Bibelgeschichten

Bibelgeschichten

Biblische Erzählungen, auch Bibelgeschichten oder biblische Geschichten genannt, sind Erzählungen über Geschehnisse, die sich gemäß den Aufzeichnungen in den verschiedenen Büchern der Bibel ereignet haben. Sie alle berichten über die Beziehung von Menschen und Gott oder von Menschen untereinander.

Häufig werden Bibelgeschichten nicht direkt in der Bibel nachgelesen, sondern als mehr oder minder freie Nacherzählungen entweder mündlich durch einen Erzähler oder traditionell als Lektüre von biblischen Geschichtensammlungen, häufig in vereinfachter Sprache durch sogenannte Kinderbibeln, vermittelt.

Einige biblische Erzählungen sind im allgemeinen Sprachgebrauch sprichwörtlich geworden oder werden in feststehenden Redewendungen verwendet, wie das Salomonische Urteil, der Tanz ums goldene Kalb, ungläubiger Thomas oder sintflutartiger Regen.

Verschiedene Bibelausgaben verweisen durch Zwischenüberschriften im Bibeltext auf den Beginn biblischer Geschichten hin, so dass der Leser diese einfacher im biblischen Kontext auffinden kann.

Die erste Seite aus dem 1. Buch Mose einer originalen King James Bible mit der biblischen Erzählung der Schöpfungsgeschichte, gedruckt 1611

Inhaltsverzeichnis

Themen und Inhalt

Bei biblischen Erzählungen handelt es sich meist um Erlebnisse von Menschen, die mit einer Gotteserfahrung oder einem Eingreifen Gottes verbunden sind. Andere haben schicksalshafte Taten oder Entscheidungen von Personen und deren Folgen zum Thema. Während bei Bibelgeschichten aus dem Alten Testament die biblische Urgeschichte und das Handeln Gottes mit dem Volk Israel im Vordergrund stehen, bilden bei biblischen Erzählungen, die sich auf das Neue Testament beziehen, meist Ereignisse um das Wirken Jesu Christi den Schwerpunkt. Zu den biblischen Geschichten zählt man nicht zuletzt auch die zahlreichen Gleichnisse, die Jesus seinen Zuhörern zu erzählen pflegte.

In biblischen Erzählungen findet sich ein weites Spektrum menschlicher Emotionen: Ehrfurcht und Abscheu, Liebe und Hass, Eifersucht, Neid, Habsucht, Geiz und Freigebigkeit, Zorn, Zweifel, Glück und Leid, Hochmut und Demut, Verzweiflung und Hoffnung, Trauer und Freude, Sehnsucht, Glaube und Unglaube, Treue und Untreue, Dankbarbeit und Undank, Bosheit und Nächstenliebe, Scham- und Schuldgefühl, Barmherzigkeit und Mitleid. Fehlverhalten wird nicht beschönigt, sondern offengelegt. Bibelgeschichten kennen keine Tabus, egal ob es sich um Mord, Ehebruch, Lüge, Betrug, Intrigen, Diebstahl oder Vergewaltigung handelt. Aber auch wenn sich Menschen zum Guten ändern, indem sie Reue bzw. Buße zeigen und Vergebung ihrer Sünden empfangen, wird das genau berichtet.

Paulus empfiehlt die Lektüre der in der Bibel aufgeschriebenen Geschichten zur religiösen Schulung und Ermunterung der Gläubigen:

  • Alle Schrift ist von Gott eingegeben und nütze zur Lehre, zur Zurechtweisung, zur Unterweisung in der Gerechtigkeit, daß ein Mensch Gottes sei vollkommen, zu allem guten Werk geschickt. (2. Tim 3,16–17, wiedergegeben nach der Elberfelder Bibel, Ausgabe 1871)
  • Was aber zuvor geschrieben ist, das ist uns zur Lehre geschrieben, auf daß wir durch Geduld und Trost der Schrift Hoffnung haben. (Rö 15,4, zitiert nach der Lutherbibel, Ausgabe 1912)

