Abd ul Asis

Abd ul Asis
Portrait Abd ul Azizs

Abd ul Aziz, Abdulaziz (* 8. Februar 1830 im Topkapı-Palast; † 4. Juni 1876 im Feriye Palais) war der 32. Sultan der Osmanen. Seine Herrschaftszeit fiel in die Zeit der Tanzimat-Reformen. Er war der erste osmanische Herrscher, der das europäische Ausland aufsuchte. In den ersten Jahren dominierte unter seiner Herrschaft die Reformpolitik. In den letzten Jahren kam es zur Krise des Staates, die in Aufständen in einigen Provinzen und im Staatsbankrott gipfelten. Am Ende wurde der Sultan abgesetzt und getötet.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Abd ul Aziz war der zweite Sohn des Sultans Mahmud II.. Seine Mutter war Pertevniyal-Sultan (Besime), eine gebürtige Tscherkessin, die 1876 verstarb. Abd ul Aziz wurde im Sultanspalast erzogen und lebte wie für osmanische Thronerben üblich von der Öffentlichkeit isoliert.

Ära der Reformpolitik

Am 25. Juni 1861 folgte er seinem Bruder Abd ul Medschid auf dem Thron. Wie seine Vorgänger setzte Abd ul Aziz den innenpolitischen Reformkurs und die Annäherung an Europa fort. Er bestätigte 1856 das hatt-i sherif von Gülhane (1839) und setzte seine Zivilliste von 75 auf 12 Millionen Piaster herab.

Neue finanzielle Lasten entstanden durch die Modernisierung der osmanischen Armee. Zur Finanzierung wurden mehrere Anleihen aufgelegt.

Politisch war seine Regierung durch den Aufstand auf Kreta 1866 bis 1869, den Aufstand in Bosnien und Herzegowina (1875), sowie das Streben von Serbien und Rumänien nach völliger Selbstständigkeit stark belastet, aber auch durch wiederholte Ausbrüche des muslimischen Fanatismus. 1869 gelang es, den Jemen erneut zu besetzen.

Unter Abd ul Aziz hatten Mehmed Fuad Pascha und Mehmed Emin Ali Pascha zentralen Einfluss auf die Politik. Ein Zeichen der Annäherung an Europa war der Besuch des Sultans bei der Pariser Weltausstellung im Jahr 1867 und seine anschließenden Reisen nach London und Paris.

Zu den Reformen gehörten 1864 die Aufhebung der Vorzensur sowie die rechtliche Gleichstellung der Ausländer. Im Jahr 1863 folgte eine novellierte Provinzialordnung. Im Jahr 1868 wurden ein Staatsrat und ein Kassationsgerichsthof eingerichtet. Zur Ausbildung von Juristen wurde 1870 eine neue Rechtsschule gegründet, die bald den traditionellen Medressen den Rang ablief. Den Jungtürken gingen die Reformen nicht weit genug, die die Regierung vor allem aus dem Exil heraus kritisierten.

Staatskrise, Absetzung und Tod

Nach dem Tod von Mehmed Fuad und Mehmed Emin Ali ernannte Abd ul Aziz 1871 Mahmud Nedim Pascha zum Großwesir. Der Sultan versuchte statt seines Neffen Murad, den die alte Thronfolgeordnung bestimmte, seinen Sohn Jussuf Izzedin zum Erben des Reichs ernennen zu lassen. Um dies vorzubereiten, hatte er schon 1865 dem Vizekönig von Ägypten das Erstgeburtsrecht zugestanden. Sogar mit Russland ließ er sich in Verhandlungen über einen Staatsstreich mit russischer Hilfe ein, um die alte Thronfolgeordnung umzustürzen.

Im Jahr 1875 spitzte sich die Lage durch den sich abzeichnenden Staatsbankrott zu. Beigetragen dazu hat die Modernisierung der Armee, aber auch der zunehmend luxuriöse Lebensstil des Sultans und dessen Bauvorhaben. Im Jahr 1875 kam es zu Aufständen in Bosnien und Herzegowina, 1876 auch in Bulgarien. In der Hauptstadt kam es am 11. Mai 1876 zum Aufstand gegen Mahmud Nedim. Abd ul Asis entließ diesen, wurde aber in der Nacht vom 29. zum 30. Mai 1876 von Hussein Avni, Midhat Pascha, Mehemed Rüschdi und Suleiman zur Abdankung gezwungen. Am 4. Juni wurde Abd ul Aziz auf deren Befehl im Tscheragan-Palast ermordet. Man gab vor, er habe sich mit einer Schere selbst die Pulsader aufgeschnitten. 1881 aber wurden die noch lebenden Paschas Midhat, Nuri und Mahmud wegen der Ermordung Abd ul Asis' zum Tod verurteilt, jedoch nicht hingerichtet. Avni Pascha wurde einige Tage nach der Ermordung des Sultans wiederum vom Schwager Abd ul Aziz, dem Prinzen Hasan-Bey Barakay und Bruder seiner fünften Gattin Neşerek Kadin Efendim, ermordet. Prinz Barakay versuchte durch die Ermordung der Paschas den Tod seiner Schwester zu rächen, die ebenfalls Opfer jener Paschas geworden war. Der gemeinsame Sohn Mehmed Salâhaddin (1870) überlebte, seine Nachkommen, über seine Enkelin Nemzade Hatice Sultan (1913–2000), leben in Deutschland. Der einzige männliche Vertreter dieser Linie ist derzeit Prinz Timur Can (1978).

Gestiftete Orden

Literatur

  • Klaus Kreiser, Christoph K. Neumann: Kleine Geschichte der Türkei; Stuttgart 2003; ISBN 3-15-010540-4; S. 330–338.

Weblinks


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