Blindstromkompensation

Blindstromkompensation

Bei der Blindleistungskompensation (BLK), auch Blindstromkompensation genannt, wird in Wechselspannungsnetzen der unerwünschte Blindstrom und die damit verbundene Blindleistung von Verbrauchern (Verbrauchsmitteln) reduziert.

Inhaltsverzeichnis

Grundlagen

Blindenergie und der dazu nötige Blindstrom werden zur Erzeugung elektrostatischer oder elektromagnetischer Felder benötigt. Da sich diese Felder im Takt der Wechselspannung kontinuierlich auf- und wieder abbauen, pendelt die Energie kontinuierlich zwischen Erzeuger und Verbrauchsmittel. Diese kann nicht genutzt, d. h. in eine andere Energieform umgewandelt werden, belastet aber das Stromversorgungsnetz und die Erzeugeranlagen (Generatoren, Transformatoren).

Blindströme sind unerwünscht, da alle Anlagen für die Bereitstellung des Blindstromes größer ausgelegt werden müssten. Zudem würden weitere separate, magnetisch übererregte Synchrongeneratoren nur zur Blindstromkompensation erforderlich werden, ohne eine nutzbare Arbeit verrichten zu können. Allerdings verfügen nur wenige elektrische Geräte über Einrichtungen, die separate Anpassungsmaßnahmen entfallen lassen könnte.

Blindleistungskompensationsanlage, 75 kvar

In größeren Anlagen kann die Summe der einzelnen Fehlanpassungen groß genug werden, um das allgemeine Stromnetz mehr als zulässig zu belasten. Übliche Energiezähler erfassen nur Wirkenergie.

Daher werden vorrangig bei gewerblichen Großkunden entweder spezielle Zähler zur Messung der Blindenergie installiert, so dass die Blindstrombelastung berechnet werden kann.

Die dauernden Kosten rechtfertigen ab einer gewissen Größe die Installation eines kapazitiven Verbrauchers, der Blindleistungskompensationsanlage. Diese wird am zentralen Einspeisepunkt zu allen induktiven Verbrauchern hinzugeschaltet. Dessen entgegenwirkende kapazitive Blindleistung ist möglichst von gleicher Größe wie die installierte induktive Blindleistung. Diese Maßnahme wird Kompensation genannt.

Die Anlage besteht aus fest eingebauten oder automatisch zugeschalteten Kondensatoren (aktive Blindleistungsfilter), die einen kapazitiven Blindstrom aufnehmen, der dem üblicherweise induktiven Blindstrom der Verbraucher entgegengesetzt gerichtet ist und ihn im Idealfall genau aufhebt.

Theoretische Betrachtung

Blindleistungskompensation; Zeigerdarstellung in der Gaussschen Ebene

Im technischen Bereich sind elektrische Verbrauchsmittel meist ohmsch-induktiv, d. h. die Verbraucher benötigen ein magnetisches Feld und beziehen induktive Blindleistung. Eine Blindleistungskompensation erfordert das Parallelschalten von Kapazitäten, die ihrerseits kapazitive Blindleistung beziehen. Eine Reihenschaltung mit dem Verbrauchsmittel ist nicht ratsam, da so ein Reihenschwingkreis entstehen würde, der nahe seiner Resonanzfrequenz einen Blindstrom-Kurzschluss ergibt.

Das gilt jedoch nicht für Geräte mit bekannten Daten wie z.B. Leuchtstofflampen; da wird z.B. bei der Duoschaltung ein Teil der gesamten Anlage passend überkompensiert.

Blindleistung bei Strom ohne Oberschwingungen

Die folgende Betrachtung bezieht sich auf sinusförmige Spannung und auf Verbrauchsmittel mit sinusförmiger und daher oberschwingungsfreier Stromaufnahme. Durch die Kompensationsanlage pendelt der Blindstrom zum großen Teil nur zwischen Verbrauchsmittel und Kompensationsanlage. Das Versorgungsnetz wird entlastet.

