Boris Tischtschenko

Boris Tischtschenko

Boris Iwanowitsch Tischtschenko (russisch Борис Иванович Тищенко, wiss. Transliteration Boris Ivanovič Tiščenko; * 23. März 1939 in Leningrad) ist ein russischer Komponist.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Tischtschenko, der einer ukrainischen Familie entstammt, studierte von 1954 bis 1957 Komposition (bei Galina Ustwolskaja) und Klavier an der Musikfachschule Leningrad. Danach wechselte er ans Leningrader Konservatorium, wo er bis 1963 ebenfalls Komposition und Klavier studierte. Von 1962 bis 1965 war er Aspirant bei Dmitri Schostakowitsch. Seit 1965 lehrt Tischtschenko selbst am Leningrader Konservatorium, zunächst theoretische Fächer, ab 1974 Komposition. Im Jahre 1986 wurde er zum Professor ernannt. Neben seiner Kompositions- und Lehrtätigkeit hat er musikwissenschaftliche Schriften unter anderem über Claudio Monteverdi, Franz Schubert und Dmitri Schostakowitsch veröffentlicht. Er tritt auch als Pianist auf. 1978 wurde Tischtschenko der Glinka-Preis verliehen.

Tonsprache

Tischtschenko ist ein sehr origineller und eigenständiger Komponist. Nachdem er in den 1960er Jahren als einer der ersten sowjetischen Komponisten mit modernen Kompositionstechniken wie der Zwölftontechnik experimentiert hatte, entwickelte er Anfang der 1970er Jahre einen Personalstil, der von den Spätwerken Schostakowitschs ausgeht. Dessen Einfluss zeigt sich vor allem in der Melodik, Rhythmik und Instrumentierung. Tischtschenko bevorzugt freie Formen und schreibt häufig monothematisch. Er bleibt der Tradition verpflichtet, weite Passagen seiner Werke sind tonal gehalten und durch recht einfache, nicht selten sogar diatonische Themen gekennzeichnet. Diesen Stellen stehen Abschnitte gegenüber, die moderne Stilmittel wie extreme Dissonanzenanreicherung bis hin zur Clusterbildung verwenden. Auffällig ist ein Hang zu kunstvoller Polyphonie. Manchmal zeigt sich auch der Einfluss von sowjetischem Jazz oder russischer Folklore. Einen besonderen Akzent legt Tischtschenko auf die Rhythmik, die an den Kulminationspunkten oft wild und sehr dominant ist; teilweise setzt er Polymetrik ein. Charakteristisch für seine Tonsprache sind außerdem humoristische bis ironische Elemente. Tischtschenko bevorzugt großformatige, sehr ausgedehnte Gattungen. Seine Orchesterwerke weisen häufig eine große Besetzung auf, die aber meistens eher kammermusikalisch eingesetzt wird.

Werke

  • Nummerierte Sinfonien
    • Sinfonie Nr.1 op.20 (1961)
    • Sinfonie Nr.2 „Marina“ op.28 für Chor und Orchester (1964)
    • Sinfonie Nr.3 op.36 für Kammerorchester (1966)
    • Sinfonie Nr.4 op.61 mit Erzähler (1974)
    • Sinfonie Nr.5 op.67 (1976)
    • Sinfonie Nr.6 op.105 für Sopran, Alt und Orchester (1988)
    • Sinfonie Nr.7 op.119 (1994)
  • Weitere Orchesterwerke
    • „Französische Sinfonie“ nach Anatole France op.12 (1958), rev. als op.116 (1993)
    • „Sinfonia robusta“ op.46 (1970)
    • „Die Belagerungschronik“, Sinfonie op.92 (1984)
    • Fünf Dante-Sinfonien nach Dantes Göttlicher Komödie op.123 (1996-2005):
      • Nr.1 "Einleitung" op.123 Nr.1 (1997)
      • Nr.2 "Inferno: Erster bis Sechster Kreis" op.123 Nr.2 und 3 (2000)
      • Nr.3 "Inferno: Siebter bis Neunter Kreis" op.123 Nr.4 (2001)
      • Nr.4 "Purgatorio" op.123 Nr.5, 6 und 7 (2003)
      • Nr.5 "Paradiso" op.123 Nr.8, 9 und 10 (2005)
    • Puschkin-Sinfonie“ op.125 (1998, nach „Der Tod von Puschkin“ op.38)
    • sinfonische Dichtungen
    • Suiten
  • Konzerte
    • Klavierkonzert op.21 (1962)
    • Konzert für Violine, Klavier und Streichorchester op.144 (2006)
    • Konzert für Klavier, Flöte und Streichorchester op.54 (1972)
    • Violinkonzert Nr.1 op.9 (1958), rev. als op.29 (1964)
    • Violinkonzert Nr.2 op.84 „Violinsinfonie“ (1981)
    • Violoncellokonzert Nr.1 op.23 für Violoncello, 17 Bläser, Schlagzeug und Orgel (1963)
    • Violoncellokonzert Nr.2 op.44/1 für Violoncello, 48 Violoncelli, 12 Kontrabässe und Schlagzeug (1969), rev. für Violoncello, Streichorchester und Schlagzeug als op.44/2 (1979)
    • Harfenkonzert op.69 (1977)
  • Bühnenmusik
    • „Die gestohlene Sonne“, Oper op.40 (1968)
    • „Die Küchenschabe“, Komische Oper op.41 (1968)
    • „Die Zwölf“, Ballett op.25 (1963)
    • „Jaroslawna (Die Sonnenfinsternis)“, Ballett op.58 (1974)
    • Schauspiel- und Filmmusiken
  • Andere Vokalmusik
  • Kammermusik
    • Streichquartett Nr.1 op.8 (1957)
    • Streichquartett Nr.2 op.13 (1959)
    • Streichquartett Nr.3 op.47 (1970)
    • Streichquartett Nr.4 op.77 (1980)
    • Streichquartett Nr.5 op.90 (1984)
    • Klavierquintett op.93 (1985)
    • Konzert für Klarinette und Klaviertrio op.109 (1990)
    • Sonaten für Violine solo, Violoncello solo sowie Blockflöte und Orgel
  • Klaviermusik
    • 10 Sonaten (Nr.1 op.3, 1957, rev. 1995 als op.121, Nr.2 op.17, 1960, Nr.3 op.32, 1965, Nr.4 op.53, 1972, Nr.5 op.56, 1973, Nr.6 op.64, 1976, Nr.7 op.85 mit Glocken, 1982, Nr.8 op.99, 1986, Nr.9 op.114, 1992, Nr.10 op.124, 1997)
    • 2 Suiten (Nr.1 op.4, 1957, rev. als Sonate Nr.10, Nr.2 op.6, 1957)
    • kleinere Stücke

