Bozena Nemcova

Bozena Nemcova

Božena Němcová (* 4. Februar 1820 in Wien; † 21. Januar 1862 in Prag) war eine bedeutende tschechische Schriftstellerin.

Božena Němcová

Inhaltsverzeichnis

Leben

Sie wurde in Wien als Barbara Betty Novotná geboren; ihre Eltern waren der aus Niederösterreich stammende Kutscher Johann Pankl und Theresie Novotná, ein tschechisches Dienstmädchen. Die Eltern heirateten erst im nachfolgenden Sommer in Böhmen. Als der Vater eine Anstellung als herrschaftlicher Kutscher beim Grafen Karl Rudolf von der Schulenburg und seiner Frau, der Herzogin Katharina Wilhelmine von Sagan auf Schloss Náchod erhielt, zog die Familie nach Ratibořice bei Česká Skalice. Die Mutter arbeitete dort als Wäscherin in der zum Schloss Ratibořice gehörigen Alten Bleiche (Staré Bělidlo), wo Božena Němcová auch aufwuchs und dank der besonderen Unterstützung seitens der Herzogin eine gute Bildung erhielt.

Im Jahre 1837 heiratete sie als 17-Jährige auf Drängen der Mutter den um einiges älteren Finanzbeamten Josef Němec – einen tschechischen Patrioten. Allerdings erwies sich die Verbindung als nicht glücklich, dies ist nicht zuletzt auf die ständigen finanziellen Schwierigkeiten der Familie zurückzuführen. Aus der Ehe gingen vier Kinder hervor, von denen der älteste Sohn starb. Ab 1842 erhielt Němec eine Anstellung in Prag, wo die Eheleute fortan ihren Wohnsitz nahmen. Dort lernte sie führende Mitglieder der tschechischen Nationalbewegung kennen, wie František Palacký und Václav Bolemír Nebeský. Unter ihrem Einfluss begann sie zu schreiben und nahm den tschechischen Vornamen Božena an.

In den Jahren 1842–1845 schrieb sie vor allem Märchen und Gedichte. Ihr erster veröffentlichter Text war 1843 das national gestimmte Gedicht “An die tschechischen Frauen” (Ženám Českým). Ab 1845 publizierte sie die “Reisebilder aus der Gegend von Taus” (Obrazy z okolí domažlického) sowie viele Erzählungen und verschiedene Folgen von Märchen und Sagen, die sie gesammelt und in die tschechische Literatur eingeführt hatte. Ihr berühmtestes Werk ist “Babička” (Großmutter), das 1855 erschien und Eindrücke aus Němcovás Kindheit in Böhmen unter der prägenden Obhut ihrer Großmutter beschreibt. Dieses Werk gehört heute zur wichtigsten tschechischen Nationalliteratur.

Wegen seiner Aktivitäten bei der gescheiterten Revolution des Jahres 1848 wurde Josef Němec in die Slowakei (damals Teil vom Königreich Ungarn im Kaisertum Österreich) versetzt. Němcová verblieb mit den Kindern in Prag, besuchte ihren Mann jedoch mehrmals für längere Zeiträume. Zu ihrem Werk gehören einige Bücher, die slowakische Themen zum Inhalt haben.

Božena Němcová starb nach schwerer Krankheit 1862; sie wurde unter großer Anteilnahme auf dem Prager Ehrenfriedhof Vyšehrad beigesetzt. Dies ist unter anderem deshalb erwähnenswert, da sie ihre letzten Lebensjahre verlassen und verarmt in Prag lebte, und keiner der bedeutenden Persönlichkeiten, die ihrem Sarg nachgingen, sich in dieser Zeit ihrer annahm. Als Frau hatte sie sich um ein eigenständiges Leben bemüht, ein Versuch sich den begrenzenden Konventionen ihres Jahrhunderts zu entziehen und ein Ausdruck dafür, dass sie ihrer Zeit weit voraus war.

Vermutungen zu ihrer Abkunft

Němcovás Grab auf Vyšehrad

Die später verbreiteten Vermutungen, nach denen nicht Johann Pankl, sondern ein adliger Herr der Vater von Božena Němcová gewesen sei, konnten nie bewiesen werden. Im Gespräch war der Arbeitgeber der Eltern, Graf Karl Rudolf. Dies wird aber für unwahrscheinlich gehalten, da Barbara keine Ähnlichkeiten mit ihrer Mutter aufwies. Immer wieder wurde auch vermutet, dass Němcová ein Adoptivkind und eigentlich eine Tochter der lebensfrohen Dienstherrin der Pankls (oder deren jüngerer Schwester) war. Als potentielle Väter wurden der russische Zar Alexander I., der Fürst Metternich und andere hohe Herren des Kaiserreichs gehandelt. Am plausibelsten scheint jedoch die Variante, nach der Dorothea von Biron ihre Mutter und Fürst Karl Clam-Martinic ihr Vater gewesen sei. Die beiden sollen sich am Wiener Kongress getroffen und eine Affaire gehabt haben. Dorothea brachte das Kind, das aus dieser Verbindung entstand, bei ihrer Schwester Katharina Wilhelmine von Sagan zur Welt, welches möglicherweise durch deren Vermittlung von Johann Pankl und Theresie Novotná als Tochter Barbara angenommen und anerkannt worden war.

