Zamenis longissimus longissimus

Zamenis longissimus longissimus
Äskulapnatter
Äskulapnatter (Zamenis longissimus)

Äskulapnatter (Zamenis longissimus)

Systematik
Klasse: Reptilien (Reptilia)
Ordnung: Schuppenkriechtiere (Squamata)
Unterordnung: Schlangen (Serpentes)
Familie: Nattern (Colubridae)
Gattung: Zamenis
Art: Äskulapnatter
Wissenschaftlicher Name
Zamenis longissimus
(Laurenti, 1768)

Die Äskulapnatter (Zamenis longissimus; Syn.: Elaphe longissima) ist eine Natter (Colubridae) und gehört mit bis zu zwei Metern Länge zu den größten Schlangenarten Europas. Sie ist wie die meisten Arten der Familie der Nattern ungiftig.

Inhaltsverzeichnis

Merkmale

Die Äskulapnatter erreicht eine durchschnittliche Körperlänge von 1,40 bis 1,60 Metern, kann jedoch auch bis zu zwei Meter lang werden und ist kräftig gebaut. Männchen werden grundsätzlich etwas größer als Weibchen.

Die Grundfärbung der Schlange reicht von einem gelblichen Braun über Olivgrün und Graubraun bis Grauschwarz, wobei die Oberfläche glatt und glänzend ist. Viele der Schuppen sind weiß umrandet, so dass eine helle Längsstrichelung entlang des Körpers entsteht. Bei einigen Tieren gibt es zusätzlich einen dunklen Längsstreifen entlang der Körperseiten. Der Bauch ist hell- oder grünlichgelb bis weißlich gefärbt. Bei sehr dunklen Individuen kann die Körperunterseite jedoch auch blauschwarz gefärbt sein. Während die 23 (seltener 21) Reihen Rücken- und Seitenschuppen glatt sind, besitzen die Bauchschuppen leichte Kiele, die das Klettern erleichtern.

Der Kopf ist vom Rumpf nur leicht abgesetzt und besitzt im Normalfall keine Zeichnung. Oberhalb der Augen kann ein dunkles Schläfenband ausgebildet sein, das nach hinten zum Hals reicht. Die Augen sind mittelgroß mit einer runden Pupille. Der Kopf besitzt acht, seltener neun Oberlippenschilde oder Supralabialia sowie einen Voraugenschild, der in der Herpetologie Praeoculare genannt wird.

Deutlich auffälliger sind die Jungtiere gezeichnet. Sie besitzen eine helle Grundfärbung mit dunkler Fleckung auf dem Rücken sowie eine deutliche dunkle Querbinde über die Schnauze und eine nach hinten gerichtete V-Zeichnung im Nacken. Hinzu kommt ein dunkles Schläfenband und beidseitig dahinter jeweils ein hellgelber Fleck. Diese Flecken können zu Verwechslungen mit der Ringelnatter (Natrix natrix) führen, bei der diese Flecken typisch sind.

Verbreitung und Lebensraum

Europäische Verbreitung der Äskulapnatter (grün) und der Italienischen Äskulapnatter (blau)

Die Verbreitung der Äskulapnatter ist mediterran und konzentriert sich somit auf Südeuropa und Kleinasien; es gibt jedoch auch isolierte Vorkommen in Deutschland, Österreich und der Schweiz, die Teile der nördlichen Verbreitungsgrenze darstellen. Es existieren Reliktvorkommen in Deutschland im Rheingau in der Umgebung des Ortes Schlangenbad, dem südlichen Odenwald, an der Donau bei Passau sowie der unteren Salzach. In Österreich werden alle Bundesländer mit Ausnahme von Vorarlberg und Tirol besiedelt.

Die in der Literatur immer wieder erwähnten Vorkommen im Wiesental (Südschwarzwald) und am unteren Inn konnten bis heute nicht belegt werden und sind sehr zweifelhaft.

Das Verbreitungsgebiet erstreckt sich entsprechend von Nordspanien über Mittelfrankreich, die Schweiz, Österreich und einige Reliktgebiete in Süddeutschland über Tschechien, den Süden Polens und die Balkanstaaten nach Griechenland und die südwestlichen Gebiete der ehemaligen Sowjetunion und weiter in die Türkei, nach Transkaukasien und in den nördlichen Iran. Die etwas helleren Tiere in Mittel- und Süditalien sowie auf Sizilien wurden bis vor kurzem der Nominatform Zamenis longissimus longissimus als Unterart Zamenis longissimus romana gegenüber gestellt; heute werden sie aufgrund proteinelektrophoretischer Untersuchungen sowie von Sequenzunterschieden der mitochondrialen DNA als eigene Art unter dem Namen Italienische Äskulapnatter (Zamenis lineatus) angesehen.

