Berthold Messing AG

Berthold Messing AG
Original-Aktie der H. Berthold AG (März 1988)

Das Unternehmen H. Berthold AG wurde 1858 von Hermann Berthold als „Institut für Galvanotypie“ gegründet und 1896 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Zu Beginn stellte er Messinglinien her und führte galvanoplastische Arbeiten für den Buchdruck durch. Hinzu kam eine Schriftgießerei für Bleisatzschriften. Später produzierte Berthold Geräte für den Fotosatz, ein Kernbestandteil des Unternehmens blieb jedoch stets die Schriftenproduktion.

Inhaltsverzeichnis

Der Gründer Hermann Berthold

Hermann Berthold

1858 gründete Hermann Berthold in Berlin ein Institut für Galvanotypie, das sich mit der Verstählung von Kupferplatten und galvanoplastischen Arbeiten für den Buchdruck befasste. Ab 1861 arbeitete Berthold für drei Jahre mit G. Zechendorf zusammen und gliederte dem Betrieb eine Schriftgießerei, eine Messinglinienfabrik und eine Werkstatt für Stereotypie an. Das Unternehmen hieß in dieser Zeit „Zechendorf & Berthold“. Nach der Trennung von Zechendorf konzentrierte sich Berthold auf Messinglinien, Galvanoplastik und Werkzeugherstellung. In dieser Zeit erfand er unter anderem den Keilhebelverschluss am Winkelhaken. Das Unternehmen baute die Messinglinienproduktion aus und stellte als erstes Linien in Achtelpetitstärke her. Berthold führte ab 1878 mit dem Typometer das deutsche Normalsystem für die Schrifthöhe ein. Fortan verwendeten die Druckereien Schriftmaterial in einheitlicher Höhe und Berthold konnte einen einheitlichen Markt beliefern. Der Gründer Hermann Berthold gab die Leitung seines Unternehmens am 14. März 1888 an seinen Nachfolger Alfred Selberg ab.

Entwicklung der Aktiengesellschaft

Selberg leitete bis 1891 das Unternehmen, sein Nachfolger wurde Balthasar Kohler, der dem Betrieb seit 1880 angehörte und ihn in eine Kommanditgesellschaft umwandelte, die „H. Berthold Messinglinienfabrik und Schriftgießerei“ hieß. 1894 wurde in Berlin das Nachbargrundstück gekauft, um ein Jahr später darauf einen Erweiterungsbau zu errichten. Am 11. März 1896 wurde das Unternehmen in eine Aktiengesellschaft – der Hermann Berthold AG – umgewandelt. Balthasar Kohler wurde ihr Direktor.

H. Berthold Messinglinienfabrik und Schriftgießerei

Das Unternehmen Berthold betrieb eine stetige Politik des Expandierens und des Aufkaufens. Zahlreiche Schriftgießereien im In- und Ausland wurden übernommen. In Deutschland wurden Zweigniederlassungen gegründet und Betriebe erweitert. Den Anfang machte 1893 der Kauf der Schriftgießerei Gustav Reinhold, durch deren Geschäftsbeziehungen zum Ausland Kontakte nach Dänemark, Schweden und Finnland geknüpft wurden. Reinhold wurde auch Teilhaber der Gesellschaft und Mitglied des Vorstands. Vier Jahre danach erwarb man die Schriftgießerei Bauer & Co. in Stuttgart und gliederte ihr eine Messinglinienfabrik an.

Weitere Ankäufe erfolgten 1900 mit der Gießerei Georg Russ & Co. in Petersburg, einer Gießerei in Moskau im Jahr 1901 und der Gießerei Rust & Co. in Wien im Jahr 1905. Im Vorstand löste Dr. Oskar Jolles Reinhold ab. Im Inland wurde die Hauptfiliale in Berlin durch Neubauten mehrere Male vergrößert, zuletzt im Jahr 1910, als der dritte Neubau bezogen wurde. Mit der Gründung einer Zweigniederlassung in Leipzig-Paunsdorf im Jahr 1918 wurde das Unternehmen die damals weltweit größte Schriftgießerei. Die Zahl der lieferbaren Schriften nahm dabei zu, da mit dem Kauf der Gießereien auch ihr Schriftenprogramm mit übernommen wurde.

Im Jahr 1911 erschien die „Hauptprobe“ des Unternehmens, ein 850 Seiten starker Schriftmusterband im Oktav-Format. Er enthielt systematisch geordnet Schriftmuster aller lieferbaren Schriften.

