Wöhler-Versuch

Wöhler-Versuch

Die Wöhlerlinie und der Wöhlerversuch bzw. Dauerschwingversuch sind Begriffe aus der Werkstofftechnik. Ihre Anwendung findet sich in der Betriebsfestigkeit, einem Gebiet aus dem Bereich des Maschinenbaus. Sie ist benannt nach August Wöhler, der zwischen 1858 und 1870 die ersten methodischen Schwingfestigkeitsversuche durchführte (Königlich Niederschlesische-Märkische Eisenbahn Frankfurt/Oder).

Mit dem Wöhlerversuch wird die Schwingfestigkeit von Werkstoffen oder Bauteilen (Bauteil-Wöhlerversuch) ermittelt. Hierfür werden die Versuchskörper zyklisch, meist unter einer sinusförmigen Beanspruchungs-Zeit-Funktion, belastet. Die Lastamplituden sowie das Spannungsverhältnis aus Unterlast zu Oberlast sind konstant.

Zur Ermittlung der Werte werden die Versuchskörper auf mehreren Lasthorizonten geprüft. Der Versuch läuft, bis ein definiertes Versagen (Bruch, Anriss) eintritt oder eine festgelegte Grenzschwingspielzahl erreicht wird. Versuchskörper, die die Grenzschwingspielzahl ohne erkennbares Versagen erreichen, werden als Durchläufer bezeichnet.

Die Ergebnisse des Versuchs trägt man in ein doppellogarithmisches Diagramm ein. Üblicherweise wird im Wöhlerdiagramm die Nennspannungsamplitude Sa über der ertragbaren Schwingspielzahl aufgetragen. Den sich ergebenden Kurvenzug nennt man die Wöhlerkurve oder auch Wöhlerlinie. In der nebenstehenden Wöhlerkurve sind die drei Bereiche K, Z und D eingetragen.

  • K ist der Bereich der Kurzzeitfestigkeit bzw. Kurzzeitschwingfestigkeit (auch LCF = Low-Cycle-Fatigue) unterhalb von ca. 104 bis 105 Schwingspielen. Diese Art der Ermüdung tritt bei hohen plastischen Dehnamplituden auf, die zu frühem Versagen führen. Um diesen Bereich genauer darzustellen, wird in der Regel die Coffin-Manson-Auftragung herangezogen. Bei einer Belastung, die innerhalb von einem Viertel Schwingspiel zum Bruch führt, spricht man von der statischen Festigkeit, die auch im Zugversuch bestimmt wird.
  • Z ist der Bereich der Zeitfestigkeit bzw. Zeitschwingfestigkeit zwischen 104 und materialabhängig etwa 2 · 106 Schwingspielen, in dem die Wöhlerkurve bei doppellogarithmischer Darstellung nahezu gerade verläuft. Die Gerade kann durch die Basquin-Gleichung beschrieben werden.
  • D ist der anschließende Bereich der so genannten Dauerfestigkeit. Bei ferritisch-perlitischen Stählen beginnt der Bereich der Dauerfestigkeit bei zirka 1 – 5 · 106. Bei austenitischen Stählen und kfz Basiswerkstoffen (z. B. Aluminium, Gold, Kupfer) fällt die ertragbare Amplitude weiter ab. Eine „echte“ Dauerfestigkeit existiert hier nicht. Daher wird hier meist die ertragbare Amplitude bei 107 Lastwechseln als Dauerfestigkeit bezeichnet. Unterliegt ein Bauteil ständiger Korrosion oder stark erhöhter Temperaturen, so kann nicht mehr mit einer Dauerfestigkeit gerechnet werden.

