Bhagavad-Gita

Bhagavad-Gita

Schriften des
Hinduismus

Shruti

  1. Rigveda
  2. Samaveda
  3. Yajurveda
  4. Atharvaveda

Smriti

Lord Krishna und Arjuna auf dem Streitwagen; Steinplastik Tirumala

Die Bhagavad Gita (Sanskrit, f., भगवद्गीता, gītā – Lied, Gedicht; bhagavan – Herr, Gott), „der Gesang Gottes“ ist eine der zentralen Schriften des Hinduismus, ein spirituelles Gedicht. Der vermutlich zwischen dem fünften und dem zweiten vorchristlichen Jahrhundert entstandene Text ist eine Zusammenführung mehrerer verschiedener Denkschulen des damaligen Indien auf Grundlage der Veden, der Upanishaden, des orthodoxen Brahmanismus, des Yoga u.a.m., steht aber den Upanischaden gedanklich am nächsten.

Hindus betrachten die Lehren der Bhagavad-Gita als Quintessenz der Veden. Auch im Westen wird die Bhagavad-Gita als ein bedeutendes philosophisches Werk anerkannt, viele große Gelehrte und Philosophen des Abendlandes haben sie studiert und kommentiert. Beim Studium ergeben sich oft Widersprüche: Während einige Stellen anscheinend einen Dualismus lehren – die Zweiheit von Natur und Geist, von Gott und Mensch –, lehren andere die Einheit. Durch diese unterschiedlichen Auslegungsmöglichkeiten ist das Gedicht Mittelpunkt für die verschiedensten Glaubensrichtungen.

Inhaltsverzeichnis

Formale Aspekte

Die Gita, wie sie in Indien verkürzt genannt wird, besteht aus 700 Strophen, die auf 18 Gesänge bzw. Kapitel verteilt sind. Sie ist Teil des etwa 100 000 Strophen umfassenden Epos Mahabharata und umfasst die Gesänge 25 bis 42 des 6. Buches.

Der größte Teil des Werkes besteht aus 2 Verszeilen, die aufeinanderbezogen sind. Jede Verszeile setzt sich aus zwei achtsilbigen Reihen zusammen. Beispiel (1. Gesang, Vers 4):

Und Arjuna sank leiderfüllt (8 Silben)
Auf seines Wagens Sitz zurück, (8 Silben)
Der Bogen glitt ihm aus der Hand, (8 Silben)
Und Gram umflorte seinen Blick. (8 Silben)

In einigen Strophen wird von diesem Metrum ohne erkennbaren Grund abgewichen.

Nach Aussage des Indologen Helmut von Glasenapp lässt sich die Treffsicherheit des Ausdrucks und der Hauch des Weihevollen, die dem Urtext eigen sind, nicht voll übertragen. Eine weitere Schwierigkeit besteht bei der Übersetzung darin, dem Original treu zu bleiben und dennoch Metrum und Reim zu erhalten.

Krishna, der Lehrer

Es handelt sich um eine Selbstoffenbarung Krishnas, der sich vor Beginn eines großen Krieges, welchen das Mahabharata ausführlich beschreibt, auf dem Schlachtfeld von Kurukshetra dem Fürsten Arjuna als göttliches oder kosmisches Selbst zu erkennen gibt.

Entsprechend der hinduistischen Mythologie leben wir jetzt im Kali-Yuga dem „dunklen, schwarzen Zeitalter“, das nach Krishnas Tod begann (3102 v. Chr.). Von Krishna heißt es, er sei gekommen, um den Menschen jene ethischen und philosophischen Unterweisungen zu geben, die für die Zeit dieses Yuga notwendig seien. In Kapitel IV, 7-8 verspricht Krishna, immer wieder zu inkarnieren:

„O Sohn des Bharata, so oft ein Niedergang des Dharma (Rechtschaffenheit, Tugend) und ein Überhandnehmen von Ungerechtigkeit und Laster in der Welt eintritt, erschaffe ich mich selbst unter den Kreaturen. So verkörpere ich mich von Periode zu Periode für die Bewahrung der Gerechten, die Zerstörung der Boshaften und die Aufrichtung des Dharma.“

