Biosimilar

Biosimilar

Der Fachbegriff Biosimilar (plur.: Biosimilars) bezeichnet einen biotechnologisch erzeugten, protein-basierten Nachahmer-Arzneistoff, der nach Ablauf der Patentzeit eines Originalwirkstoffs zugelassen wird. Die Wirkstoffe dieser neuartigen Biotechnologie-Erzeugnisse sind, anders als die klassischen, molekülstruktur-definierten Arzneistoffe, nicht völlig identisch zum Originalwirkstoff und erfordern deshalb aufwendigere Zulassungsverfahren und Überwachungsmaßnahmen als die klassischen Generika. Hauptgründe für diese Unterschiede sind die unterschiedlichen Organismen, auf denen das Zielprotein exprimiert wird, und die anderen angewendeten Verfahren wie Abtrennung und Reinigung. Häufige Unterschiede sind andersartige Glykosylierungsmuster, was Konsequenzen hat vor allem für die Pharmakokinetik. Aus diesem Grund ist die gelegentlich verwendete Bezeichnung „Biogenerikum“ (plur.: „Biogenerika“) eine unzureichende Charakterisierung dieser neuartigen Nachahmer-Arzneimittel. Nach einer positiv verlaufenen Beurteilung durch den Ausschuss für Humanarzneimittel der Europäischen Arzneimittelagentur erfolgt die Marktzulassung eines Biosimilars in der gesamten EU durch die Europäische Kommission.

Inhaltsverzeichnis

Begriffsdefinitionen

In Anlehnung an niedermolekulare Generika, die nach Ablauf der Patentlaufzeit eines Originalarzneistoffes zu deutlich günstigeren Preisen auf den Markt gebracht werden, ist für rekombinante therapeutische Proteine, die in Kürze aus dem Patentschutz entlassen werden, der Begriff des Biogenerikums eingeführt worden. Aus der Sicht der Zulassungsbehörden (Europäische Arzneimittelagentur, FDA) ist aber der gewählte Begriff nicht korrekt und betreffende Produkte sollten als Äquivalente Biotechnologische Arzneimittel oder Bioähnliche Produkte (engl. Biosimilars) bezeichnet werden. Gebräuchlich ist inzwischen auch der Begriff Follow-on-Biologicals, mit dem echte Neuentwicklungen nach bekannten Vorbildern gemeint sind.

Erfordernisse zur Zulassung

Neben der nicht einheitlichen Begriffswahl steht aber für die Industrie die unterschiedliche Definitionsauslegung im Vordergrund. Einigkeit herrscht bei drei Kriterien, die ein Biosimilar charakterisieren:

  • Vermarktung nach Patentablaufzeit des Originals
  • Verkauf zu einem deutlich reduzierten Preis im Vergleich zum Original
  • Arzneilicher Bestandteil ist ein Wirkstoff, der in der Aminosäuresequenz identisch ist zum Original

Bei Zulassung niedermolekularer chemischer Generika darf sich der pharmazeutische Unternehmer auf die pharmakologischen und klinischen Studien des Originalproduktes beziehen, die bei Erstzulassung eingereicht wurden. Der pharmazeutische Unternehmer muss lediglich Bioäquivalenz und pharmazeutische Qualität nachweisen, dann ist ein Vertrieb des Generikums unter einem internationalen Freinamen (INN) möglich. Bei Biosimilars ist die Situation anders, da es sich um Arzneistoffe handelt, die sich in der Herstellung und Wahl des Expressionssystem vom Originalprotein unterscheiden. Nicht nur die Qualität, sondern auch zusätzlich die Identität eines rekombinanten Arzneistoffes leitet sich aus seinem Herstellungsprozess ab. Wesentliche Unterschiede liegen in der Proteinkonformation und dem Glykosylierungsmuster, die vom Produzenten abhängen. Unterschiedliche Glykosylierungen haben beispielsweise Konsequenzen für die Immunogenität oder Pharmakokinetik. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass es sich bei Biosimilars zwar um Kopien therapeutischer Proteine handelt, die aber auf Grund der chemischen Unterschiede im Zentralisierten Verfahren der Europäischen Arzneimittelagentur mit eigenen Studien zur Wirksamkeit und Unbedenklichkeit beurteilt und zugelassen werden müssen.[1][2] Ein ähnliches Verfahren ist in der Schweiz anzuwenden.[3] Hexal AG hat auf dem Gebiet der Biosimilars eine Vorreiterrolle eingenommen: Das Unternehmen brachte mit Epoetin alfa HEXAL® das erste Epoetin-Biosimilar Europas auf den Markt. Das erste 2006 in Europa zugelassene Biosimilar war ein Somatropin-Präparat der Firma Sandoz. Da es zuvor in Europa noch keine rechtlichen Regularien für Biosimilars gab, hat Sandoz/Hexal bei der Entwicklung eines Zulassungsverfahrens mit der EMA zusammengearbeitet. In der Zwischenzeit sind 13 Biosimilars verschiedener Hersteller in Deutschland zugelassen (Stand Feb 2009).

