Überhöhische Dörfer

Überhöhische Dörfer
Bärstadt
Gemeinde Schlangenbad
Koordinaten: 50° 6′ N, 8° 4′ O50.10258.0733333333333410Koordinaten: 50° 6′ 9″ N, 8° 4′ 24″ O
Höhe: 410 m ü. NN
Fläche: 8,43 km²
Einwohner: 1411 (2008)
Eingemeindung: 1. Juli 1972
Postleitzahl: 65388
Vorwahl: 06129
Blick auf den Ort

Bärstadt ist der zweitgrößter Ortsteil der Gemeinde Schlangenbad, die zu den kommunalen Staatsbädern in Hessen zählt.

Inhaltsverzeichnis

Geographische Lage

Bärstadt liegt im Westen eines drei Kilometer langen und bis zu einem Kilometer breiten Talkessels nahe den Kurbädern Schlangenbad und Bad Schwalbach. Die Gemarkung liegt in einer Höhenlage von 375 Meter NN bis 530 Meter NN direkt nördlich des Taunushauptkamms. Umgeben von Feldern und Wiesen, schützen die umliegenden bewaldeten Höhen das Dorf vor dem Eindringen der nasskalten Witterung aus Nord und West. Im Kessel, der sich nach Südosten öffnet, sammelt sich die hier entspringende Walluf und fließt als Bach, gespeist von vielen kleinen Gewässern, durch den Nachbarort Wambach weiter zum Rhein. Die Walluf-Quelle ist die wichtigste der vielen örtlichen Wasservorkommen und dient der Wasserversorgung des Ortes.

Wappen

Herkunft des Namens und Bärstadter Wappen

Bärstadt hieß 1194 - 1198 Berstad, 1240 Berrestat, 1315 Berstat vor der Ho, 1489 Berstatt, 1531 Berstat vor der Höhe, 1694 Berstatt.

Im Dialekt sprechen die Alteingesessenen von Baarsched.

Seit dem 16. Jahrhundert zeigt das Gerichtssiegel und die späteren Gemeindesiegel einen Bären, den Bärstadt jetzt auch im Ortswappen führt. Dennoch hat der Name des Ortes höchstwahrscheinlich nichts mit einem Bär zu tun, sondern ist eher von einem Personennamen, etwa Bero oder Berht abzuleiten.

Geschichte

Geschichtstafel in der alten Schule 1955

Frühe Geschichte

Bärstadt wird zum ersten Mal 1194 urkundlich erwähnt, allerdings war es zu dieser Zeit schon Hauptort eines ausgedehnten Kirchspiels. Die Martinskirche wurde bereits im 6. bis 8. Jahrhundert erbaut (sieh Abschnitt Kirche und ihre Geschichte). Für die Historiker weisen der Ortsname, die Martinskirche und die Stellung im Kirchspiel auf ein Alter des Dorfes von weit über 1000 Jahren hin. Die Dorfgründung fällt vermutlich in die Zeit der frühen fränkischen Könige. Der Quellenreichtum und die geschützte Lage lassen eine keltische Urbesiedlung nicht abwegig erscheinen.

Hauptort der Überhöhischen Dörfer

Bärstadt gehörte mit dem Rheingau zu Kurmainz und war nach einer Grenzbeschreibung des Rheingauer Weistums von 1324 Hauptort der 15 überhöhischen Dörfer im Einrich (Einrichsgau). Diese 15 Orte waren: Langenschwalbach (heute Bad Schwalbach) und seine heutigen Stadtteile Heimbach, Lindschied, Ramschied, Langenseifen, Fischbach und Hettenhain, ferner die heute zu Schlangenbad gehörenden Orte Niedergladbach, Obergladbach, Hausen vor der Höhe, Bärstadt als Hauptort und Wambach. Neben diesen 12 Ortschaften zählten noch die vor 1585 ausgegangenen Dörfer Fortelbach, Selhain und Mittelgladbach dazu.

Somit ist das Gebiet der überhöhischen Dörfer fast deckungsgleich mit dem Gebietsstand der Stadt Bad Schwalbach und der Gemeinde Schlangenbad nach dem Abschluss der Gebietsreform in Hessen am 1. Januar 1977. Lediglich der Bad Schwalbacher Stadtteil Adolfseck und Schlangenbad-Georgenborn gehörten nicht zu den 15 Dörfern.