Krishna kommt in der Bhagavadgita, je nach Kontext, unterschiedliche Bedeutung zu: Einmal wird er als das kosmische Selbst angesehen, das alles Lebende durchdringt; ein anderer Aspekt ist die Bedeutung als innere Göttlichkeit, die eine Reflexion des kosmischen Selbstes in jedem Lebewesen ist. Eine dritte Funktion ist die des spirituellen Lehrers.

Hintergrund

Die Lehren der Bhagavad-Gita sind eingebettet in einen umfangreichen episch-dramatischen Kontext, in das EposMahabharata“ (Großes Indien). Die Söhne des Fürsten Pandu werden von ihrem Onkel Dhritarashtra aus dem Stamm der Kurus und von dessen Söhnen um ihren rechtmäßigen Thronanspruch betrogen und immer wieder Verfolgungen ausgesetzt. Schließlich kommt es auf dem Schlachtfeld von Kurukshetra, der „Stätte der Kurus“, zu einer großen Schlacht. Arjuna, der dritte der Söhne des Pandu, befindet sich in einem persönlichen Konflikt zwischen der Zuneigung zu seinen Verwandten auf der Gegenseite und seiner Pflicht als Fürst und dem rechtmäßigen Anspruch seiner Familie auf Land und Thron. Er ist „von Furcht überwältigt“ und weigert sich zu kämpfen. Auf seinem Streitwagen (sanskrit: Ratha) befindet sich Krishna als Wagenlenker. Dieser versucht Arjuna durch religiös-philosophische Unterweisung aus seinem Zwiespalt zu befreien und zum Kampf zu bewegen.

Mag es auch einen historischen Hintergrund für diese Schlacht geben, der Text der Bhagavadgita ist nicht als geschichtlich zu betrachten. Viele Hindus sehen ihn als Allegorie. Eine mögliche und weit verbreitete Sichtweise ist, dass es sich um ein Zwiegespräch handelt zwischen der inneren Göttlichkeit, verkörpert durch Krishna, und der menschlichen Seele, die Arjuna darstellt: das Schlachtfeld sei das Leben, und die feindlichen Heerscharen, gegen die Arjuna antreten muss, verkörperten die menschlichen Schwächen, die besiegt und überwunden werden müssten. Neben dieser sich auf das Individuum beziehenden Deutung ist es möglich, der Bhagavadgita eine Deutung zu geben, die sich auf die Menschheit als Ganzes bezieht. In dieser evolutionären Anschauung ist die Schlacht ein Aufeinandertreffen der asurischen, egoistischen Kräfte mit denen der göttlichen Ordnung. Arjuna und seine Mitstreiter werden in diesem Bemühen von Krishna, dem Avatar, angeführt und unterstützt.

Das Bild der Kutsche mit Krishna als Wagenlenker und dem verzweifelten Arjuna ist ein bekanntes und weit verbreitetes Motiv darstellender Kunst und als Wandschmuck in vielen Hindu-Haushalten zu finden. Eine populäre Deutung dieses geistigen Bildes enthält die Katha-Upanishade:

Erkenne den Atman als den Herrn der Kutsche. Der Körper ist der Wagen, die Buddhi (Vernunft) der Wagenlenker und das Denken die Zügel. Die Sinne sind die Pferde, die Objekte die Wege.(II.3-4)