Die für die Belastung des Versorgungsnetzes maßgebliche Größe der Scheinleistung S ist die geometrische Summe aus Wirkleistung P und Blindleistung Q. Diese sind gemäß DIN 40 110-1 folgendermaßen miteinander verknüpft:

\underline S = P + \mathrm{j}\;Q
 S = \sqrt {P^2 + Q^2}

Die Gesamtblindleistung des kompensierten Verbrauchers setzt sich aus der induktiven Blindleistung QL und kapazitiven Blindleistung QC zusammen.

 Q = Q_L + Q_C\

Der induktive Blindstrom und der kapazitive Blindstrom sind um 180° in der Phase verschoben und haben somit entgegengesetzte Vorzeichen der Augenblickswerte. Entsprechend der Festlegung, dass für induktive Verbraucher der Phasenverschiebungswinkel φ positiv ist, definiert man auch QL positiv; umgekehrt sind bei kapazitiven Verbrauchern φ und QC negativ. Durch im Vorzeichen richtige Addition ist die Gesamtblindleistung stets geringer als jeder der Beträge der einzelnen Blindleistungen.

Der Blindleistungsanteil wird in der Regel auf einen Leistungsfaktor \lambda=P/S\ , der in diesem Fall gleich \cos \varphi ist, von etwa

 \cos \varphi = 0{,}85\;\dots\;0{,}95 (induktiv)

kompensiert. Bei Motorenanlagen mit Asynchronmaschinen besteht ansonsten die Gefahr der Selbsterregung, wenn die Blindleistung vollständig kompensiert wird. Bei Selbsterregung wird der Motor mit dem Abklemmen der Stromversorgung zum Generator, und es können gefährliche Überspannungen entstehen. Dieser Fall wird auch als Resonanzfall bezeichnet.

Ein anderer Ansatz geht über den Weg, die komplexe Verbraucherimpedanz \underline{Z} durch Hinzufügen einer Reaktanz rein reell zu machen, so dass \operatorname{Im}\{\underline{Z}\}=0 wird. Über diese Bedingung lässt sich dann auch die Dimensionierung des entsprechenden Kompensationsbauteils in Form einer homogenen Gleichung errechnen.

Eine vollständige Kompensation ist ferner aufgrund der schwankenden Belastung eines Verbrauchsmittels häufig nicht mit einfachen Kondensatoren oder Spulen durchführbar. Für diesen Zweck werden aktive Leistungsfaktorkorrekturglieder oder sog. "Netzmanagementsysteme" verwendet, die jederzeit die benötigte Menge Blindleistung zur Verfügung stellen.

Bei besonders großen Mengen Blindleistung in Energieversorgungssystemen werden vereinzelt Blindleistungsgeneratoren verwendet. Diese sind Synchrongeneratoren, welche je nach Erregerzustand induktive oder kapazitive Blindleistung abgeben können. Man bezeichnet sie auch als rotierende Phasenschieber oder als Synchronphasenschieber.

Aktueller Stand der Technik ist allerdings der Einsatz von statischen Blindleistungskompensatoren. Diese sind Kombinationen aus Kapazitäten und Induktivitäten, die parallel zur zu kompensierenden Last bzw. zum zu kompensierenden Netzabschnitt angeordnet sind. Dabei wird durch Thyristorventile der Stromfluss in den einzelnen Komponenten geregelt und somit der Grad der Blindleistungskompensation. Gegenüber dem rotierenden Phasenschieber hat dies den Vorteil, dass kein Verschleiß der Anlage stattfindet, außerdem ist durch einen statischen Kompensator ein weitaus schnelleres und dynamischeres Reagieren auf Lastschwankungen möglich.

