Westrom

Westrom
Die Teilung in ein weströmisches und ein oströmisches Reich nach dem Tod des Kaisers Theodosius I.
Die Ausdehnung des Weströmischen Reiches zum Zeitpunkt der Teilung im Jahre 395

Das Weströmische Reich (die Bezeichnung ist modernen Ursprungs; nach zeitgenössischer Auffassung gab es stets nur ein Reich unter zwei Kaisern) entstand nach der Reichsteilung von 395 aus dem Römischen Reich, nachdem der römische Kaiser Theodosius I. das Reich zwischen seinen Söhnen Honorius (Westrom) und Arcadius (Ostrom bzw. Byzanz) aufteilte. Das Weströmische Reich ging bereits 476 mit der Absetzung des jugendlichen Kaisers Romulus Augustulus durch Odoaker (bzw. nach dem Tod des letzten von Ostrom anerkannten Kaiser Julius Nepos im Jahr 480) unter. Im Grunde handelte es sich dabei jedoch nur um einen Militärputsch in einem auf Italien und den Alpenraum reduzierten Herrschaftsgebiet, der den Staat im Kern intakt ließ: Zwar endete das weströmische Kaisertum 476/480, doch manches spricht dafür, auch die neun Jahrzehnte bis zum Langobardeneinfall 568 als ein Nachspiel der weströmischen Geschichte zu verstehen.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Zum Folgenden (vor allem bezüglich Gesellschaft und Staat) vergleiche auch: Spätantike

Die Zeit des Honorius

Obwohl das Weströmische Reich nur 81 Jahre Bestand hielt, hatte es insgesamt zwölf anerkannte Herrscher und zudem noch drei (nach anderer Auffassung vier) Usurpatoren.

Honorius war der jüngste Sohn von Kaiser Theodosius I., dem letzten Kaiser, der beide Reichshälften gemeinsam regiert hat. Flavius Honorius war bei seinem Regierungsantritt 395 noch ein Kind, deshalb hatte Theodosius den Heermeister Stilicho, Sohn eines Vandalen und einer Römerin, zu seinem Vormund eingesetzt.

Die Herrschaft des Honorius war instabil. Bereits 397 erhob sich Gildo in der Provinz Africa. Nach der Invasion der Westgoten 402 auf der italischen Halbinsel, zog Honorius mit seinem Hof von Mediolanum (Mailand) zurück nach Ravenna, welches als uneinnehmbar galt. Auf der britischen Insel rebellierten die Soldaten unter Marcus und Gratian (406/407) sowie Konstantin III. (407–411); die Truppen setzen nach Gallien über und überließen die vom Abzug alles andere als begeisterte Bevölkerung – die sich weiterhin als Römer ansah – sich selbst bzw. den angelsächsischen Angriffen, wobei die Angelsachsen jedoch in kleinen Gruppen vor allem als Söldner nach Britannien kamen.

Daneben kam es zum Zusammenbruch der Rheingrenze: Am 31. Dezember 406 fielen Vandalen, Sueben und die (ursprünglich) iranischen Alanen, wohl auf der Flucht vor den Hunnen, in Nordgallien ein (siehe Rheinübergang von 406); fränkische foederati und römische Grenztruppen, die sich ihnen entgegenstellten, wurden schließlich geschlagen. Zudem fiel ein gotisches Heer unter Radagaisus in Italien ein, welches jedoch von Stilicho vernichtet werden konnte. 408 ließ Honorius seinen Berater und Heermeister Stilicho aus Furcht vor dessen Macht ermorden, während es zu Raubzügen der Westgoten unter Alarich I. kam, die 410 schließlich Rom brandschatzten, was nachhaltige Folgen für das Selbstverständnis der Römer hatte. Es kam zudem zu den oben angesprochenen Usurpationen, die Kräfte banden: Konstantin III. sowie der römische Senator Priscus Attalus 409/410 und 414/415. 409 fielen die Sueben, Alanen und Vandalen in Hispanien ein. Die Westgoten vernichteten jedoch in der Folgezeit Teile der in Hispanien eingedrungenen Vandalen. Unter dem Heermeister und späteren Kaiser Constantius III. konnten die Römer die Lage zunächst stabilisieren, Usurpationen beenden und viele der eingedrungenen germanischen Gruppen zunächst unter Kontrolle bringen. Die Westgoten wurden so 418 als foederati in Aquitanien angesiedelt, womit man sich in Ravenna ein inneres Bollwerk gegen Aufstände und zugleich einen kampfstarken Verband gegen die äußeren Feinde sowie die Vandalen und Sueben erhoffte; die Westgoten verhielten sich denn auch insgesamt betrachtet loyal, was sie freilich nicht von Vorstößen auf weströmisches Gebiet abhielt, um ihren Einflussbereich zu vergrößern – zu einem regelrechten Bruch des Vertrags von 418 kam es jedoch erst in den späten 60er Jahren des 5. Jahrhundert. Zum Unglück für Westrom starb Constantius III. nach nur wenigen Monaten Herrschaft, bevor er seine Erfolge ausbauen und konsolidieren konnte.