Kurzübersicht

  • 1. Gesang Niedergeschlagenheit: Arjuna bittet Krishna, ihn zwischen die beiden Heere zu fahren. Als er auf der Seite der Kurus einen Großteil seiner Verwandten erblickt, hält er es für ungerechtfertigt, gegen sie zu kämpfen.
  • 2. Gesang Yoga der Erkenntnis: Arjuna will nicht kämpfen. Krishna spricht zu ihm als Lehrer. Nur die Leiber seien vergänglich; der unvergängliche, ungeborene, ewige Geist im Menschen aber könne nicht getötet werden. Er appelliert dann weiter an seine Ehre als Krieger und dass es seine Pflicht sei, einen gerechten Kampf zu führen. Allgemeiner führt er aus, dass eine Tat in Gleichmut und Andacht geschehen soll und ohne auf den Erfolg der Tat zu spekulieren. Er soll seine Sinne bändigen und auf den Höchsten schauen (Samkhya-Philosophie)
  • 3. GesangYoga des Handelns: Arjuna will wissen, warum er kämpfen soll, wo doch die Erkenntnis wichtig sei. Krishna sagt, dass er handeln müsse, weil die in uns wohnende Natur zum Handeln zwinge. Ein Mensch der sich zum Nichtstun zwinge, aber im Geist an Sinnendingen hänge, wäre ein verkehrter Mensch. Besser ist es die notwendige Tat zu begehen, ohne jedoch daran zu hängen. Auch im Hinblick auf die Ordnung der Welt müsse er handeln; denn was der Beste tut, das tun die anderen Menschen auch.
  • 4. Gesang Göttliche Erkenntnis: Krishna, der Avatar, erklärt, dass er bereits viele Geburten durchlebt hat und immer wieder diese unvergängliche Lehre des Yoga verkünde zum Schutz der guten Menschen und zu der Bösen Untergang. Und wer diese Wahrheit wirklich erkannt habe, werde nicht wiedergeboren und gelange zu ihm. Weiterhin sagt er, dass man dem Brahman auf viele Arten opfern könne, doch das Opfer der Erkenntnis sei das beste Opfer. Denn durch diese Erkenntnis erkenne man alle Wesen im Selbst und dann in ihm.
  • 5. Gesang Entsagung oder Yoga der Werke: Arjuna fragt, was denn nun besser sei, sich der Tat zu enthalten oder die Tat zu üben. Krishna antwortet, dass beide Wege Heil bringen, doch höher als die Entsagung der Tat sei der Yoga des Wirkens zu bewerten. Beide Wege führten zum Ziel, doch sei wahrhafte Entsagung ohne Yoga nur schwer zu erreichen. Wer aber im Yoga lebend seine Sinne bezwungen habe und mit aller Wesen Seele eins sei, werde durch sein Handeln nicht verstrickt. Und wer Brahman als den Herrn der Welt erkannt habe, der alle Opfer und Anstrengung mit Freuden annehme, gelange zum wahren Frieden.
  • 6. GesangYoga der Besinnung: Krishna beschreibt Arjuna die rechte Körperhaltung für die Meditation und nennt ihm den rechten Lebenswandel für Arbeiten, Essen und Schlafen. Er sagt, dass sich durch die rechte Andachtshaltung Gedanken und Sinnenerregung allmählich beruhigen. Dann kann durch das beständige, achtsame Leben im Selbst das Brahman-Nirvana erreicht und damit grenzenloses Glück erlangt werden.
  • 7. Gesang Yoga der Erkenntnis und Weisheit: Krishna verkündet Arjuna wie er Yoga übend, Herz und Sinne auf ihn gerichtet, das Wissen vollständig erlangen kann (was nur wenigen gelingt). Er sagt, dass er in seiner niederen Natur die materielle Welt darstellt, in seiner höheren Natur aber alles aus ihm stammt, von ihm erhalten wird und alles Sein in ihm ist; er aber nicht in ihr. Wer zu einer Gottheit strebt, dem wird zuteil, was er verlangt. Wer sich aber ihm zuwendet, überwindet das Scheinbild der Natur und gelangt zu ihm, dem Ungeborenen, Ewigen - auch im Sterben.
