Wüstenzunahme

Wüstenzunahme
Ausgetrockneter Aralsee

Desertifikation oder fortschreitende Wüstenbildung bezeichnet die Verschlechterung des Bodens in relativ trockenen (ariden, semiariden und trocken sub-humiden) Gebieten, die durch unterschiedliche Faktoren einschließlich Klimawandel und menschlicher Aktivitäten herbeigeführt wird.[1] Diese Bodendegradation bewirkt die Ausbreitung bzw. Entstehung von Wüsten oder wüstenähnlichen Verhältnissen. Die meist vorgelagerte Entwicklungsstufe der Steppenbildung wird als Versteppung bezeichnet.

Der Begriff stammt vom lateinischen desertus facere ab, was übersetzt „wüst machen“ oder auch „verwüsten“ bedeutet. Dabei steht der Begriff im Deutschen meist für die Wüstenbildung anthropogenen Ursprungs im Gegensatz zur natürlichen Wüstenbildung. Voraussetzung hierfür ist der Eingriff des Menschen in das jeweilige Ökosystem.

Inhaltsverzeichnis

Ursachen

Erosion, hier in Lesotho, bedingt vielerorts die Wüstenbildung
Gebiete arider und teilarider Klimata sind von wüstenbildenden Prozessen am stärksten betroffen.

Desertifikation kann durch Deflation (Windböen), Denudation (Wasser), Versalzung und Skelettierung fortschreiten. Die wesentlichen Ursachen der Desertifikation beruhen auf menschlichen Handlungen, die Desertifikation ist also anthropogen. Daneben spielen aber auch natürliche Schwankungen der Niederschlagsmengen eine Rolle, indem durch Dürreperioden ein Desertifikationsprozess ausgelöst oder verstärkt werden kann.

In Folge der Dürre – und damit verbunden der Hungerkatastrophe in der afrikanischen Sahelzone – gewann Anfang der 1970er Jahre das Problem der Desertifikation immer stärker an Bedeutung. In der 1977 im kenianischen Nairobi erstmals abgehaltenen „United Nations Conference on Desertification (UNCOD)“ kam man zur Übereinkunft, dass die menschliche Degradierung der biologischen Grundlagen durch folgende anthropogene Eingriffe in die Natur geschieht:

  • Überweidung
  • Übernutzung
  • Abholzung
  • falsche Bewässerungsmethoden

Der häufigste Eingriff des Menschen in den Naturhaushalt der Trockengebiete besteht in der Überweidung, das heißt, der Viehbestand pro Fläche ist unter den gegebenen trockenen klimatischen Verhältnissen zu groß. Durch das Weiden wird deshalb die Pflanzendecke immer schütterer und der Boden wird aufgelockert. Die Folge ist eine zunehmende Erosion, wodurch dem Pflanzenwuchs die Basis noch weiter entzogen wird.

An zweiter Stelle ist eine unangepasste ackerbauliche Nutzung zu nennen. Verkürzte Brachezeiten, fehlerhafte Bewässerungstechniken, die Erosion begünstigendes Pflügen auf geneigten Flächen in Hangneigung und ungeeignete Pflanzen sind Ursachen von Bodenveränderungen, die zu geringerem Bewuchs und damit stärkerer Erosion führen. Durch chemische Stoffe wie Dünger oder Pestizide und maschinelle Verdichtung wird das Bodenleben beeinträchtigt, was bis zur Ausrottung von Regenwürmern führen kann.

Schließlich ist auch die Entwaldung in Trockengebieten als wichtige Ursache der Desertifikation zu nennen. Die Gewinnung von Ackerland und der Bedarf an Brenn- und Bauholz haben in vielen ariden Gebieten der Erde den Baumbestand dramatisch reduziert, insbesondere in vielen dichtbesiedelten Regionen Afrikas, in denen Holz auch heute noch den wichtigsten Energieträger darstellt.

Die Bekämpfung der Desertifikation gestaltet sich jedoch äußerst komplex. Übernutzung und Klimavariationen können identische Auswirkungen haben und in Rückkopplungen verbunden sein, was es sehr schwierig macht, die Ursachen für ein Vorrücken der Wüste zu identifizieren, und geeignete Gegenmaßnahmen zu treffen. Hier kommt der Erforschung der Vergangenheit (historische Desertifikation) eine besondere Rolle zu, da sie eine bessere Unterscheidung zwischen natürlichen und anthropogenen Faktoren ermöglicht. Neuere Forschungsergebnisse zur historische Desertifikation in Jordanien lassen es dabei fraglich erscheinen, ob die aktuellen Maßnahmen zum Schutz der Vegetation und der Böden unter fortschreitendem Klimawandel zum Erfolg führen können, und ob der Einfluss des Menschen nicht deutlich überschätzt wurde. Fortschreitende Erwärmung könnte z.B. zum Absterben aufgeforsteter Wälder führen.

Folgen

Nach Schätzungen des Millennium Ecosystem Assessment der Vereinten Nationen sind weit über eine Milliarde Menschen und etwa ein Drittel aller landwirtschaftlich nutzbaren Flächen der Erde von Bodendegradation und damit potenziell auch von Desertifikation betroffen. Dies gilt insbesondere für weite Teile Nordafrikas im Bereich der Sahelzone, für Südafrika, Zentral- und Südasien, Australien, Teile Nord- und Südamerikas sowie Südeuropa.