Nacherzählte Bibelgeschichten

Die Wiedergabe biblischer Erzählungen hat eine lange Tradition in der religiösen Erziehung in Familie und Gottesdienst. In vielen christlichen Familien wird Kindern aus Kinderbibeln vorgelesen und die Kinder erfahren unterschiedliche Bibelgeschichten auch beim Besuch von Kindergottesdiensten oder der Sonntagsschule. Das Verschenken von Büchern mit biblischen Geschichten aus Anlass der Erstkommunion, an Kindergeburtstagen oder zu Weihnachten ist eine gängige Praxis. Auch im Religionsunterricht, besonders in der Grundschule, werden durch Lesen und Besprechung biblischer Erzählungen elementare Kenntnisse der Heiligen Schrift vermittelt. Lesungen von Bibelgeschichten bilden oft auch die Basis für Predigten in Gottesdiensten.

In den USA wurde 1977 das Network of Biblical Storytellers (NOBS) gegründet, das sich der Ausbildung von professionellen Erzählern biblischer Geschichten verschrieben hat. Inzwischen gibt es Ableger dieses Netzwerkes in Australien, Kanada, Großbritannien und Singapur[1]. In Melbourne, Australien, hat sich die Theatergruppe The Backyard Bard auf das Erzählen biblischer Geschichten auf der Bühne spezialisiert[2].

Wahrheit oder Legende

Heute sieht lediglich noch eine Minderheit von Christen, darunter viele Evangelikale, Adventisten und die Zeugen Jehovas, welche die Bibel für göttlich inspiriert halten, alle Erzählungen der Heiligen Schrift als Tatsachenberichte an. Dagegen verweisen zahlreiche moderne Theologen, Exegeten und Bibelkritiker etliche Geschichten, vor allem solche mit übernatürlichen Inhalten, in das Reich der Mythen und Legenden. Andere suchen nach natürlichen Erklärungen für biblische Erzählungen, z. B. Blitzeis auf dem See Genezareth, so dass Jesus scheinbar auf dem Wasser laufen konnte[3], oder deuten die Berichte über die Sintflut als einen lokalen Tsunami.

Jesus erzählte nicht nur selbst gerne Geschichten, oft verpackt in Gleichnisse, sondern setzte bei seinen Zuhörern häufig die Kenntnis vieler biblischer Erzählungen aus dem Alten Testament voraus, wenn er sich gemäß der Überlieferung der Evangelien auf Personen wie Adam und Eva (Mt 19,4 GNB), Lot und dessen Frau (Lk 17,28-32 GNB), Mose, Salomo oder die Königin von Saba (Mt 12,42 GNB) und auf Ereignisse wie die Sintflut und die Arche Noah (Lk 17,26-27 GNB), die Vernichtung von Sodom und Gomorrha oder auf Jona im Bauch des großen Fisches (Mt 12,40-41 GNB) bezog. Unkenntnis quittierte er gelegentlich vorwurfsvoll mit den Worten: „Habt ihr nicht gelesen, was in den Heiligen Schriften steht?“ (Mt 19,4 GNB). Für Jesus waren die biblischen Erzählungen aus dem Tanach reale Geschehnisse.

Kenntnis in der Bevölkerung

Zu den biblischen Erzählungen mit dem höchsten Bekanntheitsgrad gehören:

Gehörte die Kenntnis vieler biblischer Erzählungen in christlich geprägten Ländern über Jahrhunderte praktisch zum Allgemeinwissen, so ist dieses Wissen sowohl unter Erwachsenen als auch unter Kindern und Jugendlichen in den letzten Jahrzehnten stark zurückgegangen, obwohl das Angebot an verfügbaren Bibelübersetzungen und von im Buchhandel angebotenen Kinderbibeln ständig zugenommen hat.