Der Bärstadter Schultheiß war für diese Dörfer zuständig, insbesondere zur Überwachung der Frondienste und der Abgaben an wechselnde Adelsgeschlechter. Auch die Gerichtsbarkeit für alle Orte wurde in Bärstadt ausgeübt. Hier wurde Gericht gehalten, ein Gefängnis und ein Galgen unterhalten und auch öffentliche Versammlungen (Germanisch: Thing, später dingliche Tage) fanden in Bärstadt statt. Der Gerichtsplatz und das Gefängnis befanden sich direkt an der Kirche.

Aus allen 15 Dörfern kamen die Bewohner zu Fuß zur hiesigen Kirche und wurden auch hier begraben. Noch heute sind die alten Kirchenpfade, die stets den direkten und kürzesten Weg nahmen, zu finden.

Durch den Bau des Rheingauer Gebücks im 12. Jahrhundert, das die Sonderrechte der Rheingauer schützen sollte, wurden die ärmeren 15 Dörfer ausgegrenzt. Das Gebück verlief nahe dem heutigen Schlangenbad und der Bärstadter Dreispitz weiter auf dem Höhenzug Richtung Hausen und Obergladbach. Damals war ein Wachturm des Rheingaues von Bärstadt aus zu sehen. Diese Anlage mit Wall und Graben ist heute noch deutlich erkennbar.

Kurmainzische Gerichtsbarkeit

Durch die Abgrenzung zum Rheingau gewann die Grafschaft Katzenelnbogen die Vormachtstellung über den Einrich. Die Gerichtsbarkeit allerdings verblieb bei den Mainzer Kurfürsten. Dies änderte sich auch nicht, als durch das Aussterben derer von Katzenelnbogen (1479) die 15 Dörfer an den Landgraf von Hessen, Heinrich III. fielen.

An einem „dinglichen Tag“ am 21. April 1489 in Bärstadt vor der Kirche mussten die Männer der 15 Dörfer unter Eid die Vorrechte des Erzstifts Mainz auf Rechtsprechung anerkennen, die Abhängigkeitsverhältnisse zu Hessen wurden hierbei nicht angetastet. Auch mit diesem Umstand verbundene Naturalabgaben der Überhöhischen an Mainz wurden an diesem Tag geregelt. Die Ergebnisse dieses Tages wurden im „Bärstadter Weistum“ fixiert.

1719 widersetzten sich Bärstadter mit Gewalt dem Bau einer Zehntscheuer, wo sie ihren Anteil an der Ernte abliefern sollten. Auch die Erneuerung des Galgens wussten die Bärstadter zu verhindern.

Der Galgen in Bärstadt stand auf dem Galgenkopf an der alten hohen Straße. Der letzte Delinquent, der dort 1727 gehängt wurde, war ein Dieb. 1728 sollte das Holzgestell, das baufällig geworden war, durch ein Bauwerk aus Stein ersetzt werden. Da in Bärstadt allerdings hessische (und seit 1527 evangelische) Geschlechter regierten und nur die Gerichtsbarkeit von Kurmainz ausgeübt wurde, untersagten diese hessischen Herrschaften die „Baugenehmigung“ für ein Fundament. Kurmainz hielt aber an der Gerichtsbarkeit fest, bis Bärstadt und der Rheingau 1806 (endgültig 1816) an das Herzogtum Nassau übergingen und alle diesbezüglichen Einrichtungen nach Langenschwalbach (Bad Schwalbach) verlegt wurden. Auch durch die Überlassung der warmen Quellen an das aufstrebende "Fürstenbad" Schlangenbad und durch die Entwicklung des Bäderwesens allgemein verlor Bärstadt im 18. Jhh. seine Funktion als lokales Zentrum.

Kirche und ihre Geschichte

Martinskirche in Bärstadt

Für die Gründung Bärstadts durch fränkischen Könige spricht der Namensteil “stadt” und die Lage des Ortes an der früheren Hohen Straße (Bäderstraße), die heute in einigem Abstand an Bärstadt vorbeiführt, früher jedoch durch den Ort ging. Außerdem spricht für dieses Alter der Name der Kirche: Martinskirche. Die fränkischen Könige im 6. Jh. pflegten entlang der großen Verkehrswege Orte zu gründen, von denen aus sie auf Reisen das Reich verwalteten. Ihr beliebtester Namenspatron für die jeweils zugehörigen Kirchen war St. Martin.

