- Wiener Stadtbahn
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Die Wiener Stadtbahn war ein öffentliches Nahverkehrsmittel und existierte unter diesem Namen von 1898 bis 1989. Sie zählt zu den Hauptwerken des Architekten Otto Wagner. Ihre Strecken sind nun Teil der U-Bahn-Linien U4 und U6, der S-Bahn-Linie S45, sowie der S-Bahn-Stammstrecke zwischen Wien Mitte und Praterstern.
Die Stadtbahn zählt als Bauwerk des späten Historismus und frühen Jugendstils zu den Sehenswürdigkeiten Wiens. Am bekanntesten sind die Aufnahmegebäude der zentrumsnahen Stadtbahnstation Karlsplatz der Wientallinie, die jedoch nicht mehr als solche verwendet werden. Andere Haltestellen – insbesondere die Hochstationen der Gürtel- und der Vorortelinie – sind hingegen noch weitgehend im Originalzustand.
Inhaltsverzeichnis
Die dampfbetriebene Stadtbahn
Die Stadtbahn wurde im Zuge der Wienfluss- und der Donaukanalregulierung im Auftrag der staatlichen Kommission für Verkehrsanlagen als Vollbahn mit Dampflokomotivbetrieb errichtet und sollte aus sechs Linien bestehen, wovon jedoch nur fünf errichtet wurden:
- Wientallinie: Hütteldorf-Hacking – Hauptzollamt
- Donaukanallinie: Hauptzollamt – Heiligenstadt
- Gürtel-Linie: Meidling Hauptstraße – Heiligenstadt
- Vorortelinie: Hütteldorf-Hacking – Heiligenstadt
- Linie in den 2. Bezirk: Hauptzollamt – Praterstern
Die Linienführung war stark von militärstrategischen Überlegungen (Truppenverschiebungen zwischen den Fernbahnen im Mobilisierungsfall) beeinflusst und entsprach den Planungen der Kommunalpolitik relativ wenig: Linien direkt ins Stadtzentrum wurden nicht gebaut, die zur Bauzeit in Großstädten bereits übliche elektrische Traktion wurde nicht angewandt.
Der sogenannte Verbindungsbogen verband die Gürtellinie (Station Nußdorfer Straße) mit der Donaukanallinie (Station Brigittabrücke). Die weiters vorgesehene Donaustadtlinie durch die Leopoldstadt fiel dem Umbau der Verbindungsbahn zum Opfer. Eine weitere Strecke sollte unmittelbar südlich der Station Gumpendorfer Straße abzweigen (die Maueransätze sind dort heute noch sichtbar), über den Gaudenzdorfer Gürtel zur Höhe des Laaer Berges verlaufen und dort nach Osten bis zur Ostbahn führen. Außerdem waren Lokalbahnlinien vorgesehen, wovon zwei Linien die Innenstadt unterirdisch kreuzen sollten. Diese Maßnahmen hätten zu einer Attraktivierung der Stadtbahn und ihrer Nützlichkeit erheblich beigetragen. Diese Linien sollten von Privatunternehmen betrieben werden, doch fand sich dafür kein Interessent. Neben der militärischen Funktion spielte auch die Kostengünstigkeit eine bestimmende Rolle bei der Ausführung des Wiener Stadtbahnnetzes.
Der Baubeginn für die Eisenbahnanlagen war im Jahr 1894. Die Strecken wurden abschnittsweise zwischen 1898 und 1901 eröffnet und von den k.k. Staatsbahnen betrieben. Das Ende der Dampfstadtbahn kam kriegsbedingt im Jahr 1918, als sie wegen Kohlenmangels eingestellt werden musste.
Eröffnungsdaten
Die folgende Tabelle enthält in chronologischer Reihenfolge die Eröffnungsdaten der einzelnen Streckenabschnitte der Wiener Dampfstadtbahn.
