White Light/White Heat

White Light/White Heat
The Velvet Underground
White Light/White Heat
Veröffentlichung

1967/68

Label

Verve Records

Genre(s)

Rock

Anzahl der Titel

6

Laufzeit

40m13s

Besetzung
Produktion

Tom Wilson

Studio(s)

Scepter Studios, New York,
T.T.G. Studios, Hollywood,
Mayfair Studios, New York

Chronik
The Velvet Underground and Nico
(1967)

White Light/White Heat
The Velvet Underground
(1969)

White Light/White Heat war das zweite Album der Band The Velvet Underground und entstand ohne den Einfluss von Andy Warhol (der neue Produzent war Tom Wilson), außerdem war Nico nach ihrem Debüt als Sängerin der Velvets nach Veröffentlichung von The Velvet Underground and Nico aufgrund interner Differenzen aus der Gruppe ausgeschieden.

White Light/White Heat sollte nonkonformistischer und radikaler werden als sein Vörganger. Die Albumproduktion orientierte sich weder an Verkaufszahlen noch an Chartplatzierungen. Tatsächlich tauchte das Album nur kurz für zwei Wochen auf dem vorletzten Platz der Billboard Top 200 auf. Erst im Jahr 2003 wurde das Album vom Rolling Stone auf Platz 292 der 500 größten Alben aller Zeiten gehoben.

Inhaltsverzeichnis

Die Musik

Ebenso stringent, wie die Velvets erneut dem allgemeinen Publikumsgeschmack den Rücken zukehrten, war auch die Zusammenstellung der Schallplatte. Das gesamte Album bestand lediglich aus sechs Stücken. Kam die A-Seite noch mit radiotauglicheren und einigermaßen eingängigeren Stücken wie Here She Comes Now oder mit der düsteren musikalischen Kurzgeschichte The Gift wird die B-Seite von dem 17-minütigen kakophonischen Sister Ray dominiert (in den 70ern u.a. von Joy Division gecovert), einem Stück, das sowohl durch seine Länge und seinen Text als auch durch seinen enervierenden von Verzerrern und Feedbacks geprägten Sound mit sämtlichen Konventionen brach. Auf der einen Seite ein monoton schrammelnder Gitarrenteppich der in Intervallen von John Cales verzerrter Orgel immer wieder dissonant durchbrochen wird. Das gesamte Akustikgebilde wird von Maureen Tuckers treibenden Schlagzeug gestützt. VU machten sich auf diesem Album bewusst den kalkulierten Krach zu eigen und erhoben ihn in den Status der Antiästhetik. Auch I Heard Her Call My Name, das erste Stück der B-Seite, kommt mit zwei Gitarrensoli von Reed ebenso aggressiv daher. Auf White Light/White Heat experimentierten die Velvets verstärkt mit der Stereotechnik, indem sie verschiedene Sounds von einem Kanal zum anderen wechseln ließen.

Die Texte

Auch die Texte des Albums waren nicht mehr so eingängig wie noch zuvor auf dem 1967er Debütalbum der Velvets: Das Titelstück White Light/White Heat handelt von Amphetaminen und Speed und eröffnet auch musikalisch mit einem schnellen treibenden Sound. In The Gift rezitiert John Cale eine düstere, von Lou Reed geschriebene Kurzgeschichte. Der sperrige Song baut auf Cales mit walisischem Akzent vorgetragenen achtminütigen Sprechgesang auf, der von einer dröhnenden Bass-und Gitarrenlinie und einer rückkoppelnden Sologitarre im Hintergrund begleitet wird. Lady Godiva's Operation indes erzählt die tragische Geschichte einer Drag Queen, die statt einer Geschlechtsumwandlung einer Lobotomie unterzogen wird. Here She Comes Now ist das ruhigste und eingängigste Stück auf dem Album und hebt sich dezent von den anderen fünf Titeln ab: Der Song war ursprünglich für Nico geschrieben worden, verzichtet dabei weitgehend auf das Experimentelle und wurde in traditioneller Weise aufgenommen und abgemischt, überdies ist er mit 2:04 Minuten einer der kürzesten Velvet-Underground-Songs überhaupt. Der Song bildete in der Single-Auskopplung die B-Seite von White Light/White Heat. Die Lyrics des Songs wurden ambivalent interpretiert wie das ganze kurze Stück an sich. Genauso rätselhaft beginnt die B-Seite mit I Heard Her Call My Name. Dieses von einer brachial verzerrten Gitarre begleitete Stück ist ein einmaliges Dokument, das zeigt, mit welchen neuen akustischen Mitteln die Velvets herumspielten. Der Song handelt offensichtlich von einer heroingeschwängerten Nacht, in der sich der Protagonist (Reed) in eine Psychose hineinsteigert, indem er die Stimme seiner toten Freundin hört, die sich mutmaßlich einen goldenen Schuss verpasst hat. Reed interpretiert dies durch seinen Gesang und seine Stimme, die mit ihren kreischenden "eeeks" und "huhuhus" schon in den Wahnsinn abzukippen droht. Im Anschluss folgt die „Karnevalsmusik der schreienden Verstärker“, wie es das Rolling Stone Magazine einmal nannte:

Sister Ray

Sister Ray zählt zu den Meilensteinen der progressiven Avantgarde-Rockgeschichte und wies vielen nachfolgenden Musikern den Weg. Zahlreiche Gruppen der Punkbewegung beriefen sich auf VU als Quelle der Inspiration und nannten vornehmlich Sister Ray als Initialzündung „etwas völlig anderes zu machen.“ Mit Sister Ray war der kultiviert-experimentelle Noise geboren, der Lou Reeds späteres Experimentalalbum Metal Machine Music (1975) vorwegnahm und sich in den ausgehenden 1970ern mit der Gruppe Throbbing Gristle auch im Industrial niederschlagen sollte.

