Yasukuni

Yasukuni
Das Hauptgebäude des Yasukuni-Schreins, an der Vorderseite hängt das Nationale und Kaiserliche Siegel Japans

Der Yasukuni-Schrein (jap. 靖國神社, auch: 靖国神社, Yasukuni-jinja; „Schrein des friedlichen Landes“) ist ein Shintō-Schrein im Stadtbezirk Chiyoda in Tokio, Japan. Hier werden die Angehörigen des japanischen Militärs als kami und Heldenseelen (英霊, eirei) verehrt, die in den Bürgerkriegen nach der Meiji-Restauration von 1868 auf der Seite der kaiserlichen Armeen ihr Leben ließen oder in den Kriegen Japans in Asien oder gegen die Vereinigten Staaten im Kampf gefallen sind.

Er gehört zu den Chokusaisha, weswegen ihm zweimal pro Jahr besondere Abgesandte des Tennō zu den zwei wichtigsten Festen gesandt werden.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Der Yasukuni-Schrein am Jahrestag des Kriegsendes in Ostasien, dem 15. August; das Torii ist wie das andere im Schrein, aus Bronze.
Der Yasukuni-Schrein als Motiv auf einer 50-sen-Banknote (siehe yen)

Der Yasukuni-Schrein war 1869 unter dem Namen Tōkyō Shōkonsha (Tokioter Schrein zum Herbeirufen der Totengeister, shōkonsha wurden allgemein Schreine zur Verehrung von Kriegstoten genannt) im Stadtbezirk Chiyoda (unmittelbar nördlich des Kaiserpalastes) der neuen Hauptstadt Tokio gegründet worden, wo er noch heute steht. Im Schrein sollte aller Kriegsgefallenen gedacht werden, die auf der kaiserlichen Seite in den Restaurations-Wirren (wie dem Boshin-Krieg) gekämpft hatten. Dies wurde später auch auf die Toten aus anderen Konflikten erweitert (Saga-Unruhen (Februar 1874) und Taiwan-Expedition (Mai-Dezember 1874)). 1879 bestimmte ihn der Tennō zum Bekkaku-kanpeisha (Reichsschrein der Sonderklasse) und gab ihm den Namen Yasukuni. Gleichzeitig wurde er – ungewöhnlich für das damalige Schrein-System – direkt der gemeinsamen Verwaltung durch das Innen-, Heeres- und Marineministerium unterstellt.

Es sind keine Toten im Schrein selbst beerdigt. Friedhöfe gelten im Shintō gemeinhin als unreine und daher zu meidende Orte. Im Yasukuni-Schrein gibt es lediglich Seelenregister, also Listen von den Gefallenen, die hier verehrt werden. Besondere Bedeutung kommt dabei dem Mitama-Matsuri am 13. Juli zu ihren Ehren zu, an dem 5.000 Laternen angezündet und religiöse Tänze aufgeführt werden. Ein weiteres Fest ist das Shūki-kōrei-sai vom 18. bis 21. Oktober zur Tröstung der Seelen der Gefallenen.

Zahl der heute im Yasukuni-Schrein verehrten Gefallenen:

Aufgrund der in der Nachkriegsverfassung verfügten Trennung von Staat und Religion im Rahmen der Abschaffung des Staats-Shintō musste der Schrein entweder säkularisiert oder aus staatlicher Trägerschaft entlassen werden. Er entschied sich für letzteres und wird heute als unabhängige religiöse Körperschaft (独立宗教法人, dokuritsu shūkyō hōjin) bezeichnet. Der immer wieder von konservativen Kreisen erhobenen Forderung, den Yasukuni-Schrein zur nationalen Gedenkstätte zu erheben, steht bislang noch die japanische Verfassung entgegen. Trotzdem wird er jedes Jahr von etwa sechs Millionen Japanern besucht, vornehmlich von Hinterbliebenen, den einflussreichen Veteranenverbänden, aber auch von nationalistischen, rechtsextremen Vereinigungen. Linksgerichtete Japaner meiden den Schrein im allgemeinen.

