Belagerung Jerusalems (1099)

Belagerung Jerusalems (1099)
Belagerung von Jerusalem (1099)
Teil von: Erster Kreuzzug
Eroberung Jerusalems 1099. Im Hintergrund die Passion Christi. Darstellung um 1300
Eroberung Jerusalems 1099. Im Hintergrund die Passion Christi. Darstellung um 1300
Datum 7. Juni–15. Juli 1099
Ort Jerusalem
Ausgang Sieg der Kreuzfahrer
Konfliktparteien
Kreuzfahrer Fatimiden
Befehlshaber
Robert von Flandern
Gottfried von Bouillon
Robert von der Normandie
Raimund IV. von Toulouse
Iftikhar ad Daula (Kommandant von Jerusalem)
Truppenstärke
1.500 Ritter
12.000 Fußsoldaten
unbekannt
Verluste
unbekannt unbekannt

Die Belagerung Jerusalems im Rahmen des Ersten Kreuzzugs fand vom 7. Juni bis 15. Juli 1099 statt.

Inhaltsverzeichnis

Hintergrund

Nach der Zerstörung der Grabeskirche, einem der wichtigsten Heiligtümer der Christenheit in Jerusalem am 18. Oktober 1009 durch Al-Hakim und dem Hilferuf des byzantinischen Kaisers Alexios I. Komnenos um militärische Unterstützung gegen die Seldschuken, rief der später heilig gesprochene Papst Urban II. im Jahr 1095 zur Befreiung Jerusalems auf. Nach der erfolgreichen Belagerung Antiochias, die im Juni 1098 mit dem Fall der Stadt endete, blieben die Kreuzfahrer den Rest des Jahres in der Gegend um die Stadt. Der Apostolische Legat Adhemar de Monteil, Bischof von Le Puy-en-Velay, war gestorben und Bohemund von Tarent hatte Antiochia für sich selbst eingefordert. Balduin von Boulogne blieb in Edessa, das ebenfalls 1098 an die Kreuzfahrer gefallen war. Unter den Fürsten gab es einen Dissens über das weitere Vorgehen, Raimund IV. von Toulouse verließ Antiochia, um die Festung Ma'arrat al-Numan zu erobern. Gegen Ende des Jahres drohten die einfachen Ritter und die Fußsoldaten damit, ohne sie nach Jerusalem zu marschieren.

Die Belagerung Arqas

Ende Dezember oder Anfang Januar stimmten Robert von der Normandie und Bohemunds Neffe Tankred zu, Raimunds Vasallen zu werden, der reich genug war, sie für ihre Dienste zu bezahlen. Gottfried von Bouillon, der nun Einkünfte aus dem Besitz seines Bruders Balduin in Edessa hatte, verweigerte sich jedoch. Am 5. Januar wurden die Mauern von Ma'arrat geschleift, am 13. Januar begann der Marsch nach Süden, barfuß und in Pilgerkleidung, gefolgt von Robert und Tankred. Auf ihrem Weg entlang der Mittelmeerküste stellt sich ihnen wenig Widerstand entgegen, lokale muslimische Regenten zogen es vor, Frieden zu halten und Nachschub zu liefern. Die Sunniten scheinen darüber hinaus die Regierung durch die Kreuzfahrer der durch die schiitischen Fatimiden vorgezogen zu haben.

Raimund plante, Tripolis für sich zu selbst zu behalten und einen Staat zu gründen, der Bohemund in Antiochia entsprechen sollte. Zuerst wurde jedoch Arqa in der Nähe belagert. In der Zwischenzeit trafen sich Gottfried und Robert von Flandern, der sich ebenfalls geweigert hatte, Raimunds Vasall zu werden, mit den übrigen Kreuzfahrern in Latakia und begannen ihren Marsch nach Süden im Februar. Bohemund begleitete sie ein Stück, kehrte aber schnell nach Antiochia zurück. Zu dieser Zeit verließ Tankred nach einigen nicht näher bekannten Reibereien Raimunds Dienste und schloss sich Gottfried an. Eine weitere Truppe, wenn auch mit Gottfried verbunden, wurde von Gaston IV. von Béarn geführt.

Gottfried, Robert, Tankred und Gaston erreichten Arqa im März, wo die Belagerung noch stattfand. Die Situation war angespannt, nicht nur unter den militärischen Führern, sondern auch beim Klerus. Seit Adhemars Tod hatte es keinen richtigen Anführer mehr gegeben, und seit dem Fund der Heiligen Lanze durch Peter Bartholomäus in Antiochia gab es Klagen über Betrug unter den verschiedenen klerikalen Fraktionen. Im April forderte Arnulf von Chocques Peter zu einer Feuerprobe auf, der sich Peter unterzog und an deren Folgen er auch starb, wodurch die Heilige Lanze als Fälschung entlarvt wurde.