Die Äskulapnatter bevorzugt warme und besonnte Bereiche, die jedoch nicht zu trocken sein dürfen. Man findet die Schlangen entsprechend vor allem an feuchtwarmen, sonnenexponierten Stellen im Flachland und an besonnten Hängen im Bergland. Häufig hält sie sich auch an Flussufern und in Auwäldern auf sowie auf Waldlichtungen oder in Geröll und Gebüschen mit Efeu und Brombeergestrüpp. Ebenfalls beliebt sind Legesteinmauern, alte Steinbrüche, Ruinengelände und die Randbereiche landwirtschaftlich genutzter Flächen wie etwa verbuschte Hangwiesen. Die höchsten Vorkommen gibt es bei etwa 1500 bis 2000 Metern NN, meistens lebt sie jedoch unterhalb von 1000 Metern Höhe.

Lebensweise

Die Äskulapnatter ist tagaktiv, verlagert jedoch besonders im Hochsommer ihre Hauptaktivitätsphasen in die Morgen- und Abenddämmerung. Bei sehr großer Hitze versteckt sie sich im Schatten. In den Wintermonaten verkriecht sich die Natter und hält, abhängig vom Klima, eine fünf bis sechs Monate andauernde Winterruhe.

Durch Einspreizen ihrer Schuppen kann die Äskulapnatter sehr gut klettern; sie bewältigt sogar aufrechte Bäume. Trotzdem lebt sie vor allem auf dem Boden sowie in niedrigem Gestrüpp und klettert vor allem bei der Nahrungssuche. Sie bewegt sich dabei sehr flink und leise. Auch bei Störungen verhält sich die Schlange wenig angriffslustig.

Ernährung und Fressfeinde

Äskulapnatter beim Fressen

Die Äskulapnatter ernährt sich von Kleinsäugern, vor allem von Mäusen, sowie von Eidechsen und Vögeln und deren Nestlingen und Eiern. In Nahrungsanalysen fand man vor allem Arten der Langschwanzmäuse, der Wühlmäuse sowie der Spitzmäuse. Seltener wurden Arten wie Siebenschläfer, Maulwürfe, Eichhörnchen, Wiesel und auch Fledermäuse gefunden. Unter den Vögeln dominierten Kohlmeisen, Baumläufer, Fliegenschnäpper, Ammern, Schmätzer sowie der Zaunkönig. Sehr selten fand man Insekten, Froschlurche, Feuersalamander oder andere Schlangen wie die Ringelnatter oder die Schlingnatter. Das Spektrum ist dabei natürlich sehr stark von der regionalen Zusammensetzung der potentiellen Beutetiere abhängig. Als Jungtiere erbeuten sie vor allem kleine Eidechsen sowie nestjunge Mäuse.

Die Nahrungssuche findet vor allem am Boden sowie in Höhlen im Boden statt, außerdem unter Steinen, in Bäumen oder in Pflanzenmaterial. Vor dem Verzehr wird die Beute mit den Kiefern geschnappt und danach erdrosselt. Kleinere Tiere wie Eidechsen werden zwischen den Kiefern erdrückt. Die Schlange lebt häufig in Dachböden, Heuschobern und dergleichen, welche sie von Mäusen freihält.

Die Äskulapnatter selbst wird zur Beute von verschiedenen Vögeln und Säugetieren. Dabei handelt es sich unter den Säugern vor allem um Marder wie den Iltis, den Dachs sowie Stein- und Baummarder; unter den Vögeln sind es der Mäusebussard, der Wespenbussard, der Schlangenadler sowie verschiedene Rabenvögel. Besonders Jungtiere werden auch von anderen Schlangenarten wie etwa der Treppennatter oder der Eidechsennatter erbeutet. Die Äskulapnatter flieht bei Bedrohung in höhere Gebiete oder auf Bäume und in Gebüsche. Bei akuter Bedrohung wehrt sie sich durch Abwehrbisse und entleert ein übelriechendes Sekret aus ihren Analdrüsen.