  • 8. Gesang Das Höchste Göttliche: Auf die entsprechenden Fragen von Arjuna antwortet Krishna: Brahman ist das ewige, höchste Sein, sein Wesen ist das höchste Selbst und die Schöpfung, welche den Ursprung der Wesen bewirkt, wird das Werk genannt. Wer seinen Körper verlässt und zur Zeit seines Endes in Gedanken an mich weitergeht, erlangt meinen Seinszustand. Wer dieses Denken zu allen Zeiten geübt hat, geht in mein Wesen ein, darüber kann kein Zweifel bestehen.
  • 9. Gesang Das Königswissen: Krishna fordert von Arjuna, gut zuzuhören und spricht: Die Welt ist ausgespannt durch mich, alle Wesen sind in mir. Den Weg zu mir zu üben ist kinderleicht; doch ist es notwendig zu glauben, sonst verfehlt man mich. Ich bin zu allen Menschen gleich; doch die liebend mich verehren, die sind in mir und erreichen die höchste Bahn. Selbst ein großer Sünder, der mich verehrt, wird bald ein frommer Mann und geht zu ewigem Frieden ein. Wer sich mir liebend zuwendet, geht unabhängig von seiner Geburt, seinem Geschlecht oder seiner Kaste einstmals zu mir ein.
  • 10. Gesang Yoga der Offenbarung : Arjuna ist von den Offenbarungen Krishnas tief beeindruckt und will wissen in welchem Zustand des Seins er den „Herrlichen“ erkennen soll. Krishna antwortet, dass der „Höchste“ keine Grenzen habe und er deshalb nur das Wichtigste aufzähle. Dann zählt er die Namen von Göttern, mythischen Gestalten und berühmten Menschen der Vergangenheit auf. Er sagt, dass der „Himmlische“ die Seele der Welt sei und in aller Wesen Herz zu finden sei. Weiterhin nennt er Namen von Pflanzen und Tieren, erwähnt Begriffe aus Kunst und Wissenschaft. Er schließt mit der Aussage, dass er mit einem Teil seiner selbst, dieses Weltall erschaffen habe und dass immer dann, wenn ein herrliches Geschöpf in der Welt sei oder ein Wesen von Wissensmacht, Stärke und Schönheit sich zeige, dies ein besonderer Ausdruck seiner Größe und Kraft und seines Lichtes sei. (Theorie der Vibhutis)
  • 11. Gesang Schau der göttlichen Gestalt: Arjuna wünscht von Krishna, mit eigenen Augen den Ewigen zu sehen. Der Erhabene „verleiht“ ihm daraufhin ein „himmlisches“ Auge, damit er die Gestalt des höchsten Gottes erkennen kann. Und Arjuna schaut die göttliche Gestalt mit dem Antlitz allerwärts gewand, wie wenn das Licht von Tausend Sonnen am Himmel plötzlich hervorbräche. Und er sieht weder Ende, Mitte noch Anfang. Und er sieht die Götter und die Schar der Wesen in ihm enthalten. Er sieht den Herrn der Götter und des Alls auch als den Herrn der Zeit, der seine Geschöpfe in seinem „Rachen“ verschlingt. Und er sieht wie die Menschen voller Hast zum Untergang eilen. Und der Erhabene sagt, dass auch die Kämpfer alle dem Tod verfallen sind. Und er, Arjuna, sei sein Werkzeug um jene zu töten, die bereits durch ihn „getötet“ sind. Arjuna faltet seine Hände zitternd und verehrt den Höchsten.
  • 12. Gesang Yoga der liebevollen Hingabe: Arjuna fragt, welche Gläubigen von Gott bevorzugt würden – diejenigen, die Gott als gestaltlos betrachten und verehren, oder diejenigen, die Gott den Allmächtigen in einer offenbarten Gestalt verehren? Krishna erklärt beide Arten der Verehrung als gleichermaßen gut, doch erfordere es mehr Mühsal sich dem Unsichtbaren zu weihen. Leichter sei es für denjenigen, der sein Denken ganz in ihn versenke. Wenn er dies nicht könne, soll er die Andacht eifrig üben; sei er auch dazu zu schwach, soll er sein Tun ihm weihen; könne er auch dies nicht leisten, soll er andachtsvoll auf die Früchte aller Taten verzichten.