Weblinks


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем решить контрольную работу

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Boris Iwanowitsch Tischtschenko — (russisch Борис Иванович Тищенко, wiss. Transliteration Boris Ivanovič Tiščenko; * 23. März 1939 in Leningrad; † 9. Dezember 2010 ebenda)[1] war ein russischer Komponist. Inhaltsverzeichnis 1 Leben …   Deutsch Wikipedia

  • Boris Ivanovich Tishchenko — Boris Iwanowitsch Tischtschenko (russisch Борис Иванович Тищенко, wiss. Transliteration Boris Ivanovič Tiščenko; * 23. März 1939 in Leningrad) ist ein russischer Komponist. Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Tonsprache …   Deutsch Wikipedia

  • Boris Tishchenko — Boris Iwanowitsch Tischtschenko (russisch Борис Иванович Тищенко, wiss. Transliteration Boris Ivanovič Tiščenko; * 23. März 1939 in Leningrad) ist ein russischer Komponist. Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Tonsprache …   Deutsch Wikipedia

  • Tischtschenko — ist der Familienname folgender Personen: Alexei Wiktorowitsch Tischtschenko (* 1984), russischer Boxer Boris Iwanowitsch Tischtschenko (1939–2010), russischer Komponist Jelisaweta Iwanowna Tischtschenko (* 1975), russische Volleyballspielerin …   Deutsch Wikipedia

  • Boris Georgijewitsch Kusnezow — (russisch Борис Георгиевич Кузнецов; * 23. Februar 1947 in Astrachan; † 3. Mai 2006) war ein sowjetischer Boxer. Er war Olympiasieger 1972 im Federgewicht (damals bis 57 kg Körpergewicht). Inhaltsverzeichnis 1 Werdegang 2 …   Deutsch Wikipedia

  • Alexei Tischtschenko — Alexei Wiktorowitsch Tischtschenko (russisch Алексей Викторович Тищенко; * 29. Mai 1984 in Omsk, Sowjetunion, heute Russland) ist ein russischer Amateurboxer. Er ist Olympiasieger, Welt und Europameister im Federgewicht. Seinen ersten bedeutenden …   Deutsch Wikipedia

  • Alexei Wiktorowitsch Tischtschenko — (russisch Алексей Викторович Тищенко; * 29. Mai 1984 in Omsk, Sowjetunion) ist ein russischer Amateurboxer. Er ist Olympiasieger, Welt und Europameister im Federgewicht. Seinen ersten bedeutenden internationalen Erfolg feierte Tischtschenko… …   Deutsch Wikipedia

  • Liste der Komponisten/T — Komponisten klassischer Musik   A B C D E F G H I J K L …   Deutsch Wikipedia

  • Die Göttliche Komödie — LALTA COMEDYA DEL SOMMO POETA DANTE, Titel des Codex Altonensis; illuminierte Handschrift, Norditalien; zweite Hälfte 14. Jh …   Deutsch Wikipedia

  • Die göttliche Komödie — LALTA COMEDYA DEL SOMMO POETA DANTE, Titel des Codex Altonensis; illuminierte Handschrift, Norditalien; zweite Hälfte 14. Jh …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”