Unterhalb der Dauerfestigkeit SaD kann ein Bauteil prinzipiell beliebig viele Schwingspiele ertragen. Belastungen oberhalb der Dauerfestigkeit bewirken ein Versagen des Bauteils nach einer bestimmten Zahl an Schwingspielen. Die Zahl der ertragenen Schwingspiele eines Bauteils unter Betriebsbelastung (variable Belastungsamplituden) bis zum Ausfall kann im Rahmen statistischer Genauigkeit mit Hilfe der Wöhlerlinie vorausgesagt werden. Dazu verwendet man die Methoden der linearen Schadensakkumulation nach Palmgren, Langer und Miner. Man spricht hierbei von betriebsfester Bemessung eines Bauteils. Betriebsfestigkeit wird heute in nahezu allen Bereichen der Technik zum Zweck des Leichtbaus eingesetzt.

Beispiel-Tabelle Wöhlerversuch
Nr. Spannungsausschlag in N/mm² Lastwechsel bis Bruch
1. +/- 350 4252
2. +/- 300 8384
3. +/- 250 21987
4. +/- 200 70355
5. +/- 180 108664
6. +/- 160 10 Millionen ohne Bruch

Siehe auch

Weblinks


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужна курсовая?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Wöhler-Versuch —   [nach A. Wöhler], Werkstoffprüfung: Dauerschwingversuch …   Universal-Lexikon

  • Wöhler-Diagramm — Die Wöhlerlinie und der Wöhlerversuch bzw. Dauerschwingversuch sind Begriffe aus der Werkstofftechnik. Ihre Anwendung findet sich in der Betriebsfestigkeit, einem Gebiet aus dem Bereich des Maschinenbaus. Sie ist benannt nach August Wöhler, der… …   Deutsch Wikipedia

  • Wöhler-Linie — Die Wöhlerlinie und der Wöhlerversuch bzw. Dauerschwingversuch sind Begriffe aus der Werkstofftechnik. Ihre Anwendung findet sich in der Betriebsfestigkeit, einem Gebiet aus dem Bereich des Maschinenbaus. Sie ist benannt nach August Wöhler, der… …   Deutsch Wikipedia

  • Otto Wöhler — (* 12. Juli 1894 in Großburgwedel; † 5. Februar 1987 in ebenda) war ein deutscher Offizier (zuletzt General der Infanterie), der im Zweiten Weltkrieg in verschiedenen Positionen Generalstabsoffizier und zuletzt Oberbefehlshaber der 8. Armee und… …   Deutsch Wikipedia

  • August Wöhler — Entgleisung der Amstetten am 19. Oktober 1875 Aug …   Deutsch Wikipedia

  • Dauerschwingversuch — Dauerschwingversuch,   Sammelbegriff für dynamische Werkstoffprüfverfahren, bei denen Proben über längere Zeit einer wechselnden (z. B. schwingenden oder an und abschwellenden) Beanspruchung durch Druck, Zug, Biegung u. a. unterworfen werden.… …   Universal-Lexikon

  • Wilhelm Gotthelf Engelhard — Wilhelm Gotthelf Engelhard, ca. 1835 Wilhelm Gotthelf Engelhard (* 26. Juli 1785 in Kassel; † 30. April 1848 ebenda) war ein deutscher Jurist. Inhaltsverzeichnis …   Deutsch Wikipedia

  • Dauerversuche [1] — Dauerversuche bezwecken, das Verhalten der Materialien gegenüber mehr oder weniger lange anhaltender oder mehr oder weniger oft wiederholter Inanspruchnahme durch äußere mechanische oder chemische Einflüsse zu ermitteln. Im nachstehenden tollen… …   Lexikon der gesamten Technik

  • Eisenverhüttung — Metallurgie (gleichbedeutend Hüttenwesen) bezeichnet die Gesamtheit der Verfahren zur Gewinnung und Nutzung von Metallen sowie metallurgisch wichtigen Halbmetallen und Nichtmetallen aus Erzen, Erden, Salzen und Altstoffen.[1] Das Wort… …   Deutsch Wikipedia

  • Erzverhüttung — Metallurgie (gleichbedeutend Hüttenwesen) bezeichnet die Gesamtheit der Verfahren zur Gewinnung und Nutzung von Metallen sowie metallurgisch wichtigen Halbmetallen und Nichtmetallen aus Erzen, Erden, Salzen und Altstoffen.[1] Das Wort… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”