- Ölöten
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Die Oiraten waren ein zu Zeiten Dschingis Khans westmongolischer Stamm, der als Stammeskonföderation vom 15. und zum 18. Jahrhundert weite Teile Zentralasiens kontrollierte. Sie löste sich schließlich auf und wurde zum größeren Teil von den Chinesen, zum kleineren Teil von den Russen entmachtet. Untergruppen der Oiraten waren die Dsungaren, Dürbeten, Torguten und Choschuten. Der nach Westen abgewanderte Teil wird heute als Kalmücken bezeichnet. Gelegentlich wechselt die Schreibweise des Wortes Oiraten zu "Oiroten".[1]
Inhaltsverzeichnis
Anfänge
Die Oiraten waren ein Stamm, der um 1200 am oberen Jenissej von Jagd und Weidewirtschaft lebte. Bei der Bildung der Mongolei 1206 unterwarf sich ein einstiger Verbündeter des Jamukha Gurkhan, der Oirate Hutuha Beki, dem Dschingis Khan und half diesem in mehreren Kämpfen und Verhandlungen bei der Befriedung der Wald- und Hirtenvölker in der Taiga bis hin zum Irtysch (1207-1208). Dschinghis Khan verheiratete zum Dank zwei Prinzessinnen mit zwei Söhnen Hutuhas, darunter seine Tochter Kökögän. Hutuhas Herrschaftsgebiet wurde zwar Jochi, Dschingis Khans Sohn unterstellt, konnte aber seine Eigenständigkeit halten.
In der Folge hatten die Oiratenfürsten aufgrund der Heiratsbeziehungen einen besonderen Status unter den "Mongolen", den sie nur mit einem Dutzend Familien teilten. Trotzdem blieben auch die Oiraten von der mongolischen Heeresorganisation (vergleiche dort) nicht verschont, um 1337/38 vermerkt man zum Beispiel einen oiratischen Truppenteil im Iran, der schon fast hundert Jahre vorher dorthin gekommen war.
Kampf um die Vormachtstellung in der Mongolei
Um 1400 lebten die Oiraten bereits als Pferdezüchter am Altai. Nach dem Abzug der Mongolen aus China (Ende der Yuan-Dynastie 1368) übernahmen die Oiraten in schwer zu entwirrenden Konflikten (u.a. Tod des Mongolen-Khans Elbeg) kurz nach 1400 eine führende Rolle in der Mongolei. So setzte der Oiratenführer Batula (auch: Mahamu) beispielsweise den Khan Delbeg (reg. 1411-1414/15) in sein Amt ein. Batulas Machtentfaltung war aber dem Ming-Kaiser Yung-lo ein Dorn im Auge, so dass er 1414 gegen ihn zu Felde zog. Batula (Mahamu) floh zur Tula, wo er getötet wurde.
Den Aufstieg der Oiraten erschütterte das nur kurz. Sein Sohn Toghan und dessen Sohn Esen Taiji behaupteten einen Einflussbereich vom Ili (wo man mehrmals erfolgreich gegen die Tschagatai-Khane zu Felde zog) bis an die Grenze Chinas. Bei den Dschingisiden verblieb kaum mehr als die nominelle Herrschaft über die Mongolei und schon Toghan Taiji soll versucht haben, sich kurz vor seinem Tod 1439 selbst zum Khan zu machen.
Im Jahr 1449 gelang Esen Taiji die Gefangennahme des Ming-Kaisers Zhengtong nach einem Sieg bei Tumu (Tumukrise). Er konnte seinen Erfolg aber nicht weiter ausnutzen und musste sich mit einem Lösegeld begnügen. Danach forderte Esen Taiji den nominellen Mongolen-Khan Toyto Bugha (seinen Schwager, reg. 1439-1452) auf, seine Nachfolge zugunsten der Oiraten zu regeln. Der weigerte sich, bezahlte aber schließlich den Stammeskrieg mit seinem Leben, so dass sich Esen Taiji (obwohl kein Dschingiside) nun selbst zum Khan machte. Aber schon 1455 beseitigten ihn die Oiraten in einer inneren Auseinandersetzung.
