Wohnungsproduktion

Wohnungsproduktion

Der Wohnungsbau bezeichnet den Bau von Gebäuden und ganzen Siedlungen, die vormehmlich dem Wohnen dienen. Wohnungsproduktion ist ein nahezu synonymer Begriff.

Wohnungsbau kann auf private Initiative oder von der öffentlichen Hand geplant bzw. initiiert zustande kommen. Darin spiegelt sich auch das jeweils herrschende gesellschaftliche oder wirtschaftliche System wider.

In vorindustrieller Zeit gab es in nur sehr eingeschränktem Maße reine Wohnbauten. Es dominierten Bauten, die Wohnen und Arbeiten unter einem Dach vereinten. Gebäude, die (auch) dem Wohnen dienten, entstanden meist sukzessive.

Durch die Industrielle Revolution setzte der Massenwohnungsbau in den Großstädten ein, der für die Investoren häufig lukrative Geldanlagen und Spekulationsobjekte wurden.

Nach dem Ersten Weltkrieg wurde der Wohnungsbau als soziale Aufgabe des Staates entdeckt. Es ging darum, Wohnungsnot zu beseitigen und Wohnraum erschwinglich zu halten. Seitdem gibt es immer wieder unterschiedlich geartete staatliche Wohnungsbauprogramme. Als besondere Form ist der Soziale Wohnungsbau zu nennen.

Die Wohnungsproduktion beeinflusst den Wohnungsmarkt und damit indirekt auch unseren Lebensraum.

Inhaltsverzeichnis

Sozialgeographische Perspektive

Aus Sicht der Sozialgeographie lohnt sich eine Betrachtung der Wohnungsproduktion aus mehreren Gründen:

  • Die theoretische Befassung mit dem zunächst rein betriebswirtschaftlichen Entscheidungsprozess des Bauherren kann unter besonderer Berücksichtigung des Allokationsprozesses Erklärungen für das räumliche Muster der gebauten (Wohn-) Umwelt liefern.
  • Eine Dynamisierung des Allokationsprozesses führt zu den Hintergründen der Reproduktion räumlicher Strukturen: Nicht nur, weil das Gegebene häufig das Neue vorprägt; auch konkurriert die ge­gebene Flächennutzung stets mit alternativen Nutzungsarten. Einmal getroffene Stand­ortentscheidungen können revidiert werden, Wohnungen können abgerissen werden oder ihre Funktion kann z.B. in Gewerbezwecke umgenutzt werden. Insofern bedeutet Neubauproduktion nicht automatisch auch eine Bestandszunahme.
  • Art und Weise der Wohnungsproduktion haben langfristige Auswirkungen auf den Wohnungsmarkt mit seiner baulich vorgeprägten Raumstruktur. Neben der grundsätzlichen Langlebigkeit einer Wohnung impliziert bereits die Kalkulation der Baukosten den ungefähren Verlauf der Mietzinsfestsetzung. Aus demselben Grund stellt die Wohnungsproduktion auch einen wichtigen Angriffspunkt einer vorausschauenden Wohnungspolitik dar.

Bedingungsfaktoren

„Die Wohnungswirtschaft und der Wohnungsmarkt können nicht isoliert betrachtet, sondern müssen in einem größeren Zusammenhang gesehen werden. Hierzu gehört, dass die dem Wohnungsmarkt vorgeschalteten Märkte für den Boden, die Bauwirtschaft und das (langfristige) Kapital zu beachten sind.“

Jenkis: Kompendium der Wohnungswirtschaft (1996), S. 73

Wohnungsbau als Lokomotive der Volkswirtschaft

Die treibende Kraft, die der Baubranche zugesprochen wird, äußert sich nicht nur in überdurchschnittlichen Wachstumsraten, sondern auch in einem ebenso ansteigenden Preisindex. Die Ursachen hierfür zu ergründen, erscheint um so dringlicher, wenn man bedenkt, dass die Baukosten im Wohnungsbau den Großteil des aufzubringenden Investitionskapitals ausmachen.

Eine Erklärung ist in der traditionellen Arbeitsteilung zwischen Bauherr, Handwerkern und späterem Hauseigentümer zu suchen, die sich seit Mitte des 19. Jahrhunderts herausgebildet hat. Die Möglichkeit der Kosteneinsparung ist im Rahmen dieser wechselseitigen Abhängigkeiten sehr gering.

