- Bevorratung
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Vorratshaltung oder Bevorratung bezeichnet die Anlegung nützlicher Bestände, die für einen zeitlich aufgeschobenen Bedarf gehortet werden. Vorratsbildung war bei verschiedenen Tierarten schon immer eigen. Beispiel dafür ist die Redensart „hamstern“. Wie dem Hamster galt es insbesondere ab dem Neolithikum dem Menschen saisonale Versorgungsengpässe zu überbrücken, um sein Überleben zu sichern.
Inhaltsverzeichnis
Entwicklung menschlicher Vorratshaltung
Die menschliche Anhäufung von Feuerungsmaterial, von Werkzeugen (z.B. Pfeilspitzen, Nadeln) beginnt unbestimmt früh diesseits des Tier-Mensch-Übergangsfeldes. Im Folgenden geht es primär um die Bevorratung von Nahrung.
Die Klimaänderung am Ende der letzten Eiszeit führte zur Nordverlagerung aller Vegetationsgürtel, die die Erdhalbkugeln ringförmig umspannen. Die Gürtel haben eine bestimmte Flora und eine von der Flora abhängige Großtierfauna, die der Verlagerung folgte. In Zentraleuropa verschwinden Tundra und Taiga und es entsteht der heutige Laubwaldgürtel. Zugleich ziehen die großen Herden ab und werden durch eine an den Wald angepasste Tierwelt ersetzt. Die Ernährungsgrundlage der Menschen verändert sich, während die Siedlungsdichte in den solcherart umgestalteten Naturräumen bestehen bleibt. Da das Standwild zur Ernährung jedoch nicht ausreicht, weichen sowohl die europäischen als auch die levantinischen Mesolithiker zunächst auf den Fischfang aus, der zuvor keine große Rolle spielte. Letzteres begann (kürzlich in Ohalo am See Genezareth festgestellt) bereits vor 20.000 Jahren.
Wer trotz gesteigerter Aktivität einen Teil des Jahres keine Chance hatte, genügend Nahrung zur Sicherung seines Überlebens zu beschaffen, wie die Jäger der Levante, war genötigt, in der restlichen Zeit so viele lagerfähige Vorräte anzusammeln, dass er den periodischen Mangel überstehen konnte. Da die Nutzung tierischer Ressourcen dem jägerischen Naturell eher entspricht, ist davon auszugehen, und Funde weisen auch in diese Richtung, dass die aus der Domestikation resultierende Viehzucht die älteste Form der Bevorratung ist. Die üblicherweise bejagten und sofort verzehrten Tiere wurden bewegt, beaufsichtigt und lebend bevorratet. Diese Vorgänge stellen den Beginn der Neolithischen Revolution dar, die sich rasch mit der zunächst einmal regional erfolgten Domestikation von Wildgetreide und der Bevorratung (bis hin zum Saatgut) fortsetzt und den Übergang vom Wildbeuter zu den Hirten- und Bauernkulturen vollendet. Diese bis dato unbekannte Bevorratung von Nahrung initiierte, in als revolutionär empfundener Weise, eine neue Epoche und zwei nachhaltige gesellschaftliche Praxen, die sich weltweit verbreiteten. Die ersten Neolithiker hatten es mit zwei Hauptnahrungsarten zu tun. Zum einen wurden domestizierte Herdentiere lebend bevorratet. Zum anderen mussten gereifte Kulturpflanzen behandelt und bevorratet werden.
Frühe Techniken bei der Bevorratung
Tierische Produkte
Bei der Bevorratung von Nahrung, die ab dem Neolithikum zur überlebenswichtigen Voraussetzung wurde, ist die Konservierung von entscheidender Bedeutung. Frisches oder durch Räuchern, Salzen oder Trocknen haltbar gemachtes Fleisch stellte die Hauptnahrung der Menschen dar, die tierische Vorräte anlegten, indem sie Viehzucht betrieben. Diese Lebensgrundlage endete als Folge eines Verdrängungsprozesses im Nomadismus. Die Verfahren erhalten die Lebensmittel in einem mittelfristig verwendbaren Zustand. Tierische Sekundärprodukte wie die Milch stellen eine zweite, wie Wissenschaftler mehrerer Fachrichtungen inzwischen annehmen, beinahe vom Beginn der Domestikation an genutzte und permanent verfügbare Ergänzung dar.
