- Ziegeldach
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Dachziegel, auch Dachsteine, Dachpfannen oder Dachplatten genannt, sind flächige grobkeramische Bauelemente, die zum Eindecken von geneigten Dächern dienen. Diese wird dann Ziegeldeckung genannt. Das Wort Ziegel stammt vom römischen „tegula“= (Leisten-) Ziegel (von "tegere" = bedecken) ab, im Gegensatz zu „later“, dem Backstein.
Geschichte des Dachziegels
Wann genau der aus Ton gebrannte Dachziegel erfunden wurde und von wem, ist nicht überliefert, es gibt jedoch einen Bericht des griechischen Schriftstellers Pindar, in welchem er die Erfindung des Dachziegels im Jahre 450 v. Chr. den Korinthern zuschreibt. Zu der Geschichte der Ziegelproduktion und des Mauerziegels siehe den Artikel Backstein. Die Historie des Mauerziegels ist in zahlreichen Schriften antiker Schreiber festgehalten und durch Ausgrabungen belegt. Rund 7.000 Jahre Geschichte sind dokumentiert. Zum Dachziegel dagegen gibt es außer von Originalstücken (z. B. aus Bodenfunden) nur spärliche Informationen, sogar die heutigen Hersteller verfügen kaum über dokumentierte Belege oder Fotos aus der Frühzeit – gemeint ist ein Zeitraum von etwa 150 Jahren – der Dachziegelproduktion. Die Gründe dafür liegen in der Anfangszeit der Industrialisierung, als viele kleine Produktionsstätten existierten. Viele Bauern haben die Dachziegelproduktion als zusätzliche Einnahmequelle und als Überbrückung der Winterzeit betrieben.
In der Zeit der handgefertigten Ziegel gab es eine Besonderheit, den sog. Feierabendziegel[1] (auch als Glücks- oder Sonnenziegel bezeichnet). Es waren die letzten Ziegel eines Tagwerks, in die auf der Rückseite mit dem Finger, einem Kamm oder einem anderen spitzen Gegenstand Ornamente, Jahreszahlen, Zeichen und auch Texte hineingeritzt wurden. Die ältesten bekannten Feierabendziegel stammen aus der Zeit zwischen 1100 und 1300 n. Chr.
Die einsetzende Industrialisierung veränderte auch die Produktion von Ziegeln: Durch die Erfindung der Dampfmaschine wurde es erst möglich, Dachziegel industriell im großen Rahmen zu fertigen. Man darf getrost Wilhelm Ludowici (Ludowici Ziegelwerke) als Erfinder (1881 Anmeldung seines Patentes für den Falzziegel Z1) des maschinell gefertigten Dachziegels bezeichnen. Die ersten industriell gefertigten Dachziegel wurden übrigens auf Pferdefuhrwerken und in Stroh verpackt ausgeliefert.
Die Öfen wurden bis in die 1960er Jahre mit Schweröl betrieben und dann nach und nach auf das saubere Erdgas umgestellt. Seit jener Zeit gab es bei vielen Werken Probleme mit der Frostsicherheit der hergestellten Dachziegel, was dann zu einem Massensterben der alten Dachziegelindustrie und zu einem Boom der Betonindustrie und ihren billiger herzustellenden Pfannen führte. Diese Phase haben nur ganz wenige Werke überlebt. Einige der ältesten Produktionsstätten liegen am Niederrhein an der niederländischen Grenze. Der Ort Tegelen, bei Kaldenkirchen direkt hinter der niederländischen Grenze gelegen, verrät durch seinen Namen schon die alte Tradition aus der Römerzeit (Tegelen lässt sich auf das römische „tegula“ = Ziegel zurückführen).
Abgrenzung zum Dachstein
Der Dachstein unterscheidet sich vom Dachziegel lediglich in materialtechnischer, nicht in funktionaler Hinsicht. Der Dachstein ist aus Beton gefertigt und wird nicht gebrannt, sondern bei etwa 60 Grad getrocknet. Dachsteine sind im allgemeinen robuster, kostengünstiger und schwerer als Dachziegel. Bekannte Modelle sind die „Harzer -“, „Frankfurter -“ oder „Taunus-Pfanne“. Im modernen Hausbau finden aus Kostengründen meistens Betondachsteine Verwendung. Umgangssprachlich wird jedoch selten zwischen Dachziegel und Dachsteinen unterschieden.