Bärstadt war lange Zeit das Zentrum eines ausgedehnten Kirchspiels, zu dem insgesamt 15 Dörfer gehörten, darunter bis ins 13. Jhh. auch das heutige Bad Schwalbach, und bis Ende des 19. Jahrhunderts Schlangenbad. Zur heutigen Kirchengemeinde zählen neben Bärstadt (650 Gemeindeglieder) die Außenorte Hausen v. d. H. (327), Fischbach (188 - mit eigener Kapelle aus dem Jahre 1955) und Langenseifen (272). (Gesamt: 1437 Kirchengemeindeglieder im Frühjahr 1997). Heute gehört die Kirchengemeinde Bärstadt zum Dekanat Bad Schwalbach, das sich von Hohenstein und Taunusstein im Taunus bis nach Rüdesheim am Rhein erstreckt.

Man vermutet, dass an der Stelle der Martinskirche seit 14 Jahrhunderten Kirchen standen. Im Turm und in den Grundmauern gibt es romanische Bauteile. Außerdem wurden bei Ausschachtungsarbeiten Bodenplatten eines Vorgängerbaus gefunden, die um 1250 hergestellt wurden.1996 wurden sie in der Nähe des Taufsteins in den heutigen Boden eingesetzt. Die älteste Glocke wurde zwischen 1200 und 1250 gegossen. Wenn in Bärstadt die Glocken läuten, dann erklingt eine der ältesten Glocken, die in Europa noch ihren Dienst versehen. Der Kirchenbau, wie er heute steht, stammt erst aus den Jahren 1709-1717. Er steht in einem kleinen Park, der bis ins 18. Jahrhundert Kirchhof war, woran noch einige alte Grabsteine erinnern. Wenn man über das Gelände geht, ahnt man, dass es sich um eine alte Klosteranlage handelt. Tatsächlich wurden bei Bauarbeiten in der angrenzenden Hauptstraße Reste einer alten Klostermauer gefunden.

Im Kirchenraum fällt als erstes die Orgel ins Auge. Sie ist 230 Jahre alt und stammt von der Orgelbaufamilie Stumm im Hunsrück und stellt mit ihren zwei Manualen und ihren 24 Registern, von denen sechs Zungenregister sind, unter den Dorfkirchenorgeln eine Besonderheit dar. Sie gilt als die wertvollste Denkmalsorgel in Südnassau und wird von vielen Organisten aus ganz Deutschland gerne gespielt.

Unter der Orgel befindet sich die Kanzel. Daraus kann man ersehen, dass die Kirchengemeinde Bärstadt ursprünglich rein calvinistisch geprägt war. In der reformierten Theologie, die auf Johannes Calvin zurückgeht, steht das Wort, die Predigt im Mittelpunkt, deshalb musste auch die Kanzel im Zentrum sein. In lutherischen Kirchen dagegen sieht man die Kanzel in der Regel auf der Seite - weil der Gottesdienst ja noch mehr Sinne ansprechen soll, als nur den Kopf. Heute ist die Kirchengemeinde Bärstadts als Teil der unierten Landeskirche in Hessen und Nassau von beiden Traditionen geprägt.

Im Kirchenschiff befindet sich ein spätgotischer Taufstein, der ungefähr aus der gleichen Zeit stammen dürfte, wie die beiden jüngeren Glocken, die im Jahr 1468 von dem Glockengießer Paulus zu Uedersdorf zu Andernach gegossen wurden. Der Taufstein bildet zusammen mit einem Rokoko-Kruzifix aus der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts und der Osterkerze einen eigenen Schwerpunkt: Tod und Auferstehung werden seit vielen Jahrhunderten an dieser Stelle in der Taufe vergegenwärtigt.

Auf dem Gelände steht außerdem das Pfarrhaus, das seine heutige Gestalt in den 80-er Jahren des 18. Jahrhunderts erhalten hat, sowie das Gemeindehaus, das 1991 mit viel Stilgefühl in das bestehende Gebäudeensemble eingefügt wurde.

Jüngste Geschichte

Bärstadt war bis in die 50er Jahre des vorigen Jahrhunderts ein rein landwirtschaftlicher Standort mit einem hohen Maß an Selbstständigkeit. Alte Höfe im Ortskern, teils Fachwerkhäuser mit leer stehenden Wirtschaftsgebäuden, belegen diese landwirtschaftliche Ausrichtung noch heute. Ausdruck dörflicher Lebensform war vor allem die feste Einbindung des Einzelnen in die Gemeinschaft, die heute im Vereinsleben (zehn Vereine) wieder gesucht wird.

"Wirtschaftlichere" Angebote (Arbeitsplätze in der Industrie und Verwaltung) und eine nicht dem Erzeuger angemessene Preispolitik ließen der herkömmlichen Landwirtschaft und damit dem alten Dorfleben keine Chance. Handwerker und eine kleine Kartonagenfabrik haben als Familienbetriebe Leute aus dem Dorf eingestellt und so wenigstens die Beschäftigung vor Ort ermöglicht.

