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Body-Modification (englisch für „Körpermodifikation“, auch kurz „BodMod“) ist die Bezeichnung für eine Vielzahl freiwillig durchgeführter Veränderungen am menschlichen Körper, heute meist durch darauf spezialisierte kommerzielle Anbieter. Im Gegensatz zu anderen Arten der Körpergestaltung, die Veränderungen beispielsweise durch oberflächliches Bemalen oder durch Training erreichen, sind Body-Modifications mit verletzenden Eingriffen in die Substanz des menschlichen Körpers und mit dauerhaften oder schwer rückgängig zu machenden Veränderungen verbunden.
Inhaltsverzeichnis
Formen
Die bekanntesten und im Westen traditionsreichsten Formen sind Tätowierungen und Piercings. Darüber hinaus gibt es aber weitere Formen der Body-Modification, die teilweise erst seit jüngerer Zeit in westlichen Ländern Verbreitung finden. Unter anderem:
- das Herausstanzen von Bindegewebe zum Einsatz von Schmuck mit größerem Durchmesser
- Dermal Anchors, Ein-Punkt-Piercings (transdermale mini-Implantate) die zur Hälfte mit der Haut verwachsen sind
- das Dehnen bestimmter Körperteile, meist der Ohrläppchen und der Brustwarzen, aber auch der Schamlippen und des Hodensacks
- das Zufügen von Narben, Skarifizierung genannt, durch Einritzen der Haut oder Branding
- das Spalten der Zungenspitze
- das Implantieren von Silikon oder Metall-Objekten, in der Szene Implants oder Subdermals genannt, wie etwa von Pyramiden oder Kegeln an Kopf, Brust oder anderen Körperstellen
- das Anbringen von transdermalen Implantaten aus Metall, welche zur Hälfte aus der Haut heraus schauen
- Veränderung des Penis, wie Zirkumzision (Beschneidung), Subinzision, Bifurkation
- Veränderungen an der Vulva, etwa die Kürzung oder Entfernung der Labien oder der Klitorisvorhaut
Weiterhin existieren verschiedenen Formen der Körpermodifikation, die auf bestimmte Ethnien oder Kulturkreise beschränkt sind oder waren und im Westen nicht praktiziert werden, beispielsweise Lotosfuß, Tellerlippen, Hottentottenschürze, Schädeldeformation oder Padaung. Die Abgrenzung gegenüber schönheitschirurgischen Eingriffe ist teilweise nicht eindeutig, so wird eine Brustvergrößerung in der Regel nicht zu dem Bereich Body-Modification gezählt, andere Silikonimplantate hingegen schon. Ebenso würde eine religiös motivierte Zirkumzision nicht dazuzählen. Es entscheidet im konkreten Fall das Motiv für den Eingriff, ob er in die Kategorie der Body-Modification fällt.
Gründe und Motive für Körperveränderungen
Die Beweggründe, seinen Körper durch physische Eingriffe permanent zu verändern, sind facettenreich und variieren zwischen Individuen und Kulturen.
Ästhetische Motive
Das wohl heutzutage häufigst anzutreffende Motiv ist schlichtweg die Verschönerung und Zierde des Körpers. Was jeweils als schön anzusehen ist, wird stark durch soziale und kulturelle Vorgaben beeinflusst und manifestiert sich im vorherrschenden Schönheitsideal. Dieses unterscheidet sich je nach Epoche und Kulturkreis. Bezüglich Körpermodifikationen ist auffallend, dass seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts das Schönheitsideal in westlichen Kulturen zunehmend durch Einflüsse aus Indigene Völkern inspiriert wurde. Zahlreiche Formen der Körpermodifikation wie Piercing oder Branding, die heute von der jungen Generation als schön und ästhetisch angesehen werden und weitgehend akzeptiert sind, wurden vor wenigen Jahrzehnten im Westen sozial geächtet und als „primitive Stammesrituale“ betrachtet. Weithin spielt in der modernen Gesellschaft der Faktor Schönheit gegenüber früher eine wesentlich größerer Rolle. Die Partnerwahl findet heute frei von von Standes- und Rollenkonventionen statt, die Medien konfrontieren mit perfekten Vorbildern und das Aussehen nimmt mehr als früher auch in beruflichen Kontexten eine wichtige Funktion ein was zu Ausgrenzung bis hin zu Lookism führen kann.
Rituelle Motive
In vielen archaischen Kulturkreisen stellt die Veränderung des menschlichen Körpers einen rituellen Eingriff dar, der als Initiationsritual dient. Die Modifikation erfolgt meist im späten Kindes- oder frühem Jugendalter und stellt den Übergang zur Welt der Erwachsenen dar. Auch als Abgrenzung gegenüber anderen Stämmen werden Körpermodifikationen eingesetzt.
Kulturelle Identität
Körperschmuck stellt ein Mittel dar, um die Zugehörigkeit zu einer bestimmten kulturellen bzw. subkulturellen Gruppe darzustellen. Dies waren in der Vergangenheit und bis in die Gegenwart hinein verschiedene Stämme oder Clans. So können sich sowohl die Modifikationen zwischen den Stämmen unterscheiden - ein Lippenteller oder Padaung weißt auf die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Stamm hin - als auch ansich gleiche Modifikationen in geringen Nuancen variieren und Aufschluss über die Herkunft geben. Bei vielen benachbarten afrikanischen Stämmen sind beispielsweise Skarifizierung oder Tätowierung verbreitet, wobei Muster oder Motive die Stammeszugehörigkeit codieren. Auch bei der japanischen Jakuza dienen Tätowierungen dazu, die Zugehörigkeit zur Vereinigung zu demonstrieren.