Blindleistung bei Strom mit Oberschwingungen

Obige Beziehungen gelten nur bei sinusförmigem Verlauf der Spannungen und Ströme, was im Allgemeinen nur bei linearen Netzwerken der Fall ist. Sind in einer Schaltung nichtlineare Bauteile wie beispielsweise magnetisch sättigende Induktivitäten oder Netzteile mit Gleichrichtern vorhanden, so wird der Strom verzerrt, d. h. er enthält Oberschwingungen. Zusätzlich zur Blindleistung Q der Grundschwingung tritt eine Verzerrungsblindleistung D auf, welche die Blindleistungsanteile der Oberschwingungen zusammenfasst; zu Einzelheiten → Blindleistung. Blindleistungskompensation ist nur bei einer Frequenz möglich, in der Regel bei der Frequenz der Grundschwingung (z. B. der Netzfrequenz). Die Blindleistung der übrigen Schwingungen bleibt unkompensiert. Zur Lösung siehe Leistungsfaktorkorrekturfilter.

Kapazitive Blindleistung unkompensiert

Beispiel

Blindleistung kompensiert

Die nebenstehende Parallelschaltung aus einem Widerstand und einem Kondensator ist am 230-V-Stromnetz angeschlossen, bei 50 Hz fließen die angegebenen Ströme. Durch den Widerstand fließt 2,3 A Wirkstrom, durch den Blindstrom von 1,45 A muss die Anschlussleitung für den Gesamtstrom von 2,72 A bemessen sein. Zur Wirkleistung von 529 W kommt eine Blindleistung von 334 var hinzu, die aussagt, wie viel Energie pro Zeit zwischen Generator und Kondensator pendelt und Leitungen und Trafos unnötig belastet.

Zur Kompensation dieser Blindleistung wird eine passend gewählte Induktivität von 0,5 H parallel zum Gerät geschaltet, deren Blindstrom ebenfalls 1,45 A beträgt. Die Blindströme von Kondensator und Spule kompensieren sich auf Grund ihrer entgegengesetzten Phasenlagen, und die gesamte Stromaufnahme sinkt auf 2,3 A. Die Parallelschaltung aus Spule und Kondensator stellt im Idealfall einen Parallelschwingkreis dar, der bei 50 Hz keinen Blindstrom aufnimmt. Wegen P = RLeitung·I² sinkt die Verlustleistung in den Zuleitungen auf 100 %·(2,3/2,72)² = 71 % des ursprünglichen Wertes.

Nutzen

Die Blindstromkompensation nutzt zum Teil dem Verbraucher und zum Teil dem Energieversorgungsunternehmen. Für das Energieversorgungsunternehmen reduzieren sich durch den niedrigeren Strom die Belastung der Netze und somit deren (ohmsche) Lei(s)tungsverluste. So können Versorgungsanlagen eingespart werden bzw. müssen nicht erweitert werden. Um diesen Effekt beim Verbraucher zu erreichen, wird bei Großabnehmern (Sondervertragskunden) die Blindenergie zusätzlich gemessen und in der Stromrechnung berechnet. Es besteht deshalb ein monetärer Anreiz, den Leistungsfaktor innerhalb gewisser Grenzen (z. B. 0,9 < λ < 1) zu halten. Betreibt der Verbraucher eine funktionierende Blindstromkompensationsanlage, so entfallen im Idealfall sämtliche Mehrkosten aufgrund von Blindleistung.

Tonfrequenzsperren

Bei Anwendung der Blindstromkompensation in einem Netz mit Rundsteueranlage kann der Einsatz von Tonfrequenzsperren notwendig werden, um ein Absaugen der niederfrequenten Rundsteuersignale aus dem Netz durch die Kompensationsanlage zu verhindern.

Literatur

  • Günter Springer: Fachkunde Elektrotechnik. 18.Auflage, Verlag - Europa - Lehrmittel, 1989, ISBN 3-8085-3018-9
  • Réne Flosdorff, Günther Hilgarth: Elektrische Energieverteilung. 4. Auflage, Verlag B.G. Teubner, 1982, ISBN 3-519-36411-5

Siehe auch

Weblinks


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