Die Folgen der Desertifikation sind aus ökologischer wie ökonomischer Hinsicht tiefgreifend und dabei fast durchweg negativ. Die land- und insbesondere forstwirtschaftliche Produktivität, Artenvielfalt und auch die Individuenzahl nehmen markant ab, was gerade in ärmeren Ländern aufgrund der dort großen Abhängigkeit von natürlichen Ressourcen sowie durch die meist geringen Reserven und Ausweichmöglichkeiten schwerwiegende Folgen haben kann. Desertifikation verringert die Verfügbarkeit von elementaren Ökosystem-Dienstleistungen und gefährdet die menschliche Sicherheit. Sie stellt daher ein wichtiges Entwicklungshindernis dar, weshalb die Vereinten Nationen das Jahr 2006 zum Internationalen Jahr der Wüsten und Wüstenbildung proklamiert haben.

Gegenmaßnahmen

Wiederaufforstungsprojekt in Senegal, um die Desertifikation aufzuhalten

Eine wirksame Gegenstrategie zur Desertifikation lässt sich im Regelfall nur durch ein Maßnahmenpaket mit sowohl forst- und landwirtschaftlichen wie auch sozialen und politischen Aspekten umsetzen. So lassen sich beispielsweise Wiederaufforstungsprojekte zusammen mit der Anlage von Waldschutzstreifen nur dann dauerhaft umsetzen, wenn in der lokalen Bevölkerung einerseits ein Problembewusstsein und andererseits eine Alternative zum Feuerholz existiert. Dabei sind auch Fragen des lokalen Bevölkerungswachstums und der Verstädterung entscheidend, da sie derartige Alternativen oft unmöglich machen können.

Als Maßnahme gegen die Desertifikation werden oft Stein- oder Lehmwälle errichtet, um das geringe Aufkommen an Niederschlägen aufzustauen. Dabei reicht es aus, 30 bis 40 cm hohe Anlagen zu errichten. Gleichzeitig müssen in der Regel Bildungsmaßnahmen für die Bevölkerung hinsichtlich der Wartung der Dämme erfolgen, damit das Wasser, wie vor der Errichtung des Dammes, nicht unkontrolliert versickert. Auf den entstandenen Feldern können in der Folge Futterpflanzen, wie zum Beispiel Hirse, angepflanzt werden.

Eine weitere Strategie gegen die Ausbreitung der Wüste könnte der Einsatz von sparsamen Öfen sein. Da sie deutlich weniger Brennholz benötigen, sinkt auch die Brennholzentnahme. Durch die leichte Bauweise dieser fortschrittlichen Geräte soll es den Anwohnern ermöglicht werden, selbst einen solchen Ofen zu bauen. Diese Methode stärkt die eigene Wirtschaft und reduziert die Entnahme von Holz.

Weiterhin ist es notwendig, auch die ökonomischen und politischen Probleme der betroffenen Länder zu lösen, um eine wirksame und langfristige Bekämpfung der Desertifikation zu erreichen. Ein in der Entwicklungszusammenarbeit häufig diskutierter und vielversprechender Ansatz sind agrarforstliche Maßnahmen. Dabei werden auf Ackerflächen Bäume gepflanzt. Diese bremsen einerseits die Erosionswirkung des Windes und andererseits mindern sie aufgrund ihrer Schattenwirkung die Verdunstungsverluste und steuern so der Austrocknung des Bodens entgegen.

Siehe auch

Literatur

  • Helmut Geist: The Causes and Progression of Desertification. Abingdon, Ashgate 2005, ISBN 0754643239. 
  • Bernhard Lucke: Demise of the Decapolis. Past and Present Desertification in the Context of Soil Development, Land Use, and Climate. Online publiziert bei OPUS, Cottbus 2007 (http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:kobv:co1-opus-3431). 
  • Horst G. Mensching: Desertifikation. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt März 1998, ISBN 3-53402-238-6. 
  • Millennium Ecosystem Assessment (Hrsg.): Ecosystems and Human Well-being: Desertification Synthesis. World Resources Institute, Washington (DC) 2005 (PDF). 
  • Kayode Salau (Hrsg.): Bildkorrekturen. Der Desertifikation auf der Spur. Wie der Entwicklung der Boden entzogen wird. Internationale Weiterbildung und Entwicklung (InWEnt), Dezember 2005, ISBN 3-93723-595-7. 
  • United Nations Environment Programme (Hrsg.): Global Deserts Outlook. 2006 ([1]). 
  • Jonas V. Müller, Maik Veste, Walter Wucherer, Siegmar-W. Breckle: Desertifikation und ihre Bekämpfung - eine Herausforderung an die Wissenschaft. In: Naturwissenschaftliche Rundschau. 59, Nr. 11, 2006, S. 585–593. , ISSN 0028-1050

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Definition nach UNCCD; auf der Homepage des UN-Umweltprogrammes, abgerufen am 29. Dezember 2007

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