Yin Yang

Yin Yang
Taiji, das Symbol für "individuelles" Yin und Yang

Yin und Yang ☯ (chin. 陰陽 / 阴阳, yīn yáng) sind zwei Begriffe aus der chinesischen Philosophie, die insbesondere im Daoismus von großer Bedeutung sind. Bei Yang handelt es sich um das Prinzip Sonne, bei Yin um das Prinzip Schatten. Der Übergang von Yin zu Yang ist dabei fließend.

Inhaltsverzeichnis

Entstehungsgeschichte

Hotu, das Symbol für Yin und Yang der Welt

Die ältesten bekannten Ausführungen über Yin und Yang finden sich im I Ging, das als Buch in die Zeit der westlichen Zhou-Dynastie (etwa 1045-770 v. Chr.) datiert werden kann. Für den volkstümlichen, nichtphilosophischen Sprachgebrauch bietet das Shijing (Buch der Lieder) Belege.

Die Art der Weltbetrachtung, aus der das Konzept von Yin und Yang hervorgegangen ist, ist modernem Denken fremd. Zu ihrem Verständnis haben die Untersuchungen des französischen Sinologen Marcel Granet maßgeblich beigetragen. Von seinen Erkenntnissen geht die seitherige Forschung aus.

Die beiden Begriffe kommen von Anfang an sowohl mit zeitlicher als auch mit räumlicher Bedeutung vor. Yin bezeichnet im Shijing die kältere Nordseite eines Berges und das beschattete Südufer eines Flusses bzw. die dunklere, kühlere Südseite eines Tales, Yang die wärmere Südseite des Berges und ein besonntes nördliches Flussufer, das sich für eine Stadtgründung eignet, bzw. die hellere Nordseite eines Tales. Analog verband man zeitlich mit Yin die Vorstellung von Tagen mit kühlem Wetter und bedecktem Himmel, mit Yang diejenige zunehmend warmer Frühlingstage. Da das Tal insgesamt relativ schattig, der Berg insgesamt relativ sonnig ist, verwendete man den Begriff Yang auch für den Berg als Ganzes und in weiterem Sinne überhaupt für alle konvexen Oberflächenformen, Yin für Täler schlechthin und für alles Konkave. In einem weiteren Sinne wurde Yang zur Bezeichnung des Lichts, insbesondere auch der Sonne selbst, und alles Hellen verwendet, Yin zur Bezeichnung des Schattens und des Dunklen. Dementsprechend wurde das Trocknende und das Trockene, Luft (Wind) und Feuer, Yang zugeordnet, das Kühle und Feuchte, Wasser und Erde, Yin; Tag und Sommer sind Yang, Nacht und Winter Yin. Die wintergemäß geschlossene Haustür ist Yin, die im Sommer offene Yang.

Philosophisches Verständnis

Im philosophischen Denken hat man die beiden Begriffe, von ihren Grundbedeutungen ausgehend, sinngemäß zur Bezeichnung weiterer Prinzipien und Sachverhalte herangezogen. Dabei wurde alles, die gesamte Erscheinungs- und Vorstellungswelt in diese Zweiteilung einbezogen. Entsprechend dem Aufblühen und der Belebung der Natur in der warmen Jahreszeit stand Yang auch für alles Aktive, Zeugende, Belebende, Schöpferische, sich Ausdehnende, Glänzende, Äußere, Yin entsprechend den winterlichen Qualitäten für alles Passive, Verborgene, sich Zusammenziehende, Matte, Innere. Den gedanklichen Hintergrund bildete stets der Kreislauf der Jahreszeiten und die ihn spiegelnde rhythmische Ordnung des Kalenders, insbesondere auch die vom Kalender festgelegten Riten und Feste. Sehr wesentlich war auch die Zuordnung von Yang zum Männlichen (und damit generell zum Harten), Yin zum Weiblichen (und damit generell zum Weichen), denn die altchinesische Gesellschaft war tief vom Geschlechtergegensatz geprägt; Männer und Frauen standen sich wie zwei konkurrierende, miteinander wetteifernde, aber auch zum Einvernehmen bereite Verbände gegenüber. Diesem Einvernehmen entsprach die Idee einer rituellen Hochzeit von Yin und Yang. In der kosmischen Ordnung fand diese Hochzeit zu jeder Tagundnachtgleiche statt.

Yin und Yang sind nach chinesischer Auffassung nicht antagonistisch, sondern komplementär. Ihr Gegensatz ist relativ, niemals absolut (etwa im Sinne westlicher Vorstellungen von Gut und Böse). So ist der Vater Yang, der Sohn seinem Vater gegenüber Yin, doch seinen eigenen Söhnen gegenüber Yang. Yin und Yang sind keine Substanzen, keine Gattungen oder Arten, auch keine Kräfte, sondern zwei Klassen von Eigenschaften, zwei Gruppen von Aspekten der Wirklichkeit, auf deren unterschiedlicher Kombination alle Erscheinungen beruhen.