Dachformen
Allgemein wird in der menschlichen Siedlungsgeschichte zwischen zwei grundlegenden Dachformen unterschieden: Das flache Dach und das geneigte Steildach. Flachdächer findet man besonders in trockenen, warmen Siedlungsräumen, das geneigte Dach dagegen in Gegenden dieser Erde, die feuchten und wechselnden Witterungseinflüssen ausgesetzt sind. Das flache Dach wurde ursprünglich nicht ausschließlich als reiner Witterungsschutz genutzt, sondern diente zugleich als Aufenthaltsbereich, Wassersammelstelle, Verschattung oder Aussichtsplattform (Pueblo-Bauform in Nordamerika). Das Steildach diente hingegen zunächst als geneigte Ebene, mit der Regenwasser leicht abgeführt werden konnte, und später als zusätzlicher Schutz vor Feuer (harte Bedachung). Diese Dachform ist vor allem in den intensiv klimatisch geforderten Kulturregionen im Norden und Süden Europas und Asiens (China, Japan) anzutreffen. Durch Kolonisation trugen die Eroberer, vor allem aus dem alten Europa, diese Dachform mit in die „Neue Welt“ Südamerikas beziehungsweise in die von ihnen unterworfenen Gebiete. Dort wurde sie vor allem an Kirchen- und Sakralbauten ausgeführt.
Auf die Region bezogen, erfolgte die Eindeckung dieser geneigten Dächer ursprünglich mit örtlich vorkommenden Baustoffen, wie Gräser, Schilf (Reet), Holz und Steinplatten. Abgelöst wurden diese Naturbaustoffe im Laufe der Baugeschichte im südlichen und nördlichen Europa durch die von den Römern angewendete Baukunst, die besonders auf die Verarbeitung von Trassmörtel und Tonziegeln ausgerichtet war.
Herstellung
Handfertigung
In den von Römern eroberten Siedlungsbereichen Europas fanden sich Dachziegel (Tegulae und Imbrices) auf den Dächern der römischen Befestigungsanlagen, in Städten, dorfartigen Ansiedlungen (Vici) und in Villen auf dem Land. Im Mittelalter wurden zunächst vor allem Kirchendächer und andere öffentliche Bauwerke (Burgen, Schlösser) mit Ziegeln gedeckt. Nur hohe Würdenträger konnten es sich anfangs in den Siedlungen finanziell erlauben, ihre Dachflächen mit Tondachziegeln einzudecken. So schrieb beispielsweise Karl der Große auf der Frankfurter Synode um 794 für seine Wirtschaftshöfe Tondachziegel als allgemeine Dachdeckung fest. Bischof Bernward von Hildesheim richtet zu Beginn des 11. Jahrhundert eine Ziegelbrennerei ein, um Flach- und Hohlziegel für seine Gebäude brennen zu lassen. Von den römischen Legionen hat er dabei die Namensstempelung der Ziegel übernommen.
Etwa ab dem 12. Jahrhundert setzte die ökonomische Verwertung der Ziegelherstellung ein, bei der auf Vorrat gebrannt werden konnte. Die Herstellung war noch sehr mühsam und langwierig: Man grub den Ton unter Humusschichten aus, sumpfte ihn in Gruben ein oder schichtete ihn in Hügeln auf und ließ ihn einen Winter durchfrieren. In manchen Gegenden lagerte der Ton sogar zwei lange Winter durch, um anschließend trocken zerkleinert und mit Wasser durchgeknetet zu werden. Diesen halbplastischen Tonkuchen drückte man mit der Hand in eine Holzform und strich diese mit einem Brett ab. Der so entstandene Rohling trocknete dann mindestens einen Sommer lang an der Luft im Schatten. Danach wurde er in Feldbrandöfen gestapelt und darin allmählich auf hoher Temperatur gebrannt. Nach dem Brand wurde das Material langsam abgekühlt - so hatte man nur eine relativ beschränkte Anzahl Dachziegel zur Verfügung. Dieser beschriebene Arbeitsablauf zog sich über einen Zeitraum von mehr als eineinhalb Jahren hin. Bei Großbauten musste daher zunächst auf ausreichenden Vorrat gebrannt werden, ehe mit dem Bauwerk begonnen wurde. Zusätzlich war eine große Zahl von Handwerkern und Hilfskräften notwendig.
