- Bison bonasus
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Wisent Systematik Unterordnung: Wiederkäuer (Ruminantia) Familie: Hornträger (Bovidae) Unterfamilie: Bovinae Tribus: Rinder (Bovini) Gattung: Bisons (Bison) Art: Wisent Wissenschaftlicher Name Bison bonasus (Linnaeus, 1758) Der Wisent oder Europäische Bison (Bison bonasus) ist eine europäische Art der Rinder, die heute in weiten Teilen ihres einstigen Verbreitungsgebiets ausgestorben ist. Er ist dem Amerikanischen Bison ähnlich und mit diesem uneingeschränkt kreuzbar; die beiden werden daher manchmal als eine Art betrachtet.
Inhaltsverzeichnis
Merkmale
Der Wisent ist seit der Ausrottung des Auerochsen Europas schwerstes und größtes Landsäugetier und zudem der letzte Vertreter der wildlebenden Rinderarten des europäischen Kontinents. Er hat eine Kopfrumpflänge von 330 Zentimetern, eine Schulterhöhe bis zu zwei Meter und ein Gewicht bis zu einer Tonne. Wie beim amerikanischen Vetter ist das Fell dunkelbraun; Kälber und Jungtiere haben eine mehr rötliche Farbe. Der Kopf ist auffallend kurz, trägt einen ausgeprägten Kinnbart und endet in zwei kurzen Hörnern. Er wird gesenkt getragen und liegt deutlich unter dem Widerrist.
Von einem amerikanischen Bison ist der Wisent nur schwer zu unterscheiden. Er hat kürzere Haare, einen höheren Widerrist, längere Hörner und einen längeren Schwanz. Beide Arten sind gleich groß, obwohl der amerikanische Bison kompakter und kräftiger wirkt.
Verbreitung
Die ursprüngliche Verbreitung reichte von Spanien über Mitteleuropa bis ins westliche Sibirien und umfasste auch England und das südliche Skandinavien. In diesem großen Verbreitungsgebiet bewohnte der Wisent sowohl offene Wälder als auch offenes Land. Erst durch menschliche Verfolgung ist er zu einem Tier dichter Wälder geworden. Der letzte freilebende Wisent wurde 1921 in Polen gewildert (siehe auch: Bedrohung und Schutz). 2006 lebten wieder 31 ausgewilderte Populationen in Freiheit: neun in der Ukraine, acht in Russland, sieben in Weißrussland, fünf in Polen, eine in Litauen und eine in der Slowakei. In Rumänien ist eine Auswilderung für 2007 geplant, in Deutschland eine für 2009 (im Rothaargebirge in Nordrhein-Westfalen).
Heute ist das Wisent in Zoologischen Gärten wie etwa dem Wildpark Kellerwald Edersee in Hemfurth, Hessen zu sehen.
Unterarten
Drei neuzeitliche Unterarten, von denen zwei ausgestorben sind, werden allgemein anerkannt:[1]
- Flachlandwisent (B. b. bonasus) – Osteuropa
- Karpatenwisent (B. b. hungarorum) – Karpatengebiet, ausgestorben
- Kaukasuswisent (B. b. caucasicus) – Kaukasusregion, ausgestorben
Im Jahr 2000 schlugen Rautian und andere vor, die kaukasische Hybridlinie (B. b. bonasus × B. b. caucasicus × B. bison) als neue Unterart anzuerkennen:[2]
- Hochlandwisent (B. b. montanus) – Kaukasusregion, nicht allgemein anerkannt
Lebensweise
Wisente leben in kleinen Verbänden von etwa zwanzig Tieren, die für gewöhnlich aus Kühen mit deren Kälbern bestehen. Erst im Juli schließen sich die sonst einzelgängerischen Bullen den Herden an, um sich mit den Kühen zu paaren. Zwischen konkurrierenden Bullen kommt es dann zu Kämpfen, die auch mit schweren Verletzungen enden können. Im Winter schließen sich die Verbände oft zu größeren Herden zusammen. In diesen Herden können dann auch mehrere Bullen leben.
Die Kühe tragen in der Regel nur einzelne Kälber aus, welche meistens zwischen Mai und Juli geboren werden. Sie werden etwa ein Jahr gesäugt und sind im Alter von vier Jahren geschlechtsreif. Bullen müssen allerdings noch einige Jahre in Junggesellenverbänden verbringen, ehe sie stark genug sind, sich gegen andere erwachsene Bullen durchzusetzen und eine Herde zu führen. Die Lebensdauer kann 25 Jahre betragen.