Yin und Yang ergänzen und bedingen einander und lösen einander in rhythmischem Wechsel ab, wobei in allem der Himmel für die irdischen Verhältnisse Vorbild ist. Das eine kann nicht ohne das andere existieren. In ihrem Wechselspiel und Zusammenwirken zeigt sich die Weltordnung, zeitlich ebenso wie räumlich. So betrachtet erscheint keines der beiden als wichtiger oder als moralisch überlegen. Allerdings findet man in der daoistischen Philosophie eine deutliche Bevorzugung des Yin, das dadurch faktisch überlegen wirkt; dort wird immer wieder betont, dass das Weiche (Yin) das Harte (Yang) besiegt. Im Konfuzianismus hingegen ist faktisch ein klarer Vorrang des Yang gegeben, was sich in der patriarchalen Grundhaltung der Konfuzianer und ihrer Betonung des Vorrangs des Älteren gegenüber dem Jüngeren äußert.

Ein Beispiel aus dem Taiji:

Frage: Schau einen Stock an - sein eines Ende ist Yin, das andere Yang. Welches ist wichtiger?
Antwort: Der Stock selbst ist wichtig!

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Yin-Yang-Symbol

Europäischer Symbolismus
Schildwappen der armigeri defensores seniores, einer Weströmischen Infantrieeinheit aus der Notitia Dignitatum (4. Reihe, drittes von links). Das auf ca. 430 n. Chr. datierte Militärdokument beinhaltet die ältesten bekannten Darstellungen des Yin-und-Yang-Symbols.[1][2][3]

In der Keltischen Kunst findet sich seit dem 3. Jh. v. Chr. eine dem späteren taoistischen Zeichen äußerlich ähnliche Symbolik in Form von zwei Blättern, die durch eine S-Linie getrennt werden.[1] Den Mustern mangelt es jedoch am Aspekt der gegenseitigen Durchdringung und die zwei Hälften sind nicht immer in verschiedenen Farben gehalten.[1] Ein Mosaik in einer römischen Villa in Sousse (Tunesien) zeigt die beiden Hälften des Kreises farblich unterschiedlich, allerdings fehlen auch hier die beiden kleinen Punkte gegensätzlicher Farbe.[1]

Die früheste Abbildung des Zeichens, das heute als Taijitu oder Taiji bekannt ist, enthält die römische Notitia Dignitatum, eine spätantike Auflistung von Schildwappen der Römischen Armee, die ca. 430 n. Chr. entstand.[1][2][3] Das Symbol einer Infanterieeinheit, der armigeri defensores seniores ("Schildträger"), entspricht graphisch bis auf die Farbwahl der dynamischen, rechtsdrehenden Version der fernöstlichen Tradition.[1] Eine andere Abteilung aus dem Weströmischen Fußvolk, die Pseudocomitatenses Mauri Osismiaci, führte ein Wappen mit denselben Umrissen im Schild, außer, daß der Punkt in jeder Hälfte jeweils dieselbe Farbschattierung besitzt.[1] Ein drittes Infanterieregiment, die Thebaei, besaß ein Muster, das der statischen Variante des ostasiatischen Taiji vergleichbar ist: drei konzentrische Kreise, durch einen senkrechten Strich in zwei Sphären mit gegensätzlichen und abwechselnden Farben getrennt, so daß auf jeder Seite die Farbabfolge sich in umgekehrter Ordnung zur anderen Hälfte bewegt.[1] Die römischen Yin-und-Yang-gleichen Symbole gehen den späteren, taoistischen Varianten um mehrere Jahrhunderte voraus:

Was das erstmalige Auftreten der Ikonographie des Yin-Yang im Zeitverlauf anbelangt, so wird berichtet, daß die frühesten Darstellungen des Yin-Yang in China, zumindest solche, die auf uns gekommen sind, bis ins 11. Jh. n. Chr. zurückreichen, obgleich von diesen beiden Prinzipien bereits im 4. oder 5. Jh. v. Chr. gesprochen wurde. Mit der Notitia Dignitatum befinden wir uns dagegen im 4. oder 5. Jh. n. Chr., also in ikonographischer Hinsicht beinahe sieben Jahrhunderte früher als die ältesten Beispiele aus China.[4]

Galerie

Siehe auch

Literatur

  • Marcel Granet: Das chinesische Denken. Inhalt - Form - Charakter, DTV, München 1980, S. 86-109. ISBN 3-423-04362-8 [klassische sinologische Darstellung, erstmals 1934 veröffentlicht]
  • Frank Fiedeler: Yin und Yang. Das kosmische Grundmuster in der Kultur Chinas, Diederichs, München 2003. ISBN 3-7205-2388-8

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b c d e f g h Giovanni Monastra: The "Yin-Yang" among the Insignia of the Roman Empire?, Sophia, Bd. 6, Nr. 2 (2000)
  2. a b Late Roman Shield Patterns. Notitia Dignitatum: Magister Peditum
  3. a b Helmut Nickel: The Dragon and the Pearl, Metropolitan Museum Journal, Bd. 26 (1991), S. 146, Fn. 5
  4. “As for the appearance of the iconography of the "yin-yang" in the course of time, it was recorded that in China the first representations of the yin-yang, at least the ones that have reached us, go back to the eleventh century AD, even though these two principles were spoken of in the fourth or fifth century BC. With the Notitia Dignitatum we are instead in the fourth or fifth century AD, therefore from the iconographic point of view, almost seven hundred years earlier than the date of its appearance in China.”

    – Giovanni Monastra: ’Yin-Yang’ among the Insignia of the Roman Empire?, Sophia, Bd. 6, Nr. 2 (2000)


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