Nur reiche Bauherren konnten sich einen solchen aufwendig hergestellten Baustoff leisten. So entstanden Ziegelbauten entweder im fürstlichen Auftrag oder wurden von Klöstern und Bischöfen beauftragt. In der später folgenden Blütezeit der Hanse bauten bürgerliche, reiche Kaufmannsfamilien ihre Häuser oft prunkvoll aus Backsteinen und deckten sie mit farbig glasierten Dachziegeln ein (Backsteingotik).
Bereits im 12. Jahrhundert kannte man neben den Vorteilen auch die Grenzen der Dachziegel. So hatte beispielsweise der Ministeriale Cuno von Würzburg um 1165 seine Burg Wetterau mit unterschiedlichen Dachziegelformen eingedeckt. Der repräsentative Bereich erhielt eine Eindeckung aus Biberschwänzen, die Wirtschaftsbauten deckte man mit grob geschlämmten Hohlziegeln und das Kegeldach des Bergfrieds mit Schieferdeckung. In den Siedlungen des „normalen“ Volkes herrschten Stroh-, Ried- und Holzschindeln vor. Erst im Laufe des 14./15.Jahrhunderts wurde in den engen Städten wegen des Brandschutzes häufiger mit Ziegeldächern gebaut. So vereinbarte 1342 Kaiser Ludwig als Stadtherr von München mit dem Stadtrat, Neubauten nur noch mit gebrannten Tondachziegeln einzudecken. Den Bürgern im Schweizer Bern wurde dafür sogar mit Ratsbeschluss von 1405 die Hälfte der Baukosten von der Stadtkasse erstattet.
Moderne Herstellung
Die Ziegelherstellung hat sich im Prinzip nicht wesentlich geändert. Während man früher die Ziegeleien aus Kostengründen in der Nähe von Ziegelgruben errichtete, spielt das Transportproblem heute eine untergeordnete Rolle. Die Formgebung ist im wesentlichen automatisiert worden. Die einzelnen Herstellungsschritte sind:
- Abbau
- Aufbereitung
- Sumpfen oder Mauken
- Formgebung
- Trocknen
- Brennen
- Güteprüfung
Beim Sumpfen oder Mauken wird der Feuchtegehalt der Ton/Lehm-Mischung auf den gewünschten Wert eingestellt. Die abgebauten Tone und Lehme haben beim Abbau unterschiedliche Feuchtegehalte, die ausgeglichen werden müssen. Wichtig ist auch der Trocknungsprozess. Der Rohling muss trocken sein, denn Wasser vergrößert bei Verdunstung sein Volumen auf das 1500-fache. Der geringste Wasseranteil im Rohmaterial würde also den Scherben beim Brand zerstören
Farbgebung
Man unterscheidet die folgenden Arten der Farbgebung:
- Naturrot – Die Farbe der Ziegel hängt hierbei in erster Linie von den im Ton enthaltenen Mineralien ab. Ein hoher Eisengehalt führt zu roten bis rosa Farbtönen, die sich aus der Oxidation des Eisen ergeben. Ein hoher Kalkgehalt und geringer Eisengehalt führt zu gelben Farben. Farbnuancen werden durch das Brennen (Temperatur und Sauerstoffzufuhr) bestimmt.
- Engobe – Dabei wird eine mit Mineralien versetzte Tonschlämme vor dem Brand auf den Ziegel aufgebracht. Die Tonschlämme geht dabei eine homogene, haftfeste Verbindung mit dem Ziegel ein. Die Farbpalette ist jedoch beschränkt, da die im Tonschlamm enthaltenen Eisenteile sich beim Brand stark durchsetzen. Gelbe, blaue oder farblich ausgefallene Ziegel sind damit nicht möglich. Die Engobe ist in Europa seit dem Mittelalter, bei islamischen Backsteinbauten schon seit dem frühen Mittelalter, darüber hinaus schon in der Blütezeit Babylons unter Nebukadnezar II. in vielen Farben und Schattierungen zu finden.
- Durchgefärbt – Farbpigmente werden dem Ton vor dem Brand beigemischt. Hinsichtlich der Farbpalette gilt hier das gleiche wie bei der Engobe. Der Vorteil der Farbgebung besteht darin, dass man Absplitterungen aus größerer Entfernung nicht mehr sehen kann, von Nachteil sind die erhöhten Kosten.
- Glasur – Eingefärbter Quarzsand wird vor dem Brand auf den Ziegel aufgebracht. Mit dieser Art der Einfärbung lassen sich auch ausgefallene Farben (blau, gelb, grün) realisieren. Die Haftung der Farbe ist jedoch gegenüber der Engobe eingeschränkt.