Datum Linie Strecke 11. Mai 1898 Vorortelinie Hütteldorf-Hacking – Heiligenstadt 1. Juni 1898 obere Wientallinie Hütteldorf-Hacking – Meidling Hauptstraße 1. Juni 1898 Gürtellinie Meidling Hauptstraße – Heiligenstadt 6. August 1901 untere Wientallinie Meidling Hauptstraße – Hauptzollamt 6. August 1901 Donaukanallinie Hauptzollamt – Heiligenstadt 6. August 1901 Verbindungsbogen Brigittabrücke – Nußdorfer Straße Die elektrische Stadtbahn
In den 1920er Jahren wurden die Anlagen der Wiental-, Donaukanal- und Gürtellinie an die Gemeinde Wien verpachtet. Sie trennte die drei Linien vom Vollbahnnetz, elektrifizierte sie und eröffnete sie 1925 unter dem Namen Wiener Elektrische Stadtbahn wieder. Erst durch den noch im gleichen Jahr eingeführten Tarifverbund mit der Straßenbahn wurde das neue Verkehrsangebot wirklich populär. Dabei kamen speziell entwickelte Fahrzeuge der Typen N, n und n1 zum Einsatz, die auch im Straßenbahnnetz verwendet werden konnten. Für die Linienbezeichnungen wurden die Streckenbuchstaben W (Wiental), D (Donaukanal) und G (Gürtel) kombiniert: WD, G, GD und DG. Eine Besonderheit bildete bis 1945 die Linie 18G, die von Heiligenstadt aus die Gürtellinie befuhr und bei der Station Gumpendorfer Straße in das Straßenbahnnetz wechselte, um dem Verlauf der Linie 18 zum Ostbahnhof zu folgen. 1934 ging die Stadtbahn in das Eigentum der Stadt Wien über.
Die elektrischen Ursprungsfahrzeuge erhielten in den 1950er Jahren neue Aufbauten aus Stahl und wurden weit bis in die 1980er Jahre eingesetzt. Ihre Typenbezeichnung lautete „N1“ für Trieb- und „n2“ für Beiwagen.
Otto Wagners einmalige Architektur der Stadtbahn-Stationen ist zum beträchtlichen Teil bis heute erhalten geblieben. Einige Stationsgebäude wurden jedoch im Zweiten Weltkrieg zerstört oder schwer beschädigt und aus mangelndem Verständnis für den architektonischen Wert abgerissen, weitere fielen in den 1960er Jahren neuen Verkehrsbauwerken zum Opfer.
Eine Verbindung der Gürtellinie (später U6) mit dem Ende 1968 eröffneten Tunnel der Unterpflasterstraßenbahn am Süd-Gürtel zwischen Eichenstraße und Südtiroler Platz kam zwar in den U-Bahn-Planungen der 1960er Jahre vor, wurde aber nicht realisiert. Noch heute wird dieser Tunnel von den Straßenbahnlinien 1, 6, 18 und 62 sowie der Lokalbahn Wien–Baden befahren.
Aufgrund der ab 1925 eingesetzten Stadtbahnfahrzeuge und der teilweise im normalen Straßenbahnnetz verkehrenden Linie 18G kann die Wiener Stadtbahn als direkter Vorläufer der ab den 1960er Jahren entwickelten Stadtbahnsysteme betrachtet werden.
Wie auf österreichischen Eisenbahnstrecken allgemein üblich, herrschte auch auf den Gleisen der Wiener Stadtbahn Linksverkehr.
Der Wienfluss bei der heutigen U-Bahn-Station Längenfeldgasse
- Bild 1: 1898, kurz nach Eröffnung der Gürtellinie und während der Bauarbeiten an der Wientallinie der Stadtbahn
- Bild 2: Zu Zeiten der Stadtbahn, als sich an dieser Stelle statt einer gemeinsamen Haltestelle lediglich eine Abzweigung der Wiental- und der Gürtellinie befand
- Bild 3 und 4: Zu Zeiten der U-Bahn, als die Stadtbahnlinien durch die U-Bahn-Linien U4 und U6 abgelöst wurden und die Trasse der ehemaligen Wientallinie (heute U4) etwas zur Seite und in den Untergrund verlegt wurde
- Bild 5: U4 und U6 (vormals Gürtellinie) treffen sich an der gemeinsamen Station Längenfeldgasse
Umbau zur S-Bahn
Die übrigen Linien der ehemaligen Dampfstadtbahn verblieben in den 1920er Jahren im Besitz der Bundesbahnen und sind heute ins Netz der Wiener S-Bahn integriert.