Pflanzen
Die Bevorratung von Getreide hat einen Trocknungsgrad von > 85% zur Voraussetzung. Getreide war gegen Fäulnis, Pilzbefall und Schimmel zu sichern. Die Trocknung von Getreide wird bis heute durch Darren gewährleistet. Eine solche Anlage, die auf 9.500 v. Chr. datiert wird, könnte ein Bau darstellen der in Dhra, auf der Lisan-Halbinsel östlich des Toten Meeres ausgegraben wurde. Unter dem geneigten Boden, auf dem die Ähren getrocknet wurden, war ein Raum, dessen Beheizung die Trocknung ermöglichte. Dieser trockene Zustand musste bei Saatgetreide sehr lange aufrechterhalten werden und so kam der Speicherung eine entscheidende Bedeutung zu. Sie musste zudem Schädlinge fernhalten. Eine moderne Erkenntnis ist, dass staubförmige Mineralien für zahlreiche Schadinsekten tödlich sind. Die Anweisung Getreide ungedroschen und auf Erdstaub ausgebreitet aufzubewahren ist eine bereits aus biblischer Zeit bekannte Regel und zentrale Speicher werden in der Josephsgeschichte erwähnt. Hierbei leistet die Gefäßkeramik, insbesondere in der Form der späteren Pithoi, ihren Dienst. Bevorratet wurden in ihnen auch Öl und Most. Getreide ist ein Sammelbegriff für die „Gras-Arten“ Weizen, Gerste, Roggen, Hafer, Mais, Reis und Hirse. Zu den Arten, die früh angebaut wurden zählen insbesondere Weizen (Emmer und Hart- bzw. Durum-Weizen), Gerste und Hirse. Die Bauern ergänzten ihre Nahrung durch eine rudimentäte Viehhaltung, die in arider Umgebung insbesondere für die Erträge der eigenen Felder ein Risiko bedeutete, das überschaubar bleiben musste.
Situation in Deutschland
In der DDR wurden insbesondere in den Produktionsbetrieben dezentrale und oft nicht nach oben gemeldete Vorräte an Material für eine reibungslose Produktion angelegt. Aber auch zur Erhaltung von Maschinen und sonstigen für die Produktion wichtigen Hilfsmitteln wurden Vorräte an Ersatzteilen angelegt. Dies erwies sich für die herrschende Zentralverwaltungswirtschaft als fundamentale Einschränkung ihrer Volkswirtschaftsplanung.
In der Bundesrepublik Deutschland lagern in rund 100 geheim gehaltenen Bevorratungslagern Hafer und Brotweizen, Reis, Erbsen, Bohnen, Kondensmilch und Vollmilchpulver, die einer besonderen Lagerverordnung und Kontrolle unterliegen. Die Lebensmittelreserven reichen bei einer Vollversorgung für 14 Tage - für die Hälfte der Bevölkerung. Regelmäßig werden die Bestände ausgetauscht, die Reserven müssen nach spätestens 10 Jahren abverkauft und neue eingebunkert werden. Oft gehen die Lebensmittel als humanitäre Hilfe ins Ausland - in Kriegsregionen und in Krisengebiete zum Beispiel nach Erdbeben. Für den Ernstfall bevorratet die Bundesrepublik weiterhin Benzin, Diesel und Rohöl. Neunzig Tage können die Deutschen mit diesen Ölreserven auskommen.[1]
Deutsche bekamen etwas von den Reserven beim Oderhochwasser 1997 oder beim Elbehochwasser 2002. Davor gab es einen Fall, in dem die Vorräte angerührt wurden: 1986 verteilte die Bundesregierung 1.000 Tonnen Milchpulver an die in Deutschland lebenden Kleinkinder, das war nach der Katastrophe von Tschernobyl.[1]
Kosten der Vorratsbildung
Vorratshaltung verursacht Kosten. Entsprechend gibt es in der Betriebswirtschaftslehre eine ausgefeilte Lehre zur Bewertung von Vorräten (Rohstoffen, Halb- und Fertigfabrikaten).
Vorratspolitik
Private Vorratspolitik hängt vom Erwartungshorizont der einzelnen Hauswirtschaften ab. Hier besteht im Bereich seltener Schadereignisse oft ein erhebliches Kenntnisdefizit gegenüber z.B. staatlichen Stellen (vgl. Katastrophenschutz).
Staatliche Vorratspolitik geht bis in die ersten Staatsgründungen zurück und bedarf zentraler Abgabepolitik und Buchhaltung (vgl. die Hydraulischen Gesellschaften). Aus dem Alten Testament ist bekannt, dass Josef dem ägyptischen Pharao erfolgreich riet, in den kommenden sieben fetten Jahren Vorräte für die darauf folgenden sieben magere Jahre anzulegen.
In Marktwirtschaften vertrauen offizielle Stellen für einen Katastrophenfall sehr stark darauf, dass in den Unternehmen zahlreiche Vorräte vorgehalten werden. Dies findet seine Grenzen darin, dass es Firmen vorziehen, ihre Zulieferungen so zu disponieren, dass kostspielige Lagerhaltung sich erübrigt und dass eine Just-in-time-Produktion möglich wird. „Eiserne Vorräte“ legen Kapital fest und werden so klein wie möglich gehalten. Bei gewissen Vorräten (Lebensmittel,Medikamente, Verbandstoffe, Trinkwasser) kann dies in plötzlichen Notlagen zu starken Engpässen führen.
Einzelnachweise
- ↑ a b Knut Karger: Für den Ernstfall. Dokumentarfilm. Deutschland 2006. Erstaufführung: Internationales Dokumentarfilmfest München 4. bis 11. Mai 2006
Literatur
- Walkowitz J.E.: Quantensprünge der Archäologie In: Varia neolithica IV, 2006. ISBN 3-937517-43-X
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