Betriebsökonomin

Betriebsökonomin

Die Betriebswirtschaftslehre (gebräuchliche Abkürzung BWL; in der Schweiz bei Fachhochschulen Betriebsökonomie) ist ein Teilgebiet der Wirtschaftswissenschaften. Wie ihre Schwesterdisziplin, die Volkswirtschaftslehre, gründet die BWL auf der Tatsache, dass Güter grundsätzlich knapp sind und dementsprechend einen ökonomischen Umgang erfordern. Im Unterschied zur abstrakteren Volkswirtschaftslehre nimmt die Betriebswirtschaftslehre dabei die Perspektive von einzelnen Betrieben ein. Ziele sind dabei nicht nur die Beschreibung und Erklärung, sondern auch die konkrete Unterstützung der Entscheidungsprozesse in Unternehmungen.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Als Geburtsstunde der modernen Betriebswirtschaftslehre in der Schweiz, Österreich und Deutschland wird häufig das Jahr 1898 angesehen. Es entstanden in diesem Jahr im deutschsprachigen Raum Lehrstühle in St. Gallen, Leipzig, Aachen und Wien. Frankfurt und Köln folgten 1901, Berlin 1906 und Mannheim 1907. Die Wharton School of the University of Pennsylvania war mit dem Gründungsjahr 1881 die erste Business School in den USA. In Frankreich existierte mit der Ecole Supérieure de Commerce in Paris bereits 1819 eine Business School.

Die Vorgeschichte der Wissenschaft ist bedeutend länger, insbesondere wenn man Kameralwissenschaft, Handelswissenschaft und Volkswirtschaftslehre mitberücksichtigt. In der Anfangsphase der modernen Betriebswirtschaftslehre als eigenständige Einzelwissenschaft beinhaltete das Curriculum viele volkswirtschaftliche und rechtswissenschaftliche Inhalte. Mit der Zeit entwickelte die Betriebswirtschaftslehre ihr eigenständiges Profil.

Als die bedeutendsten deutschsprachigen Vertreter der (allgemeinen) Betriebswirtschaftslehre im 20. Jahrhundert gelten:

  • Eugen Schmalenbach (1873–1955), welcher der Betriebswirtschaftslehre ihren heutigen Namen gab.
  • Erich Gutenberg (1897–1984), der die faktororientierte Betriebswirtschaftslehre begründete.
  • Edmund Heinen (1919–1996) als Begründer der entscheidungsorientierten Betriebswirtschaftslehre.
  • Hans Ulrich (1919–1997), der die systemorientierte Betriebswirtschaftslehre entwickelt hat.
  • Horst Albach (geb. 1931), der die managementorientierte Betriebswirtschaftslehre geprägt hat.

Gliederung

Die Betriebswirtschaftslehre gliedert sich in zwei Hauptbereiche: die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre (ABWL) und die Spezielle Betriebswirtschaftslehre (SBWL).

Allgemeine Betriebswirtschaftslehre

Die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre (ABWL) befasst sich mit planerischen, organisatorischen und rechentechnischen Entscheidungen in Betrieben. Sie ist dabei funktions- und branchenübergreifend ausgerichtet. Die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre gibt einen Überblick über die Wissenschaft der Betriebswirtschaftslehre und legt dabei funktions- und branchenübergreifende Zusammenhänge dar. Ziel ist es, das fachübergreifende Denken und Entscheiden zu fördern.

Spezielle Betriebswirtschaftslehre

Die Spezielle Betriebswirtschaftslehre (SBWL) – bisweilen auch Besondere Betriebswirtschaftslehre (BBWL) genannt – fokussiert auf ausgewählte Fragen, die jeweils nur für bestimmte Unternehmen oder Unternehmensteile relevant sind. Hierbei gibt es zwei verschiedene Ansätze, Gebiete voneinander abzugrenzen: Institutionelle Betriebswirtschaftslehren betrachten alle Funktionsbereiche, jedoch immer nur für bestimmte Betriebstypen, die sich z. B. nach Branche, Betriebsgröße und -alter unterscheiden. Funktionale Betriebswirtschaftslehren fokussieren demgegenüber jeweils einzelne Funktionsbereiche in Betrieben, unabhängig von der jeweiligen Branche.

Institutionelle, auf spezielle Branchen fokussierte Betriebswirtschaftslehren sind u. a.

Weitere institutionelle Betriebswirtschaftslehren mit Fokus auf bestimmte Unternehmenstypen sind z. B.

Funktionale Betriebswirtschaftslehren sind u. a.:

Beide Ansätze haben ihre Vor- und Nachteile. Die funktionale BWL ist nur schwer in der Lage, branchenspezifische Probleme zu behandeln, liefert dafür aber branchenunabhängige Aussagen. Die Branchen-Betriebswirtschaftslehre fokussiert auf die für die Branche relevanten funktionalen Aspekte, besteht aber in weiten Teilen aus Doppelungen mit anderen Betriebswirtschaftslehren.

Schnittmengen mit anderen Wissenschaften

Die BWL bildet mit anderen Wissenschaften Schnittmengen. Diese Schnittmengen sind häufig bestimmten betriebswirtschaftliche Problemfelder, deren Lösung nur interdisziplinär möglich ist. Sie bilden wiederum eigenständige Lehr- und Forschungsbereiche, können oft aber auch als SBWL gewählt werden.