Hunnensturm und interne Machtkämpfe

Nach dem Tod von Honorius im Jahre 423 regierte der Usurpator Johannes von 423 bis 425. 425 wurde er besiegt und Valentinian III., ein Neffe des Honorius, wurde Kaiser; er sollte der letzte Kaiser der theodosianischen Dynastie sein. Zunächst lagen die Regierungsgeschäfte in den Händen seiner Mutter Galla Placidia, doch kam es bald zu Kämpfen zwischen verschiedenen Militärs: Der Heermeister Felix und der comes Africae Bonifatius unterstützten bis zu ihrem Tod (mal mehr, mal weniger) die Politik der Galla Placidia. Nach dem Tod des Bonifatius jedoch regierte der Patricius und Heermeister Flavius Aëtius das Reich. Das Leben Valentinians bewegte sich zwischen Ravenna und Rom. In seine Regierungszeit fällt der Verlust der Provinz Africa, das nordwestliche Hispanien fiel an die Sueben, in Gallien jedoch konnte sich Aëtius trotz des Drucks durch die Westgoten und Burgunden weitgehend behaupten; das Burgundenreich am Rhein wurde durch seine hunnischen Hilfstruppen 436 vernichtet. 451 konnte er zudem den Hunnenkönig Attila, der mit einem großen Heer in Gallien eingefallen war, in der Schlacht auf den Katalaunischen Feldern zum Stillstand bringen. 454 ließ Valentinian seinen erfolgreichen, aber auch übermächtigen General Aëtius jedoch ermorden, nur um dann im darauffolgenden Jahr selbst Opfer eines Meuchelmordes zu werden. In Dalmatien schuf sich derweil der General Marcellinus ein faktisch eigenständiges Reich.

Dem Verlust der Provinz Africa an die Vandalen (endgültig mit der Eroberung Karthagos und der dort liegenden Flotte 439) kommt dabei eine große Bedeutung zu, da die Vandalen anders als die übrigen Germanen, eine formelle Oberherrschaft des Kaisers ablehnten und damit den ersten unabhängigen Staat auf Reichsgebiet gründeten. Westgoten, Sueben, Burgunder und Franken waren dagegen formell Föderaten und regierten die provinzialrömische Bevölkerung im Namen des Kaisers, was den Schein der Herrschaft wahrte und auch die Möglichkeit für politische und militärische Interventionen Ravennas deutlich erhöhte.

Die letzten Jahre Westroms – die Zeit der Schattenkaiser

Die politische Lage im westlichen Mittelmeer ab 450 bis etwa 476/480; die Karte verdeutlicht, bis auf die Kernprovinz Italien, den völligen Zusammenbruch der weströmischen Herrschaft in der Peripherie (England, Gallien, Spanien, Nordafrika) bis auf wenige Exklaven in Nordgallien und Dalmatien