- Dämpfen – Beim Brand wird der Flamme viel Brennstoff beigemischt. Dadurch wird sauerstoffarm gebrannt, der Ziegel wird „durch und durch“ taubengrau bis schwarz gedämpft. Diese Art der Farbgebung ist heute noch im Rheinland üblich (Emmerich Vrasselt und Krefeld unter Benutzung gut abschließbarer Kasseler Öfen). Gelegentlich findet man Dächer mit blaugedämpften, taubengrauen Ziegeln eingedeckt, zum Teil schmuckvoll in Kombination mit Naturrot.
Einteilung der Dachziegel
Dachziegel sind aus Ton gebrannte, bis zu drei Stunden wasserundurchlässige (Wasserdrucktest nach DIN), flache oder gebogene Platten, die zur Eindeckung geneigter Dachflächen verwendet werden. Unterschieden wird nach:
- Strangdachziegel
- Biberschwanz
- Hohlpfanne
- Strangfalzziegel
Strangdachziegel werden in einem endlosen Tonstrang hergestellt.
- Pressdachziegel
- Doppelmuldenfalzziegel
- Flachdachpfanne
- Flachkremper
- Mönch und Nonne, siehe Foto. Die konkaven Dachziegel heißen Nonne, die auf ihnen liegenden Ziegel Mönch.
Zur Herstellung von Pressdachziegeln gelangt das Ziegelgut in die Strangpresse und wird anschließend in gleichmäßige Blöcke geschnitten. In der Schlittenpresse oder der Revolverpresse werden die Rohlinge in ihre endgültige Form gebracht. Pressdachziegel sind rundum verfalzt wie Falzziegel, Flachdachpfanne oder Reformpfanne, oder haben eine konische Formgebung wie Mönch-, Nonne- und Krempziegel.
- Flachziegel
- Formziegel
Als der älteste, in Griechenland und dem römischen Imperium verbreitete Ziegel, gilt der Leistenziegel „Tegula“, dessen Stoßfugen von „Imbrices“ (Hohlziegeln) überdeckt werden. Diese Art der Deckung war in römischer Zeit auch in den nördlichen Provinzen verbreitet. Später jedoch galt sie für das raue Klima nördlich der Alpen als ungünstig. So schreibt Palladio in seinen „Vier Büchern über Architektur“ um 1570: „In Germanien macht man wegen der großen Mengen Schnees, die dort fällt, die Dächer sehr steil und bedeckt sie mit kleinen Holztafeln, Schindeln oder dünnen Dachziegeln.“
Um der Witterung besser zu trotzen, wurden im Mittelalter die flach geneigten Leistenziegeldächer der Römer nördlich der Alpen durch die Hohlziegel- oder die Flachziegeldeckung ersetzt. Im heutigen Süddeutschland setzte sich der Flachziegel, im Spätmittelalter mit bunter Glasur versehen, in vielen Formen und Gestaltungsarten bis ins späte 19. Jahrhundert durch. Dagegen bevorzugte man in Norddeutschland den Krempziegel, eine Weiterentwicklung aus der Leisten-Hohlziegeldeckung. Als Mitte des 19. Jahrhunderts die industrielle Massenproduktion des Dachziegels einsetzte, übernahm der Falzziegel die traditionellen Deckungen.
