Bloomsche Taxonomie

Bloomsche Taxonomie

Taxonomie (v. griech. táxis „Ordnung“, -nómos „Gesetz“) ist primär die sprachwissenschaftliche Klassifikation aller Gegenstände (Entitäten) und Ereignisse in begriffliche Gruppen (Taxa) bzw. in Kategorien. Anthropologische Untersuchungen zeigen, dass Taxonomien in örtliche, kulturelle und soziale Systeme eingebettet sind und verschiedenen sozialen Zwecken dienen. Eine der bekanntesten und einflussreichsten Studien von Laien-Taxonomien (folk taxonomies) ist Émile Durkheims The Elementary Forms of Religious Life.

Naturwissenschaftliche Disziplinen verwenden den Begriff der Taxonomie allgemein für eine in der Regel hierarchische Klassifikation (Klassen, Unterklassen usw.).

Inhaltsverzeichnis

Taxonomie in der Informationsverarbeitung

Als Taxonomie in der Informationsverarbeitung werden Klassifikationen bezeichnet, die eine monohierarchische Struktur aufweisen. Dabei wird jeder Klasse nur eine Oberklasse zugeordnet, so dass die gesamte Klassifikation eine Baumstruktur abbildet. In dieser Struktur enthalten die der Wurzel nahe stehenden Elemente allgemeine Informationen. Mit einer zunehmenden Verzweigung der Taxonomie wird das darin hinterlegte Wissen immer spezifischer. Durch diese Art der Klassifizierung von Wissensbereichen innerhalb einer Hierarchie entsteht so eine einfache Semantik.

In Bezug auf Dokumente bzw. Inhalte wird der Begriff Taxonomie für ein Klassifikationssystem, eine Systematik oder den Vorgang des Klassifizierens verwendet. Klassifizierungen können beispielsweise durch die Erfassung von Metadaten und/oder die Verwendung einer Ablagestruktur vorgenommen werden.

Siehe auch: Ontologie (Informatik)

Taxonomie in der Biologie

Die Taxonomie ist ein Teilgebiet der Biologie, das die verwandtschaftlichen Beziehungen von Lebewesen (und Viren) in einem hierarchischen System erfasst.

In der Biologie erfolgt diese Einteilung traditionell in einen bestimmten Rang einer Systematik, wie Art, Gattung oder Familie und dies insbesondere bei Organismen.

Ein Taxon ist in der Biologie eine Gruppe von Lebewesen (oder Viren), die sich durch gemeinsame Merkmale beschreiben und von anderen Gruppen unterscheiden lässt. Die Aufstellung von Taxa ist die Grundlage für die Taxonomie, der wissenschaftlichen Gliederung der Organismen nach international festgelegten Nomenklaturregeln. Siehe unter biologische Nomenklatur.

Durch die Abgrenzung der verschiedenen Taxa erfolgt eine Klassifikation nach bestimmten Stufenfolgen.

Die Taxa:

Deutsch Latein bzw. Altgriechisch Beispiel
Reich Regnum Vielzellige Tiere
Abteilung / Stamm Divisio / Phylum Chordatiere
Unterstamm Subphylum Wirbeltiere
Klasse Classis Säugetiere
Ordnung Ordo Raubtiere
Unterordnung Subordo Landraubtiere
Familie Familia Hunde
Unterfamilie Subfamilia Echte Hunde
Gattung Genus Echte Füchse
Art Species Rotfuchs
Unterart Subspecies Japanischer Rotfuchs

Eine Schlüsselstellung besitzt hierbei die Art (Species). Eine biologische Art ist eine Gruppe natürlicher Populationen, die eine Fortpflanzungsgemeinschaft bilden und von anderen Gruppen reproduktiv isoliert sind. Die Isolationsmechanismen zwischen den einzelnen Arten sind biologischer Natur, also nicht auf äußeren Gegebenheiten basierend, sondern in den Lebewesen selbst angelegt. Diese Definition gilt als die optimale Definition einer Art, weil sie nichtwillkürlich ist, „man könnte sogar so weit gehen, sie als »selbstoperational« zu bezeichnen -, indem sie das Kriterium der Fortpflanzungsisolation gegenüber anderen Populationen hervorhebt.[1]

