Wikaninnish

Wikaninnish

Wikaninnish ('wikinaniš, auch Wickaninnish, Wikinanish, Huiquinanichi, Quiquinanis, Wickananish, Hiyoua) war Häuptling der Tla-o-qui-aht im Clayoquot Sound an der Westküste der kanadischen Vancouver Island. Der Name bedeutet „Er hat niemanden vor sich im Kanu“. Dieser Name erscheint zwischen 1788 und 1818 in den Journals der europäischen Schiffsführer.[1]

Dabei kann man wohl nicht davon ausgehen, dass der in seiner Zeit berühmte Häuptling ein Leben lang diesen Namen führte. 1792 gab er diesen Namen seinem ältesten Sohn und nannte sich selbst Hiyoua (hayuÃa, was „Zehn (Wale) auf den Felsen“ bedeutet).

Er betätigte sich als Mittelsmann im Pelzhandel, und setzte durch, dass die Nachbarstämme nicht mit den Europäern handeln durften. Immerhin standen ihm, nach divergierenden Schätzungen, bis zu 5.000 Mann zur Verfügung. Sein Einflussbereich endete, wie John Meares berichtet,[2] erst jenseits der Juan-de-Fuca-Straße bei den Makah.

Inhaltsverzeichnis

John Meares

John Meares erkannte an, dass seine Macht und sein Herrschaftsgebiet so groß waren, dass es im britischen Interesse sei, seine Achtung zu gewinnen und seine Freundschaft. Am 12. Juni 1788 sah John Meares von seinem Schiff den Berg, der die (später nach ihm benannte) Insel Meares so markant überragt. Am nächsten Morgen besuchten mehrere Kanus das Schiff. Die beiden Häuptlinge, Hanna and Detootche, waren, wie ihre Männer, offenbar ohne Furcht. Sie waren überaus freundlich, schüttelten jedermann an Bord die Hand und luden sie zum Besuch ein. Doch Meares wollte den großen Häuptling Wikaninnish kennen lernen.

Meares wurde zu einer Feier eingeladen und bewunderte die reiche Tafel und die Otterfelle. Die Pfähle des Hauses waren so groß, dass sie die Hauptmasten eines großen Seglers überragt hätten. Die beiden Männer vereinbarten, dass der Häuptling für Felle sorgen, und dass der Kapitän im nächsten Jahr zurückkehren würde. Meares überreichte dem Häuptling Geschenke, darunter Pistolen und Musketen. Dafür erhielt er 150 Otterfelle.

Doch 1789 gerieten die vier Schiffe, die Meares ausgesandt hatte, mitten in den Konflikt zwischen Großbritannien und Spanien um die Vorherrschaft im Nordpazifik. Seine Schiffe wurden von der Flotte des spanischen Kapitäns Don Estevan José Martinez geentert und seine Mannschaften Richtung Südamerika gebracht. Meares brachte im Mai 1790 eine Petition im British House of Commons ein. Doch der Konflikt wurde durch die Nootka-Konvention 1790 bzw. 1794 beendet.

Sicherlich hat Peter John Puget, der die Küste 1792 und 1793 zusammen mit George Vancouver besuchte, übertrieben, als er ihn als den „Emperor“ der gesamten Küste zwischen der Juan-de-Fuca-Straße bis zu den Queen Charlotte Islands bezeichnete. Selbst Maquinna suchte seine Freundschaft und versuchte ein Heiratsbündnis zu schließen. So heiratete seine Tochter den ältesten Sohn des Tla-o-qui-aht-Häuptlings. 1789 musste Maquinna sogar für zwei Jahre zu ihm fliehen und seinen Schutz gegen die Spanier und gegen abtrünnige Verbündete suchen.

Colnett und Bodega y Quadra

Einer von John Meares' Männern war James Colnett (1753-1806). Der spanische Kapitän Martinez hatte sein Schiff gekapert und ihn als Gefangenen nach San Blas geschickt. Er kehrte aber bald zurück und nahm 1790 Wikaninnishs Bruder als Geisel, woraufhin die Tla-o-qui-aht sein Schiff angriffen.

Als 1792 Juan Francisco de la Bodega y Quadra in Yuquot ankam, und wenig später George Vancouver, drohte Maquinna, der einzig ernstzunehmende Konkurrent Wikaninnishs, zwischen alle Fronten zu geraten. Während der vier Monate, in denen sich Quadra in Yuquot aufhielt, verhinderte er auf diplomatisch geschicktem Weg einen Anschlag gegen Maquinnas Vorherrschaft durch Wikaninnish und Tatoosh, den Häuptling der Ahousaht. Captain Hanna musste seinen Plan aufgeben, Maquinna zu beseitigen, um die Spanier zu vertreiben. Doch sie vertrauten eher Quadra. „These people can never expect to have among them a better friend than Don Quadra,“ bemerkte der amerikanische Pelzhändler Joseph Ingraham. „Nothing can exceed his attention and kindness to them, and they all seem sensible of it and are extravagantly fond of him.“ Als Bodega Nootka Sound im September verließ, war Yuquot immer noch spanisch.