Bedrohung und Schutz
Schon in der letzten Eiszeit wurden Wisente von Menschen gejagt; ihre Abbilder sind durch Höhlenzeichnungen überliefert. Zwar starb er in den Mittelmeerländern schon vor Beginn menschlicher Geschichtsschreibung aus, doch die Griechen und Römer kannten dieses Tier, das in Thrakien und Germanien beheimatet war. Die Griechen nannten den Wisent bonasos, ein vielleicht einer thrakischen Sprache entlehntes Wort. Auch Plinius der Ältere liefert eine Beschreibung des Wisents, den er Bison nennt. Er beschreibt ihn als ein Rind mit einer Pferdemähne, das so kurze Hörner habe, dass diese im Kampf von keinerlei Nutzen seien; statt zu kämpfen laufe der Wisent vor jeder Bedrohung davon und hinterlasse dabei über eine Strecke von einer halben Meile unablässig eine Spur von Dung, die bei Berührung die Haut eines Verfolgers verbrenne wie Feuer. In späteren Zeiten kamen die Römer häufig genug mit Wisenten in Kontakt, um diese Geschichten als unwahr zu erkennen. Sie transportierten Wisente bis nach Rom, um sie gegen Gladiatoren antreten zu lassen.
In mittelalterlicher Literatur ist der Wisent gelegentlich beschrieben, allerdings ist nicht immer klar, ob er oder der Auerochse gemeint ist, da beide oft als Ur bezeichnet worden sind. Im Nibelungenlied etwa wird die Stimme Dietrichs von Bern mit dem Klang des Horns eines Wisents verglichen. Der Naturforscher Conrad Gesner beschrieb den Wisent im 16. Jahrhundert folgendermaßen: „Dann dem Wisent werdend von den alten zugeben, daß er häßlich seye, scheutzlich, vil haare, mit einem dicken langen halshaar als die Pfärdt, item gebartet, summa gantz wild und ungestalt.“
Im 17. und 18. Jahrhundert starb der Wisent in fast allen Ländern Europas aus. Die Umwandlung der Wälder in agrarisch dominierte Freiflächen und die immer dichter werdenden menschlichen Siedlungen sorgten für sein Verschwinden. Zum Beginn des 19. Jahrhunderts gab es offenbar nur noch in zwei Regionen wilde Wisente: im Kaukasus und im Wald von Białowieża. Die Zahl der Tiere in Białowieża mag etwa 500 betragen haben, und während des gesamten 19. Jahrhunderts nahm die Zahl zwar ab, doch der dortige Wisentbestand blieb erhalten. Erst in den 1920er-Jahren erloschen diese letzten freilebenden Bestände. Die polnischen Wisente waren zwar streng geschützt, doch in den Wirren nach dem Ersten Weltkrieg wurden die letzten Tiere von Wilderern erlegt. Am 9. Februar 1921 starb so der letzte polnische Wisent. Die Wisente des Kaukasus starben wahrscheinlich 1927 durch übermäßige Bejagung aus. Lediglich ein Bulle überlebte in Gefangenschaft.
1923 wurde in Frankfurt am Main eine Gesellschaft zur Rettung des Wisents gegründet und in ganz Europa nach in Gefangenschaft überlebenden Tieren gesucht. Insgesamt konnte man nur 57 Tiere finden, von denen aber lediglich ein gutes Dutzend zur Zucht kam, darunter der einzige Wisent der Kaukasuspopulation.
Das Wisentgehege Springe wurde 1928 im Saupark Springe unter Anleitung des Direktors des Berliner Zoos Professor Lutz Heck angelegt. Ziel der Einrichtung war, den Wisent als das größte Säugetier in Europa vor dem Aussterben zu retten. Es war schwer, an reinrassige Tiere zu kommen. So erfolgten die ersten Zuchtversuche mit einem Wisentstier und Bisonkühen in Form einer Verdrängungszucht. Man versuchte durch Rückkreuzungen die Bisonerbanlagen zu verdrängen. Erst 1935 konnten reinrassige Wisentkühe erworben und die Zucht entsprechend umgestellt werden. Die Bastarde wurden daraufhin abgegeben. Seit dieser Zeit wurden über 250 reinrassige Wisente in Springe geboren, was erheblich zum bisherigen Überleben der Art beigetragen hat.
Heute gibt es wieder etwa 3000 Wisente, die aber aufgrund des genetischen Flaschenhalses stark unter Krankheiten und Parasiten leiden. Es werden zwei Zuchtlinien geführt, so genannte Flachlandwisente, die ausschließlich auf Tiere aus Białowieża zurückgehen, sowie Tiere, die in ihrer Stammlinie den einzigen überlebenden Kaukasuswisent haben. Nach einer gewissen Erholung der Bestände begann man 1956, wieder Tiere in Białowieża auszuwildern. Das Überleben der Art ist zu einem großen Teil der polnischen Mannschaft in Białowieża zu verdanken.