In der heutigen modernen Gesellschaft sind es vielmehr subkulturelle Bewegungen, mit denen eine Identifikation stattfindet. Piercing hielt seit den 1980er Jahren Einzug in den westlichen Kulturkreis. Zu diesem Zeitpunkt war der Körperschmuck als Zeichen von Rebellion gegen das Establishment und Gegenkultur anzusehen. Mit der inzwischen weitgehenden Verbreitung durch alle Bevölkerungschichten und der Akzeptanz in der Gesellschaft hat der Aspekt der Abgrenzung gegen den Mainstream an Bedeutung verloren. Mitlerweile werden Piercings im Westen primär wegen ihrer ästhetischen Komponente geschätzt.
Funktionale Gründe
Einige Modifikationen haben über ihre ästhetische und kulturelle Bedeutung hinaus funktionale Aspekte. Diese können unterschiedlicher Natur sein und führen dazu, dass bestimmte Bereiche des Lebens verbessert werden. So führt die von vielen Kulturen praktizierte Zirkumzision zu einer Verbesserung der Hygiene und einer geringeren Gefahr der Ansteckung mit Geschlechtskrankheiten. Die bei den Aborigines verbreitete Subinzision kann als Maßnahme der Geburtenkontrolle angesehen werden. Verschiedene Intimpiercings, wie das Apadravya beim Mann oder das Klitorisvorhautpiercing bei der Frau, führen zu einer Intensivierung der Stimulation beim Geschlechtsverkehr und verstärken das sexuelle Erleben.
Geschichte
Die meisten Formen gehen auf traditionelle Rituale zurück, die von verschiedenen Völkern schon seit Jahrhunderten praktiziert werden. Hingegen finden sich in Europa erst relativ spät Formen von Körpermodifikation. Tätowierungen sind in Europa schon seit Jahrhunderten bekannt. Mit der Entdeckung Polynesiens erhielt die Tätowierkunst einen ersten Aufschwung. Selten wurden damals auch schon Intimpiercings, die aus der Region um den Indischen Ozean kommen, an Europäern durchgeführt. Zu Ende des 19. Jahrhundert erlebte die Tätowierkunst einen zweiten Aufschwung, der aber durch die beiden Weltkriege wieder völlig zunichte gemacht wurde. Nach dem 2. Weltkrieg gab es für kurze Zeit keine hauptberuflichen Tätowierer in Deutschland, und das Piercinghandwerk geriet fast völlig in Vergessenheit.
Erst seit den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts erlebte die Tätowierkunst einen neuen Aufschwung, und seit den 80er Jahren wurde wieder vermehrt gepierct. In den 90er Jahren erlebte dann das Piercing einen riesigen Aufschwung, und andere Formen der Body-Modification kamen auch nach Deutschland. Heute gibt es eine vielfältige Szene, die extremen Body-Modificationen (Zungenspaltung, Subinzision) sind aber in Deutschland immer noch selten und weitestgehend auf Nordamerika beschränkt, wo sich auch die Subkultur der Modern Primitives entwickelte.
Das größte Portal im Internet zum Thema Körpermodifikation ist das Body Modification E-Zine.
Kontroversen
Umstritten ist der Versuch, andere Kulturen bzw. Völker nachzuahmen, um ihnen damit zu ähneln, beispielsweise, dass Asiaten ihre Epikanthus-Falte operieren lassen, um europäische, nichtasiatische Augen nachzuahmen, die Haut durch Farbstoffe oder Operationen aufgehellt wird oder Afrikaner ihre Haare glätten und ihre Nasen durch Rhinoplastik zu verändern suchen.
Andere Streitfragen bestehen in Bezug auf den Versuch, die natürliche Form des Körpers künstlich zu verändern, was in den Augen der Kritiker zu Entstellungen und Verstümmelungen führen kann. Extreme Formen der Körpermodifikation werden gelegentlich als Symptome der Dysmorphophobie, als Geisteskrankheit oder unbeherrschte Eitelkeit angesehen. Oft werden von den Medien Gerüchte über Formen der Modifikationen verbreitet, sodass die Öffentlichkeit modifizierte Individuen ächtet. Entstellung und Verstümmelung sind Begriffe, die von Gegnern der Körpermodifikation verwendet werden, um bestimmte Formen abwertend zu umschreiben. Da diese Begriffe auch verwendet werden, um über Verletzungen zu berichten, die Folteropfern beigebracht wurden (wie z.B. die Verletzung der Ohren, Hände, Füße oder Genitalien durch Verbrennungen, Amputationen oder Flagellation), ist eine Verwendung dieser Begriffe - und die damit verbundene moralische Gleichsetzung - zur Beschreibung freiwilliger Eingriffe mit tätlichen Eingriffen zweifelhaft.
Häufig werden Körpermodifikationen z.B. durch unlizensierte Chirurgen außerhalb eines Krankenhauses oder gar zu Hause durchgeführt, was einerseits lebensgefährlich sein kann und andererseits in manchen Ländern und Staaten illegal ist.
Siehe auch
Literatur
Erich Kasten: Body-Modification. Psychologische und medizinische Aspekte von Piercing, Tattoo, Selbstverletzungen und anderen Körperveränderungen. Ernst Reinhardt Verlag, München und Basel 2006.
Film
2005 entstand unter der Regie von Jason Gary und Greg Jacobson die 85minütige Produktion Modify.
Weblinks
- BodMod.org - Webseite zum Thema Körpermodifikationen (engl.)
- Modify in der deutschen und englischen Version der Internet Movie Database
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