Fort Defiance

Am 18. Februar 1791 erschien die Columbia Rediviva aus Boston, ein Schiff unter dem Kommando von Robert Gray, erstmals im Clayoquot Sound. Doch die gute Nachbarschaft währte nicht lange. Als Attoo, ein Hawaiier, zu den Tla-o-qui-aht desertierte, nahm Gray kurzerhand Tootiscosettle, den älteren Bruder des Häuptlings Wikaninnish, gefangen und tauschte ihn gegen den Deserteur aus. Danach segelte Gray weiter nach Norden, um Pelze zu erwerben, dann wieder südwärts bis Cape Flattery. Schließlich kehrte er nach Meares Island zurück, um hier zu überwintern, wozu er eigens Ziegel an Bord führte. So erricheteten seine Männer ab Anfang Oktober 1791 einen Posten namens Fort Defiance, rund 5 km nordöstlich von Opitsat, dem Hauptort der Tla-o-qui-aht (im Adventure Cove im Lemmens Inlet auf Meares Island). Gray, der im März des folgenden Jahres das Winterlager abreißen ließ, schickte am 27. März 1792 John Boit aus, um Opitsat niederzubrennen. Wikaninnishs Leute waren rechtzeitig geflohen, und am 2. April verließ Grays Schiff den Clayoquot Sound.

Opitsat wurde zwar schnell wieder aufgebaut, doch der Vorgang wurde nie vergessen (s.u.).[3]

Tonquin

Möglicherweise war Wikaninnish noch am Leben, als eine der größten Katastrophen seinen Stamm im Juni 1811 ereilte. Häuptling Nuukmis - vielleicht sein Nachfolger? - fühlte sich von den Händlern, die auf dem Schiff Tonquin zu ihm gekommen waren, betrogen und versuchte, das Schiff zu erobern. Zwar gelang dies, und seine Männer machten, bis auf einen Übersetzer, die gesamte Mannschaft nieder, doch brachte einer der letzten Überlebenden das Schießpulver zur Explosion. Bei dieser Explosion kamen rund 150 Tla-o-qui-aht-Krieger ums Leben. Dieser Verlust war so vernichtend, dass die Frauen sich als Krieger verkleideten, sobald sich ein anderer Stamm ihrem Gebiet näherte. Auch wagte sich auf Jahrzehnte kein Fellhändler mehr zu ihnen.


Anmerkungen

  1. Der Name des Häuptlings taucht an der Westküste Vancouver Islands an vielen Örtlichkeiten auf. So gibt es eine Wikaninnish Lodge, ein Wickaninnish Inn in Tofino, einen Wickaninish Beach und eine entsprechende Bay im Pacific Rim National Park, einen Wickaninnish Trail und ein Wickaninnish Information Center.
  2. Curtis, Bd. 11, S. 6.
  3. Richard J. Nokes, Columbia’s River: The Voyages of Robert Gray, 1787 – 1793, Tacoma, Washington 1991, s. a. [1].

Literatur und Quellen

Eli Enns, dessen Urgroßvater Now-awe-suum (mit), der wiederum der Public Speaker und Geschichtsschreiber Wickaninnishs war, kümmert sich heute um Angelegenheiten des Nationalparks. Dort ist die mündliche Überlieferung noch sehr ausgeprägt. Archäologische Grabungen, z. B. auf Meares Island, und die Berichte der europäischen Entdecker und Händler ergeben ein lückenhaftes Gesamtbild.

  • Robin Fisher, Contact and conflict: Indian-European relations in British Columbia, 1774–1890, Vancouver 1977
  • Frederic W. Howay (Hg.), Colnett's Journal aboard the Argonaut, Toronto: The Champlain Society 1940 (Rezension v. John Haskell Kemble, in: The Pacific Historical Review, 10, No. 3 (1941) 351-353)
  • Frederic W. Howay, Some Additional Notes Upon Captain Colnett and the Princess Royal, in: The Quarterly of the Oregon Historical Society 27 (1925) 12-22
  • John R. Jewitt: A journal, kept at Nootka Sound, Boston 1807, Nachdruck New York 1976
  • W.K. Lamb (Hg.), Peter John Puget. Vancouver discovers Vancouver: an excerpt from the rough logs of Second Lieutenant Peter John Puget, Burnaby, B.C. : Vancouver Conference on Exploration and Discovery 1990
  • John Meares: Voyages Made in the Years 1788 and 1789 from China to the Northwest Coast of America (ital.: Viaggi Dalla Chine Alla Costa Nord Ouest D'America Fatti Negli Anni 1788 e 1789, Neapel 1796)
  • Valerie Sherer Mathes, Wickaninnish, a Clayoquot Chief, as Recorded by Early Travelers, in: Pacific Northwest Quarterly 70 (1979) 110-120
  • Michael Roe (Hg.), The journal and letters of Captain Charles Bishop on the north-west coast of America, in the Pacific and in New South Wales, 1794–1799, Cambridge, England 1967
  • Wayne Suttles (Hg.): Handbook of North American Indians, Bd. 7: Northwest Coast, Washington: Smithsonian Institution 1990
  • White Slaves of Maquinna. John R. Jewitt's Narrativ of Capture and Confinement at Nootka, Surrey/British Columbia, 2. Aufl. 2005 ISBN 1-894384-02-4

Weblinks


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