Biosimilars in der ärztlichen Praxis

Aus Sicht der Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) sind auf Grund der behördlichen Anforderungen bei der Zulassung die Nachweise für Wirksamkeit, Qualität und Unbedenklichkeit vorhanden. Biosimilars sind den Originalpräparaten gleichwertig und können am Beginn einer Behandlung ebenso eingesetzt werden wie diese. Dabei dürfen die in der EU zugelassenen Biosimilars nicht mit denen, die in China, Indien und Südamerika auf dem Markt sind, verglichen werden. Bei diesen ist die Gleichwertigkeit auf Grund der einfacheren Zulassung nicht immer gewährleistet. Inwieweit ein Wechsel von dem Referenzprodukt auf das Biosimilar möglich ist, ist nicht einheitlich geregelt. Die EU legt fest, dass die Austauschbarkeit Sache der Zulassungsbehörden der Länder ist. In Deutschland darf nur der Arzt entscheiden, ob auf ein Biosimilar gewechselt werden soll. Aus Sicht der Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) sind auf Grund der Anforderungen bei der Zulassung die Nachweise für Wirksamkeit, Qualität und Unbedenklichkeit vorhanden. Biosimilars sind den Originalpräparaten gleichwertig und können am Beginn einer Behandlung ebenso eingesetzt werden wie diese. Die AkdÄ empfiehlt, den Patienten in der Zeit nach der Umstellung von einem Referenzprodukt auf ein Biosimilar engmaschig zu überwachen.[4] Biotechnologisch hergestellte Arzneimittel zählen zu den teuersten Arzneimitteln. Bereits jetzt entfallen in Deutschland 13 Prozent der Arzneimittelausgaben auf diese Klasse. 2020 werden es einer Studie des IGES Instituts zufolge 21 Prozent sein. Das käme einem Anstieg von vier auf zehn Milliarden Euro gleich. Gleichzeitig geht das Institut davon aus, dass bis zum Jahr 2020 bereits mehr als 20 Biosimilars zur Verfügung stehen könnten. Das würde auf der Kostenseite ein Einsparvolumen von insgesamt 8,1 Milliarden Euro bedeuten, was 25 Prozent im biosimilarfähigen Markt entspricht. Ab 2017 werden Einsparungen in Höhe von einer Milliarde Euro pro Jahr erwartet.

Einzelnachweise

  1. Guideline on Similar Biological Medicinal Products. European Medicines Agency, Committee for Medicinal Products for Human Use (CHMP), 30. Oktober 2005, abgerufen am 7. Juli 2009 (PDF, englisch, 107KB).
  2. Questions and Answers on biosimilar medicines (similar biological medicinal products). European Medicines Agency, 22. Oktober 2008, abgerufen am 7. Juli 2009 (PDF, englisch, 30KB).
  3. Anleitung für die Zulassung ähnlicher biologischer Arzneimittel (Biosimilars). swissmedic, 15. Februar 2008, abgerufen am 7. Juli 2009 (PDF, 64KB).
  4. Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft: Stellungnahme der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft zu Biosimilars. Berlin, 9. Dezember 2008. www.akdae.de

Weblinks

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