Von diesen Bereichen ist die Wirtschaftspädagogik zumeist den wirtschaftswissenschaftlichen, erziehungswissenschaftlichen oder philosophischen Fakultäten der Hochschulen zugeordnet. Die Wirtschaftsinformatik und das Wirtschaftsingenieurwesen sind uneinheitlich entweder den BWL- oder den jeweiligen technischen Fakultäten zugeordnet. Je größer die Auswahl an unterschiedlichen ingenieurwissenschaftlichen Vertiefungen ist, um so eher ist es den BWL-Fakultäten zugeordnet. Wirtschaftsmathematik und Wirtschaftsgeographie befinden sich, in der Regel, in naturwissenschaftlichen Fakultäten, wie zum Beispiel Mathematik- und Geographiefakultäten.

Ausbildung

Hauptartikel: Betriebswirt

Betriebswirtschaftliche Ausbildung wird im Rahmen unterschiedlicher Lehrberufe vermittelt. An Fachschulen und Fachakademien bestehen Möglichkeiten der beruflichen Weiterbildung. Studienmöglichkeiten gibt es an Universitäten, Fachhochschulen und Berufsakademien. Wachsenden Zulauf in Deutschland verzeichnen auch die privaten Business Schools. Eine Möglichkeit zur Grundlagenbildung bietet der EBC*L - Europäische Wirtschaftsführerschein.

Betriebswirtschaftliche Forschung

Die betriebswirtschaftliche Forschung umfasst sowohl Grundlagen- als auch angewandte Forschung. Die Grundlagenforschung beschäftigt sich oftmals mit sehr speziellen und abstrakten Fragestellungen, die häufig formal-mathematisch modelliert oder empirisch analysiert werden. Die Präzision der wissenschaftlichen Methoden ist dabei mittlerweile auf ähnlichem Niveau wie z. B. in der Volkswirtschaftslehre oder der Psychologie. Mittlerweile wird z. T. beklagt, dass durch die Rigorosität der Methoden die Relevanz der bearbeiteten Fragen und der präsentierten Antworten in Mitleidenschaft gezogen werde.

Die angewandte Betriebswirtschaftslehre dient dazu, der Praxis konkrete Problemlösungen für das Management zu liefern. Diese Aufgaben werden z. T. in Kooperation mit der Wissenschaft bearbeitet. Wichtiger sind in diesem Bereich aber vielfach Unternehmensberater.

Forschungsergebnisse der betriebswirtschaftlichen Forschung werden regelmäßig in wissenschaftlichen Zeitschriften veröffentlicht. Als die drei großen betriebswirtschaftlichen Zeitschriften im deutschsprachigen Raum gelten:

Diese Zeitschriften beschäftigen sich insbesondere auch mit Themen aus dem Bereich der Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre. Darüber hinaus existiert eine Vielzahl weiterer wissenschaftlicher Zeitschriften zu unterschiedlichen Teilbereichen der Betriebswirtschaftslehre.

In den letzten Jahren ist jedoch auch in der Betriebswirtschaftslehre ein Trend zur Internationalisierung zu beobachten. In dessen Folge streben deutschsprachige Autoren zunehmend Veröffentlichungen in internationalen Zeitschriften an, da deren Reputation vielfach als höher angesehen wird.[1] [2]

Als Reaktion auf diese Internationalisierung wurden in jüngster Zeit im deutschsprachigen Raum eine Reihe englischsprachiger betriebswirtschaftlicher Zeitschriften gegründet: Schmalenbach Business Review (sbr), Review of Management Science und das Open-Access-Journal Business Research (BuR).

Organisationen, Verbände und Vereine

  • Bundesverband Deutscher Volks- und Betriebswirte e. V. (bdvb) – Berufsverband für Wirtschaftsakademiker und Studierende der Wirtschaftswissenschaften
  • Schmalenbach Gesellschaft für Betriebswirtschaft
  • Verband der Hochschullehrer für Betriebswirtschaft e. V. – Verband der Betriebswirtschaftsprofessoren an deutschsprachigen Universitäten

Literatur

  • Horst Albach: Allgemeine Betriebswirtschaftslehre. 3. Auflage. Gabler-Verlag, Wiesbaden 2001, ISBN 3-409-32935-8
  • Klaus Brockhoff: Geschichte der Betriebswirtschaftslehre: Kommentierte Meilensteine und Originaltexte. 2. Auflage. Gabler-Verlag, Wiesbaden 2002, ISBN 3-409-21572-7
  • Wolfgang Domschke, Armin Scholl: Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre – Eine Einführung aus entscheidungsorientierter Sicht. 3. Auflage. Springer, Berlin, Heidelberg und New York 2005, ISBN 3-540-25047-6
  • Karl Lechner, Anton Egger, Reinbert Schauer: Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre. 22. Aufl., Linde, Wien 2005, ISBN 3-7073-0843-X
  • Jean-Paul Thommen, Ann-Kristin Achleitner: Allgemeine Betriebswirtschaftslehre. Umfassende Einführung aus managementorientierter Sicht. 5. Auflage. Gabler, Wiesbaden 2006, ISBN 3-8349-0366-3
  • Günter Wöhe, Ulrich Döring: Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre. 23. Auflage. Franz Vahlen, München 2008, ISBN 978-3-8006-3524-5

Weblinks

Portal
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Einzelnachweise

  1. VHB-JOURQUAL [1]
  2. Hennig-Thurau, Thorsten; Walsh, Gianfranco; Schrader, Ulf (2004): VHB-JOURQUAL: Ein Ranking von betriebswirtschaftlich-relevanten Zeitschriften auf der Grundlage von Expertenurteilen, Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung (zfbf), 56. Jg., S. 520–543. (Arbeitspapier, pdf).

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