Böög

Böög
Verbrennung des Böögg 2005

Sechseläuten (Zürichdeutsch: Sächsilüüte) ist ein Frühlingsfest in Zürich. Es findet Mitte April statt. Im Mittelpunkt des Festes steht die Figur Böögg, ein künstlicher Schneemann, der den Winter symbolisiert.

Inhaltsverzeichnis

Das Fest

Musikkorps einer Zunft auf der Festwiese

Kinderumzug

Am Sonntag vor dem Sechseläuten findet der seit 1862 veranstaltete Kinderumzug statt. An diesem können alle Kinder zwischen fünf und fünfzehn Jahren teilnehmen, die eine Tracht oder eine Uniform tragen.

Umzug der Zünfte

Am Montagnachmittag findet der Zug der Gesellschaft zur Constaffel und der 25 Zürcher Zünfte statt. Rund 3500 Zünfter in ihren farbenfrohen Kostümen, Trachten und Uniformen, ihre Ehrengäste, über 350 Reiter, rund 50 ausschliesslich von Pferden gezogene Wagen und gegen 30 Musikkorps ziehen im Kontermarsch durch die Bahnhofstrasse und das Limmatquai zum Sechseläutenplatz beim Bellevue. Die Zugsordnung wird jährlich im November durch die Delegierten des Zentralkomitees der Zünfte Zürich (ZZZ) ausgelost. Die Zünfte zum Weggen, zum Kämbel und Wiedikon stehen dabei auf Grund ihrer grossen Reitergruppen in einem definierten Rotationsmodus an erster respektive letzter Stelle im Zug. Angeführt wird der Zug der Zünfte jeweils von der Stadtpolizei Zürich, dem ZZZ, den Gemeindebannern und des Gastkantons. Zünfter und Ehrengäste werden von den Zuschauern mit Blumen und Küsschen beschenkt.

Böögg-Verbrennung

Umritt am Sächsilüüte 2007
Brenndauer des Bööggs – Gastkanton
2010 Nidwalden
2009 12 Min. 55 Sek. Schaffhausen
2008 26 Min. 01 Sek. Solothurn
2007 12 Min. 09 Sek. Zug
2006 10 Min. 28 Sek. Aargau
2005 17 Min. 52 Sek. Freiburg
2004 11 Min. 42 Sek. Graubünden
2003   5 Min. 42 Sek. Schwyz
2002 12 Min. 24 Sek. Tessin
2001 26 Min. 23 Sek. Appenzell Ausserrhoden
2000 16 Min. 45 Sek. Uri
1999 23 Min. 52 Sek. Waadt
1998 10 Min. 13 Sek. Zürich
1997   7 Min. 30 Sek. Thurgau
1996   8 Min.   ? Sek. Genf
1995   5 Min. 51 Sek. Glarus
1994 21 Min. 55 Sek. Wallis
1993 23 Min. 30 Sek. Basel-Stadt
1992 10 Min. 13 Sek. St. Gallen
1991 12 Min. 77 Sek. Luzern
1990 10 Min. 30 Sek.  
1989 24 Min.  ? Sek.  
1983 24 Min. 20 Sek.  
   
1981 14 Min. 10 Sek.  
   
1974   5 Min.   7 Sek.  

Um 18 Uhr wird der Böögg verbrannt, auch wenn die letzten Zünfte meist noch nicht am Festplatz eingetroffen sind. Der Böögg steht auf einem grossen Scheiterhaufen in der Mitte der Grünfläche auf dem Sechseläutenplatz. Während dieser brennt, reiten die Reitergruppen der verschiedenen Zünfte -in der Umzugsreihenfolge- drei Mal um den Böögg. Je schneller der mit Feuerwerkskörpern gefüllte Böögg den Kopf verliert, desto schöner soll anschliessend der Sommer werden. Bemerkenswert dabei ist: Die Brenndauer des Böögg korreliert in einer grossen Zahl der Jahre erstaunlich genau mit dem anschliessenden Sommerwetter in der Schweiz, vergleiche z.B. die Jahre 2003 bis 2007. Eine statistische Analyse kann aber diese Vermutung nicht erhärten.

Seit einigen Jahren erfreut sich ein weiteres, inoffizielles Element des Festes immer grösserer Beliebtheit: Hunderte von Personen gesellen sich ab ca. 22 Uhr auf die Sechseläutenwiese, holen sich mit Schaufeln etwas Glut aus dem noch immer sehr heissen Holzstapel und braten darüber ihr selbst mitgebrachtes Grillgut. Auch bei kühler Witterung sorgt die Strahlungswärme des Scheiterhaufens für Lagerfeueratmosphäre. Das mehrheitlich jüngere, multikulturelle Publikum kontrastieren dabei mit dem traditionell ablaufenden Fest tagsüber.

