Wiener Krönungsevangeliar

Wiener Krönungsevangeliar
Evangelist Matthäus auf einer Darstellung im Krönungsevangeliar
Silberner Einband des Krönungsevangeliars, von Hans von Reutlingen um 1500 geschaffen, aufbewahrt in der Wiener Schatzkammer

Das Krönungsevangeliar oder Reichsevangeliar ist eine karolingische Bilderhandschrift, die kurz vor 800 an der so genannten „Palastschule Karls des Großen“ an der Aachener Königspfalz entstand. Sie ist das Hauptwerk einer Handschriftengruppe, die nach ihr auch als „Gruppe des Wiener Krönungsevangeliars“ bezeichnet wird.

Das Evangeliar ist mit vier ganzseitige Evangelistenbildern und 16 Kanontafel illuminiert. Es wurde mit goldener und silberner Tinte auf purpurgefärbtem Pergament geschrieben. Stilistisch haben die Handschriften der „Gruppe des Wiener Krönungsevangeliars“ in ihrer Zeit im nördlichen Europa keine Vorläufer. Die mühelose Virtuosität, mit der die spätantiken Formen realisiert wurden, müssen die Künstler in Byzanz, vielleicht auch in Italien erlernt haben.[1] Im Vergleich mit den Werken der gleichzeitig und am gleichen Ort tätigen „Hofschule“, die nach ihrer Leithandschrift auch als „Ada-Gruppe“ bezeichnet wird, fehlt den Buchmalereien der Palastschule insbesondere der horror vacui, die Angst vor der Leere des Raumes. Die durch dynamische Schwünge bewegten Figuren der Evangelisten sind in der Haltung antiker Philosophen dargestellt. Ihre kraftvoll modellierten Körper, luftige und lichtdurchflutete Landschaften sowie mythologische Personifikationen und andere klassische Motive verleihen den Werken dieser Handschriftengruppe den atmosphärischen und illusionistischen Charakter der Antike antik-hellenistischen Buchmalerei.

Zu Lebzeiten Karls des Großen scheint die Gruppe des Wiener Krönungsevangeliars ein relativ isolierter Sonderfall der Buchmalerei gewesen zu sein, die im Schatten der Hofschule stand.[2] Nach Karls Tod war es jedoch diese Malschule, die sehr viel stärkeren Einfluss auf die karolingische Buchmalerei ausübte, als die Ada-Gruppe.

Der Legende zufolge fand Otto III. die Prachthandschrift bei der Öffnung des Grabes Karls des Großen im Jahr 1000. Seitdem war das auch künstlerisch bedeutendste Manuskript der Handschriftengruppe Bestandteil der Reichsinsignien und die deutschen Könige legten den Krönungseid auf das Evangeliar ab. Um 1500 wurde das Buch mit einem kostbaren Einband aus vergoldetem Silber versehen. Während der Revolutionskriege gelangte der Codex 1794 nach Paderborn und 1811 nach Wien, wo er sich heute im Kunsthistorischen Museum befindet (Weltliche Schatzkammer, Inv. XIII 18).

Literatur

  • Florentine Mütherich, Joachim E. Gaehde: Karolingische Buchmalerei, S. 46-51. Prestel, München 1979. ISBN 3-7913-0395-3
  • Ingo F. Walther, Norbert Wolf: Meisterwerke der Buchmalerei, S. 78-79. Köln u. a., Taschen 2005, ISBN 3-8228-4747-X
  • Hans Holländer: ’’Die Entstehung Europas’’, in: ’’Mittelalter’’, Belser Stilgeschichte, Studienausgabe, Band 2, herausgegeben von Christoph Wetzel, S. 153-384. Belser, Stuttgart 1993.

Einzelnachweise

  1. Holländer, S. 249.
  2. Holländer, S. 249.

Weblinks


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