Windschur

Windschur
Frei stehende Windflüchter an der Küste in North Somerset

Windflüchter sind Bäume und Sträucher, deren Wuchsform durch vorwiegend aus einer Himmelsrichtung wehenden Wind bestimmt wird. Die Gewächse weisen dabei einen einseitig verstärkten, der Wetterseite abgeneigten Wuchs auf – die Bäume „flüchten vor dem Wind“. Der „Windwuchs“ geht mit mehr oder minder deutlicher Schiefstellung des Stammes, exzentrischer Jahresringausprägung und fahnenförmiger Kronenbildung einher.[1] In der Forstwirtschaft und Forstbotanik werden diese Merkmale als Wuchsanomalien bezeichnet.

Windschur einer Baumgruppe auf dem Darß

Der Begriff „Windschur“ bezeichnet die Abschrägung des Bestandsdaches[1] ganzer Baumreihen, Alleen und größerer Baumgruppen – die ineinander übergehenden Baumkronen sehen aus „wie geschoren“.

In Ostfriesland werden Windflüchter auf Plattdeutsch als Windlooper, also „Windläufer“, bezeichnet. Windflüchter mit besonders ausgeprägtem Fahnenwuchs werden mancherorts „Windharfen“ genannt, denn ihre Form erinnert entfernt an eine geneigte Harfe. Insbesondere im Winter, wenn Laubbäume kahle Äste haben, können diese dann wie Saiten einer Aeolsharfe aussehen.

Inhaltsverzeichnis

Vorkommen

Entscheidend für die Ausbildung der typischen Windflüchter-Wuchsform ist das Vorhandensein mehr oder weniger konstanter und starker, aber nicht sturmartiger Windverhältnisse, die die Gewächse in die dem Wind abgewandte Richtung zwingen. Dies kann sowohl kleinräumig (z.B. nur an bestimmten Berghängen) als auch großräumig (z.B. in Küstenregionen) der Fall sein. Nicht als Windflüchter bezeichnet werden demzufolge Bäume, die auf Grund zeitlich begrenzt auftretender Sturmereignisse z.B. durch abgebrochene Äste einseitig geschädigt sind.

Windflüchter treten weltweit insbesondere in ständig windexponierten Freilagen, an Küsten, auf Bergrücken und an Bestandsrändern auf.[1] In Deutschland kommen sie vor allem in den Küstenregionen an Nord- und Ostsee sowie auf diversen höheren, weitgehend baumfreien Bergkuppen und -hängen der Mittelgebirge bis hin zu den Alpen vor.

Kulturelle Bedeutung

Markante Windflüchter sind häufig als Wahrzeichen bekannt, so etwa die Sabinas auf El Hierro.

Windflüchter-Formen der Küsten Chinas und Japans wurden vielfach in der Landschaftsmalerei und -graphik dieser Kulturen dargestellt. Der Senfkorngarten, ein Mallehrbuch des 17. Jahrhunderts, rühmt etwa die Meisterschaft des Wang Shu-Ming, Li Cheng („Kiefern mit der Krümmung eines zusammengerollten Drachens oder eines sich aufschwingenden Phönix[2]) und der beiden Mi, Mi Fei und Mi Youren.

Im Bonsai werden an natürliche Windflüchter angelehnte „Luftformen“ Fukinagashi („Windgepeitschter Bonsai“) genannt.

Einzelnachweise

  1. a b c Stichwort Windschäden. In: Peter Schütt, Hans Joachim Schuck, Bernd Stimm (Hg.): Lexikon der Forstbotanik. Morphologie, Pathologie, Ökologie und Systematik wichtiger Baum- und Straucharten. ecomed, Landsberg/Lech, 1992. ISBN 3-609-65800-2. S. 567/568
  2. Wang Gai, Li Liufang; Hans Daucher (Hrsg.): Der Senfkorngarten : Lehrbuch der chinesischen Malerei. Teil 1. Maier, Ravensburg 1987 (übersetzt von Angelika Obletter, Emilie Sun-Madden), ISBN 3-473-48346-X, S. 137. 

Literatur

  • Walter Denker, Reimer Stecher: Alte Bäume in Dithmarschen. Von Windschur, Knickharfen und Kratteichen. Boyens, Heide, 1997. ISBN 3-804-20799-5.

Weblinks


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