Nur kurz währte die Herrschaft des Petronius Maximus im Jahr 455, des ersten der sogenannten Schattenkaiser, die jeweils nur kurze Zeit regierten und kaum noch aktiv werden konnten, um den zusammenbrechenden weströmischen Staat zu retten. Westrom verlor in der Folgezeit immer größere Gebiete an die Germanen, die Staaten im Staat bildeten und damit Westrom wichtige Steuereinnahmen vorenthielten, die zur Aufrechterhaltung der Armee notwendig waren. Als hochrangiger Senator wurde Maximus nach dem Tode Valentinians III. (16. April 455) Kaiser. Er verlor jedoch schnell die Unterstützung des Heeres. Auf der Flucht vor einem erneuten vandalischen Plünderzug in Rom wurde Petronius am 22. Mai erschlagen. Ihm folgte am 9. oder 10. Juli 455 der Gallo-Römer Eparchius Avitus auf dem kaiserlichen Thron. Er war zuvor als Botschafter zwischen Rom und den Westgoten tätig, musste jedoch auch Probleme mit Markian, dem tatkräftigen oströmischen Herrscher, regeln sowie den mächtigen Heermeister Ricimer, einen Goten, ruhig halten, der sich bald zum wahren Herrscher Westroms entwickelte. Nachdem Avitus sein Vermögen aufgebraucht hatte und die Truppen nicht mehr finanzieren konnte, wurde er 457 von Ricimer gestürzt. In den Jahren nach ihrem Romzug 455 eroberten die Vandalen den Rest Nordafrikas, Sizilien, Korsika und die Balearen, was die römische Seehoheit im Mittelmeer beendete. Ein Sieg über Geiserichs Vandalen wurde zur Überlebensfrage für Westrom.

Majorian bestieg den Thron im Januar 457, wurde von Ostrom anerkannt und blieb knapp vier Jahre lang Kaiser. Nach den Jahren des Niederganges gelang es ihm endlich, die Kontrolle über Italien und große Teile Galliens zeitweiligwiederzuerlangen; die Westgoten und Burgunden wurden wenigstens vorübergehend ruhiggestellt. Auch Teile Hispaniens konnte Majorian - seit langem der erste und zugleich der letzte Westkaiser, der selbst ein Heer befehligte - befrieden. Innenpolitisch gelang es, den Senat durch mehr Zugeständnisse und durch eine verbesserte Wirtschaftspolitik das Volk auf seine Seite zu bringen. Von Papst Leo wurde er jedoch nicht als Kaiser anerkannt, da er aus Sicht der Kirche zu tolerant gegenüber Häretikern (insbesondere jenen Christen, die das Konzil von Chalkedon nicht anerkannten) agierte. Majorian wurde, nachdem eine Strafexpedition gegen die Vandalen bereits im Ansatz gescheitert war, Anfang August 461 von Ricimer gestürzt und kurz darauf hingerichtet; Ricimer konnte jedoch als Arianer (einer nicht-orthodoxen christlichen Glaubensgruppe) und Nicht-Römer selbst nicht die Herrschaft erlangen.