  • 13. Gesang Das Feld und der Kenner des Feldes: Leib und die gesamte Natur werden von Krishna als das Feld bezeichnet. Der Feldkenner sei der Geist, der diesen Leib beseelt. Krishna sagt von sich selbst, dass er alle Felder hier kenne. Das Feld verändere sich zu jeder Zeit und nur durch Gleichmut gegen Äußeres und vollkommene Hingebung an ihn könne das anfanglose, höchste Brahman erreicht werden. Dieses höchste Brahman sei in und außerhalb der Welt, zugleich fern und nah und doch so fein, dass niemand (mit Sinnen) es wahrnehme. Es wohne im Herzen jedes Wesens und bleibe doch in Wahrheit ungeteilt.
  • 14. Gesang Über die drei Gunas: Alle Gedanken, Worte und Handlungen sind erfüllt von sattva (Wahrhaftigkeit, Reinheit, Klarheit), rajas (Bewegung, Energie, Leidenschaft) oder tamas (Finsternis, Trägheit, Stabilität). Wer alles, was existiert, als Zusammenwirken dieser drei Seinszustände begreife, der könne Erkenntnis gewinnen. Auf die Frage von Arjuna, wie er denjenigen erkenne, der die drei Gunas besiegt habe, antwortet Krishna: Wer ruhig und gefasst bleibt beim ‚Auftauchen’ eines Gunas, stets den Gleichmut bewahrt, standhaft ist in Freud und Leid, wer gleich sich bleibt, wenn man ihn schmäht oder bewundert, wer jeder Tat (aus dem Ich) entsagt, der löst sich aus der Macht der Gunas. Ebenso gelingt dies demjenigen, der in unbeirrbarer Liebe nach mir sucht. Auch er gelangt über die drei Gunas hinaus und kann zu Brahman werden.
  • 15. Gesang Yoga des Höchsten Geistes: Es folgt das Bild eines Baumes mit Wurzeln im Himmel, ohne Anfang und ohne Ende. Es ist notwendig dessen Triebe (Sinnesdinge), Äste und die feste Wurzel mit dem Beil des Gleichmuts und der „Nicht-Anhänglichkeit“ zu fällen und den unbeweglichen Geist (Brahman) zu erreichen. Später heißt es dann, dass das höchste Selbst (Purushottama) größer ist als dieser unwandelbare Geist (akshara) und auch größer ist als der Geist, der zu den Dingen ward (kshara). Er sei es nämlich, der diese ganze Dreiwelt trage und als Herr durchwalte und umspanne. Wer dies wahrhaft erkenne, habe das letzte Ziel erreicht.
  • 16. Gesang Yoga der Unterscheidung: Krishna nennt die Eigenschaften der Menschen, die mit 'göttlicher Natur' und die Eigenschaften derer mit 'dämonischer Natur'. Menschen von dämonischer (asurischer) Wesensart sagen, es gibt kein sittliches Gesetz. Allein die Lust 'regiere' die Welt. Von Gier und Zorn durchbebt verschmähen sie den Gott, der in ihnen und den anderen lebt. Sie sinken herab zum tiefsten Ort und finden mich nie. Du aber, Arjuna, bist von göttlicher Wesensart. Darum handele stets so, wie es das Dharma verlangt.
  • 17. Gesang Dreigeteiltheit des Glaubens: Neben dem Shastra (Gesetz, Ordnung, Wissenschaft) ist es der Glaube, der das Leben eines Menschen bestimmt. Auch der Glaube ist ebenso wie die Nahrung, das Opfer und die Buße in seiner Ausgestaltung von der Natur der Gunas beherrscht. Selbstquälerische Askese zählt Krishna dabei zur Natur des Dämonischen.
  • 18. Gesang Yoga des Entsagens: Arjuna fragt, was der Unterschied sei zwischen Entsagung (Sannyasa) und Werkverzicht (Tyaga)? Krishna antwortet, dass der Mensch nicht auf jegliches Wirken verzichten kann. Auf Opfer, Spende und Askese soll in keinem Fall verzichtet werden. Wer auf die Früchte seines Handelns verzichtet und auf mich vertraut, von dem sagt man zu Recht dass er ein Entsagender sei. Wer den durch Pflichterfüllung ehrt, der dieses All durchdringt und aller Wesen Urgrund ist, erringt Vollkommenheit und wer dem Gesetz seiner Seele (Svadharma) folgt, gelangt zu mir (dem Purushottama).