Seit 1902 wird der Böögg am heutigen Sechseläutenplatz abgebrannt.

Auszug

Nach dem Nachtessen im Zunft-Lokal findet um ca. 21 Uhr der Auszug statt, bei dem sich die Zünfte gegenseitig besuchen. Da gleichzeitig 26 Zunftauszüge, je mit Musikkorps und mit ihren farbigen Laternen, kreuz und quer durch die Innenstadt unterwegs sind, ist das immer ein schönes, farbenfrohes Ereignis.

Platz der Kantone

Begleitend zu den Umzügen stellt sich seit dem Jahr 1991 auf dem Lindenhof, dem auf die Römerzeit zurückgehenden historischen Zentrum der Stadt Zürich, jeweils ein Gastkanton vor. Während mehrerer Tage werden in Zelten regionale Spezialitäten angeboten. Politiker aus dem Gastkanton sind häufig Ehrengäste beim Umzug der Zünfte.

Zünfte

Der am Montag des Sechseläuten Wochenendes stattfindende „Zug der Zünfte“ ist der Hauptanlass des Sechseläutens. Die 26 Zünfte marschieren jedes Jahr in einer wechselnden Reihenfolge. Traditionsgemäss werden die Zünfter während des Umzugs von meist weiblichen Verwandten und Bekannten mit Blumen beschenkt.

Geschichte

12 der heutigen 26 Zünfte wurden im Mittelalter gegründet und waren Zusammenschlüsse verschiedener Handwerksvereinigungen, Innungen, Gilden, Korporationen und Meistergruppen, welche die Interessen ihres Gewerbes oder Standes vertraten. Die Zünfte waren wirtschaftliche, politische und militärische Organisationen und besassen in Zürich grosse Macht. Aus ihren Vertretern wurde der Rat gebildet. 1798, nach 462 Jahren Vorherrschaft der Zünfte, wurde ihnen die Macht entzogen. Nach dem Einmarsch der Franzosen unter der Devise „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ wurden die Zünfte aufgelöst und verkauften mit wenigen Ausnahmen ihr Zunfthaus.

In der Zeit des Biedermeiers, als politische und berufsbezogene Aufgaben fehlten, suchten junge Zünfter innerhalb ihres Kreises neue Betätigungen. Ab 1818 begannen sie mit einfachen nächtlichen Umzüglein, die sich auch in den folgenden Jahren wiederholten, 1830 erstmals bei Tag. Seither bilden die Constaffel und die Zünfte Vereinigungen, «in welchen der alte Kern der Bürgerschaft die Liebe zur Vaterstadt, zur engern und weitern Heimat, einen gut bürgerlichen Sinn und das Verständnis für alte zürcherische Sitten, Gebräuche und Feste wachhält und pflegt». Kurz: Vereinigungen von Männern mit ähnlichen traditionellen Interessen, während ab Mitte des 15. Jahrhunderts bis zum Ende des Anciens Régimes alle Stadtbürger, also auch die Frauen, Mitglied einer Zunft waren.[1]

Ende des 19. Jahrhunderts entstand eine Gesellschaft, um „den gleichen Zwecken zu dienen wie die alten Zünfte“. Dieser „Stadtzunft“, wie sich die neue Gesellschaft nannte, folgten dann weitere Zünfte „der neuen Linie“, die meisten in zwei Schüben, nämlich im Zusammenhang mit den Eingemeindungen von 1893 und 1934. Die Gründerväter der Quartierzünfte wollten sich einerseits bewusst zur Stadt bekennen, andererseits die Erinnerung an die ehemaligen Gemeinden wach halten.