Da der biologische Artbegriff nicht auf alle Lebensformen angewandt werden kann (zu lange Generationszeiten, sexuelle Fortpflanzung unbekannt, Parthenogenese), gibt es weitere Artdefinitionen wie die morphologische Art (die am häufigsten verwendete Artdefinition), die phylogenetische Art (aufgrund von phylogenetischen Verwandtschaftsverhältnissen) oder die ökologische Art, bei der morphologisch gleich oder ähnlich gestaltete als verschiedene Arten angesprochen werden, weil sie geographisch getrennt vorkommen.

Mit der Veröffentlichung der Systema Naturae durch Carl von Linné hat sich die binominale (auch binäre) Nomenklatur durchgesetzt. Der erste Namensteil bezeichnet hier die Gattung (Genus), der zweite ist das Beiwort (Epitheton) für die Art (Species).

Methoden

Traditionelle Methoden richteten sich nach morphologischen Merkmalen, wie etwa dem Körperbau bei Tieren oder dem Blütenaufbau bei Pflanzen. Später flossen dann auch Erkenntnisse aus den Bereichen Mikroskopie, Chemie, Biochemie oder Genetik in die taxonomische Betrachtung ein.

Verwandte Gebiete

Die biologische Systematik ist tiefergehend. In ihr spielen phylogenetische Verwandtschaftsbeziehungen eine Rolle. Die unterschiedlichen Taxa werden in der Systematik in einen hierarchischen Stammbaum eingeordnet, der ihre evolutionäre Abstammung widerspiegeln soll. Die Regeln der Kladistik gelten heute als Standard zur Klassifizierung von Organismen, d. h. ein Taxon sollte monophyletisch sein.

Probleme bei der Anwendung von taxonomischen Regeln auf die Systematik

Die taxonomischen Regeln, z. B. die vorgeschriebenen Endungen für die verschiedenen Ränge, ob eine Artbeschreibung in Latein erfolgen muss oder auch in Englisch vorliegen darf, wird in den Nomenklaturcodes festgelegt. Traditionellerweise gibt es nur für Bakterien, Landpflanzen und Tiere Nomenklaturcodes. Die Pilze und Algen werden im botanischen Nomenklaturcode, die Protozoen im zoologischen Nomenklaturcode mit abgehandelt. Durch diese getrennte Bearbeitung der Organismen kommt es zu Kollisionen und Inkonsequenzen. Die Gattungsbezeichnung Coccomyxa wurde z. B. doppelt verwendet: einmal im zoologischen Nomenklaturcode für einen Krankheitserreger, der die Coccomyxomatose verursacht, und einmal für eine Grünalge. Die Ergebnisse der molekular-phylogenetischen Untersuchungen zeigten, dass die Protisten keine monophyletische Gruppe sind, also kein eigenes Reich bilden. In vielen Evolutionslinien der Protisten kommen jedoch heterotrophe Protozoen und photosynthetisch aktive Lebensformen (Algen) vor. Für diese Gruppen gibt es in der Regel miteinander konkurrierende zoologische und botanische Klassifizierungsschemata, weil sie weder Landpflanzen (Embryophyta) noch Tiere (Metazoa) sind. Weitere Inkonsequenzen ergeben sich aus der traditionell stark auf Landpflanzen und Tiere fokussierten Forschung. Da beide Organismengruppen vielfältige morphologische Merkmale ausbilden, enthalten sie wesentlich feinere und dichtere Klassifizierungsebenen, als die genetisch diverseren Protistenlinien. Den Ergebnissen der phylogenetischen Analysen und den Regeln der Kladistik zufolge müssen die Tiere und die Pilze mit den Choanoflagellaten zusammengefasst werden (Reich Opisthokonta). Ähnliches gilt für die Landpflanzen (Embryophyta), die sich aus Grünalgen (Chlorophyta) entwickelten (zusammen: Unterreich Viridiplantae) und deren nächstverwandte Schwestergruppen Rotalgen (Rhodoplantae) und Glaucocystophyceae sind. Dies hat jedoch zur Folge – da die Nomenklaturcodes als höchste Einheit das Reich vorsehen –, dass die Landpflanzen (Embryophyta) und die Tiere (Metazoa) im Rang vom Reich auf eine niedrigere Ebene heruntergestuft werden müssen und ebenso alle folgenden niedrigeren Ränge innerhalb der Landpflanzen und Tiere. Dies ist aufgrund der feinverästelteten Klassifizierungsstufen innerhalb beider Gruppen praktisch kaum durchführbar. Die Schubladensysteme der traditionellen Nomenklaturcodes bedürfen einer Überarbeitung, ev. einer Hinzufügung von weiteren höheren Hierarchieebenen und einer Synchronisation, bzw. einer Flexibilisierung, was jedoch aufgrund der starren bürokratischen Strukturen und der Doppelbenennungen schwierig werden dürfte. Eine Folge der unbefriedigenden Situation ist eine inkonsequente Handhabung der Systematik zwischen Zoologen, Botanikern und Protozoologen/Phykologen.