Die Linie in den 2. Bezirk blieb als Teil der Verbindungsbahn Hütteldorf–Nordbahnhof in Betrieb und ist seit 1962 Teil der S-Bahn-Stammstrecke, des am stärksten frequentierten Abschnitts im Wiener S-Bahn-Netz. Hier verkehren die üblichen S-Bahn-Züge der Baureihen 4020 und 4024. Die Station Radetzkyplatz ist jedoch seit 1944 nicht mehr in Betrieb und wurde mittlerweile geschleift.
Der Personenverkehr auf der Vorortelinie wurde im Jahr 1932 eingestellt. Ein Gleis wurde abgetragen, die Strecke nur noch für den Güterverkehr genutzt. In den 1980er Jahren wurde die Strecke reaktiviert und wieder zweigleisig eingerichtet. Die Station Unterdöbling wurde nicht mehr in Betrieb genommen, zwischen den Stationen Oberdöbling und Gersthof die neue Station Krottenbachstraße errichtet. Am 31. Mai 1987 wurde der Personenverkehr als Linie S45 der Wiener S-Bahn wieder aufgenommen. 1993 wurde die S45 von Heiligenstadt bis zu einer provisorischen Station bei der Floridsdorfer Brücke verlängert. 1996 wurde diese aufgelassen und die S45 zur neu errichteten U6-Station Handelskai verlängert. Zum Einsatz kommen auch hier Züge der Reihen 4020 und 4024.
Umbau zur U-Bahn
Ab 1976 wurden die Strecken der Elektrischen Stadtbahn schrittweise in das neu errichtete Wiener U-Bahn-Netz übernommen. Wiental- und Donaukanallinie wurden auf die neuen U-Bahn-Wagen vom Typ „U“ mit Stromschienenbetrieb umgerüstet und bis 1981 abschnittweise von Heiligenstadt nach Hütteldorf als U4 eröffnet. Die meisten Stationen wurden dabei komplett umgebaut, nur die Stationen Schönbrunn und Stadtpark sind, abgesehen von eingebauten Aufzügen und der Anpassung der Höhe der Bahnsteige an die U-Bahn-Züge, im Originalzustand verblieben. Die Aufnahmegebäude wurden in den meisten Stationen behalten, auch wenn sie in einigen nicht mehr als solche verwendet werden. Die Signal- und elektrischen Anlagen wurden komplett erneuert, Stationen und Viadukte renoviert und die Strecken von Links- auf Rechtsverkehr umgestellt.
Die Gürtellinie hingegen wurde noch einige Jahre als Stadtbahnlinie G von Meidling Hauptstraße nach Heiligenstadt geführt. Auch die Abzweigung zur Friedensbrücke wurde als Linie GD noch aufrecht erhalten. Die alten Stadtbahnwagen wurden durch neue Sechsachs-Gelenk-Trieb- und -Beiwagen (E6 und c6), die auf dem auch in Wien heimischen Duewag-Tramtyp „Mannheim“ beruhen, ersetzt. Ab 1985 wurde die Gürtellinie nur mehr bis zur Gumpendorfer Straße geführt, die Rampe zur Station Meidling Hauptstraße abgerissen und mit steilerem Gefälle zwischen der Brücke über die Zeile und Längenfeldgasse neu errichtet. Somit konnte die bis 1985 vorhandene Gabelung von Wiental- und Gürtellinie in der Station Meidling Hauptstraße durch eine Parallelführung von U4 und neuer U6 auf gleichem Niveau in der neuen Station Längenfeldgasse ersetzt werden. (Dort besteht, trotz der unterschiedlichen Stromsysteme, auch ein U4-U6-Verbindungsgleis.) Vom Umbau der historischen Gürtellinie samt Stationen auf den sonst bei der Wiener U-Bahn üblichen Betrieb mit Stromschiene wurde wegen des zu hohen Aufwandes abgesehen.