Aus der Rolle der Bauwirtschaft als Bereitschaftsindustrie ­ ergibt sich zwangsläufig ihre unterdurchschnittliche Organität (geringer Anteil fixen Kapitals im Gegensatz zum variablen „Humankapital“). Diese erlaubt längst nicht den Rationalisierungsgrad anderer Wirtschaftsbereiche, zumal sie von ­saisonalen, wetterbedingten Schwankungen abhängig ist. ­Hinzu kommt eine langjährige Wohnungs- und Städtebaupolitik, die mit ihrer Produktabnahme zu fast jedem Preis eine zentrale Bedingung der fehlenden Konzentration im Bausektor war.

Ein weiterer Grund für das überdurchschnittliche Ansteigen der Baukosten liegt in den starken Konjunkturschwankungen der Bau­wirt­schaft, wodurch in Phasen der Hochkonjunktur inflationäre Über­hitzungs­erscheinungen auftreten. Dieser Faktor wird gelegentlich überschätzt, erklärt er doch nicht, warum die Baupreise in Rezessionsphasen nicht in ähnlichem Umfang sinken.

Es lässt sich also annehmen, dass es vor allem die spezifische Organisationsstruktur der Bauwirtschaft ist, die erhebliche Auswirkungen auf die Mietpreisentwicklung hat.

Der Kapitalmarkt

Bestimmen die Baukosten den Großteil der aufzubringenden Investitionssumme im Wohnungsbau, so ergibt sich durch den jeweiligen Marktzins über die resultierende Annuität die Höhe des Mietzinses. Hierbei spielt es zunächst keine Rolle, ob der Bauherr überwiegend Eigenkapital einsetzen kann, oder sich das Geld auf dem Kapitalmarkt beschaffen muss. Betrachtet man Wohnungsbau als Kapitalanlage, so konkurriert die über die Miete zu erwirtschaftende Rendite mit den marktüblichen Zinsen und wird sich - wie auch bei einer überwiegenden Fremdfinanzierung - an diesen orientieren.

Dass die Verzinsung der Baukosten den Großteil der Kostenmiete ausmacht, ist unbestritten. Kontroverse Meinungen bestehen aber darüber, wie sich ihr Anteil innerhalb des Lebenszyklus der Wohnung entwickelt, insbesondere wenn nach 10-30 Jahren die Hypothek abbezahlt ist. Während für den Hausbesitzer die Zinspflicht erlischt, muss der Mieter weiter Mietzins zahlen. Es widerspräche jedoch der Praxis, würde man dieser plötzlich einen grundverschiedenen Charakter zuschreiben (z.B.: die ersten 15 Jahre zahlt der Mieter die Zinsen des vorgeschossenen Kapitals, danach seine Abschreibung). Dies wird deutlich, wenn man sich klarmacht, dass kein Mieter an seine Wohnung gebunden ist. Er ist austauschbar und erwirbt durch die Mietzahlung kein Miteigentum an der Wohnung. Der Mietvertrag regelt keinen Ratenkauf, sondern den Verleih von Warenkapital.

Kapitalkreisläufe bei der Wohnungsvermietung (eigene Graphik, GPL)

Während der gesamten der Lebensdauer der Wohnung zahlt der Mieter ­Zinsen auf das ihm geliehene Warenkapital. Für den Bauherren nimmt während der Entschuldungsfrist der Anteil des verzinslichen Eigenkapitals am Gesamtkapital zu, bis er schließlich die gesamte (Netto-)Miete als Verzinsung von Eigenkapital, nämlich der nun ganz ihm gehörenden Wohnung, verbuchen kann.