Arjuna sagt, dass er sich besonnen hat und nach Krishnas Worten handeln will.

Wirkung

Diese achtzehn Kapitel des Epos haben das gesamte indische Geistesleben beeinflusst. Kein Text der Hinduliteratur wird so viel gelesen, so oft auswendig gelernt und so häufig zitiert, wie diese Verse. Viele Hindus ziehen das Buch als wichtigen Ratgeber heran und auch für Mahatma Gandhi war es von erheblicher Bedeutung:

„In der Bhagavadgita finde ich einen Trost, den ich selbst in der Bergpredigt vermisse. Wenn mir manchmal die Enttäuschung ins Antlitz starrt, wenn ich verlassen, keinen Lichtstrahl erblicke, greife ich zur Bhagavadgita. Dann finde ich hier und dort eine Strophe und beginne zu lächeln, inmitten aller Tragödien, und mein Leben ist voll von Tragödien gewesen. Wenn sie alle keine sichtbaren Wunden auf mir hinterlassen haben, verdanke ich dies den Lehren der Gita.“ [1]

Gandhi wollte dieses Werk noch mehr Menschen zugänglich machen. Darum verfasste er, obwohl kein Schriftgelehrter, eine Übersetzung in seine Muttersprache Gujarati und schrieb dazu auch eigene, knappe Kommentare. Diese Ausgabe widmete er den Armen, die wenig Geld für Bücher ausgeben können sowie denen, die selten Zeit zum Lesen haben; nach eigenen Worten den Frauen, Geschäftsleuten und Handwerkern. A.C. Bhaktivedanta Prabhupada bemerkte dazu, Gandhi habe die Bhagavad-gita mit der Absicht interpretiert, seine Theorie der Gewaltlosigkeit zu rechtfertigen und fragt: „Wie kann man unter Berufung auf die Bhagavad-gita für Gewaltlosigkeit eintreten? Die Bhagavad-gita handelt ja gerade davon, dass Arjuna nicht kämpfen wollte und dass Krishna ihn dazu bewegte, seine Gegner zu töten.“[2]

Die Bedeutung der Bhagavadgita erstreckt sich jedoch nicht nur auf Indien, auch für viele Nicht-Hindus gehört sie zu den großen religions-philosophischen Dichtungen der Weltliteratur. Al Biruni, ein persischer Universalgelehrter, hat sich mit ihr um 1000 in seinem berühmten Buch über Indien, dem Kitab-al-Hind, beschäftigt. Um 1600 hat Abul Fazl, der Historiograf des Mogulherrschers Akbar des Großen, das Werk in persische Prosa übertragen. 1785 kam die Bhagavadgita, durch den Orientalisten Charles Wilkins übersetzt, nach Europa. August Wilhelm Schlegel, der Inhaber des ersten Lehrstuhls für Indologie in Deutschland an der Universität Bonn, ließ sich in Paris Buchstaben für den Satz des indischen Devanagari-Alphabets herstellen, um damit die ersten Sanskrit-Texte in Europa zu drucken. Das erste Buch war 1823 die Bhagavadgita mit einer lateinischen Übersetzung von August Wilhelm.[3] Sie fand begeisterte Aufnahme und viele zeitgenössische Gelehrte verbreiteten sie unter ihren Schülern. Wilhelm von Humboldt schrieb 1825 bis 1826 zwei Abhandlungen darüber in den Schriften der Berliner Akademie. Er bezeichnete die Bhagavadgita als „… das schönste, ja vielleicht das einzig wahrhafte philosophische Gedicht, das alle uns bekannten Literaturen aufzuweisen haben“.[4] Auch der Philosoph Arthur Schopenhauer schrieb darüber voll des Lobes: „Es ist die erhabenste Lektüre, die auf der Welt möglich ist; sie ist der Trost meines Lebens gewesen und wird der meines Sterbens sein.“