Kritik

Ludwig Wittgenstein zeigte in den 1950er Jahren grundsätzliche Probleme jeglicher hierarchischer Klassifikationssysteme auf; er wies die Problematik in seinen Philosophischen Untersuchungen (1953) am Beispiel der Familienähnlichkeit nach.

Auch der Philosoph Michel Foucault kritisiert in Die Ordnung der Dinge (1974) die Fragwürdigkeit jeglicher Kategoriensysteme, da sie einer Raum-Zeit-Gebundenheit unterliegen (Archäologie des Wissens). Als Beispiel führt er einen Text von Jorge Luis Borges über unterschiedliche Tierkategorien in "einer gewissen chinesischen Enzyklopädie" an, in der Tiere folgendermaßen eingeteilt werden:

  1. dem Kaiser gehörige,
  2. einbalsamierte,
  3. gezähmte,
  4. Milchschweine,
  5. Sirenen,
  6. Fabeltiere,
  7. streunende Hunde,
  8. in diese Einteilung aufgenommene,
  9. die sich wie toll gebärden,
  10. unzählbare,
  11. mit feinstem Kamelhaarpinsel gezeichnete,
  12. und so weiter,
  13. die den Wasserkrug zerbrochen haben,
  14. die von weitem wie Fliegen aussehen.

(Borges: Die analytische Sprache von John Wilkins. Inquisitionen. Essays 1941–1952. Übers. v. Karl August Horst u. Gisbert Haefs)

Dieses Beispiel zeigt, dass Kategoriensysteme willkürlich wirken können, wenn sie von einer Außenperspektive aus betrachtet werden.

Taxonomie bei bildungstechnologischen Standards

Mit Taxonomie bezeichnet man hier ein Modell, das wie der Thesaurus versucht, Begriffe eines Themengebietes zu definieren und diese untereinander in Beziehung zu setzen. Anders gesagt: Begriffe systematisch zu ordnen und zusammenzuführen, um so ein Themengebiet möglichst präzise zu beschreiben und zu repräsentieren. Im Unterschied zum Thesaurus werden hier die gesammelten Begriffe in hierarchische Beziehung gesetzt, klassifiziert, also z. B.

Lerntheorie

In der Lerntheorie werden die Lernziele entsprechend ihrer intellektuellen Anforderungen an die Lernenden in verschiedene Taxonomiestufen eingeordnet. Weltweit am bekanntesten sind für den kognitiven Bereich die von Benjamin Bloom beschriebenen sechs Lernzielstufen. Weiterhin gibt es noch für den affektiven und den psychomotorischen Bereich Taxonomien.