Fortpflanzung und Entwicklung

Äskulapnatter, Jungtier

Die Paarungszeit der Schlangen liegt in der Phase nach der Winterruhe im Mai. Äskulapnattern vollziehen ein Paarungsspiel, bei dem das Männchen versucht, das Weibchen am Nacken zu packen und festzuhalten (Nackenbiss). Erst wenn dies geschehen ist, kommt es zur eigentlichen Verpaarung. Sind mehrere Männchen beieinander, kommt es zu Kommentkämpfen, bei denen die beiden Kontrahenten so lange miteinander ringen, bis einer auf den Boden gedrückt wird. Zu Verletzungen kommt es dabei nicht.

Die Eiablage erfolgt im Juli in feuchter Erde, in Pflanzenresten, unter Steinen oder in Mauerspalten sowie in alten Baumstümpfen. Dabei legt das Weibchen ein Gelege von fünf bis zehn langovalen Eiern ab, aus denen im September die Jungtiere schlüpfen.

Taxonomie

Die gültige wissenschaftliche Erstbeschreibung der Äskulapnatter stammt von Josephus Nicolaus Laurenti aus dem Jahre 1768; die Schlange war allerdings vorher bereits gut bekannt. So beschrieb sie etwa Ulisse Aldrovandi bereits 1640 in seiner Historia animalium als Anguis Aesculapii und Carl von Linné soll sie 1766 als Coluber aesculapii beschrieben haben (manche Systematiken greifen heute noch auf diese Referenz zurück und benennen die Art aktuell Erythrolamprus aesculapii L., 1766). Laurenti nannte die Schlange Natrix longissima und stellte sie damit neben die Ringelnatter (Natrix natrix); später benannte man sie meist als Coluber longissima und ordnete sie entsprechend unter die Zornnattern ein. Leopold Fitzinger prägte 1833 die Gattung Elaphe für die Kletternattern, in die die Äskulapnatter erst 1925 durch Robert Mertens eingestellt wurde. Diese Einordnung galt bis zur letzten Revision vor wenigen Jahren; seitdem trägt sie den Gattungsnamen Zamenis, der auch schon im 19. Jahrhundert gelegentlich benutzt worden war. Neben der Äskulapnatter wurde unter den in Europa lebenden Schlangen nur die Leopardnatter (Zamenis situla) ebenfalls in diese Gattung gestellt.

Manche Herpetologen verwenden für die Äskulapnatter indes weiterhin den Namen Elaphe longissima. Innerartlich werden zudem vier phylogeografisch zu interpretierende genetische Linien unterschieden: West-Haplotyp, Adria-Haplotyp, Donau-Haplotyp und Ost-Haplotyp.

Die Äskulapnatter als Symbol

Äskulap (Asklepios) mit Stab

Benannt wurde die Schlange nach dem griechischen Gott Äskulap, um dessen Äskulapstab sich eine solche Natter wickelte. Es gibt jedoch auch die Theorie, dass es sich hierbei eigentlich um ein Missverständnis handelt. Danach soll die Schlange der Medinawurm sein, der traditionell durch langsames Aufwickeln auf einen Stab aus dem Unterhautbindegewebe eines Patienten entfernt wird. Diese Theorie wird aber von Kritikern abgelehnt, da der Medinawurm nur in Afrika bekannt war, und es daher nicht ersichtlich wäre, warum dieser Wurm in der griechischen Mythologie auftaucht. Der Äskulapstab dient auch heute noch als Symbol der Apotheker, Mediziner und Pharmazeuten, wobei er in den verschiedenen Disziplinen abgewandelt wurde.

Der klassische Äskulap-Stab ist heute Symbol für den Arzt der Humanmedizin. Steht der Äskulap-Stab zwischen den "Schenkeln" des Großbuchstabens „V“, so ist das ein Symbol der Veterinärmediziner. Bei den Apothekern windet sich die Äskulapnatter um den Schaft einer Trinkschale (mit einem Medizintrank), das kann man auch auf dem Symbol der deutschen Apotheken, dem großen Fraktur-"A", als kleines Symbol sehen.

Die Weltgesundheitsorganisation der Vereinten Nationen, die WHO, verwendet die Schlange als Symbol in ihrer offiziellen Flagge und auch im Star of Life, dem internationalen Zeichen für Einrichtungen des Rettungsdienstes, wird der Äskulapstab verwendet.

