- Buran-Programm
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Das sowjetische Buran-Raumfahrtprogramm (russisch Буран für Buran – Schneesturm, Betonung auf der zweiten Silbe) begann 1976 am ZAGI als Antwort auf das amerikanische Space Shuttle. Der Name leitet sich aus dem Namen der ersten Raumfähre Buran 1.01 (Schneesturm) ab, wird aber auch für das gesamte sowjetische Raumfährenprogramm verwendet. Das Projekt war das größte und teuerste Einzelprojekt in der sowjetischen Raumfahrt. Es kam aus finanziellen Gründen nur zu einem einzigen unbemannten Einsatz. Zeitweise arbeiteten bis zu 30.000 Menschen an dem Projekt. Die Raumfähre wurde, ebenso wie die für den Start benötigte Trägerrakete Energija, vom OKB-1 Koroljow (Experimental-Konstruktionsbüro-1, heute RKK Energija) und NPO Molniya entwickelt unter Leitung von Walentin Petrowitsch Gluschko (Energija, Gesamtprojekt) und Gleb Jewgenjewitsch Losino-Losinski (Buran).
Der Buran-Orbiter ähnelt äußerlich dem Space Shuttle, weist aber eine Reihe konzeptioneller Unterschiede auf.
Inhaltsverzeichnis
Hintergrund
Das sowjetische Raumfährenprogramm hat seine Wurzeln in frühen Raumfahrtprojekten der 1950er Jahre. Die Idee für wiederverwendbare Raumflugkörper, obwohl recht alt, wurde in der Zwischenzeit durch die sowjetische Raumfahrt weder konsequent verfolgt noch zentral organisiert. Vor Buran wurde kein Projekt bis zur Serienreife geführt.
Erste Ideen tauchten schon beim Marschflugkörper Burja auf, der aber die Prototypenphase nie verließ. Einige Testflüge wurden durchgeführt, bevor das Projekt von der politischen Führung eingestellt wurde. Burya sollte eine Nuklearwaffe bis auf amerikanisches Territorium bringen und anschließend wieder zur Basis zurückkehren können. Die Einstellung des Programms erfolgte, da Interkontinentalraketen als erfolgversprechender eingeschätzt wurden. In den frühen 1960er Jahren wurde das Spiral-Projekt gestartet, das aber auch nicht über den Prototypenstatus hinauskam. Einige Erfahrungen aus diesem Projekt wurden jedoch auf das Buran-Programm übertragen.
Das Buran-Raumfahrprogramm begann in den frühen 1970er Jahren als Antwort auf das US-amerikanische Space Shuttle. Nach der Einstellung der Arbeiten an der N1-Mondrakete und der Entlassung Mischins 1974 wurden das OKB-1 und KB EnergoMash als NPO Energija unter Leitung von Gluschko zusammengelegt. Gluschko galt als Verfechter eines Konzepts für eine überschwere modulare Trägerrakete. Nachdem NPO Energija nun praktisch das gesamte sowjetischen Raumfahrtprogramm kontrollierte, begannen die Entwicklungen an der später als Energija bekannten Trägerrakete. Zu diesem Zeitpunkt existierten aber noch keine konkreten Pläne für die spätere Verwendung.
Nach dem Start der Arbeiten am amerikanischen Space Shuttle befürchtete die sowjetische Staatsführung, bei einer militärisch nutzbaren Technologie den Anschluss zu verlieren und drängte auf die Entwicklung eines analogen Systems. Während sowjetische Ingenieure eine kleinere Version auf Basis eines Auftriebskörper-Designs (Nurflügel) bevorzugten, wurde frühzeitig politisch Einfluss genommen und aus Prestigegründen auf eine Kopie des Space-Shuttle-Designs gedrängt.