Die einsetzende Mobilisierung und die Trennung von Wohn- und Arbeitsort führten dann zu weiteren Veränderungen im Dorfleben. Die Entscheidung für den Individualverkehr, für Straßenbau und Bauplätze hatten Auswirkungen. Das nahe liegende Rhein-Maingebiet mit den großen Städten Wiesbaden, Mainz und Frankfurt wirkte wie ein Magnet. Neben dem alten Ortskern entstanden Neubau- und Wochenendgebiete. Im Laufe der Zeit ging ein guter Teil der Selbstversorgung und der Infrastruktur des Dorfes verloren. Ein Aussiedlerhof (Gerste, Heu und Pferde) und einige wenige Nebenerwerbslandwirte sind heute das, was von der Landwirtschaft übrig blieb.

Kultur und Sehenswürdigkeiten

Blick auf die Tanzlinde 2004

Tanzlinde in Bärstadt

Im Dorfmittelpunkt stand bis zum 3. September 1992 eine ca. 180 Jahre alte Linde, die an diesem Tage einem Sturm zum Opfer fiel.

Im Rahmen der Dorferneuerung wurde von der Dorfgemeinschaft 2003 eine neu gepflanzte Sommerlinde so geschnitten, dass in späteren Zeiten eine große Tanzlinde den Ortsmittelpunkt prägen wird. 2004 fand im Rahmen eines großen Festes die Einweihungsfeierlichkeiten statt. Der Baum soll die nachhaltige Denkweise in Generationen wieder beflügeln, denn seine volle Pracht werden erst die Kindeskinder erleben. Somit widerspricht er sichtbar der modernen Haltung, nur kurzfristig zu planen.

Im altfränkischen Raum, zu dem auch Bärstadt gehörte, wurde es Brauch, Linden durch Podeste aufzuwerten. Auf ihnen wurde getanzt und dann darunter Gericht gehalten. Im Umkreis von 30 km um Bärstadt stehen im Rheingau-Taunus noch Relikte großer Linden, wie die Blutlinde in Frauenstein und die Gerichtslinde in Geisenheim.

Freizeit- und Sportanlagen

  • Bolzplatz (mit 100 Meter-Laufbahn, Sprunggrube und Wurfkreis)
  • Soccerfield (Mini-Fußballfeld mit Bande)
  • Turnhalle (1 Segment)
  • Freizeitgelände Dreispitz (mit Grillmöglichkeiten)
  • Finnenbahn (850 Meter-Rundkurs)
  • Reitplatz

Film und Fernsehen

Die noch heute in Bärstadt wohnende Anne Voss, die in den späten siebziger Jahren die Kindersendung Löwenzahn erfand, ließ ihren Helden Peter Lustig seit 1980 in einem Bauwagen in Bärstadt leben. Durch die regelmäßige Erwähnung des Ortsnamens im ZDF erlangte die Stadt bundesweit Bekanntheit.
Einige Jahrzehnte zuvor, im Jahre 1954, war Bärstadt Drehort des Spielfilmes "Die Goldene Pest" mit Karlheinz Böhm. In dem Spielfilm geht es um einen deutschen Soldaten aus Dossental (= Bärstadt), der nach dem Krieg in die USA auswandert, seine Liebe in der Heimat jedoch nicht vergessen kann und nach einiger Zeit zurückkehrt [1].

Wirtschaft und Infrastruktur

Tourismus

Bärstadt liegt am Ostrand des Rheingaugebirges im Naturpark Rhein-Taunus und ist idealer Ausgangs- oder Endpunkt für Wanderungen. Ein Gasthaus in der Ortsmitte lädt zum Verweilen ein. Die Gemarkungsgrenzen führen durch Wald und Flur und die alten Kirchpfade warten auf neue Wanderer, welche die alten Strecken wiederentdecken wollen. Abseits stark frequentierter Wanderwege kann man von hier aus kilometerweit den Untertaunus durchwandern, ohne eine Asphaltspur zu sehen.

Verkehr

Bärstadt ist von Wiesbaden und aus dem Rhein-Main-Gebiet über die Bundesautobahn 66 und die Bundesstraße 260 (Bäderstraße) erreichbar. Hinter der Ortsumgehung von Schlangenbad zweigt in der Ortsdurchfahrt von Wambach die Landstraße nach Bärstadt ab (ca. 10 km ab A 66), die weiter nach Hausen vor der Höhe führt.

Einzelnachweise

  1. Filmportal: Die Goldene Pest

Weblinks


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