Esen Taijis Nachfolger war gemäß dem Tarik-i-Rashidi sein Sohn Amasandji. Aber die Oiraten scheinen zur dieser Zeit trotz äußerer Erfolge (großer Sieg über die Usbeken 1456/57, ein weiterer über den Tschagatei-Khan Yunus) den familiären beziehungsweise den inneren Zusammenhalt verloren zu haben. Jedenfalls siegten ca. 1468 unerwartet die Vertreter der nominellen Khane (vgl. Manduchai) und die Oiraten zogen unter verschiedenen Anführern in mehrere Richtungen auseinander. Unter Batu-Möngke Dayan Khan (reg. ca. 1470-1524) erneuerte sich dann die Dschingisiden-Herrschaft.
Aufspaltung und Abzug
Eine Reihe von Niederlagen gegen die Mongolenfürsten (Altan Khan von den Tümed 1552 ff., Abdai Khan von den Khalka 1577 ff.) stellte die Oiratenstämme Ende des 16. Jh. vor die Alternative der Unterwerfung oder Abwanderung. Viele ihrer Anführer lebten zu dieser Zeit am Irtysch verstreut, und ca. 1603 durchstreiften ihre Spähtruppes bereits das Land bis zum Khanat Chiwa am Aral-See. Interne Streitigkeiten bei den Mongolen-Fürsten gaben den Oiraten im frühen 17. Jh. zwar noch einmal Luft und sie konnten sich 1606, 1623 und 1628/9 siegreich gegen die Khalka behaupten. Aber die Abwanderung war unumkehrbar geworden. Das hatte verheerende Auswirkungen auf die innerasiatischen Steppen, die bald von häufigen Kämpfen erschüttert wurden, bis die Reste der Oiraten Mitte des 18. Jh. von den Chinesen und (in geringerem Maße) von den Russen besiegt und angeschlossen wurden.
Die Oiraten gliederten sich traditionell in vier Untergruppen: Dürbeten (Dörböd), Dsungaren (Jüün Ghar[2]), Choschuten (Khoshuud) und Torguten (Torghuud). Mitunter werden noch die von den Dörböd abhängigen Khoit erwähnt. Die Fürsten der vier Gruppen beriefen sich zum Teil auf eine unterschiedliche Herkunft. Zwar waren die Anführer der Jüün Ghar, Dörböd und Khoit alle verwandt und ihr Clanname war Khoros, aber die Führer der Khoshuud beriefen sich auf die Abstammung von Jochi Qasar, einem Bruder Dschingis Khans und die Torghuud-Führer sogar auf die alten Kerait-Khane.
- Die Torguten zogen unter Khu Urluk (1616-1643) Anfang des 16. Jahrhunderts durch ganz Zentralasien bis hin zur Wolgamündung, und verschoben eine Zeitlang das Machtgleichgewicht in Osteuropa. Erst 1771 zog ein Teil wieder zurück ins Iligebiet. Die Torguten, vor allem die, die damals an der Wolgamündung zurückblieben, sind besser unter dem Namen Kalmücken ("Rest") bekannt.[3]
- Ihnen folgten die Dürbeten unter Dalay (gest. 1637), Dayan Ombo u.a., und ebenso eine eigenständige Choschuten-Gruppe unter Khundelen (gest. 1648) und seinem Neffen Ablay (gest. 1672). Sie wird in Sibirien bzw. am Ural vermerkt und agierte dort wiederholt mit den Dürbeten gegen die Torguten und andere Nachbarn.
- Die Choschuten machten sich unter Guschri Khan († 1655/56) hauptsächlich als Verbündete der Gelben Kirche in Tibet breit, bis sie diese Machtstellung 1717 wieder verloren und 1723 an China angeschlossen wurden.
