Borotra

Borotra
Jean Borotra, 1931

Jean Borotra (* 13. August 1898 in Domaine du Pouy, Hautes-Pyrénées; † 17. Juli 1994 in Arbonne, Pyrénées-Atlantiques) war ein französischer Tennisspieler und Politiker.

Inhaltsverzeichnis

Einer der „Tennis-Musketiere“

Der promovierte Absolvent der École Polytechnique (1920) gehörte zu den „vier Musketieren“, die in den späten 1920er und frühen 1930er Jahren das Herrentennis dominierten. Borotra bevorzugte das Angriffsspiel, rückte so bald wie möglich an das Netz vor und galt dort als nahezu unpassierbar. Er war berühmt für seinen Volley aus dem Sprung heraus – daher rührte auch sein Spitzname „der springende Baske“ – und seine außerordentliche Ausdauer.

Bei den Grand-Slam-Turnieren (in Wimbledon, Paris, Australien und Forest Hills) gewann er vier Einzel- sowie neun Doppel- und fünf Mixedtitel. Im Einzel konnte er lediglich die US Open nicht gewinnen. Außerdem gehörte er sechsmal in Folge zum französischen Siegerteam beim Davis Cup.

Zusammen mit seinen Mitspielern wurde er 1976 in die Hall of Fame des Tennissports aufgenommen. Bereits 1931 hatte ihn der Düsseldorfer Rochusclub zum Ehrenmitglied ernannt.[1]

Größte sportliche Erfolge

Jean Borotra Statue in Paris
  • 1922
  • 1924
    • Wimbledon (Einzel)
    • Paris ([noch kein internationales Turnier] Einzel, Doppel mit René Lacoste, Mixed mit J. Billout)
  • 1925
    • Paris (Doppel mit R. Lacoste)
    • Wimbledon (Doppel mit R. Lacoste, Mixed mit Suzanne Lenglen)
  • 1926
  • 1927
    • Paris (Mixed mit Marguerite Bordes)
    • Davis-Cup
  • 1928
  • 1929
    • Paris (Doppel mit R. Lacoste)
    • Davis-Cup
  • 1930
    • Davis-Cup
  • 1931
    • Paris (Einzel)
    • Davis-Cup
  • 1932
    • Wimbledon (Doppel mit J. Brugnon)
    • Davis-Cup
  • 1933
    • Wimbledon (Doppel mit J. Brugnon)
  • 1934
    • Paris (Doppel mit J. Brugnon, Mixed mit C. Rosambert)
  • 1936

Kommissar des Vichy-Regimes

Nach dem deutschen Einmarsch und der Besetzung weiter Teile Frankreichs im Zweiten Weltkrieg wurde der in beiden Weltkriegen hoch dekorierte Borotra im Juli 1940 Kommissar (einem Ministeramt vergleichbar) für Erziehung und Sport des mit Nazideutschland kollaborierenden Vichy-Regimes. In dieser Funktion bekämpfte er den Professionalismus im Sport durch zahlreiche Erlasse.[2] Nachdem Staatspräsident Pétain auf deutschen Druck im April 1942 den Ministerpräsidenten François Darlan entließ, musste auch Borotra sein Amt abgeben – Nachfolger wurde sein engster Mitarbeiter, der Colonel Joseph Pascot – und versuchte nach Nordafrika zu fliehen. Dabei nahm ihn im November 1942 die Gestapo fest und brachte ihn in ein Lager, aus dem er erst 1945 freikam. Der genaue Grund für seine Inhaftierung ist nicht zu ermitteln; möglicherweise bestand ein Zusammenhang mit Borotras vormaliger Mitgliedschaft im Parti social français, einer rechtsbürgerlichen Partei, die dem Vichy-Regime wegen dessen Antisemitismus ablehnend gegenüberstand.[3]

Nach dem Zweiten Weltkrieg

Ein von der französischen Regierung angestrengtes Kollaborationsverfahren gegen ihn wurde offenbar noch 1945 eingestellt.[4] Jean Borotra hat seine Tätigkeit im Vichy-Regime später nie bereut oder kritisch hinterfragt; er war vielmehr noch lange Zeit Präsident der Gesellschaft zur Verteidigung des Andenkens an Marschall Pétain.[5] Deshalb galt er auch einige Jahre als „unerwünschte Person“ beim Tennisturnier in Wimbledon. Der französische Tennisverband Fédération Française de Tennis machte ihn hingegen zu seinem Ehrenpräsidenten. In den 1960ern fungierte er als sportpolitischer Berater mehrerer gaullistischer Regierungen. Außerdem wurde Borotra 1977 zum Kommandeur der Ehrenlegion und 1982 zum Vizepräsidenten des Sportrates der UNESCO ernannt. In jüngerer Zeit ist seine politische Rolle während der Besetzung Frankreichs erneut in den Blickpunkt geraten, und zwar im Zusammenhang mit der Frage der seinerzeitigen „Säuberung des französischen Sports von Juden“. [6]

Weblinks

Anmerkungen

  1. http://www.rochusclub.de/i/club/chronik.php
  2. vgl. bspw. David Goldblatt: The ball is round. A global history of football. Viking/Penguin, London 2006 ISBN 0-670-91480-0, S. 327, Pierre Delauney/Jacques de Ryswick/Jean Cornu: 100 ans de football en France. Atlas, Paris 1982, 1983² ISBN 2-7312-0108-8, S. 166-170, und den französischen Wikipedia-Artikel
  3. zur PSF siehe http://fr.wikipedia.org/wiki/Parti_social_fran%C3%A7ais
  4. http://www.geocities.com/~orion47/FRANCE/French_Trials.html
  5. siehe http://www2.ac-lille.fr/patrimoine-caac/Sport/projets/jean_borotra.htm
  6. „Der Schwimmer von Auschwitz“, Berliner Zeitung vom 6.6.2001 (gesehen am 10. Juni 2007)

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