Die Bhagavad-Gita wurde in Versform u. a. von Robert Boxberger (1870), Franz Hartmann (1904) Theodor Springmann(1920), und Leopold von Schroeder (1937) (ins Deutsche) und von Friedrich Rückert (ins Lateinische) übersetzt. Unter den zahlreichen Prosa-Übersetzungen sind nach Ansicht des Indologen Helmuth von Glasenapp diejenigen von Richard Garbe (1905), Paul Deussen (1906) und Rudolf Otto (1935) von besonderem wissenschaftlichem Wert.[5]

Sie übte großen Einfluss auf die Theosophie aus. Weltweit verbreitet ist heute die Übersetzung und Kommentierung „Bhagavad Gita Wie Sie Ist“ des ISKCON („Hare Krishna“)-Begründers Prabhupada, welcher die Lehren im Lichte des Gaudiya Vaishnavatums, einem Monotheismus, betrachtet.

Ebenfalls großen Einfluss übte sie auf das Denken/Verhalten von Robert Oppenheimer aus.[6]

Kommentare

Traditionell gehören die Kommentatoren einer spirituellen Tradition oder Schule und bestimmten Gurulinien an, die jede für sich beanspruchen, am zuverlässigsten den Originaltext wieder zu geben. Die verschiedenen Übersetzer und Kommentatoren haben bisweilen auch weit voneinander abweichende Ansichten über die Bedeutung bestimmter Sanskritwörter und Ausdrücke. Dies führt dazu, dass Interpretationen ganzer Abschnitte in den Literaturwissenschaften des Westens oft mit den traditionellen Ansichten nicht übereinstimmen.

Der älteste und zugleich einflussreichste Kommentar des Mittelalters stammt von Shankara, dem Gründer der Vedanta Schule der Nicht-Zweiheit (Advaita-Vedanta). Für ihn vertrat auch die Lehre der Gita seine Ansicht, die ganze Welt sei Erscheinung (Maya).[7] Ganz anderer Ansicht ist dagegen Ramanuja, der im elften Jahrhundert lebte und die Ansicht vertrat, dass die Welt keine Täuschung oder Illusion ist, sondern völlig vom Allerhöchsten abhängig ist. Folgerichtig wird daher von Ramanuja der Weg der Hingabe (Bhakti-Yoga) als die wichtigste Botschaft der Gita bezeichnet. Auch von Madhva (1199-1278), dem Begründer der Schule der Zweiheit (Dvaita-Vedanta), gibt es einen ausführlichen Kommentar zur Bhagavadgita.[8]

Im 20. Jahrhundert wurden bemerkenswerte Kommentare von den Großen der indischen Unabhängigkeitsbewegung Bal Gangadhar Tilak (während seiner Zeit im Gefängnis 1910/11), Mahatma Gandhi und Sri Aurobindo geschrieben. Andere moderne Kommentatoren waren Swami Vivekananda und Sarvepalli Radhakrishnan. Radhakrishnan schreibt, dass nach Aussage der Bhagavadgita ein Kampf zwischen Gut und Böse in der Welt stattfindet, an dem Gott innigen Anteil nehme. Radhakrishnan sieht in der Gestalt von Krishna, wie sie in der Gita erscheint, eine Veranschaulichung der geistigen Quellen und der verborgenen Göttlichkeit des Menschen.[9] Paramahansa Yogananda, Autor der berühmten Autobiografie eines Yogi, verfasste einen umfangreichen Kommentar für Yogis und speziell für seinen Kriya-Yoga.[10] A. C. Bhaktivedanta, Gründer der Internationalen Gesellschaft für Krishna-Bewusstsein (ISKCON), schrieb einen Kommentar zur Gita aus der Perspektive der Gaudiya-Vaishnava-Schule, eine vishnuitische Lehre, welche die Verehrung des göttlichen Paares Radha-Krishna sowie das Singen und Rezitieren ihrer Namen ins Zentrum der Verehrung stellt.