Die Belagerung Jerusalems

Mittelalterliche Darstellung der Belagerung

Die Belagerung Arqas dauerte bis zum 13. Mai und wurde dann erfolglos abgebrochen. Die Fatimiden hatten versucht, unter der Bedingung, dass der Marsch auf Jerusalem unterbleibe, Frieden zu schließen, was aber ignoriert wurde, war doch Jerusalem das eigentliche Ziel; der fatimidische Statthalter in Jerusalem verstand offenbar nicht, weshalb die Kreuzfahrer überhaupt im Land waren. Am 13. Mai kamen sie nach Tripolis, dessen Regent sie mit Geld und Pferden unterstützte. Nach der anonymen Chronik Gesta Francorum schwor er auch, zum Christentum überzutreten, falls die Kreuzfahrer Jerusalem seinen fatimidischen Feinden abnehmen würden. Im weiteren Vormarsch passierten die Kreuzfahrer Beirut am 19. Mai, Tyrus am 23. Mai, und wandten sich bei Jaffa ins Landesinnere. Sie erreichen Ramlah am 3. Juni, das bereits von seinen Einwohnern aufgegeben worden war. Das Bistum Ramlah-Lydda wurde eingerichtet, bevor sie nach Jerusalem weiterzogen. Am 6. Juni schickte Gottfried Tankred und Gaston aus, um Betlehem zu erobern, wo Tankred sein Banner auf die Geburtskirche pflanzte. Am 7. Juni erreichten die Kreuzfahrer Jerusalem.

Wie bei Antiochia begannen die Kreuzfahrer mit einer Belagerung, unter der sie aufgrund des Mangels an Nahrungsmitteln und Wasser in der Umgebung selbst wohl stärker litten als die Bewohner der Stadt. Jerusalem war auf die Belagerung gut vorbereitet, die meisten christlichen Bewohner hatte der Statthalter aus der Stadt getrieben. Von den etwa 7.000 Rittern, die den Kreuzzug begonnen hatten, waren nur noch 1.500 geblieben, darüber hinaus 12.000 gesunde Fußsoldaten (von etwa 20.000). Gottfried, Robert von Flandern und Robert von der Normandie (der Raimund jetzt auch verlassen hatte, um sich Gottfried anzuschließen) belagerten die nördlichen Mauern bis zum Davidsturm hinunter, während Raimund sein Lager an der Westseite aufschlug, vom Davidsturm bis zum Berg Zion. Ein Sturmangriff am 13. Juni wurde ein Fehlschlag. Ohne Wasser und Nahrung wussten die Kreuzfahrer, dass die Zeit gegen sie lief. Zufälligerweise erreichten kurz nach dem Angriff einige christliche Schiffe den Hafen von Jaffa, so dass die Kreuzfahrer sich für eine kurze Zeit versorgen konnten. Sie begannen, aus Samaria Holz herbeizuschaffen, um Belagerungsmaschinen zu bauen. Ende Juni erreichte sie die Nachricht, dass ein fatimidisches Heer aus Ägypten heranmarschierte.

Die barfüßige Prozession

Angesicht eines anscheinend unmöglichen Ziels wurde ihre Moral gehoben, als ein Priester namens Peter Desiderius von einer göttlichen Vision mit dem Geist Adhemars sprach, der sie angewiesen habe, drei Tage zu fasten und danach barfuß um die Stadtmauern zu marschieren, wonach die Stadt – dem biblischen Beispiel Josuas bei der Belagerung Jerichos folgend – innerhalb von neun Tagen fallen werde. Obwohl bereits hungernd, fasteten sie und begannen am 8. Juli ihren Umzug, bei dem der Klerus Trompeten blies und Psalmen sang, und bei dem sie von den Verteidigern der Stadt die ganze Zeit über verspottet wurden. Der Umzug hielt am Ölberg, wo Peter der Einsiedler, Arnulf von Chocques und Raimund von Aguilers Predigten hielten.

Der Sturm und das Massaker

Während der Belagerung wurden die Mauern immer wieder angegriffen, jeder Angriff wurde zurückgeschlagen. Mittlerweile waren aber die Belagerungsmaschinen fertig gestellt und konnten in der Nacht des 14. Juli zur großen Überraschung und Besorgnis der Garnison an die Mauern geschoben werden. Am nächsten Morgen erreichte Gottfrieds Turm seinen Mauerabschnitt nahe dem nordöstlichen Ecktor, ein flämischer Ritter namens Lethold war nach der Gesta Francorum der erste, der in die Stadt eindrang. Ihm folgten Gottfried, sein Bruder Eustach, Tankred und ihre Männer. Raimunds Turm wurde von einem Graben aufgehalten, aber als die anderen Kreuzfahrer bereits in die Stadt strömten, ergab sich ihm die muslimische Wache des Tors.