Politische Debatte in Japan

Veteranen im Yasukuni-Schrein am 11. Februar

Der Schrein wird in der innerjapanischen Debatte sowohl von linker als auch von rechter Seite kritisiert.

Japaner aus rechtsgerichteten Kreisen weisen darauf hin, dass es sich hier nicht um ein Kriegerdenkmal im Sinne nationalistischer Propaganda handelt, wie Kritiker behaupten, sondern um einen Schrein, in dem die wütenden Seelen Verstorbener besänftigt werden sollen, damit sie keinen Unfrieden im Land stiften. Diese Meinung wird im übrigen auch durch die internationale Forschung zur japanischen Kulturgeschichte gestützt. Ultrarechte dagegen weisen daraufhin, dass in den USA Heldenfriedhöfe für die Gefallenen der diversen Kriege und entsprechende Gedenkveranstaltungen Normalität sind und dass Japan ebenfalls ein Recht darauf habe. Sie fordern, dass der Schrein als offizielles Schreinamt von der Regierung übernommen werden solle. Entsprechende Vorlagen sind jedoch in den 1970er Jahren mehrmals im Parlament gescheitert.

Linke Kritiker dagegen fordern von Japan angesichts der Verbrechen Japans im Zweiten Weltkrieg die Abkehr von jeder Form des Militarismus und einen kritischen Umgang mit der eigenen Geschichte. Besonders scharf wird kritisiert, dass auch die bei den Kriegsverbrecherprozessen von Tokio zum Tode verurteilten Offiziere sowie auch etwa Angehörige der berüchtigten Einheit 731, die im Krieg in der Mandschurei Experimente mit biologischen Waffen an Kriegsgefangenen und chinesischen Zivilisten durchführte, verehrt werden.

Die internationale Kritik, besonders aus Korea und China, richtet sich vor allem auf die offiziellen Besuche hochrangiger japanischer Politiker. Vor allem werden Besuche am 15. August, dem Tag der Kapitulation, kritisiert, da hierin eine klare Beschönigung des Krieges gesehen wird. Der erste Premierminister, der einen offiziellen Besuch am 15. August durchführte, war Nakasone Yasuhiro in den 1980er Jahren. Zuvor hatten zwar fast alle Premierminister den Schrein besucht, aber ihre Besuche als inoffiziell deklariert oder den Besuch auf einen anderen Termin als den 15. August gelegt. Der erste Besuch eines Premierministers am 15. August war der von Premier Miki Takeo im Jahr 1975.

In Japan versucht man die Situation durch die feinsinnige Unterscheidung zwischen privaten Besuchen (die Väter einiger hochrangiger Politiker werden als Kriegsgefallene im Schrein verehrt) und Besuchen in offizieller Funktion zu entschärfen. Die Außenwirkung bleibt jedoch die gleiche, und so kommt es in China und Korea immer wieder zu Demonstrationen, auch werden die diplomatischen Beziehungen dadurch belastet. Der frühere Premierminister Koizumi Junichirō (LDP) besuchte seit seinem Amtsantritt im Jahr 2000 bis 2006 jedes Jahr den Schrein. 2000 bis 2005 hatte er stets an anderen Terminen, nie jedoch am 15. August den Schrein besucht. Im Jahr 2004 hatte er noch einen Eintrag im Gästebuch als „Premierminister Koizumi Junichiro“ hinterlassen, was auch innerhalb Japans stark kritisiert wurde, da die Verfassung die Trennung von Staat und Religion vorsieht. Im Jahr 2005 trug er sich nicht ins Gästebuch ein und betrat auch nicht das Innere des Schreins, um den privaten Charakter des Besuches zu verdeutlichen. Dennoch kam es zu Protestreaktionen aus Korea und China, das einen Besuch des japanischen Außenministers absagte (denn auch eine Reihe anderer hochrangiger LDP-Politiker besuchte den Schrein am 15. August 2005), aber auch zu erneuten Wellen der Kritik in Japan. Daher entschloss sich Koizumi, seinen letzten Besuch als Premierminister auf den 15. August zu legen. „Wenn ich ohnehin immer kritisiert werde, gleichgültig wann ich den Schrein besuche und wie, dann kann ich auch am 15. August gehen, und es ergibt keinen Sinn, einen Besuch an diesem Tag zu vermeiden,“ erklärte der Premierminister in einer Pressekonferenz nach seinem Besuch am 15. August 2006.

