Zwiegespräch

Zwiegespräch

Ein Dialog (von altgriech. dialégesthai: sich unterhalten, sich unterreden; dialogein: einander zurechnen) ist eine mündlich oder schriftlich zwischen zwei oder mehreren Personen geführte Rede und Gegenrede. Sein Gegensatz ist der Monolog, das Gespräch einer Person mit oder vor sich alleine (vor allem im Drama). Eine etwas andere Sinngebung entsteht aus der griechischen Wortwurzel „διά“ („dia“) ([hin-]durch) und „λόγος“ („logos“) (Wort, Sinn, Bedeutung). Dia-logos = Fließen von Worten.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Als bewusst eingesetztes Gestaltungsmittel wurde der Dialog zunächst von den Sophisten verwendet, welche ihn zur Vermittlung von Erkenntnissen oder zur Erörterung von Problemen im Sinne der klassischen Dialektik (These und Antithese) nutzten. Literarisch findet er in den sokratischen Dialogen von Platon einen ersten Höhepunkt. Im Humanismus erlebt der Dialog dann bei Erasmus von Rotterdam und Ulrich von Hutten eine neue Blüte.

Literaturwissenschaft

Als literarisches Mittel zur Charakterisierung der Figuren und zur Entwicklung von Handlung bestimmt der Dialog das Drama, oder auch in erzählender Form, wie bei einer Ballade. Eine Sonderform der Epik ist der Dialogroman, der wie etwa bei Diderot, Wieland oder dem späten Fontane fast ausschließlich aus Gesprächen besteht.

Als literarische Gattung ist der Dialog ein mit verteilten Rollen mehreren Sprechern zugewiesener Text. Der Dialog wird von Platon als Form philosophischer Erörterung genutzt, die vorführt, wie über bloßes Meinen hinaus zur Erkenntnis zu gelangen ist. Im Dialog treffen verschiedene Ansichten aufeinander. Die Teilnehmer versuchen ihre Ansichten den anderen mitzuteilen, um so Einsichten zu gewinnen, die einer einzelnen Person verwehrt blieben.

Als Textform dient der Dialog so einer besonders lebendigen Darstellung, kann ein Thema besser als ein einheitlicher Text von verschiedenen Seiten beleuchten und gegebenenfalls auch dazu dienen, die persönliche Meinung des Autors zu verstecken, etwa zum persönlichen Schutz und zur Vermeidung der Zensur (so bei David Hume in seinen Dialogen über natürliche Religion) oder aus prinzipiellem Misstrauen gegen die einheitliche Form schriftlicher Texte (so, nach manchen Interpreten, Platon).

Dialog der Religionen

Zweck des religiösen Dialoges ist u.a. das Kennenlernen, die Auseinandersetzung und das Zusammentreffen verschiedener Glaubenssysteme mit dem Ziel der Behebung von Vorurteilen, dem Anknüpfen von Beziehungen und den Gespräch über vermutete oder tatsächliche Unterschiede. Man unterscheidet:

Dialog nach David Bohm

David Bohm war zunächst Physiker, der eine Reihe signifikanter Beiträge zur Physik geliefert hat. In seiner letzten Lebensphase wandte er sich zunehmend Fragen nach dem Bewusstsein des Menschen und der Natur zwischenmenschlicher Verständigung zu. In intensivem Austausch mit seinem Zeitgenossen Jiddu Krishnamurti und Rückgriff auf den Religionsphilosophen Martin Buber entwickelte er seinen Ansatz des Dialogs. Für Bohm ist der Dialog geprägt von einer Vertiefung und Intensivierung der Gespräche, in der Gefühle, Wertungen, Vorannahmen, die das Denken und Handeln lenken sowie deren Erfahrungs- und Lebensgeschichte bewusst werden können. Daraus entsteht ein tieferes Verstehen der Dialogpartner und die Möglichkeit eigene Standpunkte und Haltungen zu verändern. Gerade bei sehr kontroversen Themen bietet sich dadurch die Chance über das bloße Gegeneinander oder Aneinander-vorbei-Reden hinauszugehen. Durch die Verbindung mit meditativen Ansätzen war für Bohm der Dialog jedoch nicht nur eine Form der Kommunikation, sondern ein Weg zu grundlegender Transformation - nicht nur von einzelnen Menschen, sondern auch von Gruppen.

Am amerikanischen MIT (Massachusetts Institute of Technology) wurde der Dialog nach Bohm von u. a. Peter Senge, Freeman Dhority und Peter Garrett weiterentwickelt und mit dem Ziel eine „lernende Organisation“ zu schaffen in Unternehmen und Organisationen angewandt. Das Dialog-Verfahren, in Form von Gruppengesprächen, die mit bestimmten Spielregeln geführt werden, wird etwa bei Veränderungsprozessen, strategischen Entscheidungen oder Führungsgesprächen eingesetzt. Mittlerweile wurde der Ansatz auch in politische und pädagogische Bereiche übertragen.

Zwiegespräch nach Michael Lukas Moeller

Michael Lukas Moeller hat zusammen mit Célia Maria Fatia eine Selbsthilfemethode für Paare ausgearbeitet, die sie „wesentliches Zwiegespräch“, später Dyalog (Dialog der Dyade) nannten. Das Zwiegespräch gründet auf psychoanalytischen Einsichten zur Paardynamik. Zuhören ohne Unterbrechung hilft, den anderen zu erfahren und zu verstehen. Gegenseitige Fantasien werden durch Wissen über den anderen ersetzt. Missverständnisse werden aufgelöst und Konflikte reduziert. Durch regelmäßige Zwiegespräche entsteht mehr Nähe und Vertrauen, die das Paar entwicklungsfähig machen. Die Dyade kann aus Mann und Frau, zwei Freunden oder Freundinnen, Mutter oder Vater und Kind oder zwei Arbeitspartnern bestehen. Das Zwiegespräch zwischen M.L. Moeller und Hans-Joachim Maaz über das Leben in Ost- und Westdeutschland wurde in „Die Einheit beginnt zu zweit. Ein deutsch-deutsches Zwiegespräch“ veröffentlicht.

Siehe auch

Literatur

  • Bohm, David: Der Dialog. Stuttgart 1998
  • Eskin, Michael: Ethics and dialogue: in the works of Levinas, Bakhtin, Mandelshtam, and Celan, Oxford University Press 2000
  • Holquist, Michael: Dialogism. Bakhtin and His World, Second Edition, Routledge 2002
  • Hartkemeyer, Martina; Hartkemeyer, Johannes; Dhority, Freeman: Miteinander Denken - Das Geheimnis des Dialogs. Stuttgart 2002
  • Ehmer, Susanne: Dialog in Organisationen, Praxis und Nutzen in der Organisationsentwicklung, Universität Kassel, 2004
  • Hartkemeyer, Martina; Hartkemeyer, Johannes: Die Kunst des Dialogs − Kreative Kommunikation entdecken. Erfahrungen − Anregungen − Übungen, Klett-Cotta; Auflage: 1 (August 2005)
  • Hösle, Vittorio: Der philosophische Dialog, München 2006
  • Moeller, Michael Lukas: Die Wahrheit beginnt zu zweit. Das Paar im Gespräch. Rowohlt Taschenbuch, Reinbek

Weblinks


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