Übernational

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Supranationalität (von lateinisch supra, „über“, und natio, „Volk“ bzw. „Staat“) ist ein Begriff des Völkerrechts und der Politikwissenschaft, genauer der Lehre der internationalen Beziehungen. Er bedeutet eine Verlagerung von Zuständigkeiten von der nationalstaatlichen Ebene auf eine höher stehende Ebene. Die übergeordnete Organisation kann auch dann verbindliche Beschlüsse fassen, wenn nicht alle Mitglieder zustimmen. Das Gegenteil ist das Prinzip des Intergouvernementalismus: Es schreibt nur eine zwischenstaatliche Kooperation der Regierungen vor, ohne sie inhaltlich und räumlich zu vertiefen und zu institutionalisieren.

Inhaltsverzeichnis

Charakteristika

Der Gedanke supranationaler Entscheidungsprozesse ist nicht neu und findet sich bereits bei Philosophen, Juristen und Staatsmännern des 18. und 19. Jahrhunderts. Dennoch gelten Robert Schuman und Jean Monnet als Väter der supranationalen Integrationstheorie.

  • Autonome Rechtsordnung – Der Begriff supranational wurde in Hinsicht auf die Europäische Gemeinschaft geprägt. Von herkömmlichen völkerrechtlichen internationalen (lat. „zwischenstaatlich“) Zusammenschlüssen von Staaten (z. B. WTO oder UNO) unterscheidet sich eine supranationale Organisation durch seine autonome Rechtsordnung. Trotzdem unterscheiden sich supranationale Organisationen grundlegend von Staaten. Sie haben keine originäre Hoheitsgewalt (Kompetenz-Kompetenz), ihre Kompetenzen beruht stattdessen auf der Übertragung von Souveränitätsrechten durch die Mitgliedstaaten (sog. „derivative“ oder „abgeleitete“ Hoheitsgewalt).
  • Vorrang des supranationalen Rechts – Kennzeichnend für supranationale Organisationen ist vor allem die Fähigkeit, Rechtsakte zu erlassen, die unmittelbar Rechtswirkungen für natürliche und juristische Personen in den Mitgliedstaaten entfalten. Dabei kommt den supranationalen Normen nach herrschender Meinung Anwendungsvorrang vor dem nationalen Recht zu. Anders als das Völkerrecht kann das supranationale Recht auch gegen die Mitgliedstaaten, die ihre Vertragspflichten verletzen, gerichtlich sanktioniert und durchgesetzt werden (z. B. durch Klage vor dem Europäischen Gerichtshof). Dank der unmittelbaren Wirkung des supranationalen Rechts kann auch jede natürliche und juristische Person Schadenersatz verlangen. Schadenersatz im Rahmen der Staatshaftung vor den Gerichten der Mitgliedsstaaten kann vor allem erlangt werden, wenn Richtlinien nicht oder nicht rechtzeitig umgesetzt wurden. Dies nämlich dann, wenn die Richtlinie nicht unmittelbar anwendbar ist (keine objektive Anwendbarkeit, Eingriff in Rechte Dritter).

Daneben verbleiben aber auch in der EU intergouvernementale Institutionen wie der Europäische Rat und Bereiche wie die Außenpolitik und die sogenannte Polizeiliche und Justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen (PJZS), in denen lediglich eine internationale Zusammenarbeit erfolgt.

Beispiele supranationaler Organisationen

Beispiele für supranationale Organisationen sind die Europäische Gemeinschaft und Euratom als Teil der Europäischen Union, sowie die Andengemeinschaft und der Gemeinsame Markt Südamerikas. Das älteste Beispiel, die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (Montanunion) bestand bis 2002, da ihre Existenz vertraglich auf 50 Jahre beschränkt war.

Supranationale Organisationen zeichnen sich durch eine ausgeprägte und ausbalancierte Organstruktur, sowie durch eine enge rechtliche Bindung zwischen ihren Mitgliedstaaten aus. Integrationssysteme wie NAFTA und DR-CAFTA, die vielmehr auf Verhandlungen und Flexibilität in ihren Vereinbarungen setzen, lehnen das supranationale Integrationsmodell ausdrücklich ab und ziehen das intergouvernementale vor.

Siehe auch

Literatur

  • Michael Schweitzer: Staatsrecht III. Staatsrecht, Völkerrecht, Europarecht. 8. Auflage. Heidelberg 2004, ISBN 3-8114-9024-9, Rn 271 und 691.
  • Fischer/Köck/Karollus: Europarecht. 4. Auflage. Linde, Wien 2002, ISBN 3-7073-0047-1, Rz 890 und 1281 ff.
  • Guido Thiemeyer: Supranationalität als Novum in der Geschichte der internationalen Politik der fünfziger Jahre. In: Journal of European Integration History, Vol. 4 (1998), S. 5–21.

Weblinks


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