Δ-Motor

Δ-Motor
Eine durch Napier Deltic-Motoren angetriebene Class 55-Lokomotive der British Rail aus dem Eisenbahnmuseum von York (GB)

Napier Deltic (der vom griechischen Buchstaben Delta abgeleitet ist) ist ein unkonventioneller Typ eines sehr leistungsstarken (über 3.000 PS) und kompakten Dieselmotors, der um 1950 in der britischen Motorenfabrik Napier & Son entwickelt wurden. Aufgrund seiner exotischen Konstruktion und Stärke wurde der Typ gelegentlich als „King of all Diesel Engines“ bezeichnet. Sie beruhte auf dem von Hugo Junkers entwickelten Gegenkolbenmotor.

Inhaltsverzeichnis

Vorgeschichte und Entwicklung der Motoren

Bewegte Prinzipskizze eines Deltic-Motors. Die Frischluft ist grün, und die Abgase sind violett dargestellt. Beachtenswert ist, dass die untere Kurbelwelle in die entgegen gesetzte Richtung von den anderen beiden dreht, und dass die Kraftstoffeinspritzung zu einem Zeitpunkt erfolgt, an dem die beiden Kolben nicht gleich weit in der Bohrung stehen.

Die Geschichte der Deltic-Motoren begann im Jahr 1944 mit einem Auftrag der britischen Marine an Napier, einen leistungsstarken Dieselmotor für den Einsatz in Schnellbooten und anderen schnellen, kleinen Einheiten zu entwickeln.

Die bisher von der Royal Navy in solchen Fällen verwendeten Benzinmotoren machten wegen der vom Treibstoff ausgehenden Brandgefahr die Boote, in denen sie eingebaut waren, sehr verwundbar, was einen deutlichen Nachteil gegenüber den dieselgetriebenen Schnellbooten der deutschen Kriegsmarine darstellte. Diesel hat einen wesentlich höheren Flammpunkt als Benzin und ist nicht so leicht flüchtig, was bei Beschußschäden in einer Gefechtssituation für die Besatzung den Unterschied zwischen Leben und Tod bedeuten kann.

Bis zu diesem Zeitpunkt waren für Dieselmotoren allerdings normalerweise ein hohes Leistungsgewicht und geringe erzielbare Geschwindigkeiten typisch, was für den Einsatz in leichten, schnellen Einheiten keine guten Voraussetzungen darstellte. Die Firma Napier war insofern ein guter Adressat für den Auftrag der Marine, als sie vor dem 2. Weltkrieg Lizenzbauten moderner deutscher Gegenlauf-Flugdieselmotoren (wie dem Junkers Jumo 205) übernommen hatte, und anschließend selbst weitere Entwicklungen in dieser Richtung unternommen hatte.

Der Vorgängermotor, auf den bei der Entwicklung des Deltic aufgebaut wurde, war der Napier Culverin, ein Gegenkolbenmotor, der wegen seiner flachen Bauform primär für den Einbau in den Tragflächen von Flugzeugen gedacht war. Da die Marine wesentlich höhere Leistungen forderte, als mit dieser Bauform erreicht werden konnte, verfiel Napier auf die Idee, drei derartige Motoren - wie in der Skizze ersichtlich - in einem gleichseitigen Dreieck anzuordnen. Diese Anordnung erinnert in der Längssicht an den griechischen Buchstaben Delta, was zum Namen dieses Motorentyps führte. Er wurde in verschiedenen Ausführungen gebaut, die neun bis achtzehn Zylinder hatten.

An den Ecken dieses Dreiecks liegen drei Kurbelwellen, deren Leistung über ein am Ende des Motors angebrachtes Getriebe auf einen gemeinsamen Strang zusammengeführt wird. Frühere Versuche, solche Motoren zu bauen, waren daran gescheitert, eine sinnvolle Koordinierung der drei Kurbelwellen zu finden; Napier löste dieses Problem dadurch, dass sich eine der drei Wellen entgegengesetzt zu den anderen dreht.

Interessant an dieser Anordnung war auch, dass diese - deshalb auch als "uniflow" bekannten - Motoren eine einfache, gerichtete Strömung der Spülluft durch die Zylinder hatten (Gleichstrom-Spülung), was zusammen mit dem unsymmetrischen Steuerdiagramm (die Auslassschlitze schließen vor den Einlassschlitzen) und der leichten Turboaufladung zur Effizienz des Motors beitrug.

Erprobung und Einsatz im Marinebereich

Der erste Deltic-Motor wurde 1950 gebaut, und im Januar 1952 begann die volle Erprobung mit sechs Prototypen. Für die Versuche wurde ein als Kriegsbeute nach Großbritannien gelangtes ehemaliges Schnellboot der deutschen Kriegsmarine verwendet, da die für den Einsatz in Schiffen vorgesehenen 18-Zylinder-Deltic-Motoren in etwa die gleiche Leistung hatten wie die in den Schnellbooten ursprünglich verwendeten Reihen-Dieselmotoren von Mercedes-Benz.

Dass die Deltics eine vielversprechende Entwicklung waren, sah man schon zu diesem Zeitpunkt: Die Deltic-Motoren hatten bei gleicher Leistung (in etwa 3.000 PS) nur die halbe Größe der ursprünglichen Reihenmotoren.

