Wilhelm von Melun

Wilhelm von Melun

Wilhelm der Zimmermann (französisch Guillaume le Charpentier; * um 1042; † nach 1100) war ein Vizegraf von Melun, der vor allem durch seine Teilnahme am ersten Kreuzzug bekannt wurde. Sein Beiname soll seiner enormen Körperkraft entsprochen haben.

Leben

Wilhelm kämpfte wahrscheinlich 1066 in der Schlacht von Hastings auf normannischer Seite.[1] Jedenfalls sollen die 1086 im Domesday Book genannten Landbesitzer "Melun" und "Carpenter" zu seinen Nachkommen gehören.[2]

1084 wird Wilhelm als Zeuge in einer Urkunde genannt, in der König Philipp I. von Frankreich der Abtei von Melun Privilegien erließ.[3]

Im Jahr 1085 kämpfte Wilhelm in der spanischen Reconquista bei der Belagerung von Toledo. Aber noch bevor die Stadt eingenommen wurde, setzte er sich in die französische Heimat ab. Der Ruf eines Deserteurs eilte ihm seitdem voraus, noch Bohemund von Tarent soll davon gewusst haben.[4][5]

Im Jahr 1096 taucht Wilhelm als Teilnehmer des ersten Kreuzzuges wieder auf. Zunächst aber gehörte er zu der Bande um die Grafen Emicho und Thomas von Marle (genannt der rasende Wolf), die hauptverantwortlich für die Pogrome gegen die Juden des Rheinlandes waren. Wilhelm überfiel dabei am 3. Mai 1096 Speyer, wo er zwölf Juden erschlug, bis der Bischof von Speyer einschritt und den Juden eine sichere Zuflucht gewährte.[6] Mit Emicho zog Wilhelm bis an die Grenze Ungarns weiter, wo sie von den Kriegern des Königs Koloman aufgerieben wurden (siehe: Deutscher Kreuzzug von 1096). Während Emicho in seine deutsche Heimat zurückkehrte, schloss sich Wilhelm dem gerade durch Italien ziehenden Kontingent des Grafen Hugo von Vermandois an, das von Bari aus in das byzantinische Dyrrhachion übersetzte und wenig später Konstantinopel erreichte.

Wilhelm machte den Kreuzzug durch Kleinasien mit, bis zur Belagerung von Antiochia. Unter dem Eindruck einer im Heer um sich greifenden Hungersnot und der Erwartung eines sarazenischen Entsatzheers unter dem Atabeg Kerboga entschloss sich Wilhelm im Februar 1098, zusammen mit Peter dem Eremiten, sich vom Heer abzusetzen. Bei dieser erneuten Desertierung nahm er sich ein Beispiel an dem Grafen Stephan von Blois. Im Gegensatz zu dem Grafen wurden Wilhelm und Peter aber vom Normannen Tankred gefangen. Wilhelm musste eine ganze Nacht im Zelt des Bohemund von Tarent stehen, der ihm vorwarf, die Kriegerehre der Franken verletzt zu haben.[7] Auch musste Wilhelm schwören, sein Kreuzzugsgelübde zu erfüllen, doch angeblich sei es ihm bei einer späteren Gelegenheit dennoch gelungen sich abzusetzen. Allerdings wird bei den Kämpfen um Jaffa im Jahr 1100 im Heer des Gottfried von Bouillon ein Ritter namens Guilaume Carpintarius genannt, der mit Wilhelm identisch gewesen sein könnte.[8]

Einzelnachweise

  1. Johann Martin Lappenberg, Benjamin Thorpe: A History of England under the Norman Kings (1857)
  2. The Domesday Book - English Heritage Then and Now (Crown Publisher Inc., 1985)
  3. Grand Dictionaire Universel Du XIX Siècle (Paris, 1873)
  4. Steven Runciman: Geschichte der Kreuzzüge, S. 142.
  5. Gesta Francorum et aliorum Hierosolimitanorum, S. 185.
  6. Manuel Braun, Cornelia Herberichs: Gewalt im Mittelalter (Wilhelm Fink Verlag, 2005)
  7. Gesta Francorum et aliorum Hierosolimitanorum, S. 33.
  8. August. C. Krey: The First Crusade: The Accounts of Eyewitnesses and Participants (Princeton, 1921)

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