Am 17. Februar 1976 unterzeichneten das Zentralkomitee und der Ministerrat ein formales Dekret über das Buran-Programm. Es sah die Entwicklung und Produktion eines wiederverwendbaren Trägersystems vor, das Trägerrakete, Raumfähre, Raumtransporter und umfangreiche Bodenanlagen einschloss. NPO Energija unter Leitung von Gluschko wurde die Gesamtprojektleitung übergeben. Mit Gleb Losino-Losinski wurde der ehemalige Leiter des Spiral-Projektes mit der Entwicklung der Raumfähre beauftragt. [1]
Da zugängliche NASA-Veröffentlichungen in der Fachliteratur zu Kosten des Space Shuttle-Konzepts als übertrieben optimistisch eingeschätzt wurden, war ein starker militärischer Hintergrund vermutet worden. Als Teil der Konkurrenz zu Zeiten des kalten Krieges hatte deshalb auch das Buran-Programm einen militärischen Hintergrund, um die enormen Kosten zu rechtfertigen. Konsequenterweise gab es deshalb konkrete militärische Nutzungsstudien für Buran, die über den reinen Transport militärischer Satelliten hinausgingen. Buran wurde somit auch als potentielle Waffenplattform sowie zur Installation und Unterhaltung möglicher militärischer Kampfplattformen im Orbit als Antwort auf das amerikanischen SDI-Programm konzipiert [2].
Entwicklung
Aufgrund von ungenauen Systemdefinitionen und internen Machtspielen kam die eigentliche Entwicklung des Orbiters erst Anfang der 1980er Jahre in Gang.
Zuerst wurden verschiedene Mock-ups für verschiedene Systemtests gebaut. Besonders bemerkenswert ist OK-GLI, das 1984 für Flugtests gebaut wurde. Es war mit vier AL31-Strahltriebwerken ausgerüstet und konnte damit selbstständig abheben. Der Buran OK-GLI hatte eine Gesamtlänge von 36,37 Meter, eine maximale Rumpfbreite von 5,5 Meter, eine Flügelspannweite von 23,92 Meter, ein maximales Startgewicht von 105 Tonnen, eine maximale Nutzlast von 30 Tonnen, ein maximales Landegewicht von 82 Tonnen, darunter maximal 15 Tonnen Nutzlast bei 312 km/h Landegeschwindigkeit oder maximal 20 Tonnen Nutzlast bei 360 km/h Landegeschwindigkeit. Die Fähre hatte Platz für maximal 10 Personen. OK-GLI ist heute im Technik-Museum Speyer ausgestellt.[3]
Parallel dazu wurden Tests des Hitzeschildes durchgeführt. Dazu wurden unter dem Namen BOR-4 zuerst Versuche mit verkleinerten Testversionen des Gleiters des ehemaligen MiG-105/Spiral-Programms durchgeführt. Da die Aerodynamik dieses Gleiters völlig anders ist, wurden weitere Testflüge mit einem 1:8 Modell des Buran-Raumfährentyp als BOR-5 durchgeführt. Bei diesen konnte sich der neuentwickelte Hitzeschutz bewähren. Die verwendeten Materialien TZMK-10 und TZMK-25 erwiesen sich den analogen Materialien des US-Space Shuttle als ebenbürtig, teilweise wurden deren mechanische Eigenschaften auch deutlich übertroffen[4].
Die erste eigentliche Raumfähre Buran 1.01 (11F35 K1) wurde 1986 gebaut. Nach dem erfolgreichen Test der Trägerrakete Energija am 15. Mai 1987 erfolgte am 15. November 1988 der erste und einzige Start des Buran-Energija Systems. Der unbemannte Flug endete erfolgreich mit einer automatischen Landung nach zwei Erdumkreisungen.
Die zweite Fähre Buran 1.02 (11F35 K2), deren Fertigstellung für 1990 geplant war, sollte eigentlich 1991 den Flugbetrieb aufnehmen. Dazu kam es jedoch nie. Der Bau dreier weiterer modifizierter Fähren (Buran 2.01 bis 2.03) wurde begonnen, jedoch nach dem Ende des Programms eingestellt.
Ende
Durch den Tod Gluschkos Anfang 1989 verlor das Programm seinen einflussreichsten Verfechter. Nach Budgetproblemen und dem Ende des Kalten Krieges wurde das Programm 1993 offiziell eingestellt. Auch verschiedene Versuche, das Programm wiederzubeleben oder die Ergebnisse kommerziell zu vermarkten, schlugen fehl.
Buran 1.01 wurde in der Montagehalle „MIK-112“ auf dem Weltraumbahnhof in Baikonur gelagert und am 12. Mai 2002 zerstört, als die Decke des Hangars bei mangelhaft ausgeführten Reparaturarbeiten einbrach. Ptitschka 1.02 befindet sich in Baikonur in einer Halle (MIK Gebäude 80, Area 112A). Die beiden anderen, nicht fertiggestellten Orbiter 2.01 (11F35 K3) und 2.02 (11F35 K4) lagern in der Tuschino-Fabrik in Moskau. Der nur teilweise gebaute Buran 2.03 (11F35 K5) wurde unmittelbar nach der Terminierung des Programms abgewrackt [5].