An seiner Stelle wurde 461 Libius Severus Kaiser von Westrom. Dieser wurde von Ostrom nicht anerkannt und blieb daher formal ein Usurpator. Mit seiner Regierung begannen die Plünderungen der Vandalen an der italienischen Westküste erneut. Währenddessen hatte sich der Heermeister Galliens, Aegidius, ein Freund Majorians, gegen Ricimer und die Regierung in Ravenna erhoben und in Nordgallien ein gallo-römisches Restreich errichtet, das bis 486 Bestand haben sollte. Nach vier Jahren starb Libius Severus 465 (angeblich von Ricimer vergiftet). An seine Stelle trat nach einer zweijährigen Thronvakanz, während der der Kaiser in Konstantinopel formal auch den Westen beherrschte, der Oströmer Anthemius. Dieser wurde vom oströmischen Kaiser Leo I. mit Geld und Truppen ausgestattet; er gilt oft als der letzte wirklich handlungsfähige und tatkräftige Herrscher Westroms. Ricimer und Anthemius verfolgten als vordringliches Ziel die Wiederherstellung der kaiserlichen Herrschaft gegenüber den Vandalen. Sogar Aegidius gab seinen Widerstand gegen den neuen Augustus zunächst auf und unterwarf sich zeitweilig Anthemius. Die Flotte des römischen Generals Basiliscus verbuchte einige erste Erfolge. 468 kam es dann zu einer großen Flottenexpedition, bei der oströmische und weströmische Truppen gemeinsam gegen die Vandalen kämpften. Doch überraschend besiegten die Vandalen Basiliscus vor der afrikanischen Küste. Nun versuchte Anthemius sein Glück in Hispanien. Doch der Feldzug gegen die Westgoten, die unter ihrem König Eurich den Vertrag von 418 gebrochen hatten und seit 469 weitere Gebiete eroberten, blieb erfolglos und führte letztlich nur zum Bruch zwischen dem Kaiser und Ricimer. Dieses letzte kriegerische Aufbäumen hatte die finanziellen und militärischen Möglichkeiten Westroms stark strapaziert. Zumindest das nördliche Gallien ging nun wohl verloren. Auch Ostrom hatte fast seinen gesamten Staatsschatz in die Flottenexpedition gegen Geiserichs Vandalen gesteckt und konnte dem Westen nun nicht mehr helfen. Schließlich brach wegen der Konflikte zwischen Ricimer und dem Kaiser, der nicht nur eine Marionette seines Heermeisters sein wollte, ein Bürgerkrieg aus. Dabei stand die Kirche auf der Seite des Heermeisters, denn auch Anthemius war aufgrund einer toleranten Religionspolitik beim römischen Bischof in Ungnade gefallen.

Ricimer siegte, und Anthemius wurde 472 hingerichtet; doch auch der mächtige Heermeister starb nur wenig später. Als Gewinner ging der bis dato annähernd unbekannte, aber aus alter Familie stammende Senator Anicius Olybrius hervor. Auch er brachte kein volles Jahr Regierungszeit hinter sich: Nach seiner Thronbesteigung im Frühjahr 472 starb er bereits sieben Monate später an einer Krankheit. Ricimers Nachfolge trat unterdessen sein Neffe Gundobad an, der bald aber König der Burgunden wurde. Als Kaiser folgte dem Olybrius Glycerius, der nur von 473 bis 474 regierte. Unter ihm schlossen Ost- und Westrom einen Frieden mit den Vandalen, während die Westgoten den größten Teil der heutigen Provence eroberten und sich endgültig von der kaiserlichen Oberhoheit befreiten. Glycerius wurde schließlich von dem Heerführer Julius Nepos abgesetzt, der auch den Kaisertitel übernahm. Dieser war der letzte weströmische Kaiser, dessen Herrschaft Ostrom anerkannte.

Julius Nepos regierte aber nur von 474 bis 475. Er wollte den Konflikt mit den Westgoten zunächst diplomatisch lösen. Der Erfolg war mäßig. Die Vandalen hatten inzwischen das ganze westliche Mittelmeer unter Kontrolle. Schließlich wendete sich auch das Blatt in Rom gegen Nepos: Sein Patron Orestes, der für sich in Anspruch nehmen konnte, Sekretär des Hunnenkönigs Attila gewesen zu sein, übernahm die Heeresführung, jagte Nepos 475 aus dem Amt und setzte seinen Sohn Romulus auf den Kaiserthron. Nepos konnte sich in Dalmatien allerdings bis 480 halten, bis er dort - angeblich auf Anstiftung des Glycerius, der nach seinem Sturz Bischof geworden war - ermordet wurde.

Romulus Augustus, auf Grund seines Alters von nur etwa zehn (nach anderen Quellen 17) Jahren beim Regierungsantritt spöttisch Romulus Augustulus (der kleine Augustus) genannt, war der letzte weströmische Kaiser (auch wenn eigentlich Julius Nepos bis zu seinem Tod 480 der letzte, auch von Ostrom anerkannte, Herrscher blieb). Romulus wurde im Jahr 476 schließlich von dem Germanenfürsten Odoaker, dem Kommandeur der letzten kaiserlichen Armee in Italien, abgesetzt. Odoaker setzte, anders als seine Vorgänger, keinen Schattenkaiser mehr ein, sondern er schickte eine senatorische Gesandtschaft zu Kaiser Zenon in Konstantinopel und unterstellte sich formal dessen Oberherrschaft, um dann selbst faktisch unabhängig als rex Italiae (König von Italien) zu regieren.