Um 1615 nahmen die Oiraten den tibetischen Buddhismus an, so dass selbst die Torguten-Aristokratie im Westen buddhistisch wurde und ihre Söhne in Klöster bzw. bis nach Tibet schickte. Zum Beispiel pilgerte der Torguten-Prinz Daichin zweimal nach Tibet. Auch studierte Zaya Pandita (1599-1662), ein Adoptivsohn des Choschuten-Taijis Baibagas ab 1616 in Tibet und verbreitete nach seiner Rückkehr 1639 durch seine Reisen den Buddhismus unter den Stämmen.
Der Dschungarenstaat
Die Oiraten-Allianz machte mehrere Versuche, den inneren Frieden zu wahren. So beriefen die Fürsten 1616/7 und 1640 große Versammlungen ein, beschlossen ein gemeinsames Vorgehen gegen die Khalka oder erließen Verordnungen, erreichten aber keine bleibende Zusammenarbeit unter den beteiligten Stämmen. Zum Beispiel brach 1625 unter den Oiraten ein Stammeskonflikt aus: ihr nominelles Oberhaupt Baibagas (gest. ca.1630), der Tayishi der Choschuten wurde von seinem Bruder Chokur besiegt. Die anderen Führer suchten im Interesse der Einheit zunächst zu vermitteln, vernichteten aber schließlich Chokurs Gruppe am Ural-Fluss (1630).
Die innen- und außenpolitischen Umstände führten 1640 im Treffen am Imil-Fluss zu einer Neuformierung: Khungtaidschi Batur gründete einen neuen Oiratenstaat und führte seine Horde 1643 in das Ili-Gebiet (Siebenstromland). Diese Oiratengruppe wurde fortan auch als Dsungaren (von Jüün Ghar) bezeichnet und beanspruchte damals die Oberhoheit über die anderen Gruppen. Sein Sohn Galdan besetzte Kaschgarien und wandte dann seine Aufmerksamkeit auf die innermongolischen Gebiete und ihre Oberherren, die Qing-Dynastie. Hier scheiterte er. Im Jahr 1696 blieben die Truppen des Qing-Kaisers Kangxi (1661-1722) an der Tula bei Zuunmod siegreich, Galdans Frau fiel und der Khan beging wohl Selbstmord.
Die Oiratenzeit war aber noch nicht zu Ende. Galdans verfeindeter Neffe Tsewangrabtan kam an die Macht, hielt mit China zunächst Frieden und griff stattdessen ab 1698 die Kasachen unter Tauke an. Im Jahr 1717 erschien Tsewangrabtans Armee in Lhasa (Tibet), wo er den Regenten Lhabzang von den Choschuten tötete. Dies löste 1720 einen siegreichen Einmarsch der Qing-Armee in Tibet aus. Eine weitere Qing-Armee marschierte gegen die Dsungarei und siegte bei Ürümqi (1720), so dass Tsewangrabtan 1724 Frieden schließen musste. Die Dsungaren blieben aber 1720 gegen die besser bewaffneten Russen bei Zaisan erfolgreich.
Tsewangrabtan konzentrierte sich hauptsächlich auf die Nachbarn im Westen. Die Kasachen hatten besonders darunter zu leiden. Mit der Niederlage der Kasachen 1718 am Fluss Ajagus (am Balchaschsee) beginnt dort die Zeit des "Großen Unglücks". Aber auch seine Beziehungen zu den Torghuten des Khan Ayuki (reg. 1670-1724) waren nicht die besten - dort endete eine politische Heirat im Konflikt.