Technik
Die Haupttriebwerke waren nicht in der Fähre untergebracht, sondern Teil der Energija, die nach dem Start abgetrennt wurde und verloren ging. Dadurch war ein geringerer Teil des Gesamtsystems als beim Space Shuttle wiederverwendbar. Die Energija konnte deshalb aber auch als eigenständige Trägerrakete eingesetzt werden und war als modulares System ausgelegt, bei dem durch Variation der Anzahl der Booster die mögliche Nutzlast verändert werden konnte.
Die Buran hatte theoretisch Platz für zehn Personen (zwei bis vier Besatzung plus sechs Passagiere [6]) oder 30 Tonnen Nutzlast beim Start und 20 t bei der Landung, war also für eine höhere Nutzlastkapazität im Vergleich zum US-amerikanischen System ausgelegt. Allerdings sollen technische Probleme die Fertigstellung der bemannten Version verhindert haben, so beim Bordcomputer und dem Lebenserhaltungssystem, das seit den früheren Projekten der sowjetischen Raumfahrt kaum weiterentwickelt worden war. Am Ende der Entwicklung gab es aber vor allem Budgetprobleme.
Zum Vergleich mit dem Space Shuttle siehe auch: Vergleich von Buran und Space Shuttle
Hitzeschild
Der Hitzeschild besteht ähnlich wie beim Space Shuttle[7] an der Orbiter Unterseite und anderen stark thermisch belasteten Bereichen aus etwa 38.800 einzelnen keramischen Kacheln aus Quarzfasern (TZMK-10/TZMK-25'). Die Kacheln sind mit einem Filzsubstrat mit der eigentlichen Oberfläche verklebt. Kleine Spalten zwischen den Kacheln ermöglichen die Wärmeausdehnung, da sich die Kacheln beim Wiedereintritt teilweise bis auf 1600°C erhitzen. Ein großes Problem stellte dabei die Versiegelung des eigentlich hochporösen Keramikmaterials gegen Feuchtigkeit dar.
Rumpfspitze und Tragflächenvorderkanten sind mit speziellen großen Keramikelementen auf der Basis von Kohlenstoff und Borsilikat (GRAVIMOL, GRAVIMOL-B / Carbon-Carbon) verkleidet. Diese Elemente sind innen hohl und mit thermisch isolierten Verbindungen an der eigentlichen Fährenstruktur befestigt. Die Spalten zwischen verschiedenen Elementen sind mit filz- oder bürstenartigen Füllungen aus keramischen Fasern gefüllt, behindern die eigentlichen Kacheln aber nicht an der notwendigen Ausdehnung beim Erhitzen[4].
Wenig belastete Bereiche (Temperatur < 370°C; z.B. Rumpfoberseite, Oberseite der Tragflächen) sind mit flexiblen Matten aus organischen Fasern ('ATM-19PKP') geschützt.
Die Orientierung der Kacheln wurde bei Buran anders als beim Space Shuttle gewählt. Durchgehende Fugen sind bei Buran rechtwinklig zu Strömungsrichtung ausgerichtet. Kurze Fugen (die Kacheln sind in versetzten Reihen angeordnet) liegen in Strömungsrichtung. Man versprach sich von dieser Anordnung bessere aerodynamische Eigenschaften und geringere mechanische und thermische Belastungen des Hitzeschildes[8]. Beim Space Shuttle sind die Fugen diagonal ausgerichtet.
