Biķernieki

Biķernieki

Der Wald von Biķernieki, auch Hochwald von Riga genannt, lettisch: Biķernieku mežs, war noch bis in die Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg ein Wald östlich von Riga. Inzwischen befindet sich das überwiegend mit der Waldkiefer bewaldete sandig-hügelige Binnendünengebiet innerhalb der wachsenden baltischen Metropole und dient dort als ein ausgeprägtes Naherholungsgebiet, ebenfalls auch der im Wald befindliche Linezers-See. Außerdem ist der Wald von Biķernieki wegen seiner Motorsport-Rennstrecke bekannt: diese wurde in der Sowjetzeit angelegt und ist die größte Rennstrecke Lettlands.

Inhaltsverzeichnis

Massengräber aus dem Zweiten Weltkrieg

Im Wald von Biķernieki befinden sich die größten NS-Massengräber Lettlands: 55 größere und kleinere Gräber mit der Gesamtfläche von 2885 m². Vom Sommer 1941 bis zum Herbst 1944 wurden hier nach unterschiedlichen Quellen 35 000 bis 46 500 Menschen ermordet; die Ermittlung der genauen Opferzahl wird dadurch erschwert, dass die zurückweichenden deutschen Truppen zum Ende des Krieges die verscharrten Leichen mit Hilfe von Teer verbrannt hatten. Als nachweisbar gelten folgende Opferzahlen: ca. 20 000 Juden aus Lettland, Deutschland, Österreich und Tschechien, ca. 10 000 Kriegsgefangene sowie ca. 5000 Widerstandskämpfer. [1] Im März 1942 wurden etwa 1.900 arbeitsunfähige Juden aus dem Ghetto Riga ausgewählt; unter dem Vorwand, in Dünamünde zu leichter Arbeit bei der Fischverarbeitung eingesetzt zu werden, wurden sie in den Wald von Biķernieki geschafft, dort erschossen und verscharrt.[2] Am 26. März 1942 wurden dann zwischen 1600 und 1700 Insassen des aufgelösten KZ Jungfernhof mit Lastwagen hierher gebracht, und ebenfalls erschossen und in Massengräbern verscharrt; auch sie wurden dabei mit demselben fiktiven Lager in Dünamünde getäuscht, wo es bessere Unterkunftsmöglichkeiten gäbe. Viktor Marx aus Württemberg, der dort inhaftiert war und dessen Frau Marga und Tochter Ruth erschossen wurden, berichtet: „Im Lager wurde uns gesagt, dass alle Frauen und Kinder vom Jungfernhof wegkämen, und zwar nach Dünamünde. Dort seien Krankenhäuser, Schulen und massiv gebaute Steinhäuser, wo sie wohnen könnten. Ich bat den Kommandanten, auch mich nach Dünamünde zu verschicken, was er jedoch ablehnte, weil ich ein zu guter Arbeiter sei.[3]

In der Sowjetzeit wurden diese Gräber kaum gepflegt; es fanden aber vereinzelt Gedenkveranstaltungen statt. Mit Unterstützung vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge [4] wurde am 30. November 2001 im Wald von Biķernieki eine Holocaustgedenkstätte eröffnet.

Einzelnachweise

  1. Historiker Margers Vestermanis, Direktor des Museums "Juden in Lettland".
  2. Andrej Angrick / Peter Klein: Die "Endlösung" in Riga..., ISBN 3-534-19149-8, S. 338-345.
  3. Bericht des Überlebenden Viktor Marx.
  4. Vorwort zu: Buch der Erinnerung.

Literatur

  • Buch der Erinnerung. Die ins Baltikum deportierten deutschen, österreichischen und tschechoslowakischen Juden / Herausgegeben vom "Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V." et. al. 2 Bde. München: K. G. Saur 2003.

Weblinks

56.96295555555624.2103916666677Koordinaten: 56° 57′ 46,64″ N, 24° 12′ 37,41″ O


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