Aus dieser zentralen Bedeutung der Verzinsung innerhalb einer vorwiegend als Kapitalverwertung verstandenen Wohnungswirtschaft ergeben sich als Folgen für den Wohnungsmarkt:

  • Die Entwicklung der Neubau(kosten-)miete lässt sich grob abschätzen durch das Produkt aus Baukosten und Marktzinsen. Dabei wird die Intensität der Neubauproduktion im wesentlichen davon abhängen, wie weit die jeweilige Situation auf dem Wohnungsmarkt die Deckung der Kostenmiete erwarten lässt.
  • Auf die Miethöhe im Wohnungsbestand wirken sich Zinsschwankungen auf dem Kapitalmarkt zwar selten direkt über die Kostenmieten aus (in der Regel werden Hypotheken zu festgelegten Zinssätzen vergeben), jedoch lassen hohe Zinsen durch Einbrüche in der Bauproduktion die Mieten indirekt schnell ansteigen, wie Anfang der 80er Jahre zu sehen war.
  • Ein überdurchschnittlicher Anstieg der Mieten ist strukturell eingeplant: Der Zwang zur Kreditaufnahme einerseits und die Hoffnung auf den "Altbausurplus" infolge schnell steigender Wiederbeschaffungskosten andererseits strukturieren das Geschäft mit dem Wohnungsbau.

Der Bodenmarkt

Innerhalb der Wohnungsproduktion spielt der (städtische) Boden eine besondere Rolle: Wenngleich er vom Bauherren als Bestandteil der ­Produktionskosten verbucht wird, so ist er doch kein Produktionsmittel, sondern er ist die Voraussetzung dafür, das gebaut werden kann.

Da der Boden nicht produziert wird (er wird einfach vorgefunden), lässt sich sein Preis nicht aus seinen Produktionskosten ableiten. Vielmehr ist der Grundstückswert der kapitalisierte Wert der zu erwartenden Rendite des Grundstücks, also die kapitalisierte antizipierte Grundrente. Insofern ist Grundrente nicht die eine im Nachhinein realisierte Verzinsung der Boden­kosten, sondern sie schöpft einen Teil der durch die Nutzung des Bodens (in diesem Fall durch die Vermietung von Wohnraum) zu erwartenden Rendite ab.

Dabei orientiert sich der Bodenpreis nicht nur an der potenziellen Miethöhe; auch konkurrierende Nutzungsarten werden einkalkuliert.

Die Obergrenze der Grundrente ist unter der Voraussetzung eines privaten, ökonomisch rational handelnden Grundeigentümers demnach nur durch die Zahlungsbereitschaft der potentiellen Käufer begrenzt ist. Daher wird die Grundrente im Allgemeinen auch als Monopolrente ­charakterisiert. Aufgrund der Einzigartigkeit eines jeden Grundstücks mit seiner spezifischen Lage zerfällt der städtische Bodenmarkt, so dass im Extremfall (wie er sich etwa im Kern von Metropolen manifestieren kann) jedes Grundstück seinen eigenen Markt hat.

Widerspruch besteht in der Literatur über die Bewertung der Grund­rente und ihrer allokativen Funktion. Die Diskussion lässt sich bis etwa 1900 zurückverfolgen. Damals teilte eine Debatte über eine mögliche Bodenreform die Wirtschaftsexperten in zwei Lager: ­Auf der einen Seite standen jene, die der Grundrente und der sich aus ihr ergebenden Spekulation eine gesamtwirtschaftliche Funktion zusprachen. ­Stellvertretend sei hier Adolf Weber zitiert:

„Die wirtschaftlichen Leistungen der Bodenspekulation bestehen in Folgendem:

  1. Sie verhindert, dass der Trotz, der Eigensinn, die mangelnde geschäftliche Erfahrung der städtischen Bauern die Entwicklung der Stadt im entscheidenden Augenblicke hemmt;
  2. sie nimmt einen großen Teil des Risikos der zukünftigen Entwicklung auf sich;
  3. um dieses Risiko in möglichst engen Grenzen zu halten, befördert die Spekulation die Initiative zur Aufschließung und Bebauung neuen Baulandes.“

Weber, Adolf: Boden und Wohnung: Acht Leitsätze zum Streite um die städtische Boden- und Wohnungsfrage. Leipzig 1908

Aus anderer Perspektive wird die Grundrente als parasitär bewertet. Sie sei nicht das Verdienst irgendeiner Leistung, vielmehr verursache die mit ihr betriebene Bodenspekulation steigende Bodenpreise und Wohnungsmangel. Vertreter dieser Auffassung - darunter Adolf Damaschke - setzen sich für eine Bodenreform ein und fordern, zumindest in Einzelfällen die Sozialisierung von Grundeigentum zugunsten der Allgemeinheit vorzunehmen.


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