Frieden entwickelt hat. Diese Ordnung ist demnach dadurch gekennzeichnet, dass die Staaten nicht nur die rechtlichen Monopolisten des Krieges, sondern auch die faktischen Monopolisten der Kriegführungsfähigkeit sind.

Im weiteren Sinne wird damit auch das System der nach innen und außen souveränen Nationalstaaten bezeichnet.

Mit der Installierung des Westfälischen Systems kommt erstmals historisch auch die Vorstellung einer "Staatsnation im Nationalstaat" zum Tragen. Mit ihr wird sich in den folgenden Jahrhunderten primär die - als homogen idealisierte - Nation zur Legitimation und Motivation von politischer Herrschaft entwickeln, um sich schließlich in den Weltkriegen des 20. Jahrhundert bis an den Rand der Selbstzerstörung zu bringen.

Prinzipien

Charakteristisch sind 3 Prinzipien:

  • Souveränitätsprinzip: Der Menge der Staaten ist keine Instanz übergeordnet, es herrscht das Prinzip der Selbsthilfe bzw. Anarchie.
  • Territorialprinzip: Die Staaten haben klare territoriale Grenzen, in denen sie das Gewaltmonopol besitzen.
  • Legalitätsprinzip: Die Staaten sind untereinander gleichberechtigt, Krieg als Mittel zur Durchsetzung der Interessen eines Staates ist legitim.

Das Gewaltverbot zwischen Staaten in der Charta der Vereinten Nationen und die Beschränkung der staatlichen Souveränität durch die fortschreitende Universalisierung der Menschenrechte sind Merkmal dafür, dass das westfälische System weiterentwickelt worden ist.

Kennzeichen sind:

  • Das internationale System ist ein System von Staaten, der Staat gilt als alleiniger Akteur
  • Der Monarch bzw. die Regierung vertritt den Staat mit seiner Bevölkerung nach außen (Außenpolitik)
  • Staaten sind prinzipiell souverän und prinzipiell (völkerrechtlich) gleich (Gleichheit)
  • Das Völkerrecht ist das Recht der Staaten
  • Staaten werden geleitet von der Staatsräson
  • Die Kommunikation zwischen Staaten wird durch Diplomatie gewährleistet
  • Das System strebt nach Machtgleichgewicht zwischen den Staaten, vor allem durch Allianzen- und Gegenmachtbildung
  • Krieg ist Teil der Normalität des Staatensystems.

Die Kennzeichen der politischen Ordnung des Westfälischen Systems können in Verbindung mit modernen Theorien der Internationalen Beziehungen gebracht werden. So zeichnet sich die Theorie des Neorealismus nach Kenneth Waltz sowie der Realismus nach Hans Morgenthau durch ähnlich geartete Grundannahmen aus.

Kritik

In der Geschichtswissenschaft wird dieser Begriff nicht verwendet und kritisch gesehen, da er einerseits den Prozess der Nationalstaatswerdung in Europa zu sehr auf einen bestimmten Zeitraum einengt und andererseits durch die Intentionen der beteiligten Verhandlungspartner und die tatsächlichen Beschlüsse des Friedenkongresses von Münster und Osnabrück nicht gedeckt wird.

Die Politikwissenschaft wendet gegen diese Kritik ein, dass nicht die bewußte Intention der Akteure zur Schaffung dieses Systems relevant ist, sondern allein das empirische Faktum, dass die zwischenstaatlichen Beziehungen seit 1648 nach dieser Handlungslogik funktionieren und mit großer Erklärungskraft analysiert werden können. Auch wird das Jahr 1648 nicht als isoliertes Ereignis betrachtet, sondern als der Höhepunkt in einem längeren Transformationsprozess, was wiederum der Auffassung der Geschichtswissenschaft sehr nahe steht.

Literatur

  • Heinz Duchhardt: "Westphalian System". Zur Problematik einer Denkfigur, in: Historische Zeitschrift 269 (1999), S. 305−315.
  • Gert Krell: Weltbilder und Weltordnung. Einführung in die Theorie der Internationalen Beziehungen, Nomos 2004. ISBN 3-832-909-66-4

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