In Italien war der Stamm der Marser bekannt als Schlangenverehrer und Schlangenzähmer. Bereits vor 3.000 Jahren wurde von ihnen Angitia verehrt, die Göttin der Schlangen und der Gifte. Noch heute findet in dem kleinen Ort Cocullo in den Abruzzen jeden ersten Donnerstag im Mai eine Schlangenprozzesion ("la fiesta di separi") zu Ehren des San Domeniko Abbate statt. Dabei werden Äskulapnattern sowie Vierstreifennattern (Elaphe quatuorlineata) durch die Straßen getragen. Zahlreiche lebendige Schlangen umwinden hierbei die hölzerne Figur der Heiligen. [1]

Gefährdung und Schutz

Die Äskulapnatter besitzt ein relativ großes Verbreitungsgebiet und ist als Art nicht bedroht. In den einzelnen Teilen ihres Verbreitungsgebietes sieht diese Situation jedoch anders aus: Besonders an der nördlichen Verbreitungsgrenze, zu der auch die wenigen Populationen in Deutschland gehören, ist ihr Vorkommen stark verinselt, und es gibt keine Verbindung zwischen den Einzelpopulationen. Diese Disjunktion wird auf die Klimaveränderungen der letzten Jahrhunderte zurückgeführt, bei der sich die Tiere immer weiter in wärmere Regionen zurückgezogen haben. Durch Habitatveränderungen durch den Menschen wird diese Tendenz noch weiter verstärkt, wodurch es zu einem Auslöschen einzelner Populationen kommen könnte. Entsprechend ist die Äskulapnatter in der Roten Liste der Bundesrepublik Deutschland in die Kategorie 1 – vom Aussterben bedroht – eingeordnet.

Obwohl die Habitatzerstörung in den Lebensräumen der Äskulapnatter nur als sekundäre Rückzugsursache angesehen wird, gibt es eine Reihe von Empfehlungen, um diesen Faktor möglichst gering zu halten. So stellen vor allem die Intensivierung der Forst- und der Landwirtschaft sowie Flurbereinigungen und Siedlungserweiterungen den massivsten Eingriff des Menschen in den Lebensraum der Tiere dar. Um die Populationen zu schützen, werden vor allem Kernverbreitungsgebiete als Schutzgebiete ausgewiesen, etwa die extensiv genutzten Wiesen und Streuobstflächen im Neckar-Odenwald. Zugleich müssen Waldrandgebiete als Überwinterungszonen sowie potentielle Eiablageplätze in Totholz und alten Baumbeständen in den Schutz mit eingebunden werden.

Schutzstatus

Rote Liste-Einstufungen

  • Rote Liste der Bundesrepublik Deutschland: 1 – vom Aussterben bedroht
  • Rote Liste Österreichs: NT (Gefährdung droht)
  • Rote Liste der Schweiz: EN (entspricht: stark gefährdet)

Einzelnachweise

  1. http://www.welt.de/print-welt/article226497/Die_Schlangen__des_heiligen_Dominikus.html

Literatur

  • Edwin N. Arnold & John A. Burton: Pareys Reptilien- und Amphibienführer Europas. Verlag Paul Parey, Hamburg und Berlin, 1983. ISBN 3-490-00718-2
  • Axel Gomille: Die Äskulapnatter Elaphe longissima – Verbreitung und Lebensweise in Mitteleuropa. Edition Chimaira, Frankfurt, 2002. ISBN 3-930612-29-1
  • Ulrich Gruber: Die Schlangen Europas und rund ums Mittelmeer. Franck’sche Verlagsbuchhandlung, Stuttgart 1989. ISBN 3-440-05753-4
  • Michael Gruschwitz, Wolfgang Völkl, Paul M. Kornacker, Michael Waitzmann, Richard Podloucky, Klemens Fritz & Rainer Günther: Die Schlangen Deutschlands - Verbreitung und Bestandssituation in den einzelnen Bundesländern. Mertensiella 3, 1993: Seite 7–38. ISBN 3-9801929-2-X
  • Rainer Günther (Hrsg.): Die Amphibien und Reptilien Deutschlands. Gustav Fischer Verlag Jena, 1996. ISBN 3-437-35016-1
  • Ulrich Joger, Daniela Guicking, Svetlana Kalyabina-Hauf, Peter Lenk, Zoltan T. Nagy & Michael Wink: Phylogeographie, Artbildung und postpleistozäne Einwanderung mitteleuropäischer Reptilien. – In: Martin Schlüpmann & Hans-Konrad Nettmann (Hg.): Areale und Verbreitungsmuster: Genese und Analyse. – Zeitschrift für Feldherpetologie, Supplement 10: 29–59, Laurenti-Verlag, Bielefeld, 2006. ISBN 3-933066-29-8
  • Axel Kwet: Reptilien und Amphibien Europas. Franck’sche Verlagsbuchhandlung, Stuttgart 2005. ISBN 3-440-10237-8

Weblinks



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