Nachdem die Tests erfolgreich verlaufen waren, wurden die Deltics in den nächsten Jahrzehnten häufig in schnellen, kleinen Schiffstypen verwendet. Die Royal Navy verwendete sie zunächst in den Schnellbooten der Dark-Klasse und in weiterer Folge in einer Reihe von kleineren Kampffahrzeugen und Minensuchern. In den Minenräumern der Hunt-Klasse sind diese Motoren nach wie vor im Einsatz.

Außerdem wurden Deltic-Motoren in eine Reihe von Kampffahrzeugen und PT-Schnellbooten eingebaut, die in anderen Marinen Verwendung fanden. Besonders erwähnenswert ist hier die norwegische Tjeld-Klasse, von der Einheiten auch an Deutschland (wo sie 1960-1964 als Schnellboot Typ 152 fuhren, NATO-Nummern P6191 und P6192), Griechenland und die United States Navy verkauft wurden, wo sie als Nasty-Klasse (PTF 3 - PTF 22) bekannt waren. Einheiten dieser Klasse wurden von den USA im Vietnamkrieg für Kommandounternehmen verwendet.

Die Tjeld-Boote hatten zwei Deltics mit insgesamt 6.200 PS, und das in einem Boot von 24 Metern Länge und etwas über 80 Tonnen Gewicht. Mit ihren allgemein als spektakulär beschriebenen Fahrleistungen waren diese Boote genau die Anwendung, für die diese Motoren ursprünglich entwickelt wurden.

Einsatz in Lokomotiven

Ein Deltic-Motor im National Railway Museum in York (GB)

Die Konzernleitung von English Electric, dem Mutterunternehmen des Motorenbauers Napier, sah früh das Potential der Deltic-Motoren für den Einsatz im Eisenbahnwesen, und veranlasste 1955 unter dem Namen DP1 den Bau des Prototyps einer, mit zwei auf je 1.650 PS gedrosselten Deltics angetriebenen, diesel-elektrischen Lokomotive für den schweren Schnellzugdienst innerhalb Großbritanniens. Die Drosselung wurde als notwendig angesehen, um die im Eisenbahnbetrieb erforderliche hohe Zuverlässigkeit und die erwünschten langen Wartungsintervalle zu erreichen.

Nach eingehender Erprobung wurden in den Jahren 1961/62 22 Serienmaschinen der als Class 55 bezeichneten Type geliefert, die im Volksmund allerdings meist nur allgemein als „Deltics“ bezeichnet wurden. Der medial sehr beachtete Prototyp DP 1 hatte zu Werbezwecken für den Motor einen großen Schriftzug „Deltic“ auf der Seite; alle später versuchten Umbenennungen des Typs (wie z. B. in „Enterprise“) waren letztlich zwecklos, da die Öffentlichkeit sich an den bereits eingeführten Namen gewöhnt hatte.

Aufgrund des ausgesprochen lauten und sehr charakteristischen Motorengeräusches und der Tatsache, dass diese Maschinen über einen langen Zeitraum für die Schnellzüge auf einigen der wichtigsten Verbindungen in Großbritannien eingesetzt wurden, war diese Maschine trotz der wenigen gebauten Exemplare allgemein sehr bekannt und wurde erst Ende der 1970er endgültig aus dem regulären Liniendienst genommen (als die schnelleren Intercity-Garnituren der Klasse 125 verfügbar waren).

Sechs Loks sind bei Außerdienststellung vor der Verschrottung bewahrt worden; einige dieser Exemplare sind von Eisenbahnfreunden wieder in fahrbereiten Zustand gebracht worden und können gelegentlich vor Museumszügen bewundert (und gehört) werden.

Betrieb

Die Deltic-Motoren waren eine bemerkenswerte Konstruktion, die ein hervorragendes Leistungsgewicht mit einer sehr kompakten Bauweise vereinte. Als allgemeiner Nachteil ist anzuführen, dass es sich fast zwangsläufig um eine hochgezüchtete Konstruktion gehandelt hat, deren Zuverlässigkeit stets stark von sachgerechter Wartung und Pflege abhing.

Auf den Webseiten von Marineveteranen finden sich Kommentare von ehemaligen Maschinisten, die besagen, dass sich die Mannschaften vor diesen Motoren teilweise sogar gefürchtet hätten, da sie schwierig zu handhaben waren und dass vor allem während des mit Druckluft ausgeführten, komplizierten Anlassvorganges offenbar die Gefahr bestanden hat, dass der Motor explodiert. Derartige Probleme haben - selbst wenn sie häufig gewesen sein sollten - praktisch nur den Marinebereich betroffen, da in Lokomotiven aus Gründen der Sicherheit und der Wirtschaftlichkeit nur Deltics mit gedrosselter Leistung eingesetzt wurden.

Die Verfügbarkeit von mit diesen Aggregaten ausgestatteten Schiffen und Lokomotiven war allerdings trotz der Anfälligkeit der Motoren sehr gut, da sie von Haus aus dafür konzipiert waren, bei Problemen am Stück ausgetauscht und im Werk instandgesetzt zu werden; die Fahrzeuge wurden in der Zwischenzeit mit Tauschmotoren betrieben. Diese Art von Wartung durch Austausch war richtungweisend und wurde später zu einer weitverbreiteten Methode.

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