Unter Tsewangrabtans Sohn Galdan Tsereng (1727-1745) setzte sich dessen Politik fort. Danach kam es zu inneren Streitigkeiten und schließlich brachte die Vernichtung des Dsungarenreiches 1754-1759 durch die Qing-Dynastie Ruhe. Und zwar hatten die Chinesen den Khoit-Fürsten Amarsanaa eingesetzt, aber der wandte sich mit Unterstützung sämtlicher Stämme gegen sie, wurde besiegt und starb im Exil in Tobolsk. Dabei bzw. danach richteten die Chinesen zur Verhinderung neuer Aufstände ein Massaker unter den Dshungaren an, die Opferzahlen liegen im sechsstelligen Bereich (1757/8). Das Ili-Gebiet beziehungsweise das ganze heutige Sinkiang gehört seitdem zu China. Der Begriff Dsungaren (d.h. linker Flügel) wurde künftig von der chinesischen Historienschreibung in Ölöten bzw. Olöten geändert beziehungsweise seine Benutzung verboten. Auch in Europa verwendete man die chinesische Bezeichnung für das Dschungarenreich.[4]
Noch heute existieren verstreute oiratische Ethnien und unterschiedliche Dialekte einer "oiratischen" Sprache. Von den Sprechern leben über 200.000 in der westlichen Mongolei, 210.000 in China und 140.000 in der Kalmückischen Republik.[5]
Oiratenfürsten
- Hutuha Beki um 1200/08
- Qada, Töyirälci u.a.
- ...
- Batula oder auch: Mahamu ca. 1399-1415/16
- Toghan Taiji 1415/16-1439/40
- Esen Taiji 1439/40-1455
- Amasandji bzw. Usi-Temur 1456-af.1469
- Arkhan Taishi af.1469-1487
- Usi-Temur Hamag Taishi 1487-1502
Jüün Ghar bzw. Dsungaren:
- Khara-Khula 1619-1634
- Khungtaidschi Batur 1634-1653
- Sengge 1653-1671
- Setschen 1671-1676
- Khungtaidschi Galdan 1671/76-1697
- Tsewangrabtan 1697-1727
- Galdan Tsereng 1727-1745
- Tsewang Dordschi Namdschar 1745-1750
- Lama Dardscha 1750-52, und seine Rivalen Dawachi 1752-55 und Amarsanaa 1755-57
Khoshuud bzw. Qoshoten in Tibet:
- Guschri Khan 1634-1653
- Dayan Otschir Khan 1656-1668
- Dalai Khan 1668-1697
- Latsang Khan 1700-1717
Torghuud bzw. Kalmücken an der Wolga:
- Khu Urluk 1616-1643
- Daichin (ca. 1661 abgedankt) und Louzang (gest. 1659)
- Puntsuk
- Ayuki 1669-1724
- ...
- Ubashi 1761-1771/5
Siehe auch
- Haplogruppe (DNA) Abschnitt: C3*
Literatur
- Qôijûngjabû (确精扎布 Quejingzhabu) u.a. (Hrsg.): Ôirad ayalgû û uge helelge yin materiyal (卫拉特方言话语材料 Weilate fangyan huayu cailiao) [= Sprachmaterial des Oiratischen Dialekts]. 内蒙古人民出版社 Nei Menggu renmin chubanshe [= Volksverlag der Inneren Mongolei]. 呼和浩特 Hohhot 1986/1987 [zweisprachig Mongolisch-Chinesisch, Oiratisch in IPA].
- Michael Weiers (Hrsg.): Die Mongolen – Beiträge zu ihrer Geschichte. Darmstadt 1986.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Mit dem geschichtlichen Begriff wurde zudem sowjetamtlich ein Teil der Einwohner des russischen Altai bezeichnet (1939: 47717 Menschen, Hauptort Gorno-Altaisk).
- ↑ Der Begriff Jüün Ghar, d.h. "linker Flügel" soll zunächst im 17. Jh. für alle Oiratenstämme gegolten haben und sich später auf den Stamm der Khoros bzw. Ölöt beschränkt haben. Vgl. R. Grousset: Empire of the Steppes, S. 520; M. Weiers: Geschichte der Mongolen, S. 185, 210.
- ↑ Der Begriff wurde bereits seit dem 14. Jahrhundert von islamischen Historikern für die Oiraten verwendet und später von den Russen für an der Wolga siedelnde Splittergruppen der Oiraten übernommen. Vgl. M. Weiers: Geschichte der Mongolen, S. 165, 185.
- ↑ Siehe G. W. Leibniz: Der Briefwechsel mit den Jesuiten in China, S. 464/5.
- ↑ J. O. Svantesson, A. Tsendina u.a.: The Phonology of Mongolian, S. 147-49.
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