Bei zwei repräsentativen Umfragen des Instituts für Demoskopie Allensbach aus den Jahren 1995 und 2005 kannte nur die Hälfte der Befragten mehr als 7 von 19 bekannten Bibelgeschichten. 24 % hatten überhaupt keine Bibelkenntnisse. Besonders im Osten Deutschlands und unter Jugendlichen waren die biblischen Erzählungen wenig bekannt.[4]. Als Gründe dafür werden eine zunehmende Kirchenferne und Entfremdung von christlichen Traditionen bei vielen Menschen, die wachsende Zahl von Kirchenaustritten, aber auch die stark angewachsene Konkurrenz durch unterschiedlichste Medien und Unterhaltungsangebote angesehen. So haben die Romane um Harry Potter und seine magische Welt heute für die meisten Jugendlichen mehr Anziehungskraft als die Geschichten aus der Bibel.

In Italien beunruhigte im November 2005 die mangelnde Kenntnis der Heiligen Schrift eine Gruppe italienischer Intellektueller um den Schriftsteller Umberto Eco und den Philosophen Gianni Vattimo so sehr, dass diese mit einer Unterschriftenkampagne ihrer Forderung Nachdruck verleihen wollten, die Bibel wieder stärker in den Schulunterricht einzubeziehen, weil sich die Unkenntnis biblischer Erzählungen zunehmend „negativ auf das Verständnis von Kunst, Musik, Literatur, Politik und Wirtschaft“ auswirke[5].

Biblische Erzählungen in der Kunst

Biblische Erzählungen bilden Motive zahlreicher künstlerischer Verarbeitungen, unter anderem in der Bildenden Kunst, Literatur oder Musik, und waren Basis für etliche Verfilmungen von biblischen Stoffen.

Beispiele aus der Bildenden Kunst

Sintflutbrunnen im Coburger Rosengarten
Simsonbrunnen in Gera

Beispiele aus der Literatur

Beispiele aus der Musik

Auswahl biblischer Erzählungen im Alten Testament

Adam und Eva (span. Buchmalerei, ca. 950)
Kains Brudermord im Ulmer Münster von Hans Acker, um 1430
Friedrich Overbeck: Verkauf Josephs an die ägyptischen Händler
Philipp Veit: Joseph und Potiphars Frau, 1816–1817
Peter von Cornelius: Joseph deutet die Träume des Pharaos
Moses und die Zehn Gebote, Gemälde von Jusepe de Ribera
Bileam und der Engel, Gemälde von Gustav Jaeger, 1836
Ruth im Feld des Boaz, Gemälde von Julius Schnorr von Carolsfeld, 1828
Delila schert Simson die Haare, Kupferstich von Meister E.S.
Deckenfresko im Herbergstrakt der Wallfahrtskirche Frauenberg: Das Salomonische Urteil
Elia wird von Raben ernährt, Gemälde von Gillis van Coninxloo, Ende 16. Jahrhundert
Niederlage Sanheribs vor Jerusalem, Peter Paul Rubens, 1. Hälfte 17. Jahrhundert
Jona predigt zu den Nineviten, von Gustave Dore
Daniel in der Löwengrube, Gemälde von Briton Rivière, 1890
  • König Hiskija
    • Die Assyrer belagern Jerusalem
    • Sanheribs Heer wird durch einen Engel JHWHs vernichtet
  • Joschija lässt den Tempel renovieren
  • Jeremia warnt vor dem Götzendienst und der Strafe Gottes
  • Jerusalem und der Tempel werden zerstört

Auswahl biblischer Erzählungen im Neuen Testament

Die Hochzeit zu Kana, Julius Schnorr von Carolsfeld, 1820
Einzug Jesu in Jerusalem, Lithographie von Otto Speckter
Giotto di Bondone: Jesus vertreibt die Händler aus dem Tempel
El Greco: Ausgießung des Heiligen Geistes
Die Bekehrung des Paulus in der Interpretation Caravaggios
Apokalyptisches Lamm auf dem Buch mit sieben Siegeln, Johann Heinrich Rohr, um 1775
Johannes schaut auf Patmos die Visionen der Offenbarung, Altarbild von Hans Memling