Glasierte Ziegel
In der Deutschen Bauzeitung von 1883 wird das Glasieren der Ziegel beschrieben:
„Schon die Aegypter, Babylonier und Assyrier suchten die schnelle Verwitterung der Ziegel durch Aufbringung von Glasur zu verzögern, und benutzten das Schutzmittel zugleich als Verschönerung der Ware. Aus den angestellten Untersuchungen geht hervor, dass man bereits vor Erfindung des Ziegelbrennens die Glasierung kannte und übte; und zwar scheint man zuerst die fertig gestrichenen und lufttrocken gemachten Ziegel in derselben Reihe, die sie auf dem Dach einnehmen sollen, flach auf den Boden gelegt und in dieser Lage bemalt, resp. mit den Schmelzfarben und sonstigen Glasurmassen überzogen, dann aber auf ihnen ein Feuer entzündet zu haben. Solche Glasierung bewahrte nun zwar die Oberfläche, aber auch nur diese vor der schnellen Zerstörung. Gebrannte glasierte Ziegel kannte man sicher im zweiten oder neuen babylonischen Reich; auch die Griechen, Etrusker und Römer scheinen sie gekannt zu haben, obschon uns keine glasierten Ziegel von diesen drei Völkern erhalten sind. Die Langobarden wendeten sie im siebten, die Byzantiner vielleicht schon früher an und im Mittelalter fanden sie fast überall, wo der Ziegelbau gepflegt wurde, ja zur Dachdeckung auch in Hausteingegenden vielfach Anwendung. Das Verfahren zur Herstellung der Glasur scheint schon von Alters her sehr verschieden gewesen zu sein, sowohl bezüglich der Mischungen für die Schmelzfarbe, als bezüglich der Zeit und der Art der Aufbringung derselben, und ist es jetzt in demselben Grad. Manche Fabriken färben den Ton vor dem Streichen, andere tragen die Schmelzfarbe, resp. die beim Brennen eine farbige Glasierung erzeugende Mischung auf den luftrockenen Ton auf, noch andere färben erst nach der ersten Brennung mittels solcher Mischung. – Eine von Leipzig aus beim Verband deutscher Architekten- und Ingenieuervereine angeregte Enquête über Verfahren, Herstellungsweise, Mischung, Erfolg etc. der Glasur ist noch nicht abgeschlossen.“
– Deutsche Bauzeitung, 1883
Dachdeckerarbeiten
In der „Anleitung für Bautechniker“ aus dem Jahre 1881 heißt es:
„Die Ausführung der Dachdeckerarbeiten wird nach den, zur Verwendung gelangenden Materialien unterschieden, und theils von freien, theils von einem Gewerke angehörigen Arbeitern ausgeführt.“
– Anleitung für Bautechniker, 1881
Zu diesem Zeitpunkt hatte man bereits die spätere Entwicklung in der Europäischen Union vorweg genommen, denn heute arbeiten auch „andere Gewerke“ mit auf dem Dach.
Auszugweise heißt es weiter im Kapitel „Die Ziegeldächer“:
„Die Eindeckung mit Flachziegeln (Biberschwänze, Flachwerken, Ochsenzungen usw.): Flachziegel oder Flachwerke haben die Form eines länglichen, an der einen kurzen Seite abgerundeten oder zugespitzten, an der anderen mit einer Nase versehenen Rechtecks von etwa 36 bis 39 cm Länge, 15 bis 15,6 cm Breite und 0,6 bis 0,12 cm Stärke. Die Haupterfordernisse guter Flachwerke sind Leichtigkeit, Wetterfestigkeit und eine durchaus ebene gerade Form; als Zeichen ihrer Güte gelten scharfer Brand, heller Klang, von Rissen und Sprüngen freie Flächen und ein geringes Wasseraufsaugungsvermögen. Um eine recht dichte und dauerhafte Eindeckung zu erzielen, müssen die Steine in ihrer ganzen Fläche aufliegen und dürfen, besonders an ihren unteren Enden, nicht klaffen, was nur bei vollständig ebenen Ziegeln und bei der Verwendung gleichmässig starker Latten möglich ist.
Die Eindeckung mit Dachpfannen beansprucht Dachneigung und Sparrenweite der einfachen oder Splissdächer; die ersten von der Form eines liegenden S, kommen in drei verschiedenen Grössen zur Anwendung. Das grösste Format hat mit der Nase durchschnittlich 42 cm Länge, 26 cm Breite; die Mittelsorte 39 cm Länge, 26 cm Breite und die Länge der kleinsten. Der so genannten holländischen Pfannen beträgt 34 cm bei 26 cm Breite.
Die Bedachung mit Krempziegel erfolgt mit sorgfältig an den konisch auf- resp. abgebogenen Rändern zusammengepassten Steinen, auf Lattung, bei 8 bis 10 cm betragender Ueberdeckung. Krempziegel machen, in Mörtel verlegt, ein besonderes Verstreichen überflüssig.
Die Wöterkeimer Dachsteine, eine Erfindung von E. von Kobilinsky, sind dem Prinzip und der Deckart nach, den Dachpfannen und Krempziegel gleich; sie halten sich ihrer geraden Formen wegen beim Trocknen und Brennen gerader. In Mörtel verlegt, ist ein Verstreichen derselben überflüssig, sie haben aber den Nachtheil, das sich das Wasser auf ihnen in einer Rinne sammelt und abfliesst, welche unmittelbar an der Stossfuge liegt und deren Undichtwerden befördert.