Liste der Buran-Orbiter- und Prototypversionen
Orbiter
Name / Baujahr Nr. (GRAU-Index) Erstflug Einsatz Bemerkung Buran 1.01
OK-1K / (1986)1.01 (11F35 K1) 15. November 1988 Unbemannter Testflug,
zwei Umkreisungen, automatische LandungEinziger Flug eines Shuttles des Buran-Programms ins Weltall (Flugzeit: 2 Stunden, 20 Minuten),
zerstört beim Einsturz einer Lagerhalle in Baikonur am 12. Mai 2002 [9]
(45° 55′ 41″ N, 63° 17′ 53″ O45.92805555555663.298055555556 )
ursprünglich Baikal benannt[10]Buran 1.02
OK-2K / (1988)1.02 (11F35 K2) – Etwa 95 % fertiggestellt Verbleib : Kosmodrom Baikonur im MIK Gebäude [11] 2.01
OK-3K2.01 (11F35 K3) – nicht fertiggestellt Kosmodrom Baikonur 2.02
OK-TK(?)2.02 (11F35 K4) – nicht fertiggestellt NPO Molnija, Moskau (Verbleib: teilweise demontiert) 2.03 2.03 (11F35 K5) – nicht fertiggestellt NPO Molnija, Moskau (Verbleib: verschrottet) Prototypen
Name / Baujahr Einsatz/Zweck Verbleib Bemerkung 0.01 OK-M / (1982) statische Tests Kosmodrom Baikonour (45° 55′ 10″ N, 63° 18′ 36″ O45.91944444444463.31 )
[12] [13] 0.02 OK-GLI / (1984) atmosphärische Flugtests Technik-Museum Speyer, D, Rheinland-Pfalz 25 bemannte Testflüge innerhalb der Erdatmosphäre
9 Rolltests0.03 OK-KS RKK Energija, Moskau 0.04 OK-MT / (1983) Besatzungs- und Wartungstraining, Dokumentation Kosmodrom Baikonour 0.15 OK-TWA thermische, mechanische und akustische Tests Gorki-Park, Moskau[14] (55° 43′ 43″ N, 37° 35′ 48″ O55.72861111111137.596666666667 )
Innenraum ist begehbar, wird als Kino genutzt 0.05 Zentrales Aerohydrodynamisches Institut, Moskau Nur einzelne Baugruppen sind verblieben 0.06 Forschungsinstitut für Maschinenbau, Sagorsk bei Moskau [17] 0.08 OK-TVI Strahlungs- und Temperaturtests ? Verbleib: unbekannt Verwandte Modelle und Raumgleiter BOR-4 Testmodell auf Grundlage des Spiral-Raumgleiters NPO Molnija, Moskau 1:2-Modell, fünf Starts BOR-5 Suborbitales 1:8-Modell von Buran BOR-5 505 Technik-Museum Speyer, D, Rheinland-Pfalz 5 Starts, keine Wiederverwendung aber vier wurden nach dem Testflug geborgen Siehe auch
- Antonow An-225 - Größtes Flugzeug, gebaut zum Transport der Buran
- Raumstation Mir
- Dyna-Soar
- Hermes (Raumfähre)
- Sänger (Raumtransportsystem)
- Hope X
- Kliper
Literatur
- Bart Hendrickx, Bert Vis: "Energiya-Buran: The Soviet Space Shuttle", 2007, ISBN 0-387-69848-5
- Ju. P. Semjonow, G. E. Losino-Losinskij, W. L. Lapygin, W. A. Timtschenko: "Buran: Sowjetischer Raumgleiter", 2006, ISBN 3-933395-80-1
Weblinks
- Offizielle Webpräsenz des Herstellers NPO Molniya (russisch/englisch)
- Filmbericht über die Buran (deutsch)
- buran-energia.com Private Website mit vielen Informationen (englisch)
- Video des Transportfluges der Buran mit der Antonov 225 (ab Minute 8 nach Rollout und Erstflug der Antonov).
- Der Buran-Raumtransporter auf urbin.de
- Umfassende Seite zu Buran und Energia
Quellen
- ↑ Birds of a Feather? How Politics and Culture Affected the Designs of the U.S. Space Shuttle and the Soviet Buran by Stephen J. Garber (PDF)
- ↑ http://www.buran-energia.com/bourane-buran/bourane-but.php
- ↑ Quelle Museumsprospekt Technikmuseum Speyer
- ↑ a b 'The Heat Protection Structure of the Reusable Orbital Spaceship' by Dr. Gofin M.Ya. (doc/zip)
- ↑ aerospaceweb.org: Soviet Buran Space Shuttle (englisch)
- ↑ http://www.buran.ru/htm/molniya5.htm
- ↑ [1]Space Shuttle TPS (englisch)
- ↑ 'Thermal Designing of the BURAN Orbital Spaceship' by Voinov L.P.
- ↑ aerospaceweb.org: Bild der zerstörten Burran
- ↑ http://www.buran-energia.com/bourane-buran/bourane-modele-101.php
- ↑ Bild von Buran 1.02
- ↑ OK-M
- ↑ OK-M (2)
- ↑ Gorki: [2] (englisch)
- ↑ Bild
- ↑ Bild Innenraum
- ↑ 0.06
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