Name Wappen Beschreibung Gründung Zunft-/Gesellschaftshaus Website
Gesellschaft zur Constaffel Gesellschaft der Ritter und Edelleute 1336 Haus zum Rüden Website
Zunft zur Saffran Zunft der Händler vor allem Textil-, Eisenwaren-, Lebensmittel- und Gewürzhändler 1336 Zunfthaus Zur Saffran Website
Zunft zur Meisen Zunft der Weinhändler, Weinwirte, Sattler und Maler 1336 Zunfthaus zur Meisen
Zunft zur Schmiden Zunft der Eisen-, Kupfer-, Silber- und Goldschmiede, Kannengiesser, Schlosser, Uhrmacher, Glockengiesser, Spengler und Ärzte (Bader und Scherer) 1336 Zunfthaus Zur Schmiden Website
Zunft zum Weggen Zunft der Bäcker und Müller 1336 Restaurant Weisser Wind Website
Vereinigte Zünfte zur Gerwe und zur Schuhmachern Zunft der Gerber und Schuhmachern 1336, Vereinigung der beiden Zünfte 1877 Hotel Savoy Website
Zunft zum Widder Zunft der Metzger und Viehhändler 1336 Widder Hotel Website
Zunft zur Zimmerleuten Zunft der Zimmerleute, Maurer, Wagner, Drechsler, Holzhändler, Steinmetze, Hafner und Rebbauern 1336 Zunfthaus Zur Zimmerleuten Website
Zunft zur Schneidern Zunft der Tuchausrüster, Kürschner und Schneider 1336 Zunfthaus Zum Königstuhl Website
Zunft zur Schiffleuten Zunft der Fischer und Schiffleute 1336 Hotel zum Storchen Website
Zunft zum Kämbel Zunft der Lebensmittelhändler und Weinfuhrleute 1336 Zunfthaus zur Haue Website
Zunft zur Waag Zunft der Wollweber, Hutmacher, Leinenweber und Leinenhändler 1336, Vereinigung mit der Zunft der Wollweber und der Zunft der Leinenweber 1440 Zunfthaus und Restaurant Zur Waag Website
Stadtzunft Zunft der Stadt Zürich (Altstadt) 1867 Zunftstube: Hotel Marriott Website
Zunft Riesbach Zunft des Quartiers Riesbach 1887 Restaurant Zum Grünen Glas Website
Zunft Fluntern Zunft des Quartiers Fluntern 1895 (nur am Sechseläuten): Kunsthaus Restaurant Website
Zunft zu den Drei Königen Zunft des Quartiers Enge 1897 Kongresshaus, Dreikönigsaal
Zunft Hottingen Zunft des Quartiers Hottingen 1897 Zunfthaus „Am Neumarkt“ Website
Zunft zu Wiedikon Zunft des Quartiers Wiedikon 1897 Gasthof zum Falken/Falcone Website
Zunft Wollishofen Zunft des Quartiers Wollishofen 1900 Restaurant Belvoirpark
Zunft Hard Zunft der Quartiere Aussersihl und Hard 1922 Restaurant Werdguet Website
Zunft Oberstrass Zunft des Quartiers Oberstrass 1925 Taverne zur Linde Website
Zunft St. Niklaus Zunft der Quartiere Affoltern, Oerlikon und Seebach 1933 Restaurant Carlton Website
Zunft Höngg Zunft des Quartiers Höngg 1934 Restaurant Mülihalde/Desperado Website
Zunft zur Letzi Zunft der Quartiere Altstetten und Albisrieden 1934 Restaurant Letzistube/Zum Turm Website
Zunft Schwamendingen Zunft des Quartiers Schwamendingen 1975 Gasthof Hirschen
Am Sechseläuten: Hotel Glockenhof
Website
Zunft Witikon Zunft des Quartiers Witikon 1980 Zunftstube: Restaurant Elefant
Am Sechseläuten: Hotel Schweizerhof
Website

Zunfthäuser

Jede Zunft besitzt ein Zunfthaus oder eine Zunftstube, in der das ganze Jahr über die Anlässe und Veranstaltungen der jeweiligen Zunft stattfinden. Diese Zunftstuben liegen zum grössten Teil in der Zürcher Altstadt, einige Zünfte, besonders Quartierzünfte, besitzen mehr als ein Zunftlokal und beziehen am Sechseläuten auch ein Lokal in der Altstadt.

Datum

Das Datum des Sechseläutens wurde vom Stadtrat auf den dritten Montag des Monats April festgelegt. Fällt dieser Tag in die Karwoche, so wird das Sechseläuten am zweiten Montag abgehalten. Fällt der dritte Montag im April auf den Ostermontag, so wird das Fest auf den vierten Montag verschoben (Stadtratsbeschluss Nr. 1214 vom 13. Juni 1952).
Im Jahr 2001 wurde folgende Zusatzregelung eingeführt: Fällt der nach den obenstehenden Regeln gefundene Termin in die Frühlingsferien der Volksschule oder in die Woche des 1. Mai, so wird ein Ausweichdatum gesucht.