Die Falzziegeldächer sind ihrem Namen nach Dachziegel, an deren Ränder sich Falze befinden, welche passend ineinander greifen, um auch, ohne Mörtel verwendet, eine dichte Eindeckung des Daches liefern. Möglichste Ebenheit der Ziegel und genaues Ineinandergreifen der Falze sind unerlässliche Bedingungen zur Erfüllung dieser Aufgabe. Unter den mannigfaltigen Formen, in welchen die Falzziegel zur Verwendung gelangt sind, haben sich in Lothringen (Gebrüder Couturier, Forbach) hergestellten Falzziegel (welche auch von den Werken zu Siegersdorf in Schlesien gefertigt werden) bewährt. Ferner sind in Ludwigshafen, Durlach, Karlsruhe, Hanau und Horrem bei Cöln die bedeutendsten Fabrikorte für Falzziegel.“– Anleitung für Bautechniker, 1881
Als wesentliche Vorteile der Falzziegeldeckung, „welche bei der Verwendung eines wetterfesten Materiales, als Ideal eines guten Ziegeldaches anzusehen ist“, sind nach der Deutschen Bauzeitung (Jahrgang 1876) hervorzuheben:
- Geringere Dachneigung, als beim gewöhnlichen Ziegeldach,
- Geringeres Gewicht,
- Wesentlich geringerer Preis,
- Schnelle, einfache und bequeme Ausführung der Eindeckung,
- Guter Abfluss der Niederschläge und daher schnelleres Trocknen und größere Dauerhaftigkeit, als beim Ziegeldache;
- Außerordentlich leichte Ausführung von Reparaturen (der zerbrochene Stein wird hinaus und der neue vom Dachboden aus hineingeschoben);
- Kann man Dachfenster einfach dadurch ersetzen, dass man einzelne Steine, aus Glas angefertigt, an beliebiger Stelle eindeckt. In Forbach fertigt man für diesen Zweck Falzziegel, welche mit einer eingekitteten Glasscheibe versehen werden können. In neuester Zeit ist eine Construction von Falzziegeln mit Einschnitten und Stiften patentiert worden, welche eine noch leichtere Eindeckung derselben ermöglichen soll.“
Grundregeln des Deutschen Dachdeckerhandwerks
In der „Anleitung für die Ausbildung von Dachdeckerlehrlingen“ von 1926/27 heißt es zu Ziegeldeckungen:[2]
„Die Eindeckung der Dächer mit Dachziegeln ist über ganz Europa verbreitet. Man unterscheidet zwei große Familien der Ziegel, die der Flachziegel und der Formziegel. Zu den Flachziegeln gehören die Biberschwänze, zu den Formziegeln die Falzziegel, die Pfannen, die Krempziegel und die Mönchnonne. In Deutschland sind die Biberschwänze die meist verbreiteten.
Ein Biberschwanzdach wird auf Latten (oder Schalung und Leisten) hergestellt und kann eingedeckt werden als: a) Kronendach, b) Doppeldach oder c) einfaches Dach mit Splissen (Schindeln), Splißdach. Die Eindeckung erfolgt in der Regel von rechts nach links.
Ein S-Pfannendach (Hohlpfannendach) wird auf Latten eingedeckt. Pfannen werden entweder mit Querschlag und Innenverstrich oder Trocken mit Innenverstrich eingedeckt. An der Traufschicht, Firstschicht und an Stellen, wo ein Innenverstrich unmöglich ist, werden die Pfannen in Kalk-Mörtel gedeckt. Statt des Verstrichs können Pappstreifen, Pappdocken oder Strohdocken (unter den Ziegeln verlegt) zur Anwendung kommen.
Ein Mönchnonnendach wird auf Latten eingedeckt. Die Nonnen werden nicht enger und nicht weiter aneinander verlegt, als es die Breite der Mönche bei sachgemäßer Mörtelbettung erfordert. Die Nonnen erhalten oben dicht über der Nase einen Querschlag, auf dem die Nonnen der nächsten Schicht so aufgerieben werden, daß der Mörtel nach innen herausquillt. Die Mönche werden nicht voll in Kalkmörtel gebettet, sondern hier werden zwei schmale Längsschläge gegeben, nur der Kopf des Mönches wird vor dem Aussetzen mit Mörtel gefüllt.