Die öffentliche Meinung in Japan über die Besuche ist gespalten. Eine knappe Mehrheit der Japaner lehnt die Besuche in Umfragen meist ab, jedoch sprechen sich rund 60 % der LDP-Anhänger dafür aus.

Lange Zeit war es Tradition, dass der Tennō während des jährlichen Festes vom 21. bis 25. April den Schrein besuchte, um dort die Gefallenen zu verehren. Die Tennō Hirohito und Akihito haben den Schrein, seit 1979 bekannt wurde, dass im Jahr davor in den Tokioter Prozessen angeklagte Kriegsverbrecher der Klasse A (Verbrechen gegen den Weltfrieden) in die Liste der kami aufgenommen worden waren, nicht mehr besucht. In einem Memo des früheren Sekretärs von Kaiser Hirohito, das im Sommer 2006 ans Licht kam, berichtet der Sekretär von einem Gespräch mit Hirohito, in dem sich dieser aufgebracht darüber geäußert habe, dass der Schrein es wage, die Kriegsverbrecher als Kami in die Liste der im Schrein verehrten aufzunehmen.

Diese 14 Kriegsverbrecher der „Klasse A“ (mit jeweiligem Urteil) sind:

Im Schrein selbst werden in Broschüren und heute auch auf seiner Webseite die Tokioter Prozesse, die 1946 von den Alliierten ähnlich den Nürnberger Prozessen organisiert worden waren, als Schauprozesse, Ergebnis von Siegerjustiz bezeichnet. Japan hat die Urteile der Tokioter Prozesse im Friedensvertrag von San Francisco von 1951 bestätigt, die Urteile sind somit Teil internationaler Verträge. Dennoch stellen heute sogar hohe Politiker wie Koizumi Junichirō und sein Nachfolger Abe Shinzō die Legitimität der Prozesse in Frage.

Proteste der ehemaligen Kolonien

Von nord- und besonders von südkoreanischer Seite gab es Proteste, weil für die japanische Armee zwangsrekrutierte Koreaner im Schrein verehrt werden und ihre Namen in den Listen trotz der Proteste Angehöriger nicht gelöscht werden. Auch werden aus der Republik China, ebenfalls eine ehemalige japanische Kolonie (1895–1945), stammende (Zwangs-)Rekrutierte im Schrein verehrt. In Taiwan ist der Widerstand allerdings geringer, da einerseits hier das Urteil über die Periode der japanischen Kolonialherrschaft milder ausgefallen ist und man andererseits Japan aus politischen Gründen nicht brüskieren will. Proteste werden vor allem seitens der Urbevölkerung Taiwans laut. So reiste die taiwanische Parlamentarierin und ehemalige Schauspielerin Gao-jin Sumei im Juni 2005 nach Japan. Dabei ist sie mit einer Delegation von Ureinwohnern, die 9 Stämme repräsentierten, nach Tokyo gereist und wollte einerseits für eine Verlegung der im Schrein verehrten Angehörigen bitten und andererseits beim Yasukuni-Schrein friedlich gegen die Kriegsgreuel der Japaner gegen die Taiwanischen Ureinwohner demonstrieren. Der Gruppe wurde jedoch der Zutritt zum Schrein verwehrt.[1]

Museum

Im Museum des Schreins ausgestellte Mitsubishi Zero, Modell 52 (A6M5)

