Zeitreisen

Zeitreisen

Als Zeitreise bezeichnet man eine Bewegung in der Zeit, die vom gewöhnlichen Zeitablauf abweicht. Obwohl physikalisch durch eine Ausnutzung der Zeitdilatation „Reisen“ in die Zukunft theoretisch möglich sind, gehören Zeitreisen im engeren Sinne der Science Fiction an, besonders wenn mittels Zeitmaschinen auch Reisen in die Vergangenheit bewerkstelligt werden sollen (Umkehrung des Zeitpfeils).

Inhaltsverzeichnis

Zeitreisen aus der Sicht der Physik

Die Relativitätstheorie Albert Einsteins bietet verschiedene Möglichkeiten für die Zeitreisen:

Reisen in die Zukunft

Verlässt man mit einem fast lichtschnellen Raumschiff die Erde und kehrt nach Ablauf einer Reisedauer wieder zurück, so ist auf der Erde ein längerer Zeitraum verstrichen als an Bord des Raumschiffes. Die Ursache ist die Zeitdilatation, die nach der speziellen Relativitätstheorie von Albert Einstein bei derartig hohen Geschwindigkeiten auftritt. Der genaue Ablauf einer solchen Zeitreise ist unter Zwillingsparadoxon beschrieben. Bei hinreichend großer Reisegeschwindigkeit und Beschleunigung wäre dabei im Prinzip in beliebig kurzer Reisedauer eine beliebig ferne Zukunft auf der Erde erreichbar. Bei einer dem Menschen zumutbaren Beschleunigung erfordert jedoch eine Zeitverschiebung von Jahren auch eine Reisezeit aus der Sicht der Raumschiffbesatzung von über einem Jahr (jeweils rund 347 Tage für Beschleunigung und Abbremsen mit 9,81 m/s²).

Nach der allgemeinen Relativitätstheorie ist der Lauf der Zeit auch von den Gravitations- und Beschleunigungsbedingungen abhängig, denen ein System unterworfen ist. So vergeht die Zeit auf der Spitze eines Berges schneller als auf Meereshöhe. Dieses Phänomen ließe sich als Zeitreise in die Zukunft interpretieren, wobei nicht nur eine raschere, sondern auch eine gebremste Reise möglich ist.

Der am weitesten „zeitgereiste“ Mensch ist der russische Kosmonaut Krikaljow, der 784 Tage an Bord der Raumstation Mir verbrachte. Er „reiste“ im Vergleich zu seinen erdgebundenen Mitmenschen etwa eine Fünfzigstelsekunde in die Zukunft, weil die hohe Geschwindigkeit der Raumstation für eine spezialrelativistische Zeitdilatation sorgt, die wesentlich größer ist als die gravitative Zeitdilatation. Durch die Effekte der gravitativen Zeitdilatation wäre die Erdoberfläche im Vergleich zum Raumschiff in die Zukunft gereist, dies ist bei geostationären Satelliten der Fall, da sie sich nicht so schnell bewegen wie erdnahe Satelliten.

Auf einem Neutronenstern kann die gravitative Zeitdilatation erheblich sein. So könnte ein hypothetischer Bewohner eines Neutronensterns eine zeitaufwändige Aufgabe in einer Umlaufbahn um den Stern erledigen, um einen Termin auf der Sternoberfläche leichter einhalten zu können.

Reisen in die Vergangenheit

Nach derzeitigem Stand der Wissenschaft sind Zeitreisen in die Vergangenheit prinzipiell nicht möglich. Bestehende Theorien, nach denen eine solche Reise möglich sei, sind spekulativ und umstritten. Unbestritten ist jedenfalls, dass die praktische Umsetzung derartiger Theorien in absehbarer Zeit unmöglich ist.

1949 entdeckte Kurt Gödel, dass eine Lösung der Allgemeinen Relativitätstheorie, bei der das Universum rotiert, das Zurückkehren eines Objekts in seine eigene Vergangenheit ermöglicht. Ein solches Universum wird als R-Universum (Gödeluniversum) bezeichnet.

Auch wenn bewiesen werden kann, dass unser Universum nicht rotiert, zeigt das R-Universum, dass die Einsteinschen Feldgleichungen ein Universum mit geschlossenen zeitartigen Kurven zulassen. Folglich gehört das gleichförmige Vergehen der Zeit nicht zu den von vorneherein notwendigen Eigenschaften eines Universums, das den Gleichungen genügt.

Nach der allgemeinen Relativitätstheorie ist es denkbar, dass zwei verschiedene Bereiche der Raumzeit über so genannte Wurmlöcher miteinander verbunden sein könnten. Wenn die beiden Ausgänge eines solchen Wurmloches zwei Bereiche unterschiedlicher Zeit verbinden würden, wäre eine Zeitreise auch in die Vergangenheit möglich. Allerdings zeigen Rechnungen, dass Wurmlöcher normalerweise nicht stabil sind und so schnell kollabieren, dass eine Passage nicht möglich ist. Hätte man hypothetische Materie mit negativer Energiedichte, so genannte exotische Materie, so könnte man damit ein Wurmloch stabilisieren. Die dazu erforderliche Menge an exotischer Materie steht aber, soweit bekannt, im gesamten Universum nicht zur Verfügung.