Während des ersten Weltkriegs musste Berthold Einschränkungen erfahren. Steigende Rohstoffpreise und Probleme bei der Energieversorgung schränkten die Produktion ein. Der Kontakt zu Filialen im Ausland riss teilweise ab. Bis 1916 wurden dennoch achtzehn neue Schriften erschaffen. 1917 wurde Erwin Graumann aus der aufgekauften Gießerei Gursch neuer Direktor von Berthold.

Im Jahr 1926 erwarb Berthold zusammen mit der Schriftgießerei D. Stempel AG die Wiener Schriftgießerei Poppelbaum. Die Unternehmen erweiterten ihre Zusammenarbeit, indem Stempel 50% der Anteile an Bertholds Wiener Zweigunternehmen kaufte, im Gegenzug Berthold die Hälfte der Aktien der Ersten Ungarischen Schriftgießerei AG aus dem Besitz von Stempel übernimmt.

Nach weiteren Veränderungen im Vorstand (Oskar Jolles stirbt 1929, der 1918 dazu gekommene Erwin Graumann drei Jahre später) übernehmen 1932 Dipl. Ing. Carl Graumann, Otto Krause und Curt Thier die Leitung des Unternehmens. Im zweiten Weltkrieg konnte der Umsatz bis 1944 stabil gehalten werden. Nachdem die Budapester Filiale verloren wurde, erhielt 1945 das Haupthaus in Berlin einen Bombentreffer, wodurch das gesamte Schriftenlager abbrannte. Noch im gleichen Jahr fingen die Standorte in Berlin und Stuttgart bereits wieder an, Messinglinien und Handsatztypen zu fertigen.

Einstieg in die Fotosatztechnik

Berthold tps 6300-Erfassungsplatz (links) und tpu 3608-Belichter

Nach dem Tod von Krause und Graumann 1953 und 1956 wird Curt Thier Direktor der Berthold AG. Das Unternehmen beschäftigte sich in den kommenden Jahren stärker mit der neuen Fototechnik. 1951 beteiligte man sich an der Hoh & Hahne Hohlux GmbH, deren Mitbegründer Berthold war. Dieses Unternehmen stellte Reproduktionsgeräte her. Die Entwicklung eigener Fotosatzmaschinen begann mit der Diatype. Ihr Prototyp wurde 1960 auf der Drupa vorgestellt. Berthold stellte weitere Generationen von Fotosatzgeräten her, zunächst mechanische mit Schriftschablonen (z.B. die Diatronic, 1967), später auch elektronisch gesteuerte (z.B. das ads, 1977). Die Produktion von Messinglinien und Schriftmaterial für den Bleisatz wurde am 31. Oktober 1978 aufgegeben. Die eigenen Schriften wurden zu einem großen Teil auch für das neue Satzverfahren umgewandelt.

Die H. Berthold AG war hauptsächlich als Anbieter von Schriften bekannt. Zur Zeit des Fotosatzes war sie jedoch eigentlich mehr eine Maschinenfabrik; der Hauptanteil des Umsatzes wurde mit dem Verkauf von Fotosetzmaschinen erzielt.

Ein Rückgang der Nachfrage nach diesen Produkten brachte die Firma gegen Ende des 20. Jahrhunderts in finanzielle Engpässe. Schließlich musste die H. Berthold AG 1993 aufgrund immenser Überschuldung Konkurs anmelden und wurde mit Beschluss des Berliner Konkursgerichtes liquidiert.

Aus diesem Grund gab es keinen Rechtsnachfolger des Unternehmens, was dazu führte, dass verschiedenste Unternehmen diesen Status für sich beanspruchten und die lizenzierten Schriften der Berthold AG vertrieben. Vor allem über das Auktionshaus Ebay wurden die Schriften zu Schleuderpreisen angeboten. Die Rechtmäßigkeit dieser Angebote ist umstritten.

Einige Schriften der Berthold AG

Literatur

  • H. Berthold AG (Hg.): 100 Jahre Berthold: Festschrift zum einhundertjährigen Jubiläum der H. Berthold Messinglinienfabrik und Schriftgießerei AG. Berthold AG, Berlin 1958.
  • Hermann Hoffmann: Das Haus Berthold: 1858 - 1921. H. Berthold AG, Berlin 1921.
  • Hans-Jürgen Wolf: Geschichte der graphischen Verfahren. Ein Beitrag zur Geschichte der Technik. Historia Verlag, Dornstadt 1990, ISBN 3-980-0257-4-8.

Weblinks


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