Werke

Babička

Berühmt geworden ist Božena Němcová mit dem 1855 erschienenen Roman Babička, mit dem sie der tschechischen Sprache zum Durchbruch verholfen hat. Das Werk ist in über 350 Auflagen in tschechischer Sprache und in zahlreichen Übersetzungen erschienen. Es ist wohl das populärste Prosawerk der tschechischen Literatur. Der Roman trägt starke autobiographische Züge. Im Mittelpunkt steht die gütige Babička, die zu einer national-romantischen Identifikationsfigur wurde. Erzählt wird das idyllische Landleben im Aupatal Babiččino údolí (Großmuttertal) mit dem Dorf und Schloss Ratibořice. Auch die Schlossherrin Wilhelmine von Sagan wird idealisierend als verständnisvolle Herzogin charakterisiert.

In der Zeit, als Božena Němcová an der Babička schrieb, hatte sie physische, psychische und finanzielle Probleme. Die romantischen und idealisierenden Beschreibungen der Romanfiguren sowie der Landschaft können als Flucht vor der eigenen, bitteren Realität gedeutet werden. Als ein idealisierender Blick Němcovás zurück in die behütete Kindheit. Der Roman wurde mehrmals erfolgreich verfilmt.

  • Die Großmutter (Babička), aus dem Tschechischen von Kamill Eben, Vitalis Verlag, Prag 2009, ISBN 978-3-89919-095-3 (mit Illustrationen von Karel Hruška)

Kávová společnost

Der kurze Text erschien erstmals 1855 und ist ein satirisches Abbild der Gesellschaft mit vielen autobiographischen Elementen. Der Titel bedeutet auf Deutsch wörtlich Kaffee-Gesellschaft, sinngemäß Kaffeekränzchen. Bemerkenswert ist die Vielzahl deutscher Ausdrücke – sowohl dialektaler als auch hochsprachlicher – im Werk, die einerseits zur Charakterisierung der Figuren dienen und andererseits die damalige sprachliche Situation im Kaiserreich Österreich widerspiegeln. Inhalt des Textes ist ein Treffen von sieben Damen der Gesellschaft einer Kleinstadt zum Kaffee, bei dem heftig geklatscht und getratscht wird – vor allem über eine Dame, deren Verhalten die Damen aufs Heftigste kritisieren. Diese Person hat starke Ähnlichkeit mit Božena Němcová, auch sie erlebte während ihres Aufenthaltes in Nymburk derlei Gerede und Ausgrenzung.

  • Kávová Společnost. In: M. Meřman, F. Váhala, B. Havránek (Hg.): Básně a jiné práce. Spisy Boženy Němcové. Sv.11, Praha, SNKLHU, 1957, S. 177–185

Weitere Werke

  • Mich zwingt nichts als Liebe
  • Drei Haselnüsse für Aschenbrödel (Tři oříšky pro Popelku)
  • Aus einer kleinen Stadt
  • Der Herr Lehrer (Pan učitel)
  • Tschechische Märchen
  • Durch diese Nacht sehe ich keinen einzigen Stern

Verfilmungen

  • 1949 - Die wilde Barbara (Diva Barbara)
  • 1950 - Prinz Bajaja (Princ Bajaja)
  • 1955 - Es war einmal ein König (Byl jednou jeden král)
  • 1971 - Prinz Bajaja (Princ Bajaja)
  • 1973 - Drei Haselnüsse für Aschenbrödel
  • 1983 - Vom tapferen Schmied (O statecném kovári)
  • 1984 - Mit dem Teufel ist nicht gut spaßen (S certy nejsou zerty)
  • 2004 - Durch diese Nacht sehe ich keinen einzigen Stern, 110 min (arte-tv.com, imdb.com, movienetfilm.de)


Verweise

Literatur

  • Katrin Berwanger: Die szenische Poetik Božena Němcovás. München, Sagner, 2001
  • Georg J. Morava: Sehnsucht in meiner Seele. Innsbruck, Haymon, 1995
  • Zdeněk Nejedlý: Božena Němcová a Ratibořické údolí. 1922
  • Susanna Roth: Božena Němcová. Sehnsucht nach einem anderen Leben. In: Alena Wagnerová (Hg.): Prager Frauen. Neun Lebensbilder, Prag und Furth im Wald, Vitalis, 2000, S. 11–34
  • Helena Sobková: Tajemstvi Barunky Panklové (Das Geheimnis der Barunka Panklová). Prag, 1997
  • Dies.: Božena Němcová a Zahán (Božena Němcová und Sagan). Prag 2001
  • Berta Tosch: Zum 100. Geburtstag Božena Němcovás. In: Österreichische Osthefte 4.1962, S. 299–-401


Weblinks



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