Begleitet und überlagert waren die letzten Jahre Westroms auch von religiösen Auseinandersetzungen. So standen Leo der Große und sein Nachfolger Hilarus im Konflikt mit den Arianern, die mit Ricimer den mächtigsten Mann Westroms auf ihrer Seite hatten. Simplicius führte vor allem Auseinandersetzungen mit dem Monophysitismus in der oströmischen Kirche, weshalb die Päpste Kaisern wie Anthemius und Julius Nepos, die aus dem Osten kamen, skeptisch bis feindselig gegenüberstanden, was deren Position weiter schwächte. Diese Entwicklung, die zu einer immer weiteren Entfremdung von Ost und West führte, setzte sich auch nach 476 fort: Mit dem Kirchenbann gegen die Anhänger des Henotikons, das der oströmische Kaiser erlassen hatte, löste Felix II. 484 das akakianische Schisma aus, wodurch auch der politische Zusammenhalt zwischen West und Ost weiter geschwächt wurde. Zudem stritt er mit dem oströmischen Kaiser grundsätzlich um den Einfluss in Kirche. Sein Nachfolger Gelasius I. formulierte schließlich 496 in diesem Zusammenhang die Zweischwerterlehre, die die Theorie von der Trennung von Staat und Kirche begründete und im Mittelalter große Wirkung entfalten sollte.

Nachspiel

Odoaker sah seine Herrschaft ganz in der Tradition des Römischen Reiches; er bekam vom Ostkaiser schließlich wohl auch den Titel eines patricius und damit (vielleicht) auch eines kaiserlichen "Statthalters" verliehen. Gegen Ende seiner Herrschaft ließ er jedoch seinen Sohn Thela zum Caesar ausrufen, was den Bruch mit Konstantinopel bedeutete. Das Weströmische Kaisertum war aber dennoch faktisch erloschen, wie um 520 als erster der oströmische Chronist Marcellinus Comes feststellte - wobei freilich der Akt von 476 zunächst insgesamt kaum Beachtung fand: Es gab schließlich in Konstantinopel noch einen Kaiser, dem sich Odoaker ja auch untergeordnet hatte. Thronvakanzen hatte es im Westen bereits vorher gegeben. Ferner ließ Odoaker weiterhin (bis 480) Münzen im Namen des Kaisers Nepos prägen, der zumindest noch Dalmatien regierte, da Ostrom 476 darauf hingewiesen hatte, Nepos sei der für Italien "zuständige" Kaiser. Und noch bis weit ins 6. Jahrhundert hinein achteten die germanischen Herrscher des Westens in der Regel das kaiserlicher Privileg, Goldmünzen zu prägen, und setzten daher das Porträt des jeweiligen oströmischen Augustus auf ihre solidi.

Im Raum von Paris konnte sich, zwischen Westgoten und Franken eingekeilt und vom Restreich abgeschnitten, der römische Statthalter Syagrius, der Sohn des oben erwähnten Heermeisters Aegidius, noch bis 486 als rex Romanorum mit einem größeren Herrschaftsgebiet behaupten (s. o.). Er wurde nach der Eroberung seines Herrschaftsgebietes durch die Franken von den Westgoten an den Frankenkönig Chlodwig ausgeliefert und dann hingerichtet.