Die 6 Stufen im kognitiven Bereich lauten:

  1. Kenntnisse / Wissen: Kenntnisse konkreter Einzelheiten wie Begriffe, Definitionen, Fakten, Daten, Regeln, Gesetzmäßigkeiten, Theorien, Merkmalen, Kriterien, Abläufen, Wissen abrufen und wiedergeben
  2. Verstehen: Lernender kann Sachverhalt mit eigenen Worten erklären oder zusammenfassen oder kann Beispiele anführen, Zusammenhänge verstehen
  3. Anwenden: Transfer des Wissens, problemlösend
  4. Analyse: Lernender kann Widersprüche aufdecken, Zusammenhänge erkennen und Folgerungen ableiten
  5. Synthese: Lernender kann Lösungswege vorschlagen, Schemata entwerfen oder begründete Hypothesen entwerfen
  6. Beurteilung: Lernender kann Alternativen gegeneinander abwägen und auswählen, Entschlüsse fassen und begründen, Transfer des Wissens zu anderen z. B. durch Arbeitspläne

Die 5 Stufen im affektiven Bereich (innere Einstellung, Werte, Erziehung) lauten:

  1. Wertebeachtung: Aufmerksamkeit / Beachtung (Sensibilisierung für ein Thema)
  2. Wertbeantwortung: Reaktion (Emotionalisierung, spontane Verarbeitung von Informationen)
  3. Wertung: (Emotionaler Bezug zum Gegenstand mit daraus resultierender Einstellung, Haltung, d.h. etwas für wertvoll halten, ihm einen Wert beimessen)
  4. Wertordnung: Organisation (Aufbau eines Wertesystems; Integration von Bezugswerten in eine Hierarchie von Überzeugungen)
  5. Wertverinnerlichung: Charakterisierung durch einen Wert (Identität; Leben einer Werthaltung ohne Notwendigkeit affektiver Betroffenheit)

Die 5 Stufen in psychomotorischen Bereich lauten:

  1. Imitation (Nachahmung z. B. von Bewegungs- oder Handlungsabläufen)
  2. Manipulation (Anwenden von Instruktionen, Festigung von Techniken)
  3. Präzisierung (größere Genauigkeit beim Üben der Abläufe und Techniken)
  4. Handlungsgliederung (Koordination verschiedener Elemente eines Handlungs- oder Bewegungsablaufs)
  5. Naturalisierung (Internalisierung der Abläufe; Unabhängigkeit vom Modell)

Sprachwissenschaft

In der Linguistik beschäftigt sich die Taxonomie mit der Segmentierung und Klassifikation sprachlicher Begrifflichkeiten, um mit diesen ein formales Sprachsystem zu beschreiben.[2]

Siehe auch: Taxonomie (Linguistik) und Dialektometrie.

Weitere Beispiele

Methoden:

Anwendungsbeispiele spezieller Fachgebiete:

Siehe auch

Literatur

Philosophische Betrachtungen zur Taxonomie:

  • Michel Foucault: Die Ordnung der Dinge. Eine Archäologie der Humanwissenschaften. 13. Auflage. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1995, ISBN 3-518-27696-4
  • Paul Michel: Ordnungen des Wissens. In: Ingrid Tomkowiak (Hrsg.): Populäre Enzyklopädien. Von der Auswahl, Ordnung und Vermittlung des Wissens. Chronos, Zürich 2002, S. 35–85, ISBN 3-0340-0550-4
  • Werner Kunz: Was ist eine Art? In der Praxis bewährt, aber unscharf definiert. In: Biologie in unserer Zeit. 32/1/2002, S. 10–19, ISSN 0045-205X
  • Rupert Riedl: Strukturen der Komplexität? Eine Morphologie des Erkennens und Erklärens. Springer, Berlin 2000, ISBN 3-540-66873-X

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Ernst Mayr: Evolution und die Vielfalt des Lebens, Springer-Verlag 1979, ISBN 3-540-09068-1, S. 234f
  2. David Alan Cruse: Lexical Semantics. Cambridge Univ. Press, Cambridge 2001, ISBN 0-521-27643-8


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