Eine Eindeckung mit Falzziegeln wird auf Latten und je nach Form des Ziegel als a) gewöhnliches Falzziegeldach (Muldenfalzziegel), b) Strangfalzziegeldach, c) Mönchnonnendach (kombiniert) oder d) Falzpfannendach hergestellt. Alle Falzziegeldächer werden trocken eingedeckt, können von innen verstrichen oder auch mit Pappstreifen, Strohdocken oder Pappdocken unterlegt werden. Zur Verhütung von Sturmschäden können Falzziegel, sofern sie mit entsprechenden Oesen versehen sind, durch Verdrahtung gesichert werden. Ist eine solche Sturmsicherung besonders vereinbart, so gilt sie für ausreichend, wenn durchschnittlich mindestens der Dritte aller Steine mit den Latten verknüpft wird.“– Anleitung für die Ausbildung von Dachdeckerlehrlingen, 1926/27
Sonstige Nutzung
Durch die ansehnliche, natürliche Erscheinungsform des Materials wird der Dachziegel heute auch gern als Dekorationsgegenstand eingesetzt, wie beispielsweise als Wand-Kerzenhalter innerhalb einer harmonisch abgestimmten Innenarchitektur.
Zukunft
Es gibt heute für das moderne Steildach eine Vielzahl von Materialien, die sich zur Dacheindeckung eignen und bewährt haben. Der Ziegel aus Ton nimmt dabei nach wie vor eine besondere Stellung ein.
Zunehmend kommen heutzutage aber auch Metalldachpfannen oder fertige Metalldächer im Dachziegelprofil zum Einsatz. Diese Modulplatten haben den Vorteil, dass eine Kapillarwirkung vermieden wird und sie dadurch sehr witterungsbeständig und korrosionsfest sind. Sie sind sturmfester, besitzen weniger Eigengewicht, sind glatt und (mit Lotuseffekt) schmutzabweisend, sowie auch schnell und einfach zu montieren und damit im Endeffekt preiswerter als Dachziegel.
Hersteller
Einer der weltweit größten Hersteller von Dachziegeln ist der österreichische Ziegelhersteller Wienerberger.
Siehe auch
Einzelnachweise
- ↑ Feierabendziegel: Gestaltete Ziegel, Helmut Herbst/Susanne Jenisch, 100-seitiger Ausstellungskatalog des Museums Waiblingen, 1988.
- ↑ Anleitung für die Ausbildung von Dachdeckerlehrlingen. Reichsverband des Deutschen Dachdeckerhandwerks, Berlin 1926/27
Literatur
- F. Engel: Die Bauausführung. Paul Parey, Berlin 1885
- Illustrirtes Bau-Lexikon. Otto Spamer, Leipzig 1883
- Dachziegel. Rudolf Müller Köln 1997 (DDH-Edition)
- Hans Jürgen Krolkiewicz: Das geneigte Dach. In: db deutsche bauzeitung. 2/86, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart
- Hans Jürgen Krolkiewicz: Dachziegel. Geschichte der Baustoffe. In: baustoff-technik. Gert Wohlfarth, Duisburg 2003, ISSN 0721-7854
- Hans Jürgen Krolkiewicz: Der Dachziegel- eine historische Betrachtung. In: DDH Das Dachdecker Handwerk. Rudolf Müller, Köln 2004/2005, ISSN 0172-1003
- Unterlagen verschiedener Dachziegelhersteller
- Willi Bender: Lexikon der Ziegel. 2. Auflage. Bauverlag, Berlin 1995, ISBN 3-7625-3156-0
- M.Kornmann und CTTB,"Clay bricks and roof tiles, manufacturing and properties,LaSim, Paris (2007) ISBN 2-9517765-6-X
- Zi International - Ziegelindustrie International; Bauverlag, Gütersloh ISSN 0341-0552
- Zi Jahrbuch; Bauverlag, Gütersloh ISBN 978-3-7625-3625-3
Weblinks
- Archiv Historische Dachziegel ca. 250 Hersteller, ca. 750 Kataloge/Schriften und fast 15.000 Scans (5,3 GB Bildmaterial).
- Arbeitsgemeinschaft Ziegeldach e.V., mit interessanten Artikeln zu Engoben, Alterungsverhalten, gedämpften Ziegeln usw.
- Dachziegelportal, Portal mit informationen zu Dachziegeln aus Spanien, Italien und Frankreich
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