Eventuell wäre auf einer speziellen Flugbahn in der Umgebung eines hinreichend schnell rotierenden Schwarzen Loches eine Reise in die eigene Vergangenheit möglich. Man nimmt jedoch an, dass es keine derart schnell rotierenden Schwarzen Löcher gibt.

Eine Zeitreise in die Vergangenheit wäre auch in der Umgebung zweier kosmischer Strings möglich, die hinreichend schnell aneinander vorbei fliegen. Die Existenz solcher Strings ist jedoch umstritten.

Nach einer sehr umstrittenen Interpretation wurde durch Superluminares Tunneln für Teilchen beziehungsweise Photonen eine Zeitumkehr erreicht, das heißt, aus der experimentellen Anordnung – dem „Tunnel“ – schienen die Teilchen herauszukommen, bevor sie hineingestrahlt wurden. Jedoch wurde bei diesen Experimenten eine sehr umstrittene Definition des Signalzeitpunktes verwendet.

Sollten Reisen in die Vergangenheit möglich sein, so würde sich die Frage stellen, wie die Paradoxa vermieden werden, die sich in diesem Zusammenhang aus der Verletzung der Kausalität ergeben können, wie beispielsweise das Großvaterparadoxon. Als mögliche Antwort käme vor allem die Everettsche Vielwelten-Theorie in Frage. Danach wäre die Vergangenheit, in die man reist, in einer Parallelwelt angesiedelt. Der ursprüngliche Ablauf der Dinge und ein durch einen Eingriff in die Vergangenheit modifizierter Ablauf würden sich beide abspielen. Insbesondere wäre es für den Reisenden unmöglich, wieder in seine ursprüngliche Version der Gegenwart zurückzukehren.

Gelegentlich werden, wenn von Reisen in die Vergangenheit die Rede ist, hypothetische überlichtschnelle Teilchen, sogenannte Tachyonen, ins Spiel gebracht. Könnte sich ein Teilchen mit Überlichtgeschwindigkeit von A nach B bewegen, so ließe sich immer ein Beobachter finden, für den die Bewegung von B nach A stattfände. Da die Beobachter die zeitliche Reihenfolge der Ereignisse A und B unterschiedlich beurteilen, bewegt sich für alle Beteiligten das Tachyon von der Vergangenheit in die Zukunft. Aus einer hypothetisch überlichtschnellen Bewegung die Möglichkeit einer Reise in die Vergangenheit abzuleiten, ist nicht möglich.

Das empirische Gegenargument

Gegen die praktische Möglichkeit von Zeitreisen in der makrophysikalischen Welt spricht die Erfahrung, dass weder in der Gegenwart noch in der Vergangenheit das Auftreten von Zeitreisenden dokumentiert wird.

Dagegen kann eingewendet werden, dass das Argument zur Widerlegung der Möglichkeit von Zeitreisen nicht ausreicht, weil der menschliche Erfahrungsraum begrenzt ist. So könnte z. B. für den Empfang von Zeitreisenden aus der Zukunft eine technische Infrastruktur (Empfangsstation) erforderlich sein, die es noch nicht gibt. Dann würde man Zeitreisende erst ab dem Zeitpunkt der erstmaligen Errichtung einer solchen Station empirisch nachweisen können. Der Empfang eines Zeitreisenden könnte dann direkt bei Inbetriebnahme der Empfangsstation erwartet werden.

Zeitreisen in der Literatur und im Film

Zeitreisen sind ein alter Menschheitstraum und werden daher oft in Science-Fiction-Literatur und im Science-Fiction-Film thematisiert. Meist erfolgt dort eine Zeitreise mittels einer Zeitmaschine (so etwa in Zurück in die Zukunft), seltener mittels anderer Methoden, beispielsweise in der Serie Outlander von Diana Gabaldon per Gang durch einen Steinkreis oder aber durch Zauberei, wie in der Serie Charmed – Zauberhafte Hexen. In der Science-Fiction-Fernsehserie Star Trek sind Zeitreisen ein wiederkehrendes und beliebtes Thema.

Insbesondere sind die Probleme im Zusammenhang mit der Kausalität bei Zeitreisen in die Vergangenheit ein beliebtes Thema der Science-Fiction-Literatur, etwa in den Romanen Schutzengel von Dean Koontz oder Geschichte machen von Stephen Fry.

Dabei wird gerne der Schmetterlingseffekt aus der Chaostheorie thematisiert. Das bedeutet, dass selbst kleinste Veränderungen in der Vergangenheit extreme Auswirkungen auf die weitere Entwicklung haben können, die unter Umständen mit der Nicht-Existenz des Zeitreisenden enden. Gelöst wird dieses Problem nicht selten mit der überraschenden Pointe, dass die Zeitreise von Beginn an Teil der bekannten Vergangenheit war und durch die Zeitreise ein Kreis geschlossen wird.

