- Wortfindungsstörung
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Klassifikation nach ICD-10 R47.0 Dysphasie und Aphasie ICD-10 online (WHO-Version 2006) Die Aphasie (griechisch αφασία) bedeutet ursprünglich „ohne Sprache“. Ins Deutsche wird Aphasie oft mit „Sprachverlust“ übersetzt. Aphasie wird aufgrund einer Läsion (Schädigung) in der dominanten, meist der linken, Hemisphäre verursacht.
Eine Aphasie ist eine Sprachstörung nach neurologischen Erkrankungen (Schlaganfall, Schädelhirntrauma, Gehirnblutung nach Venenthrombose, Tumoren, entzündlichen Erkrankungen, Intoxikation) nach abgeschlossenem Spracherwerb. Sie verursacht Beeinträchtigungen in den einzelnen sprachlichen Modalitäten (Sprechen, Verstehen, Schreiben und Lesen) in unterschiedlichen Schweregraden. Wichtig ist die Abgrenzung der Aphasie als Sprachstörung von Sprechstörungen wie zum Beispiel der Dysarthrie. Die Aphasiologie beschäftigt sich mit der Diagnostik und Behandlung der Aphasien. Bekannte Formen der Aphasie sind z. B. die Broca-Aphasie und die Wernicke-Aphasie.
Inhaltsverzeichnis
Arten
Aphasien werden von verschiedenen Autoren(gruppen) unterschiedlich eingeteilt. In Deutschland ist die Einteilung der Aachener Schule um Walter Huber und Klaus Poeck die meistverwendete, nicht zuletzt weil sie das Ergebnis eines standardisierten Diagnoseverfahrens, dem Aachener Aphasie-Test (AAT), ist. Es werden dort vier Hauptarten („Standardsyndrome“) und mehrere Sonderformen unterschieden:
Typ Spontansprache Nachsprechen Sprachverständnis Wortfindung Broca-Aphasie gestört gestört eingeschränkt für syntaktisch komplexes Material eingeschränkt Wernicke-Aphasie flüssig (z. T. Logorrhoe, Neologismen) gestört eingeschränkt eingeschränkt amnestische bzw anomische Aphasie flüssig, aber Paraphasie leicht beeinträchtigt leicht beeinträchtigt gestört, paraphasisch globale Aphasie gestört gestört gestört gestört Neben diesen vier Hauptarten der Aphasie gibt es seltenere Sonderformen wie z. B. transkortikale Aphasie, die sich beispielsweise darin äußert, dass die Betroffenen nachsprechen, aber nicht frei reden können, und die Leitungsaphasie, die meistens durch Läsionen im Bereich des Fasciculus arcuatus der dominanten Hemisphäre entsteht und für die eine starke Einschränkung des Nachsprechens bei ansonsten weitgehend intakten sprachlichen Fähigkeiten charakteristisch ist.
Eine andere, feinere Einteilung, zusammen mit einem anderen Diagnoseverfahren, wurde von Leischner (vgl. Literatur) vorgeschlagen.
Amnestische bzw. anomische Aphasie
Leitsymptom: Wortfindungsstörungen (Schwierigkeiten beim Benennen von Gegenständen u. ä.). Die Sprache ist flüssig, bei auftretenden Wortfindungsstörungen können die Zielbegriffe häufig umschrieben werden. Das Kurzzeitgedächtnis ist gestört (z. B. Schädel-Hirn-Trauma).
Broca-Aphasie
Die Broca-Aphasie (Frontallappen) wurde früher auch „motorische Aphasie“ genannt, stockende, angestrengte Spontansprache mit starken Wortfindungsstörungen. Mittelgradige Störungen des Sprachverständnisses, so dass es im Gespräch manchmal zu Missverständnissen kommt, werden häufig erst bei direkter Testung entdeckt.
Wernicke-Aphasie
Die Wernicke-Aphasie (Temporallappen) wurde früher auch „sensorische Aphasie“ genannt. Flüssige Sprache mit sehr vielen semantischen Paraphasien (Verwechslungen von Wörtern) und phonematischen Paraphasien (Lautverdrehungen) bzw. Neologismen (Wortneuschöpfungen). Meist werden die Fehler von den Betroffenen nicht wahrgenommen. Zum Teil überschießender Sprachfluss (der Logorrhoe). Stark eingeschränktes Sprachverständnis.
Globale Aphasie
Die globale Aphasie ist die schwerste Form der Aphasie, bei der kaum lautsprachliche Äußerungen möglich sind und auch das Sprachverständnis schwer gestört ist. Ursache ist eine ausgedehnte Läsion, die das motorische und sensorische Sprachzentrum der dominanten Hemisphäre mit einschließt. Meistens handelt es sich um einen Totalinfarkt im Versorgungsgebiet der Arteria cerebri media.
Siehe auch
- klinische Neuropsychologie
- Apraxie (Störung gelernter Handlungen oder Bewegungsabläufe)
- Agnosie (Unfähigkeit, bei erhaltenen Sinneswahrnehmungen das Wahrgenommene auch zu erkennen und zu deuten)
- Alexie (neurologisch bedingte Leseunfähigkeit)
- Akalkulie (Rechenunfähigkeit)
- Agraphie (neurologisch bedingte Schreibunfähigkeit)
- Sprachzentrum
- Schizophasie („Wortsalat“ als extreme formale Denkstörung bei Schizophrenie)
Literatur
- Blanken, Gerhard (Hg.): Einführung in die linguistische Aphasiologie. Theorie und Praxis. Freiburg: HochschulVerlag, 1991 (ISBN 3-8107-5055-7)
- Leischner, Anton: Aphasien und Sprachentwicklungsstörungen: Klinik und Behandlung. Stuttgart: Thieme, 1987 (2. Aufl.) (ISBN 3-13-573902-3)
- Lutz, Luise: Das Schweigen verstehen: Über Aphasie. Berlin: Springer, 2004 (3. Aufl.) (ISBN 3-540-20470-9)
- Pohlmann, Mareike: Die Aphasie-Selbsthilfegruppe: Theorie und Praxis - Von der Gründungsidee bis zur Umsetzung, Saarbrücken: VDM Verlag Dr Müller, 2007, ISBN 978-3-8364-1377-0
- Schöler, Meike & Holger Grötzbach: Aphasie: Wege aus dem Sprachdschungel. Berlin: Springer, 2004 (2. Aufl.) (ISBN 3-540-20469-5)
- Tesak, Jürgen: Einführung in die Aphasiologie. 2., aktualisierte Auflage. Stuttgart/New York: Thieme, 2006 (ISBN 3-13-111112-7)
Weblinks
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