Einzelnachweise

  1. Zitiert nach der deutschen Übersetzung der Bhagavadgita des S. Radhakrishnan aus dem Verlag R. Löwit - Wiesbaden
  2. Bewußte Freude/ Zeitlos und unvergleichlich, S. 40,
  3. Volker Zotz: Auf den glückseligen Inseln, Theseus Verlag, 2000, S.67-68.
  4. Bhagavadgita. Reclam. Vorwort von Helmut von Glasenapp 1955, S. 9
  5. Bhagavadgita. Reclam. Vorwort von Helmut von Glasenapp 1955, S. 9.
  6. [1] The Gita of J. Robert Oppenheimer, Proceedings of American Philosophical Society, Published 2000 , Text über Einfluss der Gita auf Robert Oppenheimer,
  7. Helmuth v. Glasenapp, Die Philosophie der Inder, A. Kröner Verlag, S. 185/186
  8. Kuno Lorenz, Indische Denker, S. 233-240
  9. Ronald Sequeira, Die Philosophien Indiens, S. 197
  10. Yogananda, Paramahansa: God Talks with Arjuna, The Bhagavad Gita, An new translation and commentary, Self-Realization Fellowship 2001, ISBN 0-87612-031-1 (paperback) ISBN 0-87612-030-3 (hardcover, auch in deutsch), Introduction.

Literatur

  • Swami Prabhupada: Bhagavadgita, ISBN 0-89213-088-1
  • Vinoba Bhave: Gespräche über die Gita, Hinder + Deelmann, Gladenbach 1999, ISBN 3-87348-090-5
  • Aurobindo Ghose: Bhagavadgita, Hinder + Deelmann, Gladenbach 1981, ISBN 3-87348-163-4
  • Aurobindo Ghose: Essays über die Gita, Hinder + Deelmann, Gladenbach 1992, ISBN 3-87348-099-9
  • Helmuth von Glasenapp (Hrsg.): Bhagavadgita. Das Lied der Gottheit, Reclam, Stuttgart 2003, ISBN 3-15-007874-1
  • Bede Griffiths: Bhagavad-gita. Mit einem spirituellem Kommentar, Kösel, München 1993, ISBN 3-466-20373-2
  • Wilfried Huchzermeyer, Jutta Zimmermann: Erlebnis Bhagavad Gita Edition Sawitri, Karlsruhe 2000, ISBN 3-931172-14-7
  • Swami Sivananda: Shrimad Bhagavad Gita - ISBN 3-922477-06-2, Mangalam Books, Lautersheim 2003
  • K. O. Schmidt: Bhagavad Gita Das hohe Lied der Tat - ISBN 3-7699-0419-2, Drei Eichen Verlag München - Engelberg/Schweiz 1968
  • Leopold von Schroeder: Bhagavadgita und Heinrich Zimmer: Aschtavakragita, 2004 Diederichs Gelbe Reihe, ISBN 3-89631-440-8
  • Paramahansa Yogananda: Die Bhagavad Gita - Gott spricht mit Arjuna, Self-Realization Fellowship, 2005, ISBN 0-87612-032-X
  • Michael von Brück: ″Bhagavad Gita - Der Gesang des Erhabenen″, Verlag der Weltreligionen 2007, ISBN 978-3-458-70002-9

Tonträger

  • Jutta Zimmermann: Bhagavad Gita. Mitsingen und Chanten (1 CD), Stuttgart: Raja-Verlag 2003, ISBN 3-936684-05-7

Weblinks


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