Yusif Schahin

Yusif Schahin
Youssef Chahine, 1986

Youssef Gabriel Chahine (arabischيوسف شاهين‎ Yūsif Schāhīn, DMG Yūsif Šāhīn; * 25. Januar 1926 in Alexandria; † 27. Juli 2008 in Kairo) war ein international bekannter ägyptischer Filmregisseur.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Chahine kam aus einer katholischen Familie in Alexandria,[1] sein Vater war ein angesehener Rechtsanwalt libanesischer Herkunft und seine Mutter stammte aus Griechenland. Nachdem er das britische Victoria College [2] in Alexandria absolviert hatte und ein Jahr lang an der Universität Alexandria war, ging er in die USA und studierte zwei Jahre lang Schauspiel und Regie am Pasadena Playhouse [3] in Pasadena (Kalifornien). Nach seiner Rückkehr 1948 trat er als Schauspieler in Filmen auf. 1950 hatte er sein Regiedebüt und seine ersten Filme waren noch kommerziell. Doch schon mit Tödliche Rache (Sira` Fi al-Wadi – 1954) [4] setzte eine erste Kritik an den sozialen Verhältnissen ein. Dieser Film machte ihn bei seiner Präsentation auf den Filmfestspielen in Cannes 1955 nicht nur selbst als Regisseur bekannt, sondern auch erstmals den Darsteller Omar Sharif.

In seinen politisch umstrittenen Filmen gelingt es ihm, arabische Traditionen und Sichtweisen mit sozialer Kritik zu verbinden, und dennoch populäres Kino zu gestalten. Dabei arbeitet er teilweise im Stil des Neorealismus. Häufig haben die Filme die Suche nach den Ursachen für die Probleme der modernen ägyptischen Gesellschaft zum Thema. In vielen arabischen Ländern haben Chahines Filme bis heute Aufführungsverbot. Als cineastischer Höhepunkt seines Lebenswerkes wird von vielen Filmkritikern seine autobiographische Alexandria-Trilogie eingeschätzt. In Alexandria... warum? (1978) beschrieb er die ägyptischen Juden der 1940er Jahre als Nachbarn und Freunde, die wegen der Gewalt des Zweiten Weltkrieges zur Auswanderung nach Palästina gezwungen waren.

Wegen Schwierigkeiten mit der Zensurbehörde musste Chahine während der sozialistischen Herrschaft Gamal Abdel Nassers in den 1960er Jahren vorübergehend emigrieren. Weltbekannt wurde er 1985 durch seinen Film Adieu Bonaparte mit Michel Piccoli. 1997 nahm er auf den Filmfestspielen in Cannes die Gelegenheit wahr, seinen ägyptischen Kollegen Bedeutungslosigkeit vorzuwerfen: „«Das ägyp­tische Kino ist gestor­ben». [...] Die moder­nen ägyp­tischen Komödien seien ohne jedes Niveau. Kaum jemand wage sich ernst­haft an die wirk­lich wich­tigen Themen heran.“[5] Dennoch war Chahine in der arabischen Welt zu einer Vaterfigur geworden.[6]

Chahine sprach Eng­lisch und Französisch und kannte Alex­andria aus seiner Jugend noch als eine weltof­fene Stadt, in der neben Arabern auch Grie­chen und Ita­lie­ner lebten. Zeitlebens kämpfte er, auch in seinen Filmen, gegen Engstir­nig­keit und Bigot­terie. Häufig hatte er sich gegen die staatliche Zensur und die Drohungen von den Islamisten zu erwehren.

Am 15. Juni 2008 fiel Chahine in Folge einer intracerebralen Blutung ins Koma, aus dem er nicht mehr aufwachte. Chahine hinterlässt seine französische Gattin Colette. Die Ehe blieb kinderlos.

Filmografie (Auswahl)

Chahine drehte 50 Filme und Dokumentationen.[1]

Chahine, 1982, bei Dreharbeiten zu Eine ägyptische Geschichte
  • 1950: Baba Amin (‏بابا أمين‎, DMG Bābā Amīn)
  • 1951: Sohn des Nil (‏ابن النيل‎, DMG Ibn al-Nīl)
  • 1954: Tödliche Rache (‏صراع في الوادي‎, DMG Ṣirāʿ fī l-wādī) mit Omar Sharif
  • 1956: Dunkle Wasser (‏صراع في المناء‎, DMG Ṣirāʿ fī l-mināʾ)
  • 1957: Tatort… Hauptbahnhof Kairo (‏باب الحديد‎, DMG Bāb al-ḥadīd)
  • 1958: Djamila (‏جميلة‎, DMG Ǧamīla)
  • 1963: Sultan Saladin (‏الناصر صلاح الدين‎, DMG al-Nāṣir Ṣalāh al-Dīn)
  • 1965: Der Ringverkäufer (‏بياع الخواطم‎, DMG Bayyāʿ al-ḫawāṭim)
  • 1968: An einem Tag am Nil (‏النص والنيل‎, DMG al-Naṣṣ wa-l-Nīl)
  • 1978: Alexandria… warum? (‏اسكندرية... ليه؟‎, DMG Iskandariyya... lē?)
  • 1982: Eine ägyptische Geschichte (‏حدوثة مصرية‎, DMG Ḥaddūṯa miṣriyya)
  • 1985: Adieu Bonaparte
  • 1986: Der sechste Tag (Le sixième jour)
  • 1990: Für immer Alexandria (‏اسكندرية، كمان وكمان‎, DMG Iskandariyya, kamān wa kamān)
  • 1994: Der Emigrant (‏المهاجر‎, DMG al-Muhāǧir)
  • 1997: Das Schicksal (‏المصير‎, DMG al-Maṣīr) [7]
  • 1999: Der Andere – L'Autre (L'Autre)
  • 2001: Sukut Hansawwar (‏سكوت ح نصور‎, DMG Sukūt ḥa nṣawwar)
  • 2002: 11'09"01 – September 11 (Episode)
  • 2004: Alexandrie… New York
  • 2007: Chaos (‏هي فوضى‎, DMG Hiya fawḍā)

Auszeichnungen (Auswahl)

Literatur

Film-Dokumentationen

  • „Ich stamme aus dem Orient und liebe grelle Farben.“ Porträt des ägyptischen Großfilmregisseurs Youssef Chahine. Gespräch mit Filmausschnitten, Deutschland, 1995, 45 Min., Produktion: Sat 1, Reihe: News & stories, Erstausstrahlung: 19. Juni 1995
  • Ägypten – Visionen und Leidenschaft. Der streitbare Regisseur Youssef Chahine. Gespräch, Deutschland, 1994, 35 Min., Regie: Ursula Beyer, Produktion: ZDF, Erstausstrahlung: 19. Januar 1994

Weblinks

Nachrufe

Belege

  1. a b „Kampf für Aufklärung und Toleranz“, NZZ, 28. Juli 2008, von Kristina Bergmann
  2. Victoria College, Alexandria, englische Wikipedia
  3. Pasadena Playhouse, englische Wikipedia
  4. „Sira` Fi al-Wadi“, englische Wikipedia
  5. „Regisseur Youssef Chahine gestorben“, dpa / Tagesspiegel, 27. Juli 2008
  6. „Sommer der Toleranz“, Die Welt, 28. Juli 2008
  7. „Das Schicksal“, Inhaltsangabe von arte

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