Bloy

Bloy
Léon Bloy, 1887

Léon Marie Bloy, (* 11. Juli 1846 in Périgueux; † 3. November 1917 in Bourg-la-Reine bei Paris) war ein französischer Romancier und religiöser Essayist.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Bloy war der Sohn einer katholischen Mutter spanischer Herkunft und eines freimaurerischen Vaters, der Ingenieur war. Bloy war das zweite von sieben Kindern. Die Schule bricht er in 4. Gymnasialklasse ab. Er entwirft Tragödien und lernt im Büro seines Vaters technisches Zeichnen. Er beginnt ein Kunststudium und versucht sich als Autor - mit mäßigem Erfolg. Von 1864 bis 1870 lebt er als Büroangestellter und Zeichner in Paris. Er verliert den Glauben.

1869 bekehrt er sich unter dem Einfluss des Schriftstellers Jules Amédée Barbey d'Aurevilly zum Katholizismus. Für kurze Zeit wird er Barbeys Sekretär. Er erwägt, Kartäuser zu werden. Am Deutsch-Französischen Krieg 1870/1871 nimmt er als Freiwilliger eines Freikorps teil, jedoch nicht an der Front. (Diesen Lebensabschnitt verarbeitet er literarisch in dem Buch Sueur de Sang (1893).) Nach dem Krieg lebt Bloy bis 1873 zunächst wieder bei seinen Eltern in Périgueux. Er hat intensive geistliche Erlebnisse, unterrichtet seinen jüngeren Bruder und erhält eine Stellung bei einem Anwalt. Von 1873 bis 1877 arbeitet er u. a. als Buchhalter für die Eisenbahn und als Journalist. Er überwirft sich jedoch mit seinen Arbeitgebern und Kollegen. Er knüpft Kontakte zu Ernest Hello und Paul Bourget. Abbé Tardif de Moidrey führt Bloy in die symbolische Schriftdeutung ein und bringt ihm das Wunder von La Salette nahe (Marienerscheinung). Abbé Tardig de Moidrey stirbt 1879 in La Salette.

Bloy hat eine leidenschaftliche Beziehung zu der Prostituierten Anne-Marie Roulet und versucht seinem sündhaften Lebenswandel durch eine Flucht zu den Trappisten eine neue Richtung zu geben. Anne-Marie bekehrt sich zum Katholizismus, hat Gesichte und verkündigt die baldige Ankunft des Heiligen Geistes. Sie verspricht Bloy das Martyrium, das er bis zu seinem Tod erwartet. 1882 verfällt Anne-Marie dem Wahnsinn, sie wird in Caen interniert und stirbt 1907. Ihr Tod stürzt Bloy in Verzweiflung und Auflehnung.

Ab 1882 hat Bloy erste Beziehungen zum Pariser Cabaret Le Chat Noir in Montmartre; er schreibt Pamphlete, Polemiken und Beiträge für Zeitungen; sein erstes Werk Kolumbus bleibt erfolglos. Er hat eine Liebesbeziehung mit Berthe Dumont, die 1885 an Starrkrampf stirbt. Bloy lebt in materiellem Elend.

1890 heiratet Bloy Jeanne Molbeck und reist mit ihr nach Dänemark, kehrt aber bald nach Frankreich zurück. Sein weiterer Lebensweg ist von Armut, Hunger, Kindstod, sozialer Stigmatisierung und fehlender Anerkennung geprägt: Von den vier Kindern des in Paris und Umgebung von einer Wohnung zur anderen umherirrenden Ehepaars sterben die beiden Söhne an Hunger, die beiden Töchter überleben. Bloys schriftstellerisches Werk entsteht unter dauerndem Leiden.

1916 bezieht Bloy das Haus von Bourg-la-Reine, das ihm der 1914 im Krieg gefallene Charles Péguy hinterlassen hat. Dort stirbt er am 3. November 1917.

