Buscetta

Buscetta

Tommaso Buscetta (* 13. Juli 1928 in Palermo; † 4. April 2000 in New York, NY), auch Don Masino genannt, war ein sizilianischer Mafioso. Er wurde zum wichtigsten Kronzeugen in den großen Maxi-Prozessen der 1980er und 1990er Jahre.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Frühe Jahre

Tommaso Buscetta war ein Sohn eines Glasers und wuchs in einem verarmten Teil Palermos auf. Er entkam der Armut, indem er sich bereits in jungen Jahren an kriminellen Aktivitäten beteiligte. Im Alter von 17 Jahren heiratete er Melchiorra Cavallaro, mit der er zwei Söhne bekam. Mit 18 Jahren wurde er Mitglied der Mafia. Er gehörte der Mafia-Familie von Porta Nuova an, einer Palermitanischen Familie. Buscetta emigrierte 1949 nach Buenos Aires, wo er ohne großen Erfolg eine eigene Glasfabrik eröffnete. Im Jahre 1955 kehrte er nach Palermo zurück. Laut seinen eigenen Angaben traf er in jenem Jahr auch den amerikanischen Mafiaboss Joseph Bonanno, der in Palermo Urlaub machte und der sizilianischen Cosa Nostra bei einem Treffen im eleganten Hotel des Palmes den (erfolgreichen) Vorschlag machte, eine Kommission zu bilden: Diese sollte einen besseren Kontakt zwischen den diversen Familien herstellen und Streitigkeiten sowohl innerhalb der Familien als auch zwischen diesen schlichten.

Erster Mafiakrieg

1962 begann der Erste Mafiakrieg, an dem auch Buscetta beteiligt war; seine Rolle ist jedoch unklar und es gibt nach wie vor verschiedene Versionen über die Ursachen des Krieges und die Rolle, die Buscetta hierbei spielte. Mutmaßlich war Buscetta einer der Hauptbeteiligten und beging im Laufe des Konfliktes auch einige Morde. Im Sommer 1963 tagte die Kommission und beschloss, sich angesichts des starken Drucks der polizeilichen Ermittlungen vorerst aufzulösen. Die Familien zerfielen und es gab Mitte der 60er Jahre keine Mafiaverbrechen in Palermo mehr. Buscetta wechselte nun seine Position innerhalb der Cosa Nostra: War er zuvor ein Angehöriger des sogenannten Machtsyndikats gewesen und hatte versucht, eine führende Position in der Cosa Nostra zu erlangen, so wechselte er nun in das Unternehmungssyndikat und arbeitete an seinem wirtschaftlichen Erfolg. Wie viele andere ging auch Buscetta aus Palermo fort und reiste in die Schweiz, nach Kanada und schließlich in die Vereinigten Staaten; später besuchte er auch Brasilien. Dort baute er ein Drogenhandel-Netzwerk auf. In dieser Zeit heiratete er zunächst Vera Girotti und nahm den Namen Paulo Roberto Felici an. Später heiratete er als Vierzigjähriger die Brasilianerin Cristina de Almeida Guimares. Durch diesen `unsteten´ Lebenswandel blieb ihm der weitere Aufstieg in führende Ränge immer verwehrt, obwohl er ansonsten großen Respekt genoss und innerhalb der Cosa Nostra mit den ranghöchsten Bossen verkehrte. Während seiner Abwesenheit wurde er 1968 wegen Doppelmord von einem italienischen Gericht verurteilt. Am 2. November 1972 verhaftete ihn die brasilianische Polizei, klagte ihn aber nicht wegen internationalen Drogenschmuggels an, sondern schickte ihn zurück nach Italien, wo er zunächst bis zum 13. Februar 1980 im Gefängnis Ucciardone in Palermo einsaß. Frisch entlassen, wohnte er u.a. bei seinen guten Freunden Stefano Bontade und Salvatore Inzerillo, beides wichtige palermitanische Mafiabosse. Besonders mit Bontade war er eng befreundet; dieser wollte sogar erreichen, dass Buscetta von der Familie Porta Nuova zur Bontade-Familie Santa Maria di Gesu überwechselt. Buscettas Boss, Giuseppe „Pippo“ Calò, zu dem Buscetta ein eher loses Verhältnis hatte, verhinderte dies jedoch. Während seines Aufenthaltes bei Bontade und Inzerillo merkte er, dass diese blind waren für die Bedrohung, die von der wachsenden Macht der Corleoneser ausging. Beide interessierten sich ausschließlich für den Heroinhandel, der über die Pizza Connection lief und Teilen der Cosa Nostra einen immensen Wohlstand einbrachte. Den Zweiten Mafiakrieg vorausahnend, ging Busctta im Januar 1981 über Paraguay zurück nach Brasilien. Der erwartete Krieg begann am 23. April 1981, als Stefano Bontade am Abend seines 43. Geburtstages von einem Killerkommando um „Pino“ Greco ermordet wurde. Am 11. Mai 1981 wurde auch Salvatore Inzerillo getötet; auch hunderte ihrer Anhänger wurden in der Folge von den siegreichen Corleonesern ermordet, um die absolute Herrschaft über die Cosa Nostra zu erringen. Auch viele andere enge Freunde Buscettas fielen dem Krig zum Opfer. Die Versuche unterlegener Bosse wie Gaetano Badalamenti, ihn zu Rückkehr nach Palermo zu überreden um dort den Kampf gegen die Corleoneser zu organisieren, lehnte er als aussichtslos ab.