Heute gibt es 450 Wisente im Wald von Białowieża. Der Bestand in Polen ist stabil. 1973 wurden Wisente in Litauen ausgewildert; hier leben nun etwa 35 wilde Wisente. Auch in der Ukraine gibt es inzwischen wieder eine wilde Herde. Allerdings sind Wisente nur in Polen und Litauen vollständig geschützt; dagegen bieten die Ukraine und Weißrussland für Touristen sogar Jagdausflüge an, auf denen Wisente geschossen werden sollen. Der Wisent wird von der IUCN als gefährdet („vulnerable“) eingestuft.
In Deutschland finden sich Wisente nur noch in Zoos und Wildgehegen. Im Jahr 2005 wurde ein Projekt zur Wiedereinbürgerung des Wisentes im Rothaargebirge begonnen.[3]
Auch im Kaukasus wurden Wisente wieder ausgewildert. Die Zuchtlinie ist jedoch mit amerikanischen Bisons vermischt und umfasst damit keine reinrassigen Wisente.
Die Schutzgemeinschaft Deutsches Wild erklärte den Wisent im Jahr 2008 zum Wildtier des Jahres.
Namen und Zuordnung
Die Bezeichnungen Bison und Wisent haben dieselbe Wurzel. Bison ist dabei die griechisch-römische, Wisent die germanische Ableitung dieses Wortes. Heute wird meistens nur die amerikanische Art als Bison bezeichnet; es ist jedoch nicht falsch, den Wisent als Europäischen Bison zu bezeichnen, denn diese Art wurde als erste so genannt.
Jene, die Bison und Wisent als konspezifisch ansehen, geben dem Wisent die wissenschaftliche Bezeichnung Bison bison bonasus. Daneben wird auch die Ansicht vertreten, dass der Wisent so wenig von den Eigentlichen Rindern abweicht, dass er mit ihnen in einer Gattung vereint werden müsste; demnach hieße der Wisent Bos bonasus oder Bos bison Bonasus.[4][5][6]
Nutzung
Der Żubroń ist eine Kreuzung aus Hausrind und Wisent.
Quellenangaben
- ↑ Z. Pucek, I. P. Belousova, Z. A. Krasinski, M. Krasinska, W. Olech: European bison, current state of the species and an action plan for its conservation. Convention on the Conservation of European Wildlife and Natural Habitats, Strasbourg 2-5 December 2002. Strasbourg T-PVS/Inf 29.2002. (Online-Resource)
- ↑ G. S. Rautian, B. A. Kalabushkin, A. S. Nemtsev: A new subspecies of the European bison, Bison bonasus montanus ssp. nov. (Bovidae, Artiodactyla). In: Doklady Biological Sciences. Nr. 375, 2000, ISSN 1608-3105, S. 636–640.
- ↑ Wiederansiedlung von Wisenten im Rothaargebirge
- ↑ Bison bonasus
- ↑ Ronald M. Nowak: Walker's Mammals of the World. Johns Hopkins University Press, Baltimore 1999, ISBN 0-8018-5789-9
- ↑ Natureserve
Siehe auch
Literatur
- Friedrich Türcke: Erhaltung und Zucht der Wisente in Deutschland. In: Deutsche Tierärztliche Wochenschrift. 87/11, 1980, S. 416–419.
- 60 Jahre Wisentgehege „Saupark Springe“. In: Niedersächsischer Jäger. Jg. 34, 1989, S. 1431–1435.
- Bernhard Schmidtmann (Bearbeiter), Planungsgruppe Natur und Umwelt (PGNU): Naturentwicklung mit großen Pflanzenfressern in Niedersachsen. Machbarkeitsstudie. Naturschutzbund Deutschland, Landesverband Niedersachsen, Hannover 2004.
Weblinks
- SDW-Wisent-Projekt: Der Wisent
- Wisente in der Landschaftspflege (LEL BW)
- Vilmer Thesen zum Wisent in der Landschaft in Deutschland. Erarbeitet von den Teilnehmern des vom Bundesamt für Naturschutz veranstalteten Workshops „Wisente in der Landschaft – Erfahrungen und Perspektiven“, 25–28. Juni 2007 (PDF)
- Bison bonasus in der Roten Liste gefährdeter Arten der IUCN 2008. Eingestellt von: W. Olech, 2008. Abgerufen am 31. Dezember 2008
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