Werk

Bloys Tagebuch, das sämtliche Zonen des Opfers und des Schmerzes erkundet, faszinierte so unterschiedliche Leser wie Franz Kafka, Carl Schmitt, Ernst Jünger, Heinrich Böll und Gertrud Fussenegger. Bloy sah sich in der Nachfolge der biblischen Propheten, die vor dem nahen Ende der Zeiten warnten, das dann doch nicht eintrat.

Sein Kampf richtet sich dabei gegen all jene, die diesen Sturz der Welt in den Abgrund entweder beschleunigen oder ihn verleugnen und dieses Verleugnen öffentlich propagieren. Die Polemik Bloys spannt sich dabei von literarischen Fehdeschriften, bevorzugt gegen Zola und Daudet, bis hin zu Invektiven gegen Nationen und Völker, denen er vorwirft, sich in der Gottlosigkeit gut eingerichtet zu haben. Das protestantische Dänemark, das Herkunftsland seiner Frau, ist neben Deutschland und England bevorzugte Zielscheibe dieser fundamentalen Kritik: Ich lebe, oder besser gesagt: ich überlebe schmerzhaft und wie durch ein Wunder hier in Dänemark, ohne Möglichkeit zu flüchten, unter unheilbaren Protestanten, die kein Licht erreicht hat - und das seit dreihundert Jahren, nachdem sich ihre Nation wie ein Mann und ohne zu zögern auf die Stimme eines schmutzigen Mönchs (gemeint ist Luther) erhoben hat, um Jesus Christus zu verleugnen.

Ursprünglich vom Symbolismus ausgehend, gilt Bloy, ein christlicher Wahrheitsfanatiker, "ewiger Bettler", gläubiger Katholik und streitbarer Geist, mit seinen späteren Werken als Wegbereiter des "renouveau catholique" und als einer der radikalsten Kritiker des "verbürgerlichten" Christentums an der Wende zum 20. Jahrhundert. Der vom protestantischen Theologen Walter Nigg als "bellender Hund Gottes" bezeichnete Autor vertrat als "Narr in Christo" eine rückwärtsgewandte Utopie. Er wollte zurück zum Urchristentum und propagierte eine radikale Christusnachfolge in totaler Armut.

Werke und deutsche Übersetzungen

Werke

  • La Chevalière de la Mort (1870)
  • Le Révélateur du Globe (Kolumbus) (1879, publiziert 1884)
  • Propos d'un Entrepretneur de Démolitions (1885)
  • Le Pal (1855)
  • Christophe Colombe devant les Taureaux (1890)
  • Le Salut par les Juifs (1892)
  • Sueur de Sang (1893)
  • Sueur de Sang (1893)
  • Histoires désobligeantes (1894)
  • Léon Bloy devant les cochons (1894)
  • La Femme pauvre (1897) - dt. Clotilde Maréchal, Leipzig 1931; Das Wrack der Finsternis, Wien 1933; Auszüge: Hochland 1934; Die Armut und die Gier, Stuttgart 1950
  • Le Désespéré (1897) - dt. Der Verzweifelte (Übers. Alastair), Heidelberg 1954
  • Je m'accuse (1900)
  • Le Fils de Louis XVI (1900)
  • Exégèse des lieux communs (1. Teil 1902, 2. Teil 1913) - dt. Auslegung der Gemeinplätze, übertragen von Walter Benjamin, in: Die literarische Welt, 8, 1932
  • Les dernières colonnes de l'Eglise (1903)
  • Bellulaires et porchers (1905)
  • L'Epopée byzantine (1906) = Constantinople et Byzance (1917)
  • Celle qui pleure (1908)
  • La Sang du Pauvre (1909) - dt. Das Blut der Armen (mit einer Einleitung von Karl Pfleger), Salzburg-Leipzig 1936
  • Vie de Mélanie (1912)
  • L'Ame de Napoléon (1912)
  • Jeanne d'Arc et l'Allemagne (1915)
  • Méditations d'un Solitaire (1917)
  • Dans les Ténèbres (postum 1918)
  • Le Symbolisme de l'Apparition (postum 1925)

Tagebücher

ab 1892 bis 1917, insg. 8 Bde., in der frz. Gesamtausgabe 4 Bde.