Pentito

Ende 1983 wurde Buscetta in seinem brasilianischem Exil von der dortigen Polizei festgenommen. Im Gefängnis schluckte er Strychnin, überlebte seinen Selbstmordversuch aber. Im Juni 1984 besuchten ihn die beiden Richter Giovanni Falcone und Vincenzo Geraci, Buscetta schwieg jedoch. Erst nach seiner Auslieferung an Italien offenbarte er Giovanni Falcone: „Ich bin ein Mafioso“. Er wurde damit zum ersten bedeutenden „Pentito“ in Sizilien und sagte als Kronzeugen in den drei Maxi-Prozessen gegen die Mafia aus. Seine Aussagen führten auch zur Überführung von Antonio Salvo und Ignazio Salvo und Vito Ciancimino. In der Folge wurde 1993 auch Totò Riina, der Anführer der Corleonesi, festgenommen. Buscetta erhielt für seine Geständnisse und die Aufklärung vieler Mafiaverbrechen vom italienischen Staat im Rahmen eines Zeugenschutzprogramms Straffreiheit; d.h. seine Strafe wurde auf drei Jahre begrenzt und er erhielt eine Rente auf Lebenszeit. Er erhielt eine neue Identität; durch mehrere Eingriffe der kosmetischen Chirurgie wurde sein Aussehen verändert und er lebte anschließend unter dem Schutz des US-amerikanischen Zeugenschutzprogramms in einer Kaserne in den USA. [1]

Die Mafia tötete aus Vergeltung für den Bruch der so genannten Omertà, einem Teil des Ehrenkodexes der Mafia, 14 Verwandte Buscettas, darunter zwei Söhne und zwei Neffen.

In den 1990er Jahren beschuldigte er den Europaabgeordneten Salvatore Lima und den siebenmaligen Ministerpräsidenten Giulio Andreotti, Beziehungen zur Mafia unterhalten zu haben – Aussagen, die von seinen Gegnern bezweifelt wurden, da Buscetta mehrfach widersprüchliche Angaben über sein Leben als Verbrecher und Mörder gemacht hatte; auch neigte er dazu, sein eigenes und das kriminelle Profil seiner Freunde wie Stefano Bontade herunterzuspielen. Laut Busetta sei schon Limas Vater ein Mitglied der `ehrenwerten Gesellschaft´ gewesen. Buscetta sagte weiterhin aus, die CIA habe über die mit dem US-Geheimdienst damals verbundene amerikanische La Cosa Nostra der Cosa Nostra aufgetragen, Enrico Mattei zu ermorden. Der Journalist Mauro De Mauro, der die Hintergründe der Ermordung Matteis erforschte, wurde 1970 auf Sizilien ermordet. Laut Gaspare Mutolo, einem weiteren bedeutenden Pentito und ehemealigen Drogenhändler, war die Cosa Nostra auch für den Mord an De Mauro verantwortlich. Die Einordnung Buscettas als Pentito/Reuigem ist umstritten, da das eigentliche Motiv für die Kooperation mit dem Staat der Wunsch nach Vergeltung an den Corleonesern war. Da dies auf andere Weise undurchführbar war, setzte er hierfür den Staat ein - ebenso wie viele andere Pentiti, die ihm nachfolgten. Buscetta selbst lehnte es ab, als Pentito bezeichnet zu werden. In seinen letzten Lebensjahren war er sehr pessimistisch, was die Erfolgsaussichten im Kampf gegen die Cosa Nostra betraf: Der Titel seines letzten Buches lautete „Die Mafia hat gewonnen.“ Buscetta starb im Jahre 2000 an Krebs.

Einzelnachweise

  1. Werner Raith: Parasiten und Patrone. Siziliens Mafia greift nach der Macht; Büchergilde Gutenberg; Frankfurt a.M. 1990; ISBN 3-7632-3737-2

Literatur

  • Dickie, John: Cosa Nostra - Die Geschichte der Mafia S.Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2007, ISBN 978-3-596-17106-4
  • Lucio Galluzzo: Das gebrochene Schweigen. Tommaso Buscetta - Mafia-Capo und Verräter, Jugend und Volk, Wien-München 1994 ISBN 3-224-16088-8
  • Stille, Alexander Die Richter: Der Tod, die Mafia und die italienische Republik C.H.Beck Verlag, München,1995 ISBN 3-406-42303-5
  • Falcone, Giovanni / Padovani, Marcelle: Inside Mafia Herbig Actuell, München,1992 ISBN 3-7766-1765-9

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