Im Anschluss an die neue Station wurde eine neue unterirdische Trasse zur Philadelphiabrücke errichtet. 1989 wurde der Betrieb von der Gumpendorfer Straße bis dorthin eröffnet und die verlängerte Gürtellinie als Linie U6 in das Wiener U-Bahn-Netz integriert. 1991 wurde der Verkehr auf dem Verbindungsbogen zwischen Nußdorfer Straße und Friedensbrücke eingestellt. 1995 wurde der südliche Ast der U6 von der Philadelphiabrücke nach Siebenhirten verlängert. Die Strecke wurde von der in den 1970er Jahren errichteten Schnellstraßenbahnlinie 64 übernommen. Ab 1995 wurde auch mit neuen dreiteiligen Niederflurwagen der Baureihe T von Bombardier mit sechs Achsen gefahren (seit 24. Dezember 2008 verkehren nur noch solche Niederflurzüge auf der U6.) 1996 erfolgte die vorerst letzte Verlängerung durch einen neu gebauten nördlichen Ast von der Nußdorfer Straße nach Floridsdorf. Gleichzeitig wurde der Betrieb Nußdorfer Straße – Heiligenstadt eingestellt.
Die folgende Tabelle enthält in chronologischer Reihenfolge die Einstellungsdaten der einzelnen Streckenabschnitte der elektrischen Stadtbahn bzw. das Datum deren Umstellung auf U-Bahn-Betrieb.
Datum Linie Strecke Ereignis 8. Mai 1976 D Heiligenstadt – Friedensbrücke Umstellung auf U4 3. April 1978 D Friedensbrücke – Schottenring Umstellung auf U4 15. August 1978 D, W Schottenring – Karlsplatz Umstellung auf U4 26. Oktober 1980 W Karlsplatz – Meidling Hauptstraße Umstellung auf U4 31. August 1981 W Meidling Hauptstraße – Hietzing Umstellung auf U4 20. Dezember 1981 W Hietzing – Hütteldorf Umstellung auf U4 15. April 1985 G Meidling Hauptstraße – Gumpendorfer Straße Einstellung 7. Oktober 1989 G Längenfeldgasse – Gumpendorfer Straße
Philadelphiabrücke – HeiligenstadtWiedereröffnung
Umstellung auf U6Literatur
- Graf, Otto Antonia: Otto Wagner: das Werk des Architekten 1860-1902. - 2. Aufl. - Wien: Böhlau, 1994. (Schriften des Instituts für Kunstgeschichte, Akademie der Bildenden Künste Wien; 2,1)
- Hinkel, Walter J. (Hrsg.): 1983-1989: die U-Bahnlinie U6. - Wien: Compress-Verl., 1989.
- Horn, Alfred (Hrsg.): Wiener Stadtbahn: 90 Jahre Stadtbahn, 10 Jahre U-Bahn. - Wien: Bohmann, 1988.
- Horn, Alfred: 75 Jahre Wiener Stadtbahn. Zwischen 30er Bock und Silberpfeil. Bohmann-Verlag, Wien 1974, ISBN 3-7002-0415-9
- Klasz, Ferdinand (Hrsg.): U6: Wiens längste U-Bahn-Linie 1983−1996. - Wien: Compress-Verl., 1996.
- Kolb, Günter: Otto Wagner und die Wiener Stadtbahn. - München: Scaneg, 1989. (Beiträge zur Kunstwissenschaft; 29). Zugl.: München, Univ., Diss., 1978.
- Pawlik, Hans Peter: Wagners Werk für Wien: Gesamtkunstwerk Stadtbahn. - Wien: Slezak, 1999. (Internationales Archiv für Lokomotivgeschichte; 44).
- Schlöss, Erich: Die Wiener Stadtbahn: Wiental- und Donaukanallinie. - Wien: Magistrat der Stadt Wien, 1987. (Beiträge zur Stadtforschung, Stadtentwicklung und Stadtgestaltung; 19).
Weblinks
- Otto Wagners Gesamtkunstwerk Wiener Stadtbahn
- Geschichte der Wiener Stadtbahn
- Die Wiener Stadtbahn (Geschichte & Linienbeschreibungen)
- Wiener Zeitung – Otto Wagners Stadtbahn wurde heuer 100 Jahre alt
- Alte Fotos der Stadtbahnstation Meidling Hauptstraße
- Bilder der Stadtbahn um 1980
- Informationen zur Stadtbahn und deren Geschichte
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