  • Journal de Jeunesse. Cahiers Léon Bloy (publ. postum 1926/27)
  • Le Mendiant ingrat (1892-1895) (publ. 1898)
  • Mon Journal (1896-1900) (publ. 1904)
  • Quatre ans de captivité à Chchons-sur-Marne (1900-1904) (publ. 1905)
  • L'Invendable (1903-1911) (publ. 1911)
  • Le Vieux de la Montagne (1907-1910) (publ. 1911)
  • Le Pelerin de l'Absolu (1910-1912) (publ. 1914)
  • Au Seuil de l'Apocaplypse (1913-1915) (publ. 1916)
  • La Porte des Humbles (1915-1917) (publ. posthum 1920) - dt. Auszüge: Karikaturen aus der Dichtungsgeschichte des 19. Jahrhunderts, in: Die Besinnung, 3, 1948

Briefe/Briefwechsel

  • Lettres à Véronique (1877-1879) (publ. postum 1936) - dt. Briefe an Veronika (Vorwort von Jacques Maritain, Nachwort von Karl Pfleger), Wien 1948
  • Lettres à sa fiancée (1899-1890) (publ. postum 1922) - dt. Briefe an seine Braut (übers. u. eingeleitet von Karl Pfleger), Salzburg-Leipzig 1933

Ausgaben und Auswahlen

  • L'oeuvre complète (Gesamtwerk) 20 Bde.
  • Textes choses par Albert Béguin. Editions de la Librairie de l'Université, Fribourg 1943 - dt. Schrei aus der Tiefe (Übers. Hans Urs von Balthasar), Johannes Verlag, Einsiedeln-Trier 1987 ISBN 3-265-10327-7
  • Unliebsame Geschichten. Erzählungen. Aus dem Französischen von Elke Wehr. Mit einem Vorwort von Jorge Luis Borges. Edition Büchergilde, Frankfurt am Main 2007, ISBN 3-940111-04-X
  • Raïssa und Jacques Maritain: Der beständige Zeuge Gottes / Léon Bloy. Eine Auswahl aus dem Gesamtwerk. Otto Müller Verlag, Salzburg 1953.
  • Das Blut der Armen - Die Sprache Gottes. Zwei Schriften. Wien (um 2002), ISBN 3-85418-084-5
  • Das Heil durch die Juden - Jeanne D'Arc und Deutschland. Zwei Schriften. Wien 2002, ISBN 3-85418-103-5
  • Die vierundzwanzig Ohren des Gueule-de-Bois, aus Sueur de Sang - Blutschweiß, übersetzt und eingeleitet von Alexander Pschera, in: Krachkultur 12 (2008)

Literatur

  • Walter Nigg: Léon Bloy, der bellende Hund Gottes. In: Walter Nigg: Heilige ohne Heiligenschein. Walter, Olten 1978, 222-245. ISBN 3-530-61208-1
  • Alexander Pschera: Léon Bloy. Pilger des Absoluten. Edition Antaios 2006, ISBN 3-935063-08-3.
  • Alexander Pschera: Alles ist anbetungswürdig. Zur Ausweitung des Weltzugangs bei Léon Bloy, in: Vatican Magazin Heft 4 (2007)
  • Michèle Fontana: Léon Bloy. Journalisme et subversion 1874-1917. Honoré Champion, Paris 1998, ISBN 2-85203-815-3.
  • Dirck Linck: Abbruchunternehmen Bloy. In: Welfengarten. Jahrbuch für Essayismus, 10, 2000, S. 185-198.
  • Caroline Mary: Zwillingskristall aus Kot und Diamant. Leon Bloy in Deutschland. Matthes & Seitz, Berlin 2008, ISBN 978-3-88221-023-1

Einzelnachweise


Weblinks


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