Bell'sches Raumschiffparadoxon

Bell'sches Raumschiffparadoxon

Das Bellsche Raumschiffparadoxon ist ein Paradoxon zur Längenkontraktion in der Relativitätstheorie, das 1976 von John Bell beschrieben wurde. Die zugrunde liegende Frage wurde allerdings schon seit den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts untersucht.

Inhaltsverzeichnis

Die Längenkontraktion

Die Längenkontraktion, auch Lorentzkontraktion genannt, ist ein Phänomen der relativistischen Physik. Jeder bewegte Maßstab ist in Bewegungsrichtung kürzer als ein gleicher, ruhender Maßstab. Diese Verkürzung entzieht sich unserer Alltagserfahrung, da sie sich erst bei Geschwindigkeiten bemerkbar macht, die im Vergleich zur Lichtgeschwindigkeit ins Gewicht fallen.

Das Paradoxon

Der Vorgang aus der Sicht des ruhenden Beobachters: Oben die beiden Raketen beim Start und unten bei 60 % der Lichtgeschwindigkeit. Der Abstand L bleibt gleich, die beiden Raketen und das Seil erfahren dagegen eine Längenkontraktion auf 80 % ihrer Länge im Ruhezustand, so dass das Seil reißt.

John Bell betrachtete dazu das folgende Gedankenexperiment: Zwei Raumschiffe beginnen, von einem ruhenden Beobachter gesehen, gleichzeitig aus dem Stand heraus zu beschleunigen und zwar in Richtung ihrer Verbindungslinie. Zwischen beiden ist ein Seil gespannt, das bei der geringsten Dehnung reißt. Reißt das Seil, wenn seine Befestigungspunkte und jedes Teilstück des Seils in genau gleicher Weise bis zur selben Endgeschwindigkeit beschleunigt werden?

Da die Befestigungspunkte gleich beschleunigt werden, bleibt ihr Abstand L für den ruhenden Beobachter unverändert. Das Seil ist bewegt und wegen der Längenkontraktion kürzer als in Ruhe. In Ruhe muss es daher länger als L sein, um vom einen Befestigungspunkt zum anderen zu reichen. Das Seil reißt.

Dieses Ergebnis scheint widersprüchlich zu sein. Denn wenn aus Sicht der Raketenbesatzungen die Beschleunigungen gleich sind, dann ändert sich ihr Abstand nicht. Und da das Seil gegenüber den Besatzungen ruht, ändert es nicht seine Länge und reißt nicht.

Die Auflösung dieses scheinbaren Widerspruchs ist, dass aus der Sicht der Besatzungen beide Beschleunigungen aufgrund der Relativität der Gleichzeitigkeit nicht gleich sind. Für beide Besatzungen beschleunigt die hintere Rakete langsamer und erreicht erst nach der vorderen Rakete ihre Endgeschwindigkeit. Wird beispielsweise jedes Triebwerk zweimal kurz gezündet, und finden beide Schubphasen für den ruhenden Beobachter gleichzeitig statt, dann findet der zweite Schub für die dann schon bewegten Besatzungen nicht gleichzeitig statt, sondern bei der vorderen Rakete früher als bei der hinteren. Die Schübe ereignen sich aus Sicht der Besatzungen bei der vorderen Rakete in kürzerer Zeit, sie ist in kürzerer Zeit beschleunigt und daher am Ende bei gleicher Endgeschwindigkeit weiter von der hinteren Rakete entfernt als vor der Beschleunigung. Auch beide Besatzungen sehen das Seil reißen.

Geschichte

Bereits 1959 beschrieben E. Dewan und M. Beran eine Variante des zugrunde liegenden Problems korrekt. Das Ergebnis wurde in von Zeit zu Zeit wieder aufkommenden Debatten in Frage gestellt. 1962 veröffentlichte P. J. Nawrocki einen Aufsatz, der der Analyse von E. Dewan und M. Beran widersprach. E. Dewan verteidigte seine Analyse 1963. 1976 beschrieb John Bell das Problem, das seitdem das Bellsche Raumschiffparadoxon genannt wird. T. Matsuda und A. Kinoshita berichteten 2004 von einer regen Kontroverse in japanischen Physik-Journalen, nachdem sie dort die von ihnen ebenfalls vertretene Standarderklärung des Paradoxons (siehe oben) veröffentlicht hatten. Matsuda und Kinoshita schlossen mit der Feststellung, dass es selbst nach hundert Jahren Relativitätstheorie immer noch Physiker gäbe, welche die wirkliche Bedeutung der Längenkontraktion nicht verstanden hätten.

Literatur

Nicht angenommener Artikel

Fields Arbeit, der Standardergebnisse zur speziellen Relativitätstheorie als auch das obige allgemein akzeptierte Erklärungsschema zum Paradoxon bestreitet, wurde nicht zur Veröffentlichung angenommen.

Weblinks


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