Nachdem die Kreuzfahrer die äußeren Mauern durchbrochen hatten und in die Stadt eingedrungen waren, wurde fast jeder Einwohner der Stadt im Laufe des Nachmittags, des Abends und des nächsten Morgens getötet, Muslime, Juden und die verbliebenen Christen ohne Unterschied.

Viele Muslime suchten Schutz in der Al-Aqsa-Moschee, wo nach einem Bericht in der Gesta Francorum "…das Gemetzel so groß war, dass unsere Männer in Blut bis zu ihren Knöcheln wateten… " Nach Raimund von Aguilers "…ritten die Männer in Blut bis zu ihren Knien und ihrem Zaumzeug hinauf". In den orientalischen Quellen schwanken die Zahlen zwischen 30.000 Getöteten nach einer anonymen syrischen Chronik und 70.000 bei dem Chronisten Ibn al-Atir.

Tankred beanspruchte das Tempelviertel für sich und bot einigen Muslimen dort seinen Schutz an, konnte aber nicht verhindern, dass sie durch seine Mitkreuzfahrer getötet wurden. Der fatimidische Statthalter zog sich in den Davidsturm zurück, den er bald gegen freien Abzug für sich und seine Leibwache nach Askalon Raimund übergab. Sie waren die einzigen, die lebend entkamen.

Obwohl die Ansicht, dass nahezu alle Stadtbewohner während der Eroberung Jerusalems getötet wurden, Eingang in die Standardliteratur gefunden hat, ist diese These fragwürdig. Auch die Anzahl wird von Historikern wie Peter Thorau in Zweifel gezogen, zwar ist die Einwohnerzahl Jerusalems im Jahr 1099 unklar, es ist aber nahezu ausgeschlossen, dass die Stadt eine solch hohe Bevölkerungszahl gehabt haben kann. Festzuhalten ist aber, dass die Gräueltaten das im Krieg übliche Maß überschritten haben müssen. Im Gesta Francorum wird berichtet:

Sie …[unsere Fürsten] veranlaßten außerdem, daß sämtliche Sarazenenleichen aufgrund des furchtbaren Gestanks aus der Stadt hinausgeschafft würden, denn fast die ganze Stadt war übersät mit ihren toten Leibern. Somit schleiften die überlebenden Sarazenen die Toten vor die Tore hinaus und schichteten sie zu Stößen auf so hoch wie Häuser. Keiner hat jemals ein solches Abschlachten von Heiden gesehen oder je davon gehört, denn sie wurden auf Scheiterhaufen verbrannt, die Pyramiden glichen, und keiner außer Gott allein weiß, wie viele es waren.

Gesta Francorum

Folgen

Die Entdeckung des Heiligen Kreuzes; Grafik von Gustave Doré

Nach dem Massaker wurde Gottfried von Bouillon am 22. Juli zum Advocatus sancti sepulchri (Beschützer des Heiligen Grabes) gemacht, nachdem er sich geweigert hatte, in der Stadt, in der Jesus Christus die Dornenkrone getragen hatte, König genannt zu werden. Raimund wies auch jeden Titel zurück, ließ sich aber von Gottfried überreden, den Davidsturm aufzugeben. Raimund ging anschließend auf Pilgerfahrt, in seiner Abwesenheit wurde Arnulf von Chocques, den Raimund wegen seiner Unterstützung für Peter Bartholomäus abgelehnt hatte, am 1. August zum ersten Lateinischen Patriarchen gewählt (die Ansprüche des orthodoxen Patriarchen wurden ignoriert). Am 5. August entdeckte Arnulf, nachdem er einige der zurückgekehrten Verbannten befragt hatte, das Heilige Kreuz.

Am 12. August führte Gottfried eine Armee, das Heilige Kreuz in der Vorhut, in die Schlacht von Askalon gegen die Fatimiden. Die Kreuzfahrer waren erfolgreich, aber nach dem Sieg war die Mehrheit von ihnen der Ansicht, ihr Kreuzzugsgelübde erfüllt zu haben, so dass alle bis auf einige hundert Ritter nach Hause zurückkehrten. Dennoch machte der Sieg den Weg frei für die Errichtung des Königreichs Jerusalem.

Literatur

  • Hans E. Mayer: The Crusades. Oxford 1965.
  • Peter Thorau: Die Kreuzzüge. München 2005.
  • Jonathan Riley-Smith: The First Crusade and the Idea of Crusading. Philadelphia 1999.

Weblinks


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