Das Museum Yūshūkan (遊就館), das direkt neben dem Schreingebäude liegt, verklärt die japanische Geschichte. Es wird ein Ideal des Samurai als loyalem Diener nach der Philosophie des Bushidō gefeiert, das mit einem neutralen Geschichtsbild nichts zu tun hat. So wird Oda Nobunaga als kaisertreuer Reichseiniger dargestellt – letzteres kann man ihm anrechnen, ersteres war er weniger. Auch der Zweite Weltkrieg wird im Sinne der konservativen Revisionisten verklärt: der Große Ostasiatische Krieg wird nicht als Invasions-, Aggressions- oder Angriffskrieg bezeichnet, sondern als heiliger Krieg dargestellt, der das Ziel hatte, Asien vom westlichen Kolonialismus zu "befreien". Auch das Massaker von Nanking wird im Museum verharmlost, was in der Formulierung gipfelt, dass „durch die Einnahme der Stadt der Frieden nach Nanking zurückkam.“ Die Aussage ist in makabrer Weise einer Tageszeitung vom Dezember 1937 entnommen, die in der Ausstellung gezeigt wird. Das Leiden der japanischen Gefangenen (gerade in russischen Lagern) wird dargestellt, nicht aber das Leiden unterdrückter Koreaner und Chinesen.

Im Museum werden auch Waffen, die von den „Heiligen des Schreins mit Liebe und Sorgfalt gepflegt und benutzt werden“, zur Schau gestellt. Die Sammlung reicht von alten Katana und Rüstungen bis hin zu Ausrüstungsgegenständen und Waffen aus dem Zweiten Weltkrieg, wie einem Kampfflugzeug (Mitsubishi A6M), einer für Selbstmordeinsätze vorgesehenen bemannten Gleitbombe (Yokosuka MXY-7) und Artilleriegeschützen.

Im Museum wird das Selbstopfer für Kaiser und Vaterland als sakrales Opfer dargestellt. Der Tenor des Museums, wie überhaupt der gesamten Schreinanlage, kommt auf einer anlässlich des 40. Jahrestages des Angriffs auf Pearl Harbor enthüllten Bronzetafel zum Ausdruck: „Fast sechstausend Männer starben bei Selbstmordangriffen, deren tragischer Heldenmut kein Beispiel kennt und der die Herzen unserer Feinde vor Angst erstarren ließ. Die ganze Nation hat angesichts ihrer unerschütterlichen Treue und ihrer Selbstaufopferung Tränen der Dankbarkeit vergossen.

Für westliche Touristen bietet das Museum die Erklärungstexte auch in englischer Sprache. Diese Erklärungen beschönigen den Inhalt in keiner Weise, sondern sind teilweise noch provozierender verfasst als die japanischen Originaltexte.

Siehe auch

Literatur

  • Antoni, Klaus: Der Himmlische Herrscher und sein Staat. Essays zur Stellung des Tennô im modernen Japan. München: iudicium, 1991.
  • Ducke, Isa und Sven Saaler (Hrsg.): Japan und Korea am Beginn des 21. Jahrhunderts. Aufgaben und Perspektiven. München: Iudicium (= Monographien aus dem Deutschen Institut für Japanstudien, 36), 2003.
  • Lokowandt, Ernst: Zum Verhältnis von Staat und Shintô im Heutigen Japan. Wiesbaden: Otto Harrassowitz (Studies in Oriental Religions 6), 1981.
  • Pye, Michael: Religion and Conflict in Japan with Special Reference to Shinto and Yasukuni Shrine. In: Diogenes 50:3 (2003), S. 45-59.
  • Saaler, Sven: Politics, Memory and Public Opinion. München, iudicium, 2005.
  • Saaler, Sven: Ein Ersatz fur den Yasukuni-Schrein? Die Diskussion um eine neue Gedenkstatte fur Japans Kriegsopfer. In: Nachrichten der Gesellschaft fur Natur- und Volkerkunde Ostasiens (NOAG) 175/176 (2004), S. 59-91.
  • Breen, John. "Yasukuni Shrine: Ritual and Memory", Japan Focus, June 3, 2005
  • Nelson, John. "Social Memory as Ritual Practice: Commemorating Spirits of the Military Dead at Yasukuni Shinto Shrine". Journal of Asian Studies 62, 2 (May 2003): 445-467.

Einzelnachweise

  1. http://en.chinabroadcast.cn/2238/2005-6-15/51@247637.htm

Weblinks

35.694161111111139.742677777787Koordinaten: 35° 41′ 39″ N, 139° 44′ 34″ O


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