Geschichte

Im Zürcher Sechseläuten verbinden sich brauchtümliche Elemente der Fastnacht und der Frühlingsfeste (Austreiben des Winters, Märzen- und Osterfeuer, Feier der Tagundnachtgleiche, Maibräuche) mit den Umzügen der Zünfte (Aschermittwochumzug der Metzger; Umzug der Schmidenzunft am Hirsmontag, sechs Wochen vor Ostern).

Zum Zeichen des Frühlings ist in Zürich am ersten Montag, welcher auf die Tagundnachtgleiche folgte, abends um 6 Uhr das erste Mal die Feierabendglocke beim Grossmünster geläutet worden, was Anlass für das Frühlingsfest war. Das Verbrennen eines Bööggs vor der Lindenhofmauer am Abhang gegen die Limmat fand schon im 18. Jahrhundert statt. Der „Böögg“ war ursprünglich eine vermummte Schreckgestalt; diese Bezeichnung ist in Zürich schon seit dem 15. Jahrhundert belegt. Bööggen sind Larven tragende oder sonst vermummte Personen, die Kinder erschrecken, Unfug treiben oder bettelnd durch die Strassen ziehen.

Im frühen 19. Jahrhundert verbrannten Buben im Kratzquartier (Fraumünsterquartier) Strohpuppen zur Zeit der Tagundnachtgleiche im Frühjahr. Aus dem Sechseläutenfeuer im Kratz, das seit 1868 ein Anwohnerverein organisierte, entwickelte sich die heutige Verbrennung des Bööggs. Auch verschiedene weitere Private verbrannten ihren Böögg, so z.B. brachten 1873 die Zöglinge der Zürcher Blinden- und Taubstummenanstalt eine von ihnen aus alten Kleidern und Stroh gebastelte Figur, die sie als Dieb bezeichneten, vor ihren Direktor und verbrannten sie nach dessen Urteilsspruch am Sechseläutentag.

Wurden im 19. Jahrhundert verschiedenste Figuren an verschiedenen Orten „hingerichtet“, kennt das 20. Jahrhundert nur mehr die Vernichtung eines Schneemanns, der den Winter symbolisiert. Seit 1902 wurde der Böögg auf dem Platz der 1897 abgebrochenen alten Tonhalle verbrannt; 1947 hat der Stadtrat den Tonhalleplatz in Sechseläutenplatz umbenannt. Nur ein Mal ist im 20. Jahrhundert die Verbrennung nicht gelungen: 1923 war der Regen zu stark.

Da Frauen im offiziellen Sechseläuten-Umzug mit Ausnahme offiziell geladener Gäste seit 1952 nicht mehr mitmarschieren dürfen,[1] organisiert die Gesellschaft zu Fraumünster (Frauenzunft) einen eigenen Umzug, der eine halbe Stunde vor dem Zug der Zünfte auf der gleichen Route stattfindet.

Sabotage

  • 1921 wurde der Böögg frühzeitig von einem Knaben angezündet. Es heisst, dass Kommunisten ihn dazu angestiftet hatten.
  • 2006 wurde der Böögg von der Fertigungstätte in Stäfa entwendet. Der Bööggbauer wurde trotz fahrlässiger Lagerung von Sprengstoff nicht angezeigt. Ein Bekennerschreiben wurde von der Gruppe «1. Mai – Strasse frei» hinterlegt. Am Sechseläuten kam ein Ersatzböögg zum Einsatz, der eigentlich für den Kinderumzug gedacht war. Der originale Böögg tauchte an der Erst-Mai-Feier am Helvetiaplatz wieder auf, verschwand aber wieder. Einen Tag danach, am 2. Mai, wurde er von der Zürcher Kantonspolizei in einem Bunker eines Schulhauses in der Zürcher Innenstadt gefunden und in der Stadtgärtnerei untergebracht. Von dort ist er am 21. Mai zum zweiten Mal entwendet worden.

Unfälle

1993 fiel der Böögg vom Stapel, bevor der Kopf explodierte. Helfer warfen den Kopf darauf ins Feuer.

Weitere Sechseläuten

Seit 2004 existiert auch im ebenfalls Zürcherischen Bassersdorf ein Sechseläuten. Der Partneranlass im kleineren Bassersdorf erfreut sich grosser Beliebtheit und wurde die ersten drei Male illegal durchgeführt.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. a b Tages-Anzeiger, 12. April 2007.

Weblinks


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