Zitate

  • Ohne ihre Kenntnis ist nicht zu begreifen, wie Europa wurde, was es ist. Auch die großen Schöpfungen der europäischen Literatur, Musik und Malerei erschließen sich kaum, wenn man nichts von der Bibel weiß... Wer Antworten sucht, wird nicht selten erschrecken über den radikalen Absolutheitsanspruch, den der Gott der Bibel an seine Gläubigen stellt, und staunen über noch nie gehörte oder längst vergessene Geschichten. Man kann diese Geschichten für reine Fiktion halten, also für bloße Literatur aus versunkender Zeit. Kennen sollte man sie trotzdem, denn selbst wenn es bloße Literatur wäre, handelte es sich immerhin um Weltliteratur. Um weltverändernde Literatur.[6] - Christian Nürnberger

Siehe auch

Hinweis: Verweise auf biblische Erzählungen in den einzelnen Büchern der Bibel finden sich jeweils auch in den Wikipedia-Artikeln zu den betreffenden Büchern des Alten und Neuen Testaments (meist im Abschnitt Inhalt).

Literatur

siehe auch unter Kinderbibel

  • Anne de Vries: Das große Erzählbuch zur biblischen Geschichte. 2. Auflage. Aussaat, 2003, ISBN=3761553315 (PDF (23 MB; über 200 biblische Erzählungen mit einfarbigen Zeichnungen und einem Kartenteil im Anhang, auch als MP3-Hörbuch erhältlich)
  • Wachtturm-Gesellschaft (Hrsg.): Mein Buch mit biblischen Geschichten. Selters/Taunus 1978 (In chronologischer Reihenfolge werden 116 biblische Geschichten erzählt. Das Buch ist in 194 Sprachen erhältlich.[7] Kostenfreier Download als Hörbuch im MP3- und AAC-Format in 5 Sprachen auf jw.org (Sprache und Buchtitel im Menü auswählen))
  • Bibelgeschichten für die ganze Familie. 2005, ISBN 1405448377 (mehr als 200 Bibelgeschichten in der Reihenfolge der Bibelbücher mit integriertem Bibellexikon und Anhang über Pflanzen, Tiere und Alltag in biblischer Zeit)
  • Christian Nürnberger: Die Bibel. Was man wirklich wissen muss, Rowohlt 2006, 224 S., ISBN 3499620685 (Der Autor, ein erklärter Agnostiker, erzählt die wichtigsten Geschichten des Alten und Neuen Testaments und erklärt, worin die revolutionäre Botschaft des biblischen Geschehens liegt, lebensnah und überraschend aktuell - für Christen und Nichtchristen.)
  • Peter Hahne: Zeit für Dich. Die schönsten biblischen Erzählungen. Audio-CD, ISBN 3-438-01880-2 (in Gemeinschaft mit dem Verlag Katholisches Bibelwerk und der Bild-Zeitung)

Fußnoten

  1. en:Biblical storytelling
  2. en:The Backyard Bard
  3. Unglaubliche Behauptung eines US-Forschers: Jesus ging nicht übers Wasser – es war Blitzeis!, Bild, 5. April 2006 (abgerufen am 23.9.2007)
  4. fowid - Forschungsgruppe Weltanschauungen in Deutschland: Umfrage zur Kenntnis biblischer Geschichten, 2005 und 1995 (PDF), S. 1-3
  5. Italiens Intellektuelle fordern mehr Bibelstudium an Schulen, Kulturnachrichten im Deutschlandradio vom 14.11.2005
  6. Christian Nürnberger: Die Bibel. Was man wirklich wissen muss, Rowohlt 2006, S.8
  7. Erwachet!, Ausgabe November 2007, S. 18

Weblinks


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