Weite Teile des vormaligen Weströmischen Reiches wurden Ende des 5. Jahrhunderts von den Vandalen und Westgoten beherrscht. Die italische Halbinsel verblieb unter der Herrschaft Odoakers, bis 489 Theoderich der Große (formal im Auftrag des Kaisers) in Italien einfiel und dort 493 eine ostgotische Herrschaft etablierte. De iure unterstanden die westlichen Gebiete der Oberhoheit Konstantinopels. Der weströmische Senat bestand fort, und die Senatoren dienten zwar faktisch den germanischen Königen, bezeichneten aber zugleich den Kaiser nach wie vor als dominus noster („unser Herr“). Unter dem oströmischen Herrscher Justinian I. wurden dann zwischen 533 und 553 große Teile des vormals weströmischen Reiches (Nordafrika, Italien, Südspanien) noch einmal militärisch dem Kaiser unterworfen, doch blieb dies letztlich Episode. Der Plan, den Heermeister Belisar 540 zum neuen weströmischen Augustus zu erheben, scheiterte an Justinians Veto. Wenige Jahre nach der Rückeroberung Italiens durch die kaiserlichen Truppen fiel der größte Teil der Halbinsel 568 an die Langobarden. Spätestens im 7. Jahrhundert erlosch dann die formelle Oberhoheit des oströmischen Kaisers im Bereich des früheren Westreichs endgültig, nachdem noch Kaiser Maurikios im Jahr 597 eine Erneuerung des weströmischen Kaisertums vorgesehen hatte, da er seinen zweitältesten Sohn Tiberius testamentarisch als in Rom residierenden Augustus einsetzen wollte - die Regelung trat aber nie in Kraft. Der Versuch des Kaisers Konstans II., den Schwerpunkt des Römischen Reiches wieder nach Westen zu verlagern, scheiterte in den 660er Jahren nach kurzer Zeit.

Auswirkungen auf die Stadt Rom

Der Niedergang des Weströmischen Reiches machte sich auch in der Stadt Rom bemerkbar: Die Stadt, in der um 250 nach Christus gut 1 Million Menschen gelebt hatten, verkleinerte sich nach dem faktischen Wegfall der Funktion als Kaiserresidenz auf etwa 500.000 Einwohner um das Jahr 420. Die zweiwöchige Plünderung durch die Vandalen 455 verringerte den Wohlstand, 472 dezimierte die Pest die Einwohnerzahl. Gleichwohl galt Rom auch im 5. Jahrhundert zeitgenössischen Berichten zufolge als eine kulturell und politisch bedeutende Metropole. Mitglieder der Kaiserfamilie hielten sich trotz der Residenzverlegung nach Ravenna häufig in Rom auf, einige Kaiser residierten kurzzeitig in der Stadt. Zu Beginn des 5. Jahrhunderts und nach 439 vergrößerte sich die Stadt noch einmal durch den Zustrom von Neusiedlern aus Gallien und Africa. Noch um 470 wird Rom als bedeutende Stadt mit großen Bauten und einer lebhaften Theaterszene beschrieben. Das Kolosseum wurde mindestens bis 523, große Thermen bis 535 genutzt. Wagenrennen im Circus Maximus sind zuletzt 550 bezeugt. Archäologisch lässt sich zeigen, dass man um diese Zeit noch versuchte, den Verfall der öffentlichen Bauten aufzuhalten und Renovierungen durchführte.

Um 534 dürfte die Stadt noch immer um die 100.000 Einwohner gezählt haben. Dann markierte der Krieg des oströmischen Kaisers Justinian I. gegen die Ostgoten die eigentliche Zäsur in der Stadtgeschichte: Zwischen 535 und 549 wurde Rom mehrfach belagert, die lebenswichtigen Aquädukte zerstört sowie ein Großteil der Senatoren deportiert oder getötet. Den letzten Schlag für die antiken Strukturen Italiens stellte dann der Einfall der Langobarden 568 dar, wenngleich Rom selbst nicht erobert wurde. Der weströmische Senat verschwand bald darauf (um 600). Im Mittelalter lebten nur noch höchstens 20.000 Menschen in der Stadt. Auf dem Forum Romanum wurde Ackerbau betrieben. Antike Bauten dienten als Steinbruch oder wurden durch Umbauten auf niedrigem Stand zweckentfremdet.