Der Song wurde im Studio in einem einzigen Take aufgenommen. Während Reed seine Sologitarre bearbeitet und dazu singt, legt Sterling Morrison den wabbernden Soundteppich mit seiner Rhythmusgitarre aus.

Nach einer Eröffnungssequenz, die mit einer einen Halbton abwärts G-F-C gespielten Akkordfolge beginnt, wird der Hauptteil des Songs fast ausschließlich von Lou Reed und John Cale bestimmt; vergleichbar mit avantgardistischem Jazz spielen sich die beiden gegenseitig den akustischen Ball zu und lassen so ein modulierendes Tongebilde entstehen.

Es heißt, der verantwortliche Tontechniker sei während der Aufnahme aus dem Studio geflüchtet. Später erinnerte sich Reed in einem Interview:

„The engineer said, "I don't have to listen to this. I'll put it in Record, and then I'm leaving. When you're done, come get me."[1]
(Der Techniker sagte: "So was muss ich mir nicht anhören. Ich lege die Aufnahme rein und dann verschwinde ich. Wenn ihr fertig seid, sagt mir Bescheid.")

Getrieben von Maureen Tuckers hämmernden Schlagzeug beginnt John Cale seine durch einen Vox-Verstärker verzerrte Orgel zunächst melodisch, schließlich immer atonaler zu spielen. Der Songtext handelt von Reeds Lieblingsthemen: Drogen, Gewalt, Homo- und Transsexualität.
Reed sagte über den Song:

„"Sister Ray" was done as a joke - no, not as a joke, but it has eight characters in it and this guy gets killed and nobody does anything. It was built around this story that I wrote about this scene of total debauchery and decay. I like to think of "Sister Ray" as a transvestite smack dealer. The situation is a bunch of drag queens taking some sailors home with them, shooting up on smack and having this orgy when the police appear.[2]
("Sister Ray" war als Witz gedacht - nein, nicht als Witz, nun da sind diese acht Personen und einer der Typen wird umgebracht und keiner unternimmt etwas. Ich hab eine Geschichte über diese Szenerie der Ausschweifungen und des Zerfalls geschrieben. Ich mag es, mich in die Rolle des Transvestiten "Sister Ray" zu versetzen. Also, da ist so eine Gruppe Drag Queens, und die schleppen ein paar Matrosen zu sich nach Hause ab, machen sie scharf und knutschen und veranstalten eine Orgie, als die Polizei aufkreuzt.“

In ihren Jamsessions dehnten die Velvets den Song manchmal auf bis zu 40 Minuten aus. Live gespielt variierte das Stück von einer Viertel- bis zu einer halben Stunde. Reed hat es später in seiner Solokarriere noch oft gespielt.

Fazit

White Light/White Heat skizzierte den experimentellen Charakter von The Velvet Underground und wurde stark von dem experimentierfreudigen John Cale geprägt. Ein Zitat des 80er Jahre Lifestyle-Magazins Tempo hierzu: „White Light / White Heat: Ein Album, das sogar Plutonium zum Schmelzen bringen kann.. ." Velvet Underground gingen damit weit über vergleichbare Experimente von Jimi Hendrix (beispielsweise The Star-Spangled Banner), den Beatles (etwa mit Tomorrow Never Knows auf dem Album Revolver), den Rolling Stones (auf dem Album Their Satanic Majesties Request) und der Psychedelic-Gruppe The United States of America hinaus. Nach einem Aufenthalt in den USA brachte Václav Havel die LP, die als Geburtsstunde der Charta 77 gilt, in die Tschechoslowakei „und kopierte anschließend die Musik für alle Ostblockländer.“[3]

Das Coverdesign

Das Plattencover, quasi ein Gegenentwurf zum sogenannten Weißen Album der Beatles, ist fast völlig in schwarz gehalten und zeigt schwach erkennbar die Tätowierung eines Totenkopfes auf einem Oberarm. Die Aufnahme und das Design stammt von dem Factory-Fotografen Billy Name. Name machte dafür einen schwarzen Abzug auf dunkelgrauem, fast schwarzen, Papier. Das Motiv stammt von einer Tätowierung des Schauspielers Joe Spencer, der in dem Film Bike Boy (1967) von Warhol die Hauptrolle spielte.

Die Titel

Seite 1

  1. White Light/White Heat (Reed) – 2:47
  2. The Gift (Reed, Morrison, Cale, Tucker) – 8:18
  3. Lady Godiva's Operation (Reed) – 4:56
  4. Here She Comes Now (Reed, Morrison, Cale) – 2:04

Seite 2

  1. I Heard Her Call My Name (Reed) – 4:38
  2. Sister Ray (Reed, Morrison, Cale, Tucker) – 17:27

Quellen

  1. American Masters: Lou Reed: Rock & Roll Heart documentary
  2. The Stranger interview with Lou Reed
  3. Hildegard Wiewelhove (Hrsg.): Kunst im Quadrat, Plattencover 1960–2005, Museum Huelsmann Bielefeld/Angewandte Kunst & Design, 2007, unpag.

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