Eine andere wiederkehrende Idee ist die der Zeitschleife, in welcher der Protagonist festsitzt. Dies ist zum Beispiel in den Filmen 12:01, Retroactive oder Und täglich grüßt das Murmeltier der Fall.

Erdogan Ercivan behauptet in seinen Büchern, dass das Ägyptische Totenbuch Amduat eine exakte Reisebeschreibung des verstorbenen Pharao zum Doppelstern Sirius enthält, der sich 8,6 Lichtjahre von der Erde entfernt befindet. Unter anderem sollen die Götter der Ägypter ein Wurmloch südwestlich vom Orion verwendet haben, den sie Wamemti nannten.

Michael Crichton verwendet in seinem Buch Timeline die These, dass unterschiedliche Zeiten nur unterschiedliche Welten in der Viele-Welten-Interpretation sind. Eine Zeitreise erfolgt daher durch die Reise in eine Parallelwelt.

Das Problem der grammatikalischen Tempusbildung für Zeitreisende wird von Douglas Adams in seinem Roman Das Restaurant am Ende des Universums thematisiert.

Die Beschreibung einer Zeitreise in die Zukunft bietet dem Autor die Möglichkeit, Fehlentwicklungen und Gesellschaftskritik zugespitzt darzustellen. Davon hat unter anderem H. G. Wells 1895 in seinem Buch Die Zeitmaschine Gebrauch gemacht.

Eng damit verwandt ist das Thema der Parallelwelten, wie etwa im Film Ist das Leben nicht schön?

Zeitreisen in der Kulturwissenschaft

Der beschleunigte Fortschritt besonders seit dem 18. Jahrhundert bewirkte, dass manche Regionen und Länder als vorausgeeilt, andere als zurückgeblieben eingestuft wurden. Gleiches galt für den Stadt-Land-Gegensatz. Diese Wahrnehmung einer Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen zwischen Zentrum und Peripherie ermöglichte und ermöglicht dem Reisenden, sich aus der jeweiligen Gegenwart in die Zukunft oder in die Vergangenheit zu bewegen. So konnte die touristische Reise, wie Hasso Spode aufgezeigt hat, als eine Reise in die Peripherie und damit als Zeitreise in eine romantisch verklärte Vergangenenheit fungieren. Dieses Konzept ist für die Tourismuswissenschaft sehr aufschlussreich. Wer umgekehrt aus der Peripherie in ein Zentrum reist, erfährt dort die (vermeintliche) eigene Zukunft.

Literatur

Theoretische Philosophie und Physik
  • John Bigelow: Time travel fiction, in: Gerhard Preyer / Frank Siebelt (Hgg.): Reality and Humean Supervenience, Lanham, MD: Rowan & Littlefield 2001, 58-91.
  • John Earman: Outlawing Time Machines, chronology protection theorems, in: Erkenntnis 42/2 (1995), 125-139.
  • John Earman: Recent Work on Time Travel, in: Steven Savitt (Hg.): Time's Arrows Today: Recent Physical and Philosophical Work on the Direction of Time, Cambridge University Press 1995, 268-310.
  • Daniel M. Greenberger, Karl Svozil: Quantum Theory Looks at Time Travel. in: Avsalom Elitzur: Quo vadis quantum mechanics?. Springer, Berlin 2005, ISBN 3-540-22188-3, S. 63 - 72
  • Paul Horwich: Asymmetries in Time, Problems in the Philosophy of Science, Cambridge, MA: MIT Press 1987.
  • Simon Keller / Michael Nelson: Presentists Should Believe in Time-Travel, in: Australasian Journal of Philosophy 79 (2001), 333-345.
  • David K. Lewis: The paradoxes of time travel, in: American Philosophical Quarterly 13 (1976), 145-52.
  • Ned Markosian: The Open Past, in: Philosophical Studies 79 (1995), 95-105.
  • Jack W. Meiland: A Two-Dimensional Passage Model of Time for Time Travel, in: Philosophical Studies 26 (1974), 153-173.
Populäre Darstellungen
  • David Deutsch / Michael Lockwood: Die Quantenphysik der Zeitreise, Spektrum der Wissenschaft, November 1994, S. 50-57
  • J. Richard Gott: Zeitreisen in Einsteins Universum, Rowohlt Taschenbuch Verlag, Mai 2003, ISBN 3-499-61577-0
  • H. Spode: Reif für die Insel. Prolegomena zu einer historischen Anthropologie des Tourismus. C. Cantauw (Hg.): Arbeit, Freizeit, Reisen, Münster 1995.
  • Rüdiger Vaas: Tunnel durch Raum und Zeit, Franckh-Kosmos, Stuttgart 2006 (2. Aufl.), ISBN 3-440-09360-3

Weblinks


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