Liste der weströmischen Kaiser

Kaiser Vollständiger Name Regierungszeit Anmerkungen
Honorius Flavius Honorius 395–423 Mitkaiser von Theodosius I. und Arcadius seit 393 (gegen Eugenius); Regent: Stilicho (bis 408)
  Gildo unbekannt 397–398 Usurpator (?) in Africa
  Marcus unbekannt 406 Usurpator in Britannien
  Gratian unbekannt 407 Usurpator in Britannien
Konstantin (III.) Flavius Claudius Constantinus 407–411 Gegenkaiser (409 Mitkaiser des Honorius), seit 409/410 mit Constans (II., Caesar seit 408)
  Priscus Attalus unbekannt 409–410
414–415
Gegenkaiser in Italien (durch Alarich) bzw. Südgallien (durch Athaulf)
  Maximus unbekannt 409/410–411
418–420
Gegenkaiser in Spanien (durch Gerontius bzw. Gunderich)
  Jovinus unbekannt 411–413 Gegenkaiser in Gallien (durch Gundahar und Goar), seit 412 mit Sebastianus
  Heraclianus unbekannt 413 Usurpator (?) in Africa
Constantius III. Flavius Constantius 421 Mitkaiser des Honorius, vom Osten nicht anerkannt
Johannes unbekannt 423–425 durch Castinus (?), vom Osten nicht anerkannt
Valentinian III. Flavius Placidus Valentinianus 425–455 Caesar unter Theodosius II. seit 424 (gegen Johannes); Regentin: Galla Placidia (bis 437); erkannte Geiserich als Regenten in Africa an
  Pirrus unbekannt 428 Usurpator (?) in Italien
Petronius Maximus Flavius Petronius Maximus 455 vom Osten nicht anerkannt; Caesar: Palladius
Avitus Flavius Eparchius Avitus 455–456 durch Theoderich II., vom Osten nicht anerkannt
Majorian Flavius Iulius Valerius Maiorianus 457–461 457 Caesar unter Leo I.
  Marcellus unbekannt 457 Usurpator in Gallien
Libius Severus Flavius Libius Severus 461–465 durch Ricimer, vom Osten nicht anerkannt
Anthemius Flavius Procopius Anthemius 467–472 467 Caesar unter Leo I.
  Arvandus unbekannt 468 Usurpator (?) in Gallien
  Romanus unbekannt 470 Usurpator in Italien (durch Ricimer)
Olybrius Flavius Anicius Olybrius 472 durch Ricimer und Geiserich, gegen Anthemius, vom Osten nicht anerkannt
Glycerius unbekannt 473–474 durch Gundobad, vom Osten nicht anerkannt
Julius Nepos Flavius Iulius Nepos 474–480 474 Caesar unter Leo II. und Zenon (gegen Glycerius), Exil seit 475 in Dalmatien
Romulus Augustulus Romulus Augustus 475–476 Gegenkaiser (durch Orestes), von Odoaker abgesetzt

Legende:

Farbe Bedeutung
Unterkaiser oder Mitregent
Gegenkaiser

Siehe auch

Literatur

Vergleiche auch die entsprechenden Abschnitte zur späten römischen Kaiserzeit.

  • Henning Börm: Das weströmische Kaisertum nach 476. In: Josef Wiesehöfer u.a. (Hrsg.), Monumentum et instrumentum inscriptum. Stuttgart 2008, S. 47-69, ISBN 978-3-515-09239-5.
  • Averil Cameron u.a. (Hgg.): The Cambridge Ancient History. Bd. 13 und 14, 2. neugestaltete Aufl., Cambridge 1998–2000. (Hervorragende Gesamtdarstellung; dort findet sich auch weiterführende Literatur, größtenteils jüngeren Datums.)
  • Alexander Demandt: Geschichte der Spätantike. Sonderausgabe, München 2008. (Solide und gut lesbare Darstellung, die aber nicht immer den aktuellen Forschungsstand wiedergibt.)
  • Adrian Goldsworthy: The Fall of the West. London 2009.
  • Peter J. Heather: The Fall of the Roman Empire. London 2005. (Detaillierte Darstellung des Untergangs Westroms; vor allem hinsichtlich militärgeschichtlicher Fragen sehr nützlich.)
  • Dirk Henning: Periclitans res Publica: Kaisertum und Eliten in der Krise des weströmischen Reiches, 454/55–493. Stuttgart 1999.
  • John F. Matthews: Western Aristocracies and Imperial Court, A. D. 364–425. Oxford 1975.
  • Marinus Antony Wes: Das Ende des